Magazinrundschau - Archiv

Artforum

6 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 31.05.2022 - Artforum

Zoé Samudzi stellt eine sehr interessante Monografie des südkoreanischen Künstlers Che Onejoon vor, "International Friendship: The Gifts from Africa", das die Präsenz des nordkoreanischen Mansudae Kunststudios in Afrika dokumentiert: "Die Fotografien von Che, die auf Reisen in den Senegal, nach Namibia, in die Demokratische Republik Kongo, nach Botswana, Gabun und Simbabwe entstanden sind, dokumentieren das ästhetische Erbe der Süd-Süd-Beziehungen aus der Zeit des Kalten Krieges, die von einer gemeinsamen Opposition gegen den westlichen Kapitalismus genährt wurden. Das Mansudae Art Studio, das 1959 von Kim Il Sung, dem Gründer Nordkoreas, als Propagandaorgan für das eigene Land gegründet wurde, ist mit rund viertausend Mitarbeitern die vielleicht größte Kunstfabrik der Welt. Das Studio besteht aus vierzehn Sparten, die nach Kunstform geordnet sind, darunter Ölmalerei, Holzschnitte, Keramik und natürlich Bronzeskulpturen." In Namibia zum Beispiel gab Sam Nujoma, erster Präsident nach der Unabhängigkeit und enger Freund Kim Il Sungs, Nordkorea ein Monopol auf die Errichtung von Regierungsgebäuden - "was viel Kritik auslöste, angesichts der astronomischen Kosten für die Beauftragung eines ausländischen Studios anstelle eines einheimischen oder regionalen Talents. Im Rahmen des Mansudae-Überseeprojekts wurde auch das 28 Millionen Dollar teure State House, die Residenz des namibischen Präsidenten, gegen Ende von Nujomas Amtszeit im Jahr 2002 gebaut. Seine Statue steht an der Stelle, an der sich zuvor das von Deutschland erbaute Reiterdenkmal befand, das an deutsche Zivilisten und Soldaten erinnern sollte, die während des Herero-Krieges von 1904-07 starben. In dem Krieg, einem Völkermord, wurden über 70 Prozent der Ovaherero und 50 Prozent der Nama von den deutschen Streitkräften getötet. Dieses Denkmal markiert somit eine Verdrängung der eurokolonialen Erinnerung durch eine antikoloniale staatliche Ikonografie, die durch die Genozid-Statue am südlichen Ende des Museums-Gedenkstätten-Komplexes ergänzt wird. Die Statue befindet sich vor Alta Feste, der Festung, die einst das Hauptquartier der deutschen Streitkräfte war. Sie stellt einen Mann und eine Frau dar, die sich mit zerbrochenen Fesseln und erhobenen Fäusten auf einem Sockel umarmen, dessen Vorder- und Rückseite Reliefs von abgemagerten Überlebenden des Völkermords und zwei bewaffnete Schutztruppensoldaten zeigen, die drei Eingeborene aufhängen. Obwohl die namibische Regierung die Ovaherero- und Nama-Gemeinschaften seit langem von den Verhandlungen mit Deutschland über die Anerkennung des Völkermordes und die Wiedergutmachung ausgeschlossen hat, steht auf dem Sockel in erhabenen schwarzen Buchstaben 'Ihr Blut tränkt unsere Freiheit', womit die Identität und Zukunft aller Namibier in den toten Ovaherero und Nama verankert wird."

