Magazinrundschau
Schlanker, fieser Bürgerschreck
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
18.03.2008. In der Lettre erzählt ein chinesischer Leichenwäscher, wie er einst einen toten Rotgardisten verschönte. Schlechtes Englisch ist kein Grund für Selbstmord, findet Outlook India. Der Spectator tanzt Kizomba in Harlesden. Im Middle East Quarterly erklärt der Journalist Mohamed Sifaoui, warum Al Qaida für den Irakkrieg betete. Großes Theater sorgt bei Al Ahram für eine Depression. Im Guardian erinnert sich Blairs Stabschef Jonathan Powell an eine Tischrunde mit Sinn Fein. Nepszabadsag will nicht mehr Ostmitteleuropa sein.
Lettre International (Deutschland), 14.03.2008
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Außerdem in diesem sehr lesenswerten Heft: Giwi Margwelaschwili führt uns in das Herzgebirge der Gedichtwelt. Abgedruckt ist eine Rede von Seymour M. Hersh, der in Groningen über Vietnam, Irak, Iran und das Versagen der Presse sprach (hier das Original als pdf). Dokumentiert werden drei Artikel von Milan Kundera (Auszug), Vaclav Havel und wieder Milan Kundera, die sich 68/69 über die Bedeutung des Prager Frühlings für die tschechoslowakische und europäische Geschichte stritten. Wolfgang Kraushaar schreibt über Sartre in Stammheim (Auszug). Abgedruckt ist ein Auszug aus dem Buch "Glowa w mur Kremla - Mit dem Kopf gegen die Kremlmauer" der polnischen Journalistin Krystyna Kurczab-Redlich: Über Jahre hat sie akribisch Indizien dafür zusammengetragen, dass nicht tschetschenische Terroristen, sondern der russische Geheimdienst FSB für die Sprengungen von Wohnhäusern in Russland 1999 verantwortlich ist (mehr hier).
Outlook India (Indien), 24.03.2008
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Spectator (UK), 15.03.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q62/A19990/spectator.jpg)
Und: Douglas Murray berichtet über den kommenden Skandal in den Niederlanden - Geert Wilders Film über den Koran.
Middle East Quarterly (USA), 14.03.2008
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Elet es Irodalom (Ungarn), 14.03.2008
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Al Ahram Weekly (Ägypten), 13.03.2008
Nehad Selaiha ist total erschlagen von der Flut an interessanten Theaterinszenierungen, die über Kairo hereingebrochen ist. Das reiche Angebot löst tiefe Selbstzweifel aus: "Sind wir auf dem Weg zu einer richtigen Zivilgesellschaft? Hat das Theater als sozio-politische, kulturelle Praxis - und nicht nur als 'Entertainment' oder vom Staat manipuliertes Propagandaorgan - sich endlich von der staatlichen Kontrolle befreit und sich auf seine eigene fröhliche Weise verzweigt? In diesem Augenblick bin ich geneigt zu schwärmen, Überbleibsel einer alten Krankheit, und verkünde laut, dass der Marsch des Theaters weitergehen wird, gleichgültig, wieviele fallen und blutend am Wegesrand liegen bleiben werden. Aber Alter, Erfahrung und die Reste eines rigorosen akademischen Trainings hemmen mich. Von weitem funkelt das Bild, aber kommen Sie nicht zu nahe. Wenn Sie es tun, werden Sie feststellen, dass es alles zu riskant ist, ein Strohfeuer, das keine dauerhaften fundamentalen Strukturen hinterlässt, die man unterstützen oder überlebensfähig halten könnte."
New York Review of Books (USA), 05.04.2008
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William Dalrymple zeichnet nach einer Reise durch Pakistan ein erstaunlich hoffnungsvolles Bild von der Lage im Land. "Pakistan ist nicht dabei auseinander zu fallen, zu implodieren, in einem Bürgerkrieg zu versinken oder ein Taliban-Staat zu werden, in den Lkws voller Mullahs vom Khyber-Pass nach Islamabad strömen. Es ist nicht ganz klar, ob Pakistans korrupte Polit-Elite in der Lage sein wird, das Land zu regieren und ob sie die Wahlen als Möglichkeit zu mehr Demokratie ansehen oder nur zur persönlichen Bereicherung nutzen werden. Aber sie wird wahrscheinlich nie wieder eine solche gute Gelegenheit habe, dieses strategisch entscheidende Land zu einer stabilen und moderaten islamischen Demokratie zu machen."
Weiteres: Der Dichter Charles Simic sieht in der Unabhängigkeit des Kosovos kein gutes Zeichen für die Zukunft des Balkans:"Solange nationale Identität fast auschließlich durch den Hass auf andere definiert wird, wird es in dieser Region mehr unglückliche als glückliche Völker geben." Richard Dorment besucht die Jasper-Johns-Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum.
Guardian (UK), 17.03.2008
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"Die Religion ist nicht verschwunden. Sie zu unterdrücken ist wie die Unterdrückung von Sex - ein selbstzerstörerisches Unterfangen", befindet der Philosoph John Gray in einem Essay für die Book Review, in dem er sich scharf gegen Richard Dawkins, Christopher Hitchens und andere Atheisten wendet, die glauben, "intellektuelle und moralische Oberhoheit" zu besitzen: "Niemandem sollte erlaubt sein, Freiheiten zu beschneiden, und keine Religion hat das Recht, den Frieden zu brechen. Der Versuch, jedoch, Religion auszulöschen, führt nur zu ihrer Wiederauferstehung in grotesker, schlimmerer Form. Ein vertrauensseliger Glaube in die Weltrevolution, universelle Demokratie oder die okkulte Macht von Mobiltelefonen beleidigt den Verstand mehr als die Mysterien der Religion."
