Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
24.11.2003. Die London Review sucht nach Wegen, die Vagina vom Gehirn zu unterscheiden. Der Nouvel Observateur bringt ein Dossier zum neu entfachten Kopftuchstreit. In Atlantic Monthly sagt George Soros den Niedergang des amerikanischen Imperiums an. Im Espresso analysiert Umberto Eco die Wurzeln des modernen Antisemitismus. Outlook India meldet, dass das maßgebliche Sanskrit-Wörterbuch in etwa 50 Jahren fertig sein wird. Prospect wettert gegen den Bookerpreisträger D.B.C. Pierre. Der Spiegel weiß, was bei Bertelsmann los ist. Mario Vargas-Llosa plädiert in Milenio Semanal gegen eine "literatura light", die auf jedes Engagement verzichtet.
The Atlantic (USA), 01.12.2003
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"Nach Dostojewski und kurz vor Arthur Koestler, aber zeitgleich mit Owell und Kafka und im Vorgriff auf Solschenizyn, da war Victor Serge", schreibt Christopher Hitchens in einer Huldigung des russischen Dichters, der mit "Der Fall des Genossen Tulajew" einen der "marxistischsten Romane aller Zeiten" geschrieben hat - und zwar 1948 in Orenburg, in der Ural-Sektion des Archipel Gulag. Marxistisch deshalb, meint Hitchens, weil Serge "ebenso gnadenlos auf das Unentrinnbare besteht wie er auf die Lebendigkeit der menschlichen Natur".
Weiteres: George Soros, früher Spekulant, heute Philanthrop, fühlt sich von der amerikanischen Vorherrschaft a la Bush schwer an die New Economy erinnert: Alles eine Frage der Zeit, bis die Luftblase platzt. Sidney J. Freedberg porträtiert den amerikanischen Vier-Sterne-General John Abizaid, der nun das Kommando für den Nahen und Mittleren Osten führt und zumindest in Computer-Simulationen sehr erfolgreich in Low-Intensity-Kriegen war. Von Lavanya Sankaran ist die Kurzgeschichte "The Red Carpet" zu lesen. Besprochen werden das Remake von "The Stepford Wives" mit Nicole Kidman, die letzten und besten Gedichte von W.B. Yeats und Bücher Michael J. Silverstein und James B. Twitchell über die absolute Notwendigkeit von Luxus.
Nur im Print stellt Jonathan Rauch fest, dass der Kommnunismus die "tödlichste aller Fantasien" der Menschheitsgeschichte war, dies aber niemanden zu kümmern scheint. Und Douglas Brinkley blickt auf die Vietnam-Erlebnisse von Senator John F. Kerry.
London Review of Books (UK), 20.11.2003
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Weitere Artikel: James Wood überlegt, dass der Cartoon zwar die wohl glaubwürdigste Art ist, Amerika darzustellen, findet aber, dass D.B.C. Pierres cartoon-artige Satire auf das texanische Leben ("Vernon God Little", mit dem er immerhin den Booker Prize gewonnen hat) sich zu sehr mit Stereotypen-Lärm begnügt und bei all den Blechbläsern die Pianissimos vergisst. Chalmers Johnson lobt Sterling und Peggy Seagrave vor allem dafür, dass sie selbst einsehen, dass ihre Studie über die amerikanisch-asiatischen Nachkriegsbeziehungen ("Gold Warriors") ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Nicholas Penny hat bei der Botticelli-Ausstellung im Pariser Musee du Luxembourg mehr über Andrang, Schlangen und Ellenbogen erfahren als über den Meister selbst. Und schließlich: Buckingham-Butler Paul Burrell packt aus ("A Royal Duty") und das, wie Thomas Jones findet, auf "sterbenslangweilige und gleichzeitig beschämend faszinierende" Art.
Leider nur im Print zu lesen: Fredric Jameson schreibt über Pseudo-Paare bei Oe Kenzaburo.
