Magazinrundschau
War er in Vietnam? Hat er Krebs?
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11.09.2012. Im TLS denkt Gabriel Josipovici darüber nach, warum man Kafka so leicht missversteht. In Nepszabadsag ermuntert Ákos Szilágyi die ungarische Zivilgesellschaft mit Augustinus. Al Ahram setzt sich der Kunst zuliebe den Ratten aus. In der NYRB fordert George Soros: Deutsche raus aus dem Euro. Slate.fr stellt klar: das Netz ist nicht Vichy. Sozialstaat gibt's bald nur noch in Asien, meint der Economist. Der New Statesman lernt die vegasmäßige Definition von unfair. In der NYT bewundert Zadie Smith, wie Jay-Z die Welt schwarz malt.
Times Literary Supplement (UK), 07.09.2012
Zu schnell, zu ungeduldig sind die meisten Autoren, wenn sie Kafka interpretieren, meint der Autor und Literaturprofessor Gabriel Josipovici in einem sehr kritischen Artikel zu einer Reihe von Neuerscheinungen zum Werk Kafkas. Wie man vorgehen sollte, veranschaulicht ihm Ute Dengers in ihrem Essay über Kafkas Skizze "Zerstreutes Hinausschaun": "Sie zeigt, wie vorsichtig und mit welch feinem Gehör Kafka Sprache benutzte. Das Stück erzählt von einem 'wir', einem 'man', das zum Fenster geht und hinausschaut, während die Sonne nach einem grauen Tag untergeht, sieht, wie sie das Gesicht eines kleinen Mädchens erhellt, 'das so geht und sich umschaut', dann sieht man den Schatten eines Mannes auf ihr, der sie überholt. 'Dann ist der Mann schon vorübergegangen und das Gesicht des Kindes ist ganz hell', endet der Text. Der Mann, schlägt Degner vor, 'verkörpert den linearen Leser, der den Text rasch überfliegt; das Mädchen folgt einem ruhigeren Lesemodell' - lässt den Geist wandern, so wie wir den unseren über der Geschichte schweben lassen, Spiegelungen und Übereinstimmungen bemerken und keine schnellen Schlüsse ziehen."
Nepszabadsag (Ungarn), 02.09.2012
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In einem Nebenzweig der obigen Debatte hatte der Historiker Gábor Gyáni die Meinung geäußert, dass die "Aufnahme" des Holocausts in den Kreis der Traumata der ungarischen Nation, in dem jetzt das so genannte Trianon-Syndrom das vorherrschende Trauma ist und alles andere überlagert, noch lange auf sich warten lassen wird (mehr dazu hier). Ignác Romsics ist in dieser Frage optimistischer: "Ich halte die zeitgemäße Erneuerung des auf tragische Weise unterbrochenen und anschließend entgleisten liberalen und integrativen Modells der Nationbildung ganz und gar nicht für hoffnungslos. Deren detaillierte Konzipierung und Durchführung ist die Aufgabe der ungarischen geistigen Elite. Wenn die intellektuellen Meinungsmacher in der Lage wären, einen wohl durchdachten und historisch nuancierten Sprachgebrauch auszuarbeiten, der die Traumata bewusst beim Namen nennt und diese miteinander in einen interpretatorischen Zusammenhang stellt und der ... nicht die Elemente betonen würde, die uns voneinander trennen, sondern jene, die uns miteinander verbinden - dies wäre ein Beispiel, das mit der Zeit den überwiegenden Teil der Gesellschaft überzeugen könnte. In der so durchdachten und gestalteten nationalen Erinnerung könnte jede historische Unbill, Niederlage und Schuld den Platz erhalten, der ihr gebührt. Sowohl Trianon als auch der Holocaust."
