Magazinrundschau
Niemand geht raus
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
15.12.2015. In IndieWire erklärt der Kameramann Emmanuel Lubezki die Vorzüge der Alexa 65. In Eurozine erzählt Alexander Mikhailovsky eine Geschichte des russischen Nationalismus. In der London Review of Books plädiert James Meek für Friedensverhandlungen in Syrien, verschweigt dabei aber nicht den Preis. Im Spectator bestätigt Ahmed Raschid für Afghanistan: Krieg war nicht die Lösung. In Telerama beklagt der Philosoph Alain Deneault den neuen Kult der Mittelmäßigkeit. Der New Yorker faltet ein Mikroskop. Die New York Times lernt Fliegen.
IndieWire (USA), 11.12.2015
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Behind-the-Scenes of 'The Revenant'. Foto c/ Emmanuel Lubezki
Gibt es das Genre das Arthouse-Blockbusters? Falls ja, hat dessen Ästhetik in den vergangenen zehn Jahren vielleicht niemand so sehr geprägt wie der mexikanische Kameramann Emmanuel Lubezki, der den schwebend-gleitenden Look der Filme von Terrence Malick, Alfonso Cuarón und Alejandro González Iñárritu erarbeitet hat. Für Iñárritus kommenden, sehr beeindruckenden Film "The Revenant", der die extremen Körpererfahrungen des Trappers Hugh Glass (gespielt von Leonardo DiCaprio, mit dem sich Wired ausführlich unterhalten hat) in einer extremen Natur schildert, hat er neuerlich die Grenzen seiner Kunst erprobt, erklärt er gegenüber Bill Desowitz: "Ohne die Kamera Alexa 65, die erste großformatige Digitalkamera, die ihm wirklich zugesagt hat, hätte Lubezki das nicht bewältigen können. ... 'In gewisser Hinsicht übersetzte diese Kamera tatsächlich das in Bilder, was ich selbst an diesen Orten erlebt und gefühlt habe. Üblicherweise blickst Du in eine Landschaft und sie ist niemals da - man schießt nur Bruchteile. Mit dieser Kamera hingegen fühlt es sich an wie ein Fenster zu dieser Welt - wegen der Größe des Sensorchips (54,12 mal 25,58mm), der Auflösung der Bilder (6560 mal 3102 Pixel) und deren Klarheit. Das war der Grund, warum wir digital statt auf Film drehen wollten. Ich wollte keinerlei Filmkorn, ich wollte nicht, dass es sich wie eine Darstellung von Glass' Erfahrungen anfühlt, sondern so, als ob man tatsächlich an seiner Seite geht. Ich wollte es körperlich erfahrbar machen, ich wollte, dass Du seinen Atem spürst und seinen Schweiß siehst und wie die Tränen aus seine Augen quellen."
Eurozine (Österreich), 09.12.2015
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London Review of Books (UK), 17.12.2015
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Ein "super-dezentralisiertes Netzwerk" wie Isis zu bombardieren dürfte ebenso aussichtslos sein wie die Bombardierung von Al Qaida oder den Taliban, meint James Meek. Es bringt einfach nichts und führt nur dazu, dass die halbe Welt aufrüstet. Selbst China will seine erste Militärbasis in Übersee, in Dschibuti, errichten. Meek plädiert dafür, dass die Großmächte sich militärisch raushalten und ihre Verbündeten im Nahen Osten zu Friedensverhandlungen anhalten. Aber auch das hat einen Preis, den Meek ganz deutlich benennt: "Es ist schön, wenn Britannien beweist, dass es kein Werkzeug des neoliberalen Neoimperialismus ist und kein fremdes Blut an seinen Händen klebt, aber es ist zum Vorteil Britanniens, nicht Syriens. Wenn britische Bomber Syrien in Ruhe lassen und nichts sich ändert, dann wird das Morden weitergehen: die grausamen Fanatiker des IS, die anderen, etwas weniger mittelalterlichen Dschihadisten-Gruppen, der skrupellose Bashar al-Assad und seine russischen Alliierten, die Kurden und die zerstrittenen lokalen anti-Assad-Kämpfer werden sich weiter gegenseitig abschlachten und die Millionen von Syrern, die irgendwie versuchen einfach weiterzuleben, werden leiden oder fliehen. Die Weigerung in einen Krieg zwischen einer Gruppe von Fremden zu waten, ist vernünftig und mag ihnen auf lange Sicht sogar nützen, aber sie ist der Selbstsucht näher als der Menschenliebe."