Nouvel Observateur (Frankreich), 20.11.2003
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Weiteres: Im Debattenteil lesen wir die Zusammenfassung eines Gesprächs mit dem mexikanischen Schriftsteller Carlos Fuentes, in dem er sich über den Irak-Krieg, Bush, Faulkner und den Tod seines Sohnes äußert. Außerdem gibt es ein Interview mit dem Herausgeber eines "Dictionnaire des litteratures policieres" (Ed. Joseph K.) und eine Besprechung der Wiederauflage des legendären Comics "La Vilaine Lulu" von Yves Saint Laurent (Sand & Tchou).
Literaturen (Deutschland), 01.12.2003
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Weitere Artikel: Hans-Peter Kunisch wagt gar nicht daran zu denken, was aus der irischen Literatur werden soll, wenn die Iren im Pub nicht mehr rauchen (und vielleicht bald auch nicht mehr trinken) dürfen. In der Netzkarte hat Aram Lintzel glückliche Arbeitslose (hier) und unglückliche Arbeitssüchtige (hier) gesichtet. Außerdem gibt's weihnachtliche Büchertipps.
Deutschland, ein Wintermärchen? Im Schwerpunkt fragt sich Literaturen - aber leider nur in der Printausgabe - , wie es nach dem "Herbst des Heulens" mit Deutschland weitergehen soll: Für Warnfried Dettling hat das "Land im Übergang" seine neue Ordnung noch nicht gefunden, Richard David Precht fragt sich, ob die "umbruchserfahrenen" Neuen Länder tatsächlich ein "Experimentalraum" für das neue Deutschland sein können, und Gunter Hofmann gratuliert einem der geeichtesten Krisenmanager Deutschlands zum 85. Geburtstag: Altbundeskanzler Helmut Schmidt.
Outlook India (Indien), 01.12.2003
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Außerdem: Harsh Kabra resümiert die lange und sonderbare Entstehungsgeschichte eines monumentalen Sanskrit-Englisch-Wörterbuches, an dem Heerschaaren von Sprachkundigen seit 1948 arbeiten - mit der Fertigstellung ist in etwa fünfzig Jahren zu rechnen. Shashi Tharoors Nehru-Biografie dagegen liegt in den Buchläden und ist Shahid Amin zufolge nicht nur ein ausgesprochen gut recherchiertes und gekonnt verfasstes Buch, sondern auch eine willkommene Anleitung zum Verständnis der Gegenwart, nicht nur in Indien. Auf der Homepage des Autors gibt es ausführliche Leseproben.
Prospect (UK), 01.12.2003
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q22/A6553/prospect.jpg)
Wenn D.B.C. Pierre tatsächlich 23 Jahre seines Lebens in Texas verbracht hat, dann zuhause vor dem Fernseher, wettert Michael Lind gegen den diesjährigen Gewinner des Booker Prize und seine Texas-Satire "Vernon God Little". Erstens könne kein Satiriker der Welt mit der amerikanischen Realität mithalten und zweitens habe dieser Mann nicht die blasseste Ahnung von Texas. Wovon er allerdings Ahnung hat, so Lind, ist, wie man unter dem Aushängeschild des satirischen Muts die Klischees der politischen Korrektheit bedient: "Pierre ist ein Konformist, der es vermeidet, die Empfindlichkeit der snobistischen, transatlantischen, liberalen Linken herauszufordern. Politisch inkorrekt zu sein heißt heutzutage, Schwarze als Wassermelonen liebende und Geister fürchtende Idioten darzustellen, Ost-Asiaten als hasenzähnige Brillenträger, die "Ah, so" sagen und Iren als "Faith and begorrah!"-rufende Untermenschen." Aber schön, dass der Booker jetzt auch solche Bücher auszeichnet, meint Lind und plant bereits die - absehbar ebenfalls preisgekrönte - Rache: "Die Insel der Schwachköpfe".