Prospect (UK), 03.08.2012
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Al Ahram Weekly (Ägypten), 06.09.2012
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Außerdem: Mai Samih besucht einen Workshop für creative writing der britischen Autorin Linda Cleary in Kairo. Der Islamist ist immer zu 100 Prozent überzeugt, dass er Recht hat, meint der Jurist und politische Berater Tarek Heggy. Schon deshalb könne man mit ihm keinen modernen Staat aufbauen. Und Gamil Matar erklärt Ägyptens Präsident Mursi, der gerade heftig den Iran kritisiert hatte, am Beispiel der Amerikaner, warum man besser nicht Außenpolitik mit Religion vermischt.
New York Review of Books (USA), 27.09.2012
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In die blödeste Biologismus-Falle getappt sieht Zoe Heller Naomi Wolf mit ihrer Vagina-Biografie, in der sie nicht nur die direkte Verbindung von Vagina und Gehirn offenlegt, sondern auch unser Leben in der Savanne bemüht, um die kosmische Bedeutung der Vagina zu erklären - und des vaginalen Orgasmus: "Eine glückliche heterosexuelle Vagina braucht, um das Offensichtliche auszusprechen, einen zeugungskräftigen Mann."
Außerdem: Joyce Carol Oates lobt Zadie Smith' neuen London-Roman "NW" als "düsteres und nuanciertes Portät einer multiethnischen Kultur in den letzten Zügen vor dem kollektiven Nervenzusammenbruch". Und Sue Halpern entnimmt einer Reihe von Neuerscheinungen, dass Kriminelle und Mafiosi längst die Hackerszene gekapert haben.
Elet es Irodalom (Ungarn), 07.09.2012
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London Review of Books (UK), 13.09.2012
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Weiteres: Rosemary Hill besucht die renovierte William Morris Gallery in Walthamstow. James Meek rauft sich gehörig die Haare über die von der Thatcher-Regierung auf den Weg gebrachte Privatisierung der britischen Stromnetze, die sich nun in der Hand von deutschen und französischen Konzernen befinden. Jeremy Harding macht sich Sorgen um Francois Hollande. Marina Warner ist sehr fasziniert von thailändischen Tempelstatuen, die die Leiden in der Hölle darstellen. Peter Pomerantsev schreibt Tagebuch in der russischen Community New Yorks. Und Colm Tóibín liest Mario Vargas Llosas Roman "Der Traum des Kelten".
Slate.fr (Frankreich), 06.09.2012
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New York Magazine (USA), 09.09.2012
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Magyar Narancs (Ungarn), 23.08.2012
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Economist (UK), 08.09.2012
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Außerdem wird eine Studie vorgestellt, die mittels Infrarot-Technologie den Einfluss von Dirigenten auf die Leistungen eines Orchesters ermittelt hat. In Großbritannien wappnet man sich mit Stimmungsmache gegen ausländische Studenten für den kommenden Wahlkampf, erfährt man hier.
The Atlantic (USA), 06.09.2012
Mächtig beeindruckt berichtet Alexis C. Madrigal von einem Besuch bei Google Maps, wo inzwischen innerhalb von zwei Wochen mehr Daten organisiert werden als Google im ganzen Jahr 2006 zur Verfügung hatte - und das schließt nicht aus, dass Kreuzungen nach Nutzerbeschwerden von Hand neu gezeichnet werden. Madrigal sieht in diesen Daten womöglich den größten Vorteil Googles gegenüber dem größten Konzern der Welt - Apple: "Nicht nur um ihrer selbst willen, sondern weil Ortungsdaten alles, was Google tut, wertvoller machen. Oder, wie mein Freund und Science-Fiction-Autor Robin Sloane es mir sagte: 'Ich bleibe dabei, dass dies Google Kerngeschäft ist. In 50 Jahren wird Google die self-driving car company sein, ermöglicht durch die tiefe Detailkenntnis in den Karten. Und, ach ja, eine Suchmaschine wird es auch noch irgendwo haben."
New Statesman (UK), 10.09.2012
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Und: Laurie Penny ("The vagina can monologue, but it takes a cunt to throw a brick through a window.") und Helen Lewis ("mystic woo woo to the froo froo") nehmen Naomi Wolfs "Vagina"-Biografie auseinander.
New York Times (USA), 06.09.2012
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