Vom Nachttisch geräumt

Kaiserkron und Päonienrot

Von Arno Widmann
14.05.2018. Zeigt uns, wie man im Garten lebt, nachdenkt und arbeitet: Der Althistoriker Robin Lane Fox als "Englischer Gärtner".
Der im Oktober 1946 geborene Robin Lane Fox lernte und lehrte an der Universität Oxford. Er ist einer der meistgelesenen Althistoriker der englischsprachigen Welt. Seine Alexander-Biografie aus dem Jahre 1973 ist ein Heldenlied auf den mazedonischen Weltreichbegründer. Oliver Stone gab seinem Fachberater auch eine kleine Rolle in seinem Alexander-Film. Ein halbes Dutzend der althistorischen Bücher von Fox sind auch auf Deutsch erschienen. Die meisten davon im Verlag Klett-Cotta. Dort kam im März auch heraus: "Der englische Gärtner", ein mehr als vierhundert Seiten umfassender Band, in dem Fox nicht nur vom Gärtnern erzählt, sondern praktische Tipps für Gärtner gibt. Seit mehr als vierzig Jahren hat er eine wöchentliche Garten-Kolumne in der Financial Times. Das ist die Basis seines Buches. Es ist blitzschnell schon in die dritte Auflage gekommen.


Robin Lane Fox in seinem Garten

Robin Lane Fox' Buch ist auch für Nicht-Gärtner interessant. Gleich zu Beginn schreibt er, dass er beim Gärtnern am besten nachdenken könne. Manche haben diese Erfahrung beim Bügeln gemacht. Viele kennen das inzwischen vom Laufen. In der Schule versuchte man uns beizubringen, nachdenken sei eins mit Konzentration. Das stimmt. Aber nur wenn damit gemeint ist, dass man sich auf etwas anderes konzentrieren muss, um im Denken voranzukommen. Fox liebt das Gärtnern, weil man sich bewegt dabei, sich die Hände schmutzig macht und weil etwas herauskommt. Nicht immer das, was man wollte, aber es gibt doch immer ein Ergebnis. Es ist eine Nebenwirkung. Oder ist es umgekehrt? Hat er gegärtnert und ist es ihm so gelungen, herrliche Fuchsien anzusiedeln und daneben entstand "Die klassische Welt: Eine Weltgeschichte von Homer bis Hadrian" oder "Augustinus: Bekenntnisse und Bekehrungen im Leben eines antiken Menschen"? Robin Lane Fox hat nicht nur einen eigenen Garten, sondern er ist seit dreißig Jahren zuständig für die Gärten des New College in Oxford und außerdem noch für neun andere Gärten. Er gärtnert also nicht nur, sondern er organisiert auch noch das Gärtnern. Wie faul und - verzeihen Sie bitte den Ausdruck - breitärschig man sich vorkommt neben einem solchen Menschen!

Ich habe Gartenarbeit immer gehasst, und erst seit ein paar Jahren lese ich Gartenbücher. Ich bin der letzte, der etwas Sinnvolles über "Der englische Gärtner" sagen könnte. Aber das Buch gefällt mir, auch die kokette Verzweiflung, mit der der Professor registrieren muss, dass in seinen Seminaren niemand seine Begeisterung für Pflanzen und nun schon gar nicht fürs Pflanzen teilt. Er steht allein mit seiner Liebe. Ein Gefühl, das jeder schon einmal hatte und das man darum nur ironisch mitteilen kann. Das scheint freilich Fox' Lebenshaltung. Nein, das ist natürlich Unsinn, ich kenne Robin Lane Fox nicht. Ich kenne nur ein paar seiner Bücher, und die zeichnen sich aus durch Verehrung und Ironie. Die gehen, das wird von den Ahnungslosen oft übersehen, gerne zusammen. Und besonders freudig tun sie es bei Fox.


Robin Lane Fox: "Arnebia echioides, mittlerweile eine Seltenheit. Sie wird auch 'Prophetenblume' genannt: Satan hinterließ auf den jungen Blütenblättern Abdrücke seiner fünf Finger, Mohammed aber stellte dann sicher, dass Satan der Welt auf Dauer nichts anhaben kann. Wenn die Blütenblätter älter werden, würden die Fingerabdrücke Satans verschwinden. In meinem Garten geschieht das nach wie vor."

So beginnt das Kirgisien-Kapitel: "Im Kielwasser des Brexit riss ich, schockiert von dem, was geschehen war, nach Kirgisien aus, in das abgelegene Hochgebirge von Kungej-Alatau." Dann folgt eine Schilderung eines neuntägigen Rittes Richtung Westchina. Fox hört den jahrhundertealten Geschichten kirgisischer Erzähler zu, er vergleicht sie - er ist Althistoriker - mit Homer, und als Gärtner weiß er zu nennen, was er sieht: lila-blauer Eisenhut und rosa-pinkfarbener Klee. Er trägt eine Kappe, die eine seiner Studentinnen aus einem Markt in Chitral mitgebracht hatte. Der Ort liegt in Pakistan, gleich an der afghanischen Grenze. Alexander der Große soll es bis hierher gebracht haben, und die Kappe ähnelt denen, die die Makedonen im 4. vorchristlichen Jahrhundert trugen. Der Alexander-Biograf auf den Spuren seines Helden, unter dessen Tarnkappe. Man kann kaum weiter weg vom Brexit.

Natürlich handelt das Buch in erster Linie von Blumen und wie man sie wo wann pflanzt. Was für Böden brauchen sie? Sie mögen Rittersporn? Welcher ist zu empfehlen? Von welchem hat man mehr? Von all dem handelt Fox auch, und er erzählt Geschichten von Gärten und Gärtnern, die er kennen gelernt hat. Ich habe nie darüber nachgedacht, was die Öffnung Chinas für die Blumenfreunde bedeutet. Fox lässt einen an seiner Freude darüber teilhaben, dass er jetzt mehr als fünfhundert chinesische Pflanzen ohne Mühe aus China bestellen kann. An der Stelle kommt dann ein kleiner Abstecher zum chinesischen Päonienkult, der sich freilich auf eine Variation bezieht, die wir in Europa nicht vor Augen haben. Der Abschnitt beginnt mit dem beneidenswerten Satz "Bevor die Geschichte zum Klassenkampf wurde, waren Päonien zentrale Pfeiler der Überlegenheit der Oberschicht." Der Satz ist ein Lackmus-Test: Wer seine Schönheit nicht sieht, der glaubt an den Klassenkampf.

Robin Lane Fox: Der englische Gärtner - Leben und Arbeiten im Garten, Klett Cotta, aus dem Englischen von Susanne Held, 457 Seiten, Farbfotos, 32 Euro