Weitere Artikel: Julia Magnet, nach eigener Aussage Krankenhaus-Expertin, war in einem Londoner Krankenhaus Schwadronen von Krankenschwestern ausgesetzt, die ihr immer nur ein und dieselbe Frage stellten: "Wie schlimm sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?" Anlass genug, über den offensichtlichen Wandel in der Pflege-Philosophie nachzudenken - in einem sehr lesenswerten Artikel. Amy Chua deckt auf, warum wirtschaftlich dominante ethnische Minderheiten den größten sozialen Sprengstoff darstellen. David Owen, der von 1977 bis 1979 britischer Außenminister war, empfiehlt Tony Blair, die Außenpolitik nicht zur Chefsache zu erklären und sie wieder in die Hände des Außenministeriums zu übergeben.
Nicht die Statistiken, die Geschichten sind es, die den Sport ausmachen, glaubt der britische Läufer Christopher Chataway und erzählt sein mittlerweile legendäres Rennen gegen den Sowjetrussen Wladimir Kuts, in dem - sagte man damals - der Kapitalismus den Kommunismus schlug.
Leider nur im Print zu lesen ist das Albert-Camus-Porträt von Paul Barker.
Espresso (Italien), 27.11.2003
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Ernst auch die Titelgeschichte: Gianni Perelli sieht schwarz für die Befriedung des Irak und der Welt, wenn die irakische Bevölkerung sich weiter radikalisiert. "Der islamische Fundamentalismus ist eine Pflanze, die immer mehr Wurzeln schlägt."
Weitere Artikel: Sandro Magister beschreibt, wie sich der innere Machtkreis des Vatikans auf den Tod des Papstes vorbereitet. Bemerkenswert ist der Auszug aus dem trotz schwerer Krankheit prallvollen Terminkalender von Karol Wojtyla. Mino Fuccillo beleuchtet eine inneritalienische Angelegenheit: die fruchtlosen Bemühungen des Staates, die illegalen Siedlungen in der roten Zone rund um den Vesuv zu bekämpfen. Voll Bewunderung porträtiert und interviewt Alessandro Gilioli den Apple-Gründer und -Chef Steve Jobs, der sein Unternehmen zu einer Pop-Ikone gemacht hat (mit Aktionen wie dieser).
Zur Kultur: Emanuela Mastropietro stellt die neue Aktion der Netz-Anarchisten von eToy vor: ein Kunstwerk aus DNA, erstellt aus dem Erbgut williger User. Angiola Codacci-Pisanelli weist in ihrer Besprechung des neuen Buches von Patrick Modiano vor allem darauf hin, dass der französische Erfolgsautor italienische Wurzeln hat. Für eine frivole Bescherung empfiehlt Monica Maggi schließlich erotische Tarotsets.
Spiegel (Deutschland), 24.11.2003
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Wie die Zukunft des Musik-Marktes aussehen wird, weiß gegenwärtig offenbar niemand so recht zu sagen. Thomas Schulz und Thomas Tuma berichten jedenfalls, dass auch die Führung von Bertelsmann uneins ist über die Frage, ob die geplante Fusion von Bertelsmanns BMG mit Sony Music Sinn macht: "'Wenn man eine Elefantenhochzeit eingeht, muss man wissen, ob Elefanten künftig noch gebraucht werden', so ein Beteiligter."
Im Print: "Ein neues Lexikon der Germanisten erregt schon vor Erscheinen die Zunft. Es beweist: Weitaus mehr große Gelehrte, als bislang bekannt ist, waren Parteigänger des braunen Regimes. Auch die Schicksale der wenigen, die sich den Nazis verweigerten, werden erstmals genau dokumentiert." (hier gibt's den Arritkel für 40 Cent) Ein weiterer Artikel berichtet von interessanten Funden im Nachlass von Brigitte Reimann. Und Clint Eastwood spricht im Interview über seinen neuen Film "Mystic River" und "seinen Abschied vom Macho-Heldentum".