Magazinrundschau vom 22.09.2020 - Artforum

Im neuen Heft unterhält sich die Autorin Rachel Kushner mit der Kunsthistorikerin Nicole R. Fleetwood über deren neues Buch "Marking Time: Art in the Age of Mass Incarceration", einen Index aktueller Kunst von Gefängnisinsassen, zu dem es auch eine Ausstellung im MoMA geben soll. Hier erklärt Fleetwood ihren Ansatz im Hinblick auf eine andere Kunstgeschichte: "I war sehr interessiert an 'cultural mapping', wörtlich und symbolisch - daran, Künstler in Isolation mit anderen in Kontakt zu bringen. Oft wird in diesem Kontext marginalisierend von Autodidaktik außerhalb institutioneller Beziehungen gesprochen. Das Gegenteil der Fall: In dieser Kunst geht es nur um institutionelle Beziehungen. Zieht man den immensen Effekt der Gefängniskultur auf die Gesellschaft in Betracht, wird klar, dass ein Künstler, der eingesperrt ist oder war, im Zentrum kultureller Produktion steht. Ich wollte diese Künstler ins Zentrum der Gegenwartskunst einschreiben. Es war mir wichtig, das Buch mit ihnen und für ihre Angehörigen als das erste Publikum zu schreiben. Durch den Fond 'Kunst für Gerechtigkeit' war es der Harvard University Press möglich, Gefangenen eine Paperback-Ausgabe des Buches umsonst zugänglich zu machen … Es ging darum, die Grenzen der Museen und andere Kunst-Institutionen zu erweitern. Ich denke, es handelt sich oft um Grenzen, die durch träges Denken und Mangel an Neugier und Engagement jenseits des bestehenden Wissens entstehen. Es war nicht mein Ziel, Kategorien wie 'Volkskunst' oder 'Art Brut' infrage zu stellen, sondern eher, das System der Bewertung und des Werts zu hinterfragen, das beeinflusst, wie wir Museen, Gefängnisse, Künstler und Häftlinge begreifen … Das Buch zeigt, wie Menschen in Gefangenschaft mit den Bedingungen des Eingesperrtseins experimentieren, mit Materialknappheit, räumlicher Begrenzung und Strafe, um sich etwas anderes 'auszumalen' als nur ihre Unfreiheit."

Magazinrundschau vom 30.04.2019 - Artforum

Nicole Eisenman, Portrait of Eileen Myles as a Man, 2015, courtesy Anton Kern Gallery
Johanna Fateman stellt die neorealistische amerikanische Malerin und Bildhauerin Nicole Eisenman vor: "In drei Jahrzehnten des Zeichnens, Malens und Druckens hat Eisenman eine Welt aus allen möglichen kunsthistorischen Formen der Figuration erschaffen und sich mit leichter Hand und auf oft komische Weise bei Stilen und Techniken bedient. In ihrem äußerst vielseitigen Werk gibt es eine sensibel beobachtete queere Morphologie, harte Flächen mit weichen Körpern und umgekehrt. Frisuren, T-Shirts, Schuhe, Kostüme, gekrümmte Silhouetten entziehen sich einer eindeutigen Kategorisierung. In der Vergangenheit haben Eisenmans eigene Sexualität und geschlechtsneutrale Haltung zu bestimmten Interpretationen geführt - mehrdeutige Charaktere wurden als Lesben gelesen - doch wer kann sagen, welche Identität ihre Figuren haben? In unserem Gespräch vermenschlicht sie ihre 'guys' von sich aus, als wollte sie behaupten, es läge an ihnen zu entscheiden." Fateman unterhält sich mit der Künstlerin auch über ihre Arbeit für die Skulptur Projekte Münster, die mit Hakenkreuzen beschmiert wurde: "Als wir auf 'Sketch for a Fountain' von 2017 kommen, spricht Eisenman von der Schwierigkeit, sich eine geschlechtsneutrale Figur (hier sogar fünf) im realen Raum vorzustellen. Die Körper sind 'groß, stark, schwer und, obwohl mich das Wortes langweilt, queer', erklärt sie. Die Suche nach Körper-Positionen oder Haltungen für diese nackten Zwischenwesen war eine Herausforderung … Am Vorabend der Bundestagswahl, mit der die AfD erstmals ins Parlament einzog, wurde Eisenmans Brunnen mit einem Hakenkreuz und einem Penis  beschmiert, Gesichter und Schritt der Figuren mit grellem Blau angemalt."