Spectator (UK), 12.12.2015
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Elet es Irodalom (Ungarn), 14.12.2015
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Wired (USA), 15.12.2015
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Und von Julia Greenberg erfahren wir, warum Netflix ausgerechnet auf einen Exklusiv-Deal mit dem in den USA in jüngerer Vergangenheit zusehends als Has-Been gehandelten Adam Sandler setzt, um ein globales Filmpublikum an sich zu binden.
Guardian (UK), 14.12.2015
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Rowan Williams denkt mit George Orwell und Thomas Merton über die Sprache als Mittel der Macht nach: "Das entscheidende Kriterium ist vermutlich, ob die Sprache - sei sie nun geradlinig oder nicht - eine Antwort ermöglicht. Sowohl Merton als auch Orwell konzentrieren sich auf eine gewisse bürokratische Neuschreibung der Realität, auf eine Sprache, die niemandem mehr gehört, die Sprache zeitgenössischer Manifeste, Absichtserklärungen und politischer Regulierung, eine Sprache, die vom Gesundheitsdienst bis zur akademischen Bildung den öffentlichen Raum immer mehr beherrscht. In ihrer bösartigeren Form ist es auch die Sprache von Unternehmen, die in Entwicklungsländern Steuern hinterziehen, oder schlimmer noch, von Regierungen, die Menschenrechtsverletzungen kaschieren, oder am schlimmsten, von Terroristen, die so wirkungsvoll die Kunst beherrschen, nichts Wahres oder Menschliches zu sagen."
Weiteres: K Anis Ahmed beschreibt das gefährliche Leben säkularer Blogger in Bangladesch: Laut jüngsten Umfragen befürwortet inzwischen eine Mehrheit der Bevölkerung die Todesstrafe für Blasphemie. Susanna Ristin porträtiert den britisch-indischen Autor Sunjeev Sahota. Ian Rankin huldigt dem verstorbenen William McIlvanney.
New Yorker (USA), 28.12.2015
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Außerdem in der aktuellen Ausgabe des New Yorker: Carolyn Kormann beschreibt eine geniale Erfindung: ein faltbares Mikroskop, das es laut Wunsch des Entwicklers Manu Prakasj Menschen in ärmeren Regionen der Erde ermöglichen soll, Entdeckungen zu machen: "Der Hauptunterschied zu herkömmlichen Mikroskopen liegt darin, dass Prakashs Instrument fast zur Gänze aus einem einzigen Stück Papier besteht. 'Foldscope' nennt der Erfinder sein Werk, und es kommt als Bausatz. Ein Stück mit botanischen Illustrationen und Perforationen versehenes Papier, das gefaltet und hier und dort ein- bzw. ausgestülpt wird. Das Ergebnis hat die Größe eines Lesezeichens. Die Linse, ein in die Mitte eingefügtes Stück Plastik, bietet 140-fache Vergrößerung. Der Bausatz beinhaltet eine zweite, noch stärkere Linse und einige Magnete, mit dem das Foldscope an ein Smartphone angebunden werden kann, um Aufnahmen von dem Objekt zu machen. Ich brauchte 15 Minuten, um das Foldscope zusammenzubauen. Und als ich die Linse an ihren Platz setzte, war es wie der Triumph, wenn man die Flügel eines Papierkranichs entfaltet."
Weiteres: Rebecca Solnit begleitet alpinistisch qualifizierte Ärzte in Tibet. Elizabeth Kolbert besucht die Hochwassergefahrenzone Miamis. Peter Schjeldahl besucht die Robert-Ryman-Retrospektive in der Dia Art Foundation in Chelsea. Anthony Lane sah im Kino Ron Howards Film "In the Heart of the Sea" und László Nemes' "Son of Saul". Und Tim Parks steuert eine Kurzgeschichte bei: Bedtimes.
Telerama (Frankreich), 13.12.2015
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New York Times (USA), 13.12.2015
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