Im Titel (85 Cent) geht es, nach den Anschlägen von Istanbul, diesmal unter anderem um Strategien der Terrorbekämpfung: "Während US-Präsident George W. Bush als Antwort auf die Terrorkampagne zu verstärktem militärischem Einsatz aufruft, wachsen die Zweifel an dessen Wirksamkeit."
New Yorker (USA), 01.12.2003
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Weiteres: In einer ausführlichen Besprechung würdigt Louis Menand die frühen Kurzgeschichten von John Updike (geschrieben zwischen1953 - 1975, Knopf) als "Schattenbiografie". Dana Goddyear speist mit Omar Sharif (den Freunde übrigens "Kairo-Fred" nennen sollen), und Bruce McCall legt eine überarbeitete Liste der Regeln für Thanksgiving vor ("Von Gästen wird nicht mehr verlangt, Scrabble oder Monopoly mit Kindern unter zehn Jahren zu spielen").
John Lahr bespricht zwei Theaterinszenierungen: Shakespeares "Henry IV" und "Anna in the Tropics" von Nilo Cruz, der dafür den diesjährigen Pulitzerpreis gewann. Allerdings, so kritisiert Lahr, habe die Jury das Stück lediglich gelesen und nicht auf der Bühne gesehen. Was sich nun als Fehler erwiesen habe und "ebenso absurd ist, wie einem Restaurant nur auf Grundlage seiner Speisekarte vier Sterne zu geben". Anthony Lane sah "In America" von Jim Sheridan und den französischen Zeichentrickfilm "The Triplets of Belleville? von Sylvain Chomet, der in Cannes lief und laut Lane "nichts anderes will, als unbeschreibbar zu sein - was ihm auch gelingt". Judith Thurman rezensiert die erweiterte Neuausgabe einer mit Fotografien illustrierten Dissertation über historische Stadthäuser in Greenwich Village "Bricks and Brownstone: The New York Row House, 1783-1929" (Rizzoli). Und die Kurzbesprechungen beschäftigen sich unter anderem mit einer Studie über den endlosen Bürgerkrieg im westafrikanischen Sierra Leone.
Nur in der Printausgabe: Die Erzählung "Sunstroke" von Tessa Hadley, eine Reportage über die Probleme einer Familie mit autistischen Kindern, ein Bericht über die Herstellung von Special Effects für Hollywood, ein Porträt des chinesischen Basketballstars Yao Ming (mehr hier) und Lyrik von Vijay Seshadri, Henri Cole und Nancy Willard.
Reportajes (Chile), 24.11.2003
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Milenio semanal (Mexiko), 22.11.2003
Auch Mario Vargas Llosa erinnert sich in der Wochenendbeilage der mexikanischen Zeitung Milenio (kostenloser Zugang nach einfacher Registrierung) beim Nachdenken über sein Lieblingsthema "Literatura y politica" an die unseligen Zeiten der Militärdiktaturen Lateinamerikas, um seinen Lieblingsfeinden, den jugendlichen Verfassern von "literatura light", die sich über jedwede Form politischen Engagements in der Literatur mokieren, entgegenzuhalten: "Ich glaube nicht, dass eine Literatur, die bloß unterhaltend sein will, eine Überlebenschance hat in einer Gesellschaft, in der es so viele wesentlich attraktivere Möglichkeiten gibt, sich unterhalten, zerstreuen, ablenken zu lassen."
Express (Frankreich), 20.11.2003
In Frankreich ist eine neue historische Studie über den Algerienkrieg erschienen und das ganz ohne medialen Wirbel, freut sich Jacques Duquesne. Der Band "Des hommes et des femmes en guerre d?Algerie" (erschienen hier) ist aus einem Kolloquium hervorgegangen, das deutsche und algerische Wissenschaftler im Oktober 2002 veranstaltet haben. "Man irrt sich heute, wenn man von dem einen Algerienkrieg spricht", schreibt Duquesne und weiter: "Denn es hat mindestens drei Kriege gegeben: den algero-algerischen, den franko-algerischen und den franko-französischen Krieg. Und wenn man dieses dichte Buch liest, stellt man fest, dass jeder dieser Kriege noch mehrere andere Konflikte in sich barg. Der Algerienkrieg war also vielschichtiger, als man denkt. Man muss die historischen Forschungen in diese Richtung treiben, wenn man die Gewalt ergründen will, die von diesen Gruppen und Untergruppen ausging." Das Vorwort lesen Sie hier.
