Magazinrundschau
Alex Ross: Das wohltemperierte Internet
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
16.10.2007. Der New Yorker stellt das wohltemperierte Internet vor. In Magyar Narancs sucht der Schriftsteller Richard Fekete im Internet den Kontakt zum Publikum, den die Zeitschriften meiden. Der Economist beobachtet Graswurzelorganisationen mittelalter Vorstädter im Netz. Der Spectator begutachtet ein chinesisches Gefängnis von innen. Reset.doc diskutiert Moscheenbau in Italien. Il Foglio kennt einen ganz dicken. In der Weltwoche erklärt der Agrarwissenschaftler Norman Borlaug den Reichen und Verwöhnten: es gibt kein Null-Risiko. In Salon.com diskutieren die zehn mächtigsten Frauen Hollywoods.
New Yorker (USA), 22.10.2007
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Margaret Talbot porträtiert ausführlichst David Simon, den Schöpfer der HBO-Serie "The Wire", der - kann man es anders sagen? - besten Krimiserie aller Zeiten: "Rafael Alvarez, ein früherer Reporter der Baltimore Sun, den Simon als einen Autor fürs Drehbuch angeheuert hat, sagte: 'In einem russischen Roman, arbeitet sich der Leser durch die ersten hundert Seiten. Dann wendet sich das Blatt und man versinkt in dem Roman. Bei 'The Wire' könnte es gut bis zur sechsten Folge dauern, bis man drin ist.'"Die Schöpfer von 'The Wire' würden niemals behaupten, dass ihre Arbeit so gut wie die von Tolstoi oder Dickens sein, aber so ganz können sie dem Vergleich auch nicht widerstehen."
Weiteres: John Updike bespricht eine Biografie von David Michaelis über Charles Schulz, Schöpfer der "Peanuts" (Harper Collins). Thomas Mallon rezensiert eine Studie über Wernher von Braun: "Von Braun: Dreamer of Space, Engineer of War" (Knopf). Paul Goldberg stellt die "spielerische" Architektur von Will Alsop vor. Sasha Frere-Jones fragt sich in einem längeren Artikel, warum Indie-Rock "so weiß" und langweilig geworden ist. Und Anthony Lane sah im Kino "We own the Night" von James Gray und "Lust, Caution" von Ang Lee. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Among Animals and Plants" von Andrei Platonov und Lyrik von Louise Glück, Franz Wright und Jack Gilbert.
Nur im Print: Porträts der iranischen Videokünstlerin Shirin Neshat, des Geschäftsführers der Metropolitan Opera Peter Gelb und des amerikanischen Historikers Jacques Barzun, der 100 Jahre alt wird, sowie eine Betrachtung über entzauberte Filmstars.
Magyar Narancs (Ungarn), 11.10.2007
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Nepszabadsag (Ungarn), 13.10.2007
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Economist (UK), 12.10.2007
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In weiteren Artikel geht es unter anderem um den möglichen Verzicht der Musikindustrie auf Kopierschutzverfahren, die Annäherung Nestor Kirchners an die argentinischen Juden und die Probleme der SPD mit der Linkspartei in Deutschland. Die Titelgeschichte ist der wachsenden Kluft zwischen Armen und Reichen in China gewidmet. Besprochen wird Brian DePalmas Film "Redacted".
Foglio (Italien), 15.10.2007
Leone Piccioni plaudert in seinem Buch "Memoria e fedelta" aus dem Nähkästchen des italienischen Literaturbetriebs der Nachkriegszeit. Gabriella Mecucci zitiert die Höhepunkte. "Der genialste italienische Schriftsteller, Carlo Emilio Gadda, war ein ziemlich extravaganter und naiver Charakter, weshalb er zum Ziel von entzückenden Scherzen wurde, die er oft nicht verstand. Ein glühender Monarchist, regte er sich Anfang der Sechziger über die Nachricht auf, die Prinzessin Titti di Savoia habe eine Beziehung mit Maurizio Arena, einem 'armen, aber schönen' Mann, nur Muskeln, wenig Hirn. Goffredo Parise und Leone Piccioni, leitender Redakteur beim Rai und Sohn eines wichtigen Christdemokraten, einigten sich darauf, das auszunutzen. Schon am nächsten Tag hat Parise ein Abendessen mit Gadda, und dieser fängt wie erwartet an, sich über das Gebaren von Titti aufzuregen. Wie kann es sein, dass eine Savoy sich mit Maurizio Arena einlässt? Parise gibt sich als konzentrierter Zuhörer und meint, nachdem er die Flasche Mineralwasser angeboten hat: 'Man sagt, seiner ist so dick'. Dieselbe Szene ereignet sich am darauffolgenden Abend. Diesmal ist der Tischgast Leone Piccioni. Das gleiche Gejammer des Meisters über Titti, und wieder der Verweis auf die Flasche: 'Man sagt, er hat einen so dicken." Gadda schnellt in die Höhe, wird puterrot und ruft mit lauter verzweifelter Stimme: 'Aber dann ist es wahr!'"
