Magazinrundschau
Wie Mama ihn schuf
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
24.03.2009. In der Lettre stimmt Juri Afanassjew einen Schwanengesang auf Russland an. The Nation fordert staatliche Dollar für die alten Medien. In El Pais Semanal hofft Javier Cercas auf einen Roman über Hitlers Schnurrbarthaar. Im Guardian macht Mary Beard jede Hoffnung auf einen guten Tod zunichte. Im Nouvel Obs schreibt Alain Finkielkraut nicht über die Kundera-Affäre. In der New York Review of Books lernt John Gray von Margaret Atwood einiges über Schulden. Elet es Irodalom grübelt über das Anderssein. Das TLS feiert Josef Skvorecky. Im Espresso betrachtet Umberto Eco die Körper Mussolinis und Berlusconis. In der New York Times erzählt Carlos Fernando Chamorro, wie man gegen seine Mutter opponiert.
Lettre International (Deutschland), 24.03.2009
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Übersetzt wurde auch ein Teil von Bela Hamvas' 1960 erschienenem Essay "Direkte Moral und schlechtes Gewissen". Er beginnt so: "Man kommt überhaupt nicht voran. Der Intakte ist ungebildet, der Gebildete ist korrupt. Vor dem Intakten muss die Bildung verleugnet werden, und vor dem Gebildeten muss das Intakte verleugnet werden. Man kommt überhaupt nicht voran." Die Übersetzer, Gabor Altorjay und Carsten Dane, arbeiten übrigens seit sechs Jahren auf eigene Rechnung an einer deutschen Übersetzung von Hamvas' 1500-seitigem Hauptwerk "Karneval". Die bereits übersetzten ersten 633 Seiten können Subskribenten hier lesen.
In der Lettre dürfen wir außerdem lesen: kurze Auszüge aus den schrägen Geschichten "Aurach" von Marek Kedzierski und "Der Bauernkaiser" von Liao Yiwu, Tsering Shakyas Schilderung des Kampfs der Tibeter um kulturelle Autonomie, Mahrokh Charliers Beschreibung des muslimischen Mannes, Steven Weinbergs Essay "Ohne Gott", Wolfgang Storchs Untersuchung über Dichter und Philosophen im Mahlstrom der preußischen Geschichte und Haukur Mar Helgasons Brief aus Island. Martin Geck schließlich erzählt, was Richard Wagner an Mendelssohn aufregte: er war ein "jüdisches Glückskind".
The Nation (USA), 06.04.2009
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Außerdem: Norman Birnbaum berichtet mit großem Bedauern, dass die linke italienische Tageszeitung il manifesto vor dem Aus steht, weil sie keine staatlichen Subventionen mehr bekommt. Hier kann man spenden.
El Pais Semanal (Spanien), 22.03.2009
"Trau Leuten nicht, die keine Romane lesen." Javier Cercas zieht Schlussfolgerungen aus Thimothy Rybacks jüngst veröffentlichtem Buch über Hitlers Privatbibliothek (s. a. hier): "Dass dem Führer Romane nicht gefielen, wundert mich nicht - von Anfang an wurde der Roman von humorlosen Menschen misstrauisch beäugt, ist er doch die ironische Literaturgattung par excellence, ein Werkzeug des Teufels, das alles nur noch komplizierter macht. Außerdem schenkt Ryback zukünftigen Romanciers den Stoff für zwei grandiose Romane: einmal ein Krimi über das mysteriöse Buch, das auf Hitlers Nachttisch im Bunker lag, als er sich umbrachte - es ist auf einem Foto zu sehen, den Titel allerdings erkennt man nicht; vor allem aber ein metaphysischer Roman über das Schnurrbarthaar, das Ryback in einem der Bücher Hitlers fand - Gott im Himmel, dieses Haar..."
Guardian (UK), 21.03.2009
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Nouvel Observateur (Frankreich), 19.03.2009
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New York Review of Books (USA), 09.04.2009
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Pico Iyer spekuliert, dass sich in der Politik der tibetischen Unabhängigkeitsbewegung ein Wandel ankündigen könnte. Er hat den Dalai Lama auf einer Reise durch Japan begleitet und ihn dort offenbar erstaunlich resigniert erlebt. Er zitiert ihn mit den Worten: "Ich muss einsehen, gescheitert zu sein. Gemessen an der Frage, ob die chinesische Herrschaft milder geworden sei, ist meine Politik gescheitert. Wir müssen der Realität ins Auge sehen."
Abgedruckt wird ein Offener Brief, in dem zahlreiche prominente Intellektuelle sich hinter die neuerlichen Bedrohungen ausgesetzte iranische Menschrechtlerin Shirin Ebadi stellen.
Weiteres: Mark Danner beschäftigt sich sehr eingehend mit einem geheimen Bericht des Rotes Kreuzes 2007, der sehr detailliert die Folterung von vierzehn hochrangigen Gefangenen in CIA-Gewahrsam festhält. Und Ingrid D. Rowland stellt die Künstlerin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian (1647-1717) vor, der im Rembrandt Haus in Amsterdam im J. Paul Getty Museum in Los Angeles große Ausstellungen gewidmet waren.
Elet es Irodalom (Ungarn), 13.03.2009
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Espresso (Italien), 19.03.2009
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Times Literary Supplement (UK), 20.03.2009
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Paul Gifford bedauert es ein wenig, dass in Michel Jarretys 1500-seitiger Biografie Paul Valerys nur das Leben des Lyrikers und Philosophen im Mittelpunkt steht und nicht die Wechselwirkung zwischen Vita und Werk. Dafür hat er Anekdotisches gelernt, etwa zu den permanenten "Geldsorgen" des Porträtierten: "Sein Bedauern den Nobelpreis 'verpasst' zu haben betraf das Preisgeld von 70.000 Francs: der Preis des Geschwaders von Sekretären, die er nie hatte, und des Autos, das er niemals besaß."