Weitere Artikel in der Bücherschau: Alain Finkielkraut wurde neulich in der FAZ über den "neuen Antisemtismus" interviewt, der einem Antirassismus entspringe. In Frankreich ist gerade seinh Buch zum Thema erschienen, das hier kurz vorgestellt wird.
Anlässlich eines Auftrittes an der Opera de Lille im Dezember, bringt der Express ein langes Interview mit dem Tänzer Bill T. Jones. "Just make it!", war sein Motto, erzählt er, sich an den Anfang seiner Karriere erinnernd. "Wir waren vom abstrakten Film, vom Expressionismus, von den Arbeiten Oskar Schlemmers, den sich wiederholenden Strukturen einer Lucinda Childs und der Musik von Philipp Glass beeinflusst. Wir suchten nach einer stilisierten Form des menschlichen Körpers und nach einer anderen Dimension von Zeit und Raum." Doch später wusste er: Tanz ist sexuelle Energie!
Und: Wer hat den Blätterteig erfunden? Genau, der große Koch Antonin Careme, geboren 1784. Und jetzt hat der teuerste (aber auch der beste?) Koch Frankreichs, Alain Ducasse, ein Buch über ihn geschrieben, "Le roi Careme", das der Express ausführlich bespricht. Das erste Kapitel lesen Sie hier.
Weitere Artikel in der Bücherschau: Alain Finkielkraut wurde neulich in der FAZ über den "neuen Antisemtismus" interviewt, der einem Antirassismus entspringe. In Frankreich ist gerade seinh Buch zum Thema erschienen, das hier kurz vorgestellt wird.
Anlässlich eines Auftrittes an der Opera de Lille im Dezember, bringt der Express ein langes Interview mit dem Tänzer Bill T. Jones. "Just make it!", war sein Motto, erzählt er, sich an den Anfang seiner Karriere erinnernd. "Wir waren vom abstrakten Film, vom Expressionismus, von den Arbeiten Oskar Schlemmers, den sich wiederholenden Strukturen einer Lucinda Childs und der Musik von Philipp Glass beeinflusst. Wir suchten nach einer stilisierten Form des menschlichen Körpers und nach einer anderen Dimension von Zeit und Raum." Doch später wusste er: Tanz ist sexuelle Energie!
Und: Wer hat den Blätterteig erfunden? Genau, der große Koch Antonin Careme, geboren 1784. Und jetzt hat der teuerste (aber auch der beste?) Koch Frankreichs, Alain Ducasse, ein Buch über ihn geschrieben, "Le roi Careme", das der Express ausführlich bespricht. Das erste Kapitel lesen Sie hier.
Economist (UK), 21.11.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q14/A6550/economist.jpg)
In Massachussetts hat das Oberste Gericht das Verbot der homosexuellen Ehe für verfassungwidrig erklärt und dafür schöne Worte gefunden: "Das Recht zu heiraten bedeutet wenig, solange es nicht das Recht, die Person seiner Wahl zu heiraten, miteinschließt." Der Economist seinerseits wittert darin das Pulverfass des Präsidentenwahlkampfs.
Weitere Artikel: Wie schlecht geht es der Weltwirtschaft wirklich? Der Economist will endlich wissen, ob er lachen oder weinen soll. Die USA wollen den Präventivschlag im Artikel 51 der UN-Charta als legitime Kriegshandlung verankern: Der Economist findet das gar keine schlechte Idee. Sehr gut gefallen hat Philip E. Orbanes' Buch "The Game Makers", das die Geschichte der legendären Parker-Brüder erzählt, denen wir unter anderem Monopoly (das zuerst als zu schwierig verworfen wurde!) verdanken.