Außerdem: Siegmund Ginzberg porträtiert stolz und doppelseitig (hier und hier) Mario Capecchi, den italienisch-amerikanischen Medizinnobelpreisträger. Und Giulio Meotti widmet sich dem einzigen schwarzen Mitglied des Supreme Courts und "meistgehassten Richter Amerikas", Clarence Thomas, und dessen Buch.
Außerdem: Siegmund Ginzberg porträtiert stolz und doppelseitig (hier und hier) Mario Capecchi, den italienisch-amerikanischen Medizinnobelpreisträger. Und Giulio Meotti widmet sich dem einzigen schwarzen Mitglied des Supreme Courts und "meistgehassten Richter Amerikas", Clarence Thomas, und dessen Buch.
Spectator (UK), 13.10.2007
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q62/A18581/spectator.jpg)
Weltwoche (Schweiz), 11.10.2007
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Als "krankes Spektakel" bezeichnet Beatrice Schlag die Aufregung um Britney Spears, vor allem aber die Häme, die über der gestürzten Ikone ausgegossen wird: "Warum ist es ein Fest, auf eine Frau einzuhacken, die so offensichtlich am Boden ist? Britney Spears hat, von einer maßlos ehrgeizigen Mutter getrieben, in Fernsehstudios gearbeitet, während andere eine Jugend hatten. Jetzt taumelt sie, noch keine 26, vor den Augen der Welt von einer Katastrophe in die nächste, privat und beruflich. Was gibt es da noch niederzumachen?"
ResetDoc (Italien), 12.10.2007
Auch in Italien gibt es heftige Diskussionen über das Verhältnis zu den Muslimen im eigenen Land. Heftig umstritten sind geplante Moscheebauten in Bologna und Genua. Die Bürgermeister beider Städte zögern, der von Bologna denkt über ein Referendum nach. Der Soziologieprofessor Stefano Allievi hält das für einen fatalen Fehler: "Es ist nicht akzeptabel, dass hier eine mutmaßliche Mehrheit darüber abstimmen soll, ob eine Minderheit die ihr zustehenden Rechte frei ausüben kann." Auch die australische Politikwissenschaftlerin Pamela Ryan warnt im Interview vor einem einfachen Referendum: "Urteile werden dabei spontan gefällt, ohne Hintergrundwissen oder Verständnis für den Gegenstand. Gerade in diesem Bereich sind die Urteile deshalb von Stereotypen und Ängsten bestimmt." Sie verweist aif die von ihrem Institut Ida (Issues deliberation Australia) angewendete Methode des "deliberative polling", die belegt, dass die Urteile ganz anders ausfallen, wenn die Befragten zuvor ausführlich über den Gegenstand informiert werden.
Mario Sciajola, einer der wichtigsten Vertreter der italienischen Muslime, zeigt dagegen durchaus Verständnis für Berührungsängste: Bei einer Mega-Moschee wie der in Bologna, die 52.000 Quadratmeter einnehmen soll, "scheint es mir legitim, das Einverständnis der Menschen, die dort leben, einzuholen - entweder durch ein Referendum oder wenigstens durch eine detaillierte Umfrage."
Mario Sciajola, einer der wichtigsten Vertreter der italienischen Muslime, zeigt dagegen durchaus Verständnis für Berührungsängste: Bei einer Mega-Moschee wie der in Bologna, die 52.000 Quadratmeter einnehmen soll, "scheint es mir legitim, das Einverständnis der Menschen, die dort leben, einzuholen - entweder durch ein Referendum oder wenigstens durch eine detaillierte Umfrage."
