Magazinrundschau
Das Baby ist geboren!
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
01.02.2011. In Newsweek begrüßt Gameela Ismail die Geburt des ägyptischen Selbstbewusstseins. Die chinesische Zensur jagt Kaninchen, berichtet Rue89. Die LRB erzählt, wie Potemkin Productions funktioniert. In Chapati Mystery erklärt der Verleger Rakesh Khanna die Tamilen zu Spezialisten des Camp. Quaterly Conversation erliegt dem äußerst riskanten Erzählen des Nikolai Leskow. In El Pais Semanal begrüßt der Schriftsteller Chico Buarque die neuen Reichen in Brasilien. In Salon schaudert Jacek Dehnel zwischen mörderischen Bommeln und tödlichen Polstern eines Triester Familienmuseums.
Newsweek (USA), 30.01.2011
Die Angst ist weg, stellen Babak Dehghanpisheh, Christopher Dickey und Mike Giglio fest, die über die Proteste in Kairo berichten. Gameela Ismail, die in letzter Sekunde zusammen mit anderen ihre Kinder aus einem Polizeiwagen befreien konnte, erklärt ihnen das so: "'Im Augenblick bin ich sehr optimistisch, aber ich habe Angst, dass die Dinge außer Kontrolle geraten. Mubaraks Partei wird nicht aufgeben. Sie werden die blutige Konfrontation suchen, wenn sie das Gefühl haben, die Macht zu verlieren. Aber die gute Sache ist andererseits: Das Baby ist geboren! Endlich, endlich haben die Menschen das Selbstbewusstsein, dass sie etwas Gutes tun können, dass sie ihren Ärger zeigen können, dass sie 'Nieder mit Mubarak' rufen können. Sie haben die Barriere der Angst durchbrochen - das Baby ist geboren. Wird es ein Mädchen sein oder ein Junge? Wird es an der Brust gesäugt werden oder mit Milchpulver ernährt? Wie werden wir es aufziehen? Auf welche Schule wird es gehen? Wir wissen es noch nicht. Aber das Baby ist geboren.'"
New Republic (USA), 17.02.2011
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Eric Trager bewundert den aufscheinenden "unabhängigen Geist" in Kairo. Die Mubarak ergebene Polizei hat die Ägypter, nachdem sie sie zusammengeknüppelt hat, im Regen stehen lassen. Nach dem Motto: Guckt doch selbst, wer eure Häuser vor Plünderern bewacht, von denen es - Überraschung! - plötzlich ganz viele gab. "Statt die falsche Wahl zwischen Tyrannei und Chaos zu treffen, haben die Ägypter ihre Sicherheit in die eigene Hand genommen. Sie haben Gruppen gebildet, die die Nachbarschaft bewachen und lassen in ihren Häusern das Licht brennen, um die Straßen ausreichend zu beleuchten. Statt Angst zu haben, sind sie - vielleicht zum ersten Mal - ziemlich sicher, dass sie auch ohne Mubarak auskommen."
Rue89 (Frankreich), 30.01.2011
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Chapati Mystery (USA), 18.01.2011
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Elet es Irodalom (Ungarn), 28.01.2011
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"Zuerst starb die Pressefreiheit in den Seelen", meint die Soziologin Maria Vasarhelyi, und nicht, wie man denkt, mit der Verabschiedung des neuen ungarischen Mediengesetzes. Dieses markiere vielmehr das Ende eines Krieges, der ungefähr genauso alt sei wie die dritte Republik in Ungarn. Dieser Medienkrieg habe Mitte der 90er Jahre begonnen - mit dem Abbau der demokratischen Öffentlichkeit, der Zerrüttung der beruflichen und moralischen Normen des Journalismus, der Einschüchterung und Zermürbung der Journalisten-Zunft - und gehe nun mit der totalen Niederlage der Pressefreiheit zu Ende. "Der Kampagne mit den leeren Titelblättern haben sich lediglich acht der mehreren hundert Medien angeschlossen [...] - die überwiegende Mehrheit der Verleger und Redakteure fand sogar diese zurückhaltende Form des Protests zu riskant. [...] 'Die Pressefreiheit, liebe Freunde, ist kein bloßer rechtlicher Zustand, sondern ein rechtlicher Zustand, der von freien Menschen geschaffen wird', schrieb Peter Nadas im Jahre 1998, und der Wahrheitsgehalt dieser Behauptung wird durch nichts anderes so überzeugend bewiesen, als durch den heutigen, niederschmetternden Zustand der ungarischen Presse."