Weiteres: Steven Pool jubelt über Alex Ross' Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert "The Rest is Noise". Besprochen werden weiter Mark Harris' Filmgeschichte "The Birth of the New Hollywood", Sari Nusseibehs Analyse des Nahost-Konflikts "Once Upon a Country" und E.L. Doctorows vor vierzig Jahren erschienener Roman über Ethel and Julius Rosenberg, "The Book of Daniel".
Rue89 (Frankreich), 16.03.2008
In einem Interview spricht die russische Journalistin Oksana Chelysheva über die prekäre Situation der Presse in ihrem Land. So ist ihre Zeitung Novaya Gazeta, eine der letzten Bastionen eines unabhängigen Journalismus, für die auch ihre ermordete Kollegin Anna Politkovskaja schrieb, Repressalien ausgesetzt. Chelysheva erklärt: "Die Regierung hat es fast geschafft, die unabhängige Presse zu vernichten. Selbst wenn sie Novaya Gazeta nicht dicht macht, hat sie eine Atmosphäre der Einschüchterung geschaffen, die dazu führt, dass Journalisten Angst haben und sich selbst zensieren. (...) Am Jahrestag von Annas Tod wurden unsere sämtlichen Computer beschlagnahmt und es wird wegen des Gebrauchs illegaler Software gegen uns ermittelt. (...) 2005 wurden in Nizhny Novgorod Handzettel mit Todesdrohungen gegen mich sowie meinem Namen und meiner Adresse verteilt, auf denen ich beschuldigt wurde, tschetschenische Terroristen zu unterstützen und eine Verräterin Russlands zu sein."
Ein weiterer Artikel wirft nach dem Start der Netzzeitung MediaPart (mehr hier) einen Blick auf vergleichbare Projekte und untersucht, wie diese mit der Form des Zahlabonnements zurande kommen und ob sie es sich leisten können, auf Werbung zu verzichten.
Ein weiterer Artikel wirft nach dem Start der Netzzeitung MediaPart (mehr hier) einen Blick auf vergleichbare Projekte und untersucht, wie diese mit der Form des Zahlabonnements zurande kommen und ob sie es sich leisten können, auf Werbung zu verzichten.
Nepszabadsag (Ungarn), 14.03.2008
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Kommersant (Russland), 14.03.2008
"Die moderne Moskauer Architektur ist kein amüsanter Anblick", beschwert sich der Architekturkritiker Grigory Rewsin in seinem Essay "Das Ei und die Renaissance". "Wenn man sich bei einem Stadtspaziergang schon am Rande einer Depression glaubt, ist es ratsam sich das Ei von Sergey Tkachenko anzuschauen. Dieser kleine Neubau liegt im historischen Zentrum der Stadt und wurde in Anlehnung an die Kunstwerke des weltbekannten russischen Juweliers Faberge erdacht und konstruiert." Allerdings liege der Wert des Werks Tkachenkos hauptsächlich in seiner Idee: "Leider hat das Gebäude von den filigranen und raffinierten Kunstwerken Faberges, die im 19. Jahrhundert für die Zarenfamilie hergestellt wurden, nur sehr wenig abbekommen", weshalb es nicht mehr als eine kuriose Randerscheinung innerhalb der gegenwärtigen Moskauer Architekturlandschaft darstelle. Aber, so Rewsin: "Moskau war schon immer eine Stadt, in der es üblich war, Kapriolen zu schlagen. Nach vielen Jahrzehnten der Massenarchitektur erlebt diese Tradition eine Renaissance."
Weltwoche (Schweiz), 13.03.2008
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In der Schweiz bastelt man an der nächsten sexuellen Revolution, berichtet Matthias Meili: "Neue biomedizinische Techniken werden die Lagerung von unbefruchteten Eizellen ermöglichen, die der jungen Frau entnommen, in reiferem Alter befruchtet und wiedereingesetzt werden. Wenn eine Frau will, wird sie künftig ihre eigenen Eizellen befruchten lassen und ihr eigenes Kind austragen - eine Eigenspende über die Zeit hinweg also. Diese Option wird es Frauen auch ermöglichen, ihre Fruchtbarkeit weit über die Wechseljahre hinaus zu bewahren - die Familienplanung erhält eine neue Berechenbarkeit. Die Geburtenraten könnten wieder steigen. Viele Schweizer Fruchtbarkeitsinstitute sind auf diesem Gebiet tätig geworden."
Bookforum (USA), 17.03.2008
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Weitere Artikel: Nana Asfour stellt vier neue Romane von im Exil lebenden Iranerinnen vor. Das Comic-Genie Chris Ware feiert anlässlich einer opulenten Publikation den Schweizer Rodolphe Töpffer als Erfinder der Comic-Kunst und J. Hoberman bespricht enthusiastisch Marc Evaniers Jack-Kirby-Biografie, die den - wie Hoberman meint, durchaus passenden Untertitel - "König der Comics" trägt. Außerdem finden sich Rezensionen unter anderem zu David Goldblatts Weltgeschichte des Fußballs "Der Ball ist rund" und Martin Amis' Post-9/11-Buch "Das zweite Flugzeug".
Nouvel Observateur (Frankreich), 13.03.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q9/A20000/nouvelobs.jpg)
New York Times (USA), 16.03.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A19987/nyt.jpg)