Express (Frankreich), 19.03.2009
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Newsweek (USA), 21.03.2009
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Der Thriller-Autor David Baldacci ist ein Erfolsgarant, lässt uns Louisa Thomas wissen. Alle sieben Monate schreibt er ein Buch (meist handelt es von Außenseitern, die zu Helden werden, wie in seinem zweiten Buch "The Collectors"), das dann ohne Ausnahme auf der Bestseller-Liste der New York Times landet. Bis heute verkaufte er insgesamt 75 Millionen Exemplare - und trotzdem nehmen die Kritiker und einige Leser den Autor nicht ernst: "Größtenteils werden Thriller für die breite Masse wie Fast Food gehandelt: Lecker, vielleicht, aber banal und schlecht fürs Herz." Aber Baldacci hat nicht ganz Unrecht, so Thomas: "Der Hunger, was wohl auf der nächsten Seite steht, hat etwas unglaublich Spannendes. Und es scheint absurder zu sein zu unterstellen, dass einen Thriller zu genießen einer Person mehr schadet als zu unterstellen, dass er ihr helfe. In diesen stressigen Zeiten, bietet Baldacci eine Pause - und Leute, die sich für Bücher interessieren, sollten sich für ihn interessieren."
Gazeta Wyborcza (Polen), 21.03.2009
Nicht nur in Polen wird über die Geschichte gestritten. Der ukrainische Publizist Wolodymyr Pawliw setzt sich kritisch mit dem Kult um die Partisanenorganisation UPA auseinander, dem militärischen Arm der "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN) aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die UPA kämpfte gegen deutsche und sowjetische Besatzer und wird beschuldigt, Massaker an der polnischen Bevölkerung begangen zu haben, erklärt Pawliw und plädiert nachhaltig für eine differenzierte Wahrheitsfindung, nicht nur der Schuld und Fehler des ukrainischen Volkes, sondern auch ihrer Leiden: "Im 18. Jahr der Unabhängigkeit sollten wir uns laut folgende zwei Wahrheiten bewusst machen: die heroische und die schmerzhafte. Märchen sind wichtig für Kinder, aber Erwachsene brauchen die Wahrheit. Eine Wahrheit, die uns befreien sollte von der lügnerischen Rhetorik politischer Hochstapler, die sich gern in der Rolle der nationalen Anführer sehen würden."
Adam Krzeminski ist enttäuscht über die deutsche Aufarbeitung der RAF-Vergangenheit: Weder der Roman "Das Wochenende" von Bernhard Schlink noch der vor kurzem in Polen herausgekommene Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" konnten Krzeminski überzeugen. Dabei hatte er sich so viel von dem Film versprochen, unter anderem eine Antwort auf die Frage, warum die deutsche Version von Bonnie und Clyde noch heute von den Medien als Helden gefeiert würde. Was wirklich in den Köpfen der beiden und überhaupt in der Seele der Deutschen vor sich ging, davon erfahre man im Film nichts: "Diesen Film kann man sich anschauen und nichts folgt daraus. Das ist ein genauso platter Actionstreifen wie 'Operation Walküre' und eine weitere Comicgeschichte mit gut bebilderten und gespielten Episoden, die die grundlegenden Fragen nicht beantwortet." Für Krzeminski viel Action also, wenige Hintergründe.
Adam Krzeminski ist enttäuscht über die deutsche Aufarbeitung der RAF-Vergangenheit: Weder der Roman "Das Wochenende" von Bernhard Schlink noch der vor kurzem in Polen herausgekommene Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" konnten Krzeminski überzeugen. Dabei hatte er sich so viel von dem Film versprochen, unter anderem eine Antwort auf die Frage, warum die deutsche Version von Bonnie und Clyde noch heute von den Medien als Helden gefeiert würde. Was wirklich in den Köpfen der beiden und überhaupt in der Seele der Deutschen vor sich ging, davon erfahre man im Film nichts: "Diesen Film kann man sich anschauen und nichts folgt daraus. Das ist ein genauso platter Actionstreifen wie 'Operation Walküre' und eine weitere Comicgeschichte mit gut bebilderten und gespielten Episoden, die die grundlegenden Fragen nicht beantwortet." Für Krzeminski viel Action also, wenige Hintergründe.
New Yorker (USA), 30.03.2009
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Besprochen werden ein Band mit frühen Briefen von Samuel Beckett und der Roman "Lowboy" von John Wray. Paul Goldberger fragt sich anlässlich einer Palladio-Ausstellung in der Royal Academy of Arts, wie "palladiohaft" der Renaissance-Architekt eigentlich war. Und David Denby sah im Kino Tony Gilroys Thriller "Duplicity" mit Julia Roberts und Steve McQueens irisches Gefängnis-Drama "Hunger". Zu lesen sind außerdem die Erzählung "Julia and Byron" von Craig Raine, ein satirisches Stück von Woody Allen und Lyrik von Garret Keizer und Mary Jo Bang.
Nepszabadsag (Ungarn), 15.03.2009
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Economist (UK), 20.03.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A23516/economist.jpg)
In der Titelgeschichte geht es um den prekären neuen Großmachtstatus Chinas - und was er für den Rest der Welt bedeutet. Besprochen werden unter anderem das Buch "Indien neu erfinden" (Website) des intellektuellen Unternehmers Nandan Nilekani und Martin Gayfords Biografie "Constable als Liebender" (Website).
Polityka (Polen), 20.03.2009
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New York Times (USA), 22.03.2009
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