Nepszabadsag (Ungarn), 29.01.2011
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Telerama (Frankreich), 28.01.2011
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New Yorker (USA), 07.02.2011
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Weiteres: Joan Acocella porträtiert J. R. Ackerley, den homosexuellen britischen Autor und Redakteur der BBC-Sendung "The Listener". Sasha Frere-Jones schreibt über die Wandlungen der britischen Singer-Songwriterin PJ Harvey.
El Pais Semanal (Spanien), 30.01.2011
"Das alte Brasilien verschwindet." Jesus Ruiz Mantilla interviewt den Musiker und Schriftsteller Chico Buarque, dessen neuester Roman "Leite derramado" die vergangenen zweihundert Jahre brasilianischer Geschichte als pessimistische Familiensaga erzählt: "'Auch Brasilien hat jetzt also seine Mittelschicht, und die will sich zeigen?' - 'Ja, erst gestern las ich eine Reportage über die - neuen - Reichen und die - alten - Superreichen im Bundesstaat Santa Catarina: Die Reichen gehen normalerweise an den Strand, die Superreichen dagegen bleiben in ihren Luxushotels, mit den bloß reichen neuen Reichen wollen sie nichts zu tun haben. Mir ist das neue Brasilien in jedem Fall lieber, es ist viel dynamischer. Seine Entstehung ist vor allem Lula zu verdanken. Und Dilma Rousseff setzt das fort. Diese Umwandlung der Gesellschaft erfolgte nach den Regeln des Kapitalismus, es ging darum, einen Wohlstand zu schaffen, der dann zu verteilen war. Manche Linke neigen vielleicht zu der Ansicht, dass das nicht menschlich genug abgelaufen ist, keiner kann jedoch bestreiten, dass es die intelligenteste Lösung war.'"
London Review of Books (UK), 03.02.2011
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Weitere Artikel: Eric Hobsbawm liest ein Buch über die wahre Geschichte einer winzigen Gruppe Anfang der Dreißiger nach der Bibellektüre aus eigenem Entschluss zum Judentum konvertierter italienischer Dorfbewohner, die schlussendlich nach Israel auswanderten. Zwei Neuerscheinungen, die die Finanzkrise aus marxistischer Sicht analysieren, hat sich Benjamin Kunkel vorgenommen. Michael Wood hat im Kino das Western-Remake "True Grit" der Brüder Coen gesehen. Julian Stallabrass schreibt einen Nachruf auf den Kodachrome-Film.
Magyar Narancs (Ungarn), 20.01.2011
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Point (Frankreich), 27.01.2011
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New York Times (USA), 30.01.2011
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Die ägyptische Autorin Mansoura Ez-Eldin erzählt, wie brutal die Polizei gegen die Demonstranten in Kairo vorgeht. Und nicht nur in Kairo: "Seit Tagen ist Tränengas der Sauerstoff, den die Ägypter einatmen. ... Die Sicherheitskräfte in Kairo haben angefangen Gummigeschosse auf die Demonstranten abzufeuern, bevor sie scharf schossen und Dutzende töteten. In Suez, wo die Demonstrationen sehr gewalttätig endeten, wurde vom ersten Tag an scharf auf Zivilisten geschossen. Ein Freund, der dort lebt, schickte mir eine Botschaft, wonach die Stadt am Donnerstag morgen aussah wie nach einem brutalen Krieg: Die Straßen waren niedergebrannt und zerstört, Leichen lagen überall. Wir werden nie erfahren, wieviele Menschen den Polizeikugeln in Suez zum Opfer fielen, erklärte mein Freund feierlich."
