Magazinrundschau
Grundstück, Kanone, blanke Augen, Gradara
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.04.2008. Die New Left Review stellt das einflussreichste intellektuelle Magazin Chinas vor. Outlook India fände es peinlich, den Dalai Lama peinlich zu finden. Die Generation "1.000 Euro" hat es ins italienische Kino geschafft, meldet Caffe Europa. In Nepszabadsag erklärt der Philosoph Gaspar Miklos Tamas, die Tage der antisemitischen Journalisten seien vorbei. Folio begeistert sich für die Kompositionen des Elektroingenieurs William Sethares. Vanity Fair nimmt den Chemie-Konzern Monsanto auseinander. Die Weltwoche empfiehlt eine Kulturgeschichte des abendländischen Geschlechtslebens.
New Left Review (UK), 01.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q193/A20197/newleft.jpg)
Outlook India (Indien), 14.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A20190/outlook.jpg)
Zum selben Thema erklärt der Bollywood-Superstar Aamir Khan ("Lagaan"), der einer der indischen Fackelträger sein wird: "Wenn ich am 17. April die Fackel übernehme, dann nicht, um China zu unterstützen. Vielmehr werde ich es mit einem Gebet in meinem Herzen für das Volk von Tibet tun, und für alle Völker auf der Welt, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind."
Caffe Europa (Italien), 07.04.2008
Nicht nur in Berlin wird über das neue Prekariat diskutiert, sondern auch in Italien. Nach dem Abschluss des Studiums gelingt es vielen jungen Akademikern nicht, eine feste Stelle zu bekommen, Gelegenheitsjobs und Zeitverträge werden zur Regel. Endlich hat auch das Kino diese "Generation 1.000 Euro" entdeckt, stellt Paola Casella freudig fest. Am populärsten ist Paolo Virzis Film "Tutta la vita davanti", der laut Casella die schleichende Entwürdigung des prekären Arbeitnehmers recht gut illustriert. "Das einzige, was man Virzi vorwerfen könnte, ist die Schilderung des Call Centers in Science-Fiction-Manier als kubrickschen Ort. So können sich die Zuschauer, die nicht der Generation 1.000 Euro angehören, noch vormachen, dass hier nur von Extremformen erzählt wird, und nicht von der Realität der meisten Jungen (und nicht mehr so Jungen): Anwälte, Ärzte, Journalisten, Postboten, Ministerialangestellte."
Giampaolo Pansa, italienischer Schriftsteller und Journalist, macht im Gespräch mit Elisabetta Ambrosi das verlotterte Bildungssystem für die verlotterten Sitten verantwortlich. "Zuallererst müssen man an allen Fakultäten die Studentenzahl auf ein bestimmtes Maß beschränken, nicht nur an den Wirtschaftsschulen, sondern an allen Hochschulen. Die philosophische Fakultät in Modena zum Beispiel dürfte nicht mehr als vierzig Studenten im Jahr zulassen. Die anderen bleiben draußen. Zweitens müsste man strengstens überwachen, wie sich die Angestellten benehmen. Es darf keine Tändeleien zwischen Studenten und Dozenten geben!"
Giampaolo Pansa, italienischer Schriftsteller und Journalist, macht im Gespräch mit Elisabetta Ambrosi das verlotterte Bildungssystem für die verlotterten Sitten verantwortlich. "Zuallererst müssen man an allen Fakultäten die Studentenzahl auf ein bestimmtes Maß beschränken, nicht nur an den Wirtschaftsschulen, sondern an allen Hochschulen. Die philosophische Fakultät in Modena zum Beispiel dürfte nicht mehr als vierzig Studenten im Jahr zulassen. Die anderen bleiben draußen. Zweitens müsste man strengstens überwachen, wie sich die Angestellten benehmen. Es darf keine Tändeleien zwischen Studenten und Dozenten geben!"
New Yorker (USA), 14.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q19/A20193/ny.jpg)
Weiteres: Ian Parker schildert erschöpfend die Mühe, die hinter dem unangestrengten Charme von George Clooney steckt. Zu lesen sind außerdem die Erzählung "The Lie" von T.C. Boyle und Lyrik von Emily Moore und Michael Longley. Louis Menand bespricht Nicholson Bakers neuen Roman "Human Smoke". Peter Schjeldahl führt durch eine Retrospektive des japanischen Künstlers Takashi Murakami im Brooklyn Museum. Gary Giddins hörte ein Konzert von Ornette Coleman in der Town Hall. Und Anthony Lane sah im Kino Martin Scorceses Stones-Film "Shine a Light".
Nur im Print: Jane Kramer über Israel und Palästina und eine Reportage über die sonderbaren Kandidaten für das Bürgermeisteramt in London.