Außerdem zu lesen: eine seltsame Feststellung (britische Selbstmordattentäter sind zu teuer), ein Nachruf auf den stur unmodernen Dichter Charles Causley, Neues aus der Wissenschaft - Vorurteile verlangsamen die Arbeit - und zuletzt ein Dossier über die EU-Ost-Erweiterung.
Der Aufmacher begleitet George Bush auf seinem Besuch in London - aber leider nur in der Printausgabe.
Times Literary Supplement (UK), 21.11.2003
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q23/A6555/tls.jpg)
Die Briten verdanken Sir Henry Cole (mehr hier) nicht weniger als die Weihnachtskarten, die Briefmarke, die erste Weltausstellung, die Albert Hall, das Victoria and Albert Museum und das Royal Colles of Music. J. Mordaunt Crook hat Elizabeth Bonython and Anthony Burton Biografie des selbsternannten Faktotums viktorianischer Kunst "The Great Exhibitor" als eine Lektion in Beharrlichkeit und Opportunismus gelesen.
E.S. Turner fragt sich, ob Alec Guinness wirklich beim Einkaufen die andere Straßenseite benutzt hat, wenn seine Frau nicht ordentlich gekleidet war. Dies zumindest behauptet Piers Paul Reads in seiner neuen Biografie. Nur in Auszügen zu lesen ist Jim Endersbys Besprechung der letzten drei Bände der gesammelten Charles-Darwin-Korrespondenz.
New York Times (USA), 23.11.2003
![](/cdata/fliess/B2/Q12/A6546/nyt.jpg)
''Was zählt, ist wie wir fühlen, wie wir sehen, was wir tun nach dem Lesen; ob die Straßen und Wolken und die Existenz der Anderen uns irgendetwas bedeuten; ob das Lesen uns - körperlich - lebendiger macht." Margo Jefferson hat für ihre Kolumne eine offensichtlich wunderschöne Verteidigung des richtigen Lesens entdeckt: "So Many Books: Reading and Publishing in an Age of Abundance'' des mexikanischen Dichters Gabriel Zaid.
Aus den weiteren Besprechungen: Das wunderhübsche Cover bezieht sich auf die Besprechung von Robert K. Massies "Castles of Steel" über die Marine-Hochrüstung Deutschlands und Großbritanniens vor dem Ersten Weltkrieg (erstes Kapitel). Der große Mario Vargas Llosa (mehr) schwächelt in letzter Zeit etwas, stellt Richard Eder nach der Lektüre von "The Way to Paradise" ungerührt fest. Von den beiden Geschichten über Paul Gauguin und Flora Tristan kann ihn nur letztere halbwegs überzeugen. Gnädiger ist A. O. Scott mit Tobias Wolffs Prosaerstling "Old School" (erstes Kapitel): Besonders interessant findet der Rezensent, wie der selbst so uneitle Schriftsteller die narzisstischen Untiefen des Autorendaseins auslotet. Jenny Uglow äußert sich zudem recht angetan über Robert Hughes' (hier ein Interview zum Hören) große Studie des düsteren Malergenies "Goya" (erstes Kapitel).
Im New York Times Magazine prangert Harriet McBryde Johnson die "Behinderten-Gulags" in den Vereinigten Staaten an. Gemeint sind staatlich geförderte Institutionen, die sich um Alte und Behinderte kümmern, diese aber gleichzeitig wie Gefangene behandeln. Matt Bai hat Senator John Edwards und sein Team beim Wahlkampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur beobachtet. Jennifer Eagan liefert einen zehnseitigen Artikel über die Liebe im Zeitalter des Internets. Unter der wunderbaren Überschrift "The People's Game" beschreibt Jeff Coplon die Zukunft des Basketballs: chinesische Spieler.