Guardian (UK), 31.01.2011
Auch die Guardian-Reporter David Leigh und Luke Harding haben ein Buch über Wikileaks geschrieben, "Wikileaks. Inside Julian Assange's war on secrecy". Alan Rusbridgers Einführung ist um ein Grad wärmer gegenüber Assange als Bill Keller, jedes freundliche Wort ist allerdings ein Zitat von anderen. An der Bedeutung von Wikileaks lässt Rusbridger keinen Zweifel: "Wikileaks und ähnliche Organisationen scheinen mir generell bewundernswert zu sein in ihrer einzigartigen Auffassung von Transparenz und Offenheit. Bemerkenswert ist, dass uns der Himmel nicht auf den Kopf fiel, trotz der wirklich erstaunlichen Menge an Informationen, die in den letzen Monaten veröffentlicht wurden. ... Urteilt man nach der Reaktion von Ländern, die nicht die Wohltat einer freien Presse genießen, dann gibt es einen beachtlichen Hunger nach Informationen aus diesen Depeschen - ein Hunger, der dem wissenden Gähnen großstädtischer Weltmänner, die darauf bestehen, dass die Depeschen uns nichts Neues erzählen, diametral gegenüberstehen. Statt einer reflexhaften Flucht in mehr Sicherheit könnte dies die Gelegenheit sein, die Vor- und Nachteile erzwungener Transparenz zu analysieren."
Der Guardian kartografiert verschiedenste Stimmen des arabischen Frühlings, Schriftsteller, Journalisten, Blogger, die alle auf die Revolten in Tunesien und Ägypten reagieren: Der ägyptische Blogger Alaa Abd El Fatah sieht eines klargestellt: "Die arabische Welt war nicht so stagnierend oder apathisch, wie alle glaubten." In Marokko jubiliert die Schriftstellerin Laila Lalami: "Welch Freude ist es, in diesem Moment zu leben!" Der palästinensische Dichter Tamim Al-Barghouti ahnt Verwicklungen: "Ramallah fürchtet, dass ein erstarktes Kairo ein erstarktes Gaza bedeutet, und Tel Aviv und Washington wissen, dass sie nicht nur den Iran fürchten müssen, sondern auch Irak, Syrien, Libanon und Palästina auf einmal." Bedrückte Stille dagegen im Libanon, notiert die Autorin Joumana Haddad: "Was bleibt? Der Terror, die Unsicherheit, die Drohungen, die Spaltungen und mehr und mehr die drohende Gefahr eines neues Bürgerkriegs."
Weiteres: Der Historiker Antony Beevor fasst angeregt Simon Sebag Montefiores Geschichte Jerusulams zusammen: "ein fesselnder Bericht von Krieg, Verrat, Plünderung, Vergewaltigung, Massaker, sadistischer Folter, Fanatismus, Fehden, Verfolgung, Korruption, Heuchelei und Spiritualität." Ursula K Le Guin findet den Surrealismus in Roberto Bolanos neu ins Englische übersetzten Roman "Monsieur Pain" zwar etwas altmodisch, ist aber von der "politischen und moralischen Dringlichkeit" des Romans sehr eingenommen: "Seine quälende Methode, sich dem Unaussprechlichen zu nähern, enthüllt das Gesicht des Bösen, ohne es zu verherrlichen." John Banville lobt John Gray für seine Geschichte der Unsterblichkeitsfantasien "The Immortalization Commission" als "Kenner menschlicher Idiotie". Steve Poole liest ohne rechte Überzeugung Evgeny Morozovs "The Net Delusion": Kann schon sein, dass der Cyber-Utopismus zu optimistisch ist, aber Morozovs Sicht auf die Menschen findet Poole definititv zu negativ.
Der Guardian kartografiert verschiedenste Stimmen des arabischen Frühlings, Schriftsteller, Journalisten, Blogger, die alle auf die Revolten in Tunesien und Ägypten reagieren: Der ägyptische Blogger Alaa Abd El Fatah sieht eines klargestellt: "Die arabische Welt war nicht so stagnierend oder apathisch, wie alle glaubten." In Marokko jubiliert die Schriftstellerin Laila Lalami: "Welch Freude ist es, in diesem Moment zu leben!" Der palästinensische Dichter Tamim Al-Barghouti ahnt Verwicklungen: "Ramallah fürchtet, dass ein erstarktes Kairo ein erstarktes Gaza bedeutet, und Tel Aviv und Washington wissen, dass sie nicht nur den Iran fürchten müssen, sondern auch Irak, Syrien, Libanon und Palästina auf einmal." Bedrückte Stille dagegen im Libanon, notiert die Autorin Joumana Haddad: "Was bleibt? Der Terror, die Unsicherheit, die Drohungen, die Spaltungen und mehr und mehr die drohende Gefahr eines neues Bürgerkriegs."