Nepszabadsag (Ungarn), 05.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q89/A20192/nepsabdszag.jpg)
London Review of Books (UK), 10.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q10/A20183/lrb.jpg)
Weitere Artikel: Der Bürgerrechtsanwalt Gareth Peirce vergleicht die Lage der Muslime in Großbritannien als neue argwöhnisch beobachtete Gruppe mit der ihrer "Vorgänger", der Nordiren. Einigermaßen skeptisch wägt John Lanchester die Alternativen bei der Londoner Bürgermeisterwahl: Ken Livingstone scheint ihm verbraucht, aber den "Clown" Boris Johnson kann er sich auch nicht in diesem Amt vorstellen.
Besprochen werden Cuss Sunsteins Buch "Worst-Case Scenarios" und die Ausstellung zu Pompeo Batoni in der National Gallery.
Folio (Schweiz), 07.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q8/A20198/folio.jpg)
Das ganze neue Heft von NZZ Folio ist den Sinnen gewidmet - hier der Inhalt.
Times Literary Supplement (UK), 05.04.2008
Der Schriftsteller (und Baronet) Ferdinand Mount hat John Styles' Geschichte der Kleidung im 18. Jahrhundert "The Dress of the people" geradezu verschlungen und ihr unter anderem entnommen, dass Großbritanniens Arbeiterschaft schon immer so gut gekleidet war, dass die Aristokratie um die Distinktion fürchten musste. "'Die Müllerin, die sich wie eine Herzogin kleiden wollte' wurde von Neil McKendrick als eine treibende Kraft der Industriellen Revolution ausgemacht. Doch durch das gesamte Jahrhundert wurde der modische Aufstieg gedeckelt, angefangen bei Defoe, der meinte, Dienstmädchen sollten in Uniform gesteckt werden, um ihren Extravaganzen ein Ende zu setzen, bis zu dem Londoner Magazin, das sich 1783 beklagte, dass 'jedes Dienstmädchen seine eigenen Baumwollkleider habe, eigene Baumwoll-Strümpfe, während ehrliche Stoffe aus Leinen und Wolle, die ihrem Stand viel angemessener wären, in unseren Geschäften modern.'"
Außerdem: Der norwegische Islamismus-Experte Thomas Hegghammer bilanziert, wie falsch das wenige Wissen ist, das wir tatsächlich vom Dschihadismus und von al-Qaida haben ("Fürs Protokoll: Bin Laden war niemals ein Playboy in Beirut, er war ein scheuer und frommer junger Mann.")
Außerdem: Der norwegische Islamismus-Experte Thomas Hegghammer bilanziert, wie falsch das wenige Wissen ist, das wir tatsächlich vom Dschihadismus und von al-Qaida haben ("Fürs Protokoll: Bin Laden war niemals ein Playboy in Beirut, er war ein scheuer und frommer junger Mann.")
Europa (Polen), 05.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q162/A20194/europa.jpg)
Economist (UK), 05.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A20188/economist.jpg)
Elet es Irodalom (Ungarn), 04.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A20191/es.jpg)
La vie des idees (Frankreich), 04.04.2008
Anlässlich des Erscheinens des zweiten Bandes seiner 1997 begonnenen Studie über Nazideutschland ("Die Jahre der Vernichtung 1939 - 1945") in Frankreich, unterhalten sich der Historiker Saul Friedländer und sein französischer Übersetzer Pierre-Emmanuel Dauzat in einem ausführlichen Gespräch über die Sprache der Henker und die Sprache der Opfer. Über letztere, Jiddisch, sagt er: "Es gibt heutzutage Ansätze, es wiederzubeleben, es wird an Universitäten in den USA gelehrt und es gibt Jiddisch-Kurse und nicht mal wenige Studenten, die es lernen wollen. Doch diese Bestrebung ist ein wenig artifiziell, denn diese Sprache ist im Wortsinn eine tote Sprache geworden. Man vergisst immer, dass die Nazis nicht nur Millionen Menschen umgebracht haben, sondern auch eine Kultur vernichtet haben, eine Kultur und die Worte, um diese zu sprechen. Sie haben alles zusammengerafft, was sich in jüdischen Museen und Archiven finden ließ, um es an einem bestimmten Ort zu versammeln - was ein weiteres Beispiel für ihren Wahnwitz ist -, um also etwas von einem Volk zu bewahren, das sie selbst vernichtet haben, vorsätzlich vernichtet, mit den Menschen, der Lebensform, der Kultur. Anschließend gründen sie in Prag ein Museum für das, was zusammengetragen werden sollte. Man verstehe die krankhafte Logik dieses Systems! Aber Jiddisch als Kultur, als Lebensweise, ich kann es nur wiederholen, ist von Nazideutschland vernichtet worden."