Magazinrundschau vom 29.09.2009 - Artforum

Bis zum 20. September in Oslos Nationalmuseum und demnächst in der Ikon Gallery in Birmingham ist eine Ausstellung des Schriftstellers und Künstlers Matias Faldbakken zu sehen: "Shocked into Abstraction". Nach der Einführung von Ina Blom beschreibt Feldbakken, wie er die Ausstellung angepackt hat: Erst mal hat er alles da stehen lassen, wo die Transporteure die Werke hingestellt hatten. "Danach war alles, was ich im Museum getan habe, ziemlich willkürlich. Ich versuche generell, Halbherzigkeit zum Kernstück meiner Produktion zu machen, als ob nur sehr wenig auf dem Spiel stünde. Es ist mir klar, dass das Museum - auch wenn es kein Ort ist, an dem ich meine ganze Zeit verbringen wollte - die einzige Institution ist, die es erlaubt, in dieser Art zu arbeiten. Ich kann mir keinen anderen Ort vorstellen, wo das möglich wäre und sogar gewürdigt wird. Und so kehrt meine Arbeit all die Konflikte und Ironien um, die mit der Institutionalisierung dieser Art von Strategien einhergeht."

Außerdem: Online lesen kann man die Artikel von Thomas Crow, Claire Bishop und Linda Norden über die Biennale in Venedig.
Stichwörter: Venedig, Birmingham, Oslo

Magazinrundschau vom 13.05.2008 - Artforum

Die Mainummer ist dem guten alten Jahr 1968 gewidmet. Es war keine Revolution, "jedenfalls nicht die Revolution, die sich die Studenten erträumten", schreibt der New Yorker Philosoph und Kunstkritiker Arthur C. Danto, der die Studentenproteste an der Columbia University im April 1968 miterlebte. Und doch war es eine: "Ich habe eine Art Theorie über große soziale Brüche: Bevor sie stattfinden, passiert etwas in der Kunst. Man denke an die Romantik und die Französische Revolution oder die russische Avantgarde der Jahre 1905 bis 15 und an Alexander Rodschenkos Slogan 'Kunst ins Leben' Das war schon nicht mehr so weit vom Fluxus-Motto entfernt, das von Studenten in John Cages Seminar in experimenteller Komposition an der New Yorker New Schoool getragen wurde."

Außerdem im 68er-Dossier: Ein Gespräch zwischen Sylvere Lotringer und Antonio Negri, über die Revolution, die niemals endet (das aber nur auszugseise online gestellt ist) und ein langer Essay von Tom Holert über Joseph Beuys und die antiautoritäre Kunst und Erziehung in Deutschland um 1968.

Magazinrundschau vom 25.03.2008 - Artforum

Artforum bringt in einem größeren Dossier über Karlheinz Stockhausen auch eine Hommage von Björk auf den jüngst verstorbenen Komponisten: "Auf mich und meine Generation hatten Stockhausens als Buch publizierte Vorlesungen einen unglaublichen Einfluss. Er war der hoffnungsvollste von allen! Das 21. Jahrhundert würde großartig sein. Während die klassischen Lehrer in meiner Schule die guten alten Tage der Musik betrauerten und und glaubten, sie lebendig zu halten, wenn sie uns 945.876 Stunden am Tag üben ließen. Sie verwandelten die Masse der Musiker in (Sklaven) Performer und erstickten jeden kreativen Gedanken oder den Willen, etwas Neues zu machen. (Damit wir mit unserem Sportsgeist, Willen und unserer Selbstverleugnung das alte tote Biest masturbieren, und es dann vielleicht noch ein paar Jahre länger stöhnen würde.)"

Den Hauptartikel des Dossiers hat der neuseeländische Komponist Robin Maconie geschrieben.