Weiteres: Der Historiker Antony Beevor fasst angeregt Simon Sebag Montefiores Geschichte Jerusulams zusammen: "ein fesselnder Bericht von Krieg, Verrat, Plünderung, Vergewaltigung, Massaker, sadistischer Folter, Fanatismus, Fehden, Verfolgung, Korruption, Heuchelei und Spiritualität." Ursula K Le Guin findet den Surrealismus in Roberto Bolanos neu ins Englische übersetzten Roman "Monsieur Pain" zwar etwas altmodisch, ist aber von der "politischen und moralischen Dringlichkeit" des Romans sehr eingenommen: "Seine quälende Methode, sich dem Unaussprechlichen zu nähern, enthüllt das Gesicht des Bösen, ohne es zu verherrlichen." John Banville lobt John Gray für seine Geschichte der Unsterblichkeitsfantasien "The Immortalization Commission" als "Kenner menschlicher Idiotie". Steve Poole liest ohne rechte Überzeugung Evgeny Morozovs "The Net Delusion": Kann schon sein, dass der Cyber-Utopismus zu optimistisch ist, aber Morozovs Sicht auf die Menschen findet Poole definititv zu negativ.
Eurozine (Österreich), 31.01.2011
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Merkur (Deutschland), 01.02.2011
Der Mensch sollte sich nicht von der Ökonomie ablenken lassen, meint der Schriftsteller und Unternehmer Ernst-Wilhelm Händler. Wenn er verhindern will, dass er "ausgeknipst" wird, muss er die Technik im Blick behalten: "Technik bedeutet Ausschluss von Sinn. Eine technische Welt in der engeren Abgrenzung funktioniert ohne jeden Rückgriff auf Sinn und auf Handelnde, für die allein etwas Sinn macht oder nicht: Darin besteht die Wirkmächtigkeit einer technischen Welt: Mit dem Sinn ist auch jedes denkmögliche Problem aus dieser Welt eliminiert. Für die Technik gibt es nur eine Art von Desaster: Sie funktioniert nicht. Ob eine Technikkatastrophe auch eine solche für Mensch und Umwelt bedeutet, ist aus Sicht der Technik nicht nur nachrangig, sondern völlig irrelevant. Der Trick der Technik besteht darin, sich als Mittel zu beliebigen Zwecken anzubieten. Die Ökonomie akzeptiert das Angebot bereitwillig."
Außerdem: Dietmar Voss beschreibt, wie aus der patriarchalen Bio-Macht, die gemäß Foucault "sterben macht und leben lässt", eine "mütterliche" Biopolitik geworden, die "leben macht und sterben lässt" und den gesellschaftlichen Gattungskörper hegt und pflegt. Und Horst Meier stellt klar, dass der Pazifismus dem Grundgesetz nicht eingeschrieben ist.
Außerdem: Dietmar Voss beschreibt, wie aus der patriarchalen Bio-Macht, die gemäß Foucault "sterben macht und leben lässt", eine "mütterliche" Biopolitik geworden, die "leben macht und sterben lässt" und den gesellschaftlichen Gattungskörper hegt und pflegt. Und Horst Meier stellt klar, dass der Pazifismus dem Grundgesetz nicht eingeschrieben ist.
Salon.eu.sk (Slowakei), 27.01.2011
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Quarterly Conversation (USA), 06.12.2010
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q260/A29942/quaterly_conversation.jpg)
- Iwan wird zum Kindermädchen für Frau und Kind eines Landbesitzers. Der Liebhaber der Frau bringt ihn dazu, sie und das Kind mit ihm entkommen zu lassen...
- Iwan flieht vor dem Gesetz in die Tartarische Steppe, wo ihn die Tartaren festsetzen, indem sie ihm schmerzhafte Borsten in seine Hacken einnähen. Er verbringt da zehn Jahre, mit mehreren Frauen und Kinder, und flieht dann.
- Iwan wird von seinem Alkoholismus geheilt, und zwar durch einen mysteriösen Magnetiseur, der ihn durch eine Folge bizarrer Alpträume begleitet.
- Ein anderer von Iwans Herren kauft ein Zigeunermädchen und hält sie in einer Hütte gefangen. Sie flieht und bittet Iwan, sie umzubringen, was er tut, allerdings fühlt er sich furchtbar schuldig und bemüht sich (vergebens), im Krieg sein Leben zu geben.
Und so geht das weiter und weiter, die ganzen 150 Seiten dieser Geschichte."
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