Espresso (Italien), 04.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A20180/espresso.jpg)
Guardian (UK), 04.04.2008
Beinahe hätte es "The Enchantress of Florence" nicht gegeben, erzählt Salman Rusdie in einem langen Gespräch. Denn während er noch an diesem von seiner Frau Padma Lakshmi inspirierten Roman schrieb, eröffnete diese ihm, sie wolle sich scheiden lassen. "'Es war, als würde eine Atombombe in ihrem Wohnzimmer explodieren, während Sie versuchen zu arbeiten', sagt er. 'Anfang letzten Jahres hatte ich wirklich Angst, es würde nichts mehr werden mit dem Buch.' Der größte Teil des Gesprächs dreht sich dann um die Islam-Debatte. "'Meine Instinkte sind absolut linksliberal, aber wir leben in einer sehr merkwürdigen Welt, die sich verändert hat. Und wenn Martin [Amis], Ian [McEwan] und ich das sagen, heißt es, wir seien konservativ. Aber', erklärt er nachdrücklich, 'wir sind nicht konservativ.' Es ist der einzige Moment, in dem er Verärgerung zeigt."
In einem sehr empfehlenswerten amerikanischen Blog werden dem Leser 3 Quarks täglich verabreicht. Hier fanden wir den Hinweis auf diesen Artikel im Guardian: In Frankreich wird, wie Jon Henley berichtet, heftig über eine vom Aussterben bedrohte Form der Interpunktion gestritten: das Semikolon. Autoren wie Philippe Djian wären es gerne, und zwar lieber heute als morgen, los. Andere fürchten den Untergang des kultivierten Französisch: "Für Sylvie Prioul, Redakteurin beim Nouvel Obs und Autorin von 'La Ponctuation ou l'art d'accommoder les textes', ist das schrittweise Verschwinden des ; vor allem eine natürliche Konsequenz der in Frankreich zu beobachtenden bedauerlichen Tendenz, unter dem schädlichen Einfluss des sich unaufhaltsam ausbreitenden Englisch, immer kürzere Sätze zu schreiben. 'Der kurze Satz hat das Todesurteil für das Semikolon unterzeichnet', meint Prioul. 'Die Leute mögen es nicht, die Autoren haben Angst vor ihm, Journalisten verwenden es kaum. Es geht verloren und das ist eine Schande."
In einem sehr empfehlenswerten amerikanischen Blog werden dem Leser 3 Quarks täglich verabreicht. Hier fanden wir den Hinweis auf diesen Artikel im Guardian: In Frankreich wird, wie Jon Henley berichtet, heftig über eine vom Aussterben bedrohte Form der Interpunktion gestritten: das Semikolon. Autoren wie Philippe Djian wären es gerne, und zwar lieber heute als morgen, los. Andere fürchten den Untergang des kultivierten Französisch: "Für Sylvie Prioul, Redakteurin beim Nouvel Obs und Autorin von 'La Ponctuation ou l'art d'accommoder les textes', ist das schrittweise Verschwinden des ; vor allem eine natürliche Konsequenz der in Frankreich zu beobachtenden bedauerlichen Tendenz, unter dem schädlichen Einfluss des sich unaufhaltsam ausbreitenden Englisch, immer kürzere Sätze zu schreiben. 'Der kurze Satz hat das Todesurteil für das Semikolon unterzeichnet', meint Prioul. 'Die Leute mögen es nicht, die Autoren haben Angst vor ihm, Journalisten verwenden es kaum. Es geht verloren und das ist eine Schande."
Point (Frankreich), 03.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q39/A20195/point.jpg)
Al Ahram Weekly (Ägypten), 03.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A20184/ahram.jpg)
Und: Nehad Selaiha resümiert das Monodrama Festival im Al-Saqia-Kulturzentrum.
Vanity Fair (USA), 01.05.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q114/A20199/vanity.jpg)
Philippe Sands hat recherchiert, dass das Foltern in Guantanamo nicht auf Initiative der Militärs, sondern der Regierung in Gang kam.
Weltwoche (Schweiz), 03.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q26/A20187/weltwoche.jpg)
Weitere Artikel: Der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm antwortet im Interview auf die Behauptung "Sie sind ein guter Schriftsteller, weil Sie sich nicht für sich selbst interessieren.": "Kann gut sein. (...) Ich interessiere mich nicht für mich selbst. Ich hätte Schwierigkeiten, mein Leben zu beschreiben, ich vergesse so viel." Urs Gehriger, Philipp Gut und Pierre Heumann berichten, wie gut den Mullahs in Teheran die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey gefällt. Schließlich hat die Weltwoche David Mamets Essay "Why I Am No Longer a 'Brain-Dead Liberal'" übernommen, auf Deutsch darf man ihn online nicht lesen, das Original steht hier.
New York Times (USA), 06.04.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A20189/nyt.jpg)
Außerdem im Sonntagsmagazin: Arthur Lubow porträtiert den Pritzker-Preisträger Jean Nouvel. In der Sunday Book Review bespricht Fareed Zakaria Benazir Bhuttos nachgelassenes Buch "Reconciliation" (erstes Kapitel). Besprochen wird auch Jhumpa Lahiris neuer Erzählungsband (Auszug).