Al Hayat (Libanon), 14.10.2007
Im Vorfeld der libanesischen Präsidentschaftswahlen sieht Dalal al-Bizri die Hizbullah in der Pflicht. Bevor die Behauptung der Hizbullah, sie stelle die"zahlenmäßige Mehrheit" der libanesischen Bevölkerung, ernst zu nehmen wäre, müsse die Partei zwei Bedingungen erfüllen: Erstens müsse sicher gestellt sein, "dass sich die 'zahlenmäßige Mehrheit' frei entscheiden kann, das heißt, dass es außer der legitimen Staatsgewalt keine andere Gewalt gibt (der sich diese Mehrheit zu fügen hätte). Und zweitens, dass die Wahl (des Präsidenten) aus Loyalität gegenüber dem libanesischen Staat (und nicht im Interesse Irans oder Syriens) erfolgt. Die erste Bedingung verlangt von der Hizbullah, das sie ihre Waffen abgibt und sich so mit den anderen auf eine Ebene stellt. Damit würde sie zugleich die schiitische Bevölkerung aus der Umklammerung befreien (in der sich diese wegen der Sonderstellung der Hizbullah befindet.) Die zweite Bedingung würde es notwendig machen, dass die Wahl (des Präsidenten) aus Loyalität gegenüber dem ganzen Land, und nicht gegenüber einer einzelnen Konfession oder religiösen Schule getroffen wird."
Guardian (UK), 13.10.2007
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Anlässlich der Ausstellung "The Naked Portrait" in Warwickshire schreibt Germaine Greer über die Nacktheit in der Kunst, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass ein Porträt nicht nackt sein kann, und dass ein nackter Körper im Bild noch lange kein Porträt sei.
Gazeta Wyborcza (Polen), 13.10.2007
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Elet es Irodalom (Ungarn), 12.10.2007
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New Statesman (UK), 12.10.2007
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Außerdem in diesem Polen-Schwerpunkt: Marek Kohn sammelt Informationen zu den in Großbritannien lebenden Polen. Jo Barret befragt polnische Migranten.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 11.10.2007
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Nouvel Observateur (Frankreich), 11.10.2007
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London Review of Books (UK), 18.10.2007
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Weitere Artikel: Jerry Fodor, der gerade an einem Buch zum Thema arbeitet, erklärt - und zwar außerordentlich detailliert -, welche Argumente gegen das Adaptionsmodell der Evolutionstheorie sprechen. Neal Ascherson berichtet aus Grönland, wo Klimawandelexperten tagten und die Bewohner eher segensreiche Veränderungen durch die Erwärmung erleben. Jenny Diski schwärmt vom "community weblog" MetaFilter, das die guten Seiten des Internets versammelt. Michael Wood bespricht James Mangolds Film "3:10 to Yuma", ein Remake mit Russell Crowe und Christian Bale, das, wie er findet, dem Original mit Glenn Ford leider nicht das Wasser reichen kann.
Espresso (Italien), 12.10.2007
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Salon.com (USA), 11.10.2007
Zehn der mächtigsten Frauen Hollywoods an einem Tisch - darunter die Regisseurinnen Kimberley Pierce ("Boys Don't Cry"), Nora Ephron ("Schlaflos in Seattle") und Patty Jenkins ("Monster"), die Produzentin Lynda Obst ("Contact") sowie die Universal-Studiochefin Laura Ziskin - unterhalten sich über ihre Chancen, ihre Triumphe und Niederlagen in einem Männer-Business. Es ist ein fantastisches Gespräch, realistisch ohne Selbstmitleid, oft sehr witzig, gelegentlich entlarvend, aber insgesamt kaum überraschend. Die Drehbuchautorin Margaret Nagle ("Warm Springs") bringt die Geschlechter-Asymmetrie in einer Anekdote auf den Punkt: "Ich werde das nie vergessen; ich arbeitete mit diesem Produzenten zusammen und sein Kind hatte eine Ohrenentzündung und er verließ das Meeting und alle schwärmten 'Oh, mein Gott, er ist so großartig'. Und ich dachte mir: 'Wenn ich da jetzt ans Telefon gegangen wäre und das Meeting verlassen hätte, weil mein Kind eine Ohrenentzündung hat, dann hätten sie mich verdammt noch mal zum Teufel gewünscht.' Es wäre vorbei gewesen. Sie hätten bei meinem Agenten angerufen. Ich erinnere mich, dass ich nur dachte: 'Wahrscheinlich bist du eh auf dem Weg zu deiner Geliebten, nicht zu dem Kind mit der Ohrenentzündung.'"