Vom Nachttisch geräumt

Oralmodenunabhängig

Von Arno Widmann
17.07.2015. Ein kaum über handtellergroßer Reiseführer für Enthusiasten zeitgenössischer Kunst: Marina Gärtners "Spaces - Freie Kunsträume in Deutschlan"
Nicht Galerien, sondern offspaces in achtundzwanzig Städten werden in diesem handlichen Band gezeigt. Pro Hinweis - von einigen Ausnahmen abgesehen - höchstens 50 Zeilen. Martin Lytke braucht für "the Museum" in Leipzig nur so viel: "..she was maybe one oft the most beautiful girls I had ever seen in my whole life that morning…" In Leipzig werden acht Einrichtungen vorgestellt. Der Eintrag zu "Raum Weisz" gehört zu den ganze Seiten fressenden Ausnahmen. Marina Gärtner, die Herausgeberin des Bandes, widmet ihm ein siebenseitiges Interview.

Natürlich ist das nicht gerecht. Natürlich ist das Buch voll der Plattitüden des Galeristen-Talks, die jeden vernünftigen Menschen Vernissagen fliehen lassen. Also zum Beispiel: "Wichtig ist mir, dass die gezeigten Arbeiten neue Ansätze oder Ideen verfolgen. Das soll heißen, dass man sich gerne von der Kunstgeschichte inspirieren lassen kann, aber dennoch der Blick in die Zukunft gerichtet ist." In Berlin sind es 46 Plätze von AgvA bis zone B. In Düsseldorf und Hamburg 11, in Heilbronn gibt es einzig "Complex 23" in der Salzstraße 23. Über diesen Ort heißt es: "Complex 23 ist der Zusammenschluss vieler einzelner Projekte zu einem komplexen Ganzen. Aus verschiedenen Philosophien, geprägt durch verschiedene Menschen, entsteht ein Ort, an dem Kunst und Kultur gelebt wird." Der Singular am Ende mag grammatikalisch falsch sein, bringt aber wohl das Bewusstsein der Veranstaltung bestens zum Ausdruck.

In Düsseldorf lockt k-Ufo mit diesem Text: "k-UFO ist … freisinnig … altdadaistisch … neoanalog …anbiederungsfrei … eigen-kultur-freundlich … gegenwartsfuturologisch… oralmodenunabhängig … reimtreu …tierlieb … und wetterneutral." Gleich daneben wirbt der Kultur Bahnhof Eller: "Leitgedanke des Programms ist die Vermittlung von gegenwärtiger Kunst, nicht die Promotion einzelner Künstler für den Kunstmarkt."

Es fällt schwer, sich zu entscheiden zwischen so viel angestrengter Bemühung und so blasser Bürokratie. Man wird schon hingehen müssen, um festzustellen, ob oralmodenunabhängig nicht vielleicht doch nur so viel bedeutet wie supertrendy.

Marina Gärtner: Spaces - Freie Kunsträume in Deutschland, Deutscher Kunstverlag, Berlin, München 2015, 392 Seiten mit 242 farbigen Abbildungen und Karten, 9,90 €.
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