Magazinrundschau - Archiv

Standpoint

9 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 04.08.2020 - Standpoint

Der Kampf für Minderheitenrechte ist richtig und wichtig, erklärt Remi Adekoya, aber warum tut man im Westen so, als hätten wir als einzige dieses Problem? Stellt man sich damit nicht schon wieder auf ein Podest? "Wir sollten uns immer der besonderen Aspekte der britischen Mehrheit-Minderheit-Beziehungen bewusst sein, wie zum Beispiel des historischen Kontextes von Sklaverei, Kolonialismus und Rassismus, aber wir können nicht vernünftig einschätzen, wie gut die britische Gesellschaft dasteht, wenn wir so tun, als sei sie ein abstraktes Gebilde, das vom Rest der menschlichen Erfahrung losgelöst ist. So wie wir zu Recht vergleichen, wie fair verschiedene rassische Gruppen in Großbritannien behandelt werden, sollten wir auch vergleichen, wie Großbritannien im Verhältnis zu anderen menschlichen Gesellschaften aus Fleisch und Blut in diesem Bereich abschneidet. Es darf sicher annehmen, dass der Konsens unter schwarzen und braunen Intellektuellen heute darin besteht, dass die westlichen Gesellschaften mit weißer Mehrheit anderen Gesellschaften moralisch nicht überlegen sind. Aber wenn sie moralisch nicht überlegen sind, aus welchen Gründen stellen wir dann höhere Anforderungen an sie als an andere, wenn es um die Behandlung von Minderheiten geht? Auf welcher moralischen Grundlage stellen wir an Britannien höhere Anforderungen als an China, Indien oder Nigeria? Ich sage nicht, dass es darauf keine gute Antwort gibt, ich sage nur, dass es sich lohnt, über die logische Konsequenz einer solchen Antwort nachzudenken."

Magazinrundschau vom 15.09.2015 - Standpoint

Nick Cohen polemisiert noch einmal kräftig gegen Jeremy Corbyn und wirft ihm Sympathien für diktatorische Kleptokratien wie Russland, Venezuela und Kuba vor. Ob sich Labour da wirklich einen linken Parteichef gewählt hat? "An der Spitze einer der größten Parteien Europas steht ein Politiker, der den Polen erklärt, ihr Land habe nicht das Recht, sich selbst gegen ein expansionistisches Russland zu verteidigen. Der Mann, den ich nun wohl als den Führer der britischen Linken bezeichnen muss, verteidigt eine klassisch reaktionäre Macht. Wer seine Augen bisher offen hielt, wird nicht verwundert sein. Die Opposition zum Westen ist die erste, letzte und einzige Position, die außenpolitisch für viele Linke von Bedeutung ist. Daher rühren die desorientierenden Allianzen mit Bewegungen, die viele Sozialisten des 20. Jahrhunderts problemlos für rechtsextrem gehalten hätten."

Magazinrundschau vom 11.05.2010 - Standpoint

Peter Whittle macht sich Sorgen über die Schwulenfeindlichkeit vieler muslimischer Immigranten in Europa. Bruce Bawer, ein in Oslo lebender schwuler Amerikaner und Autor des Buchs "While Europe slept", "fürchtet, dass im Alltag die Situation für schwule Männer in Städten wie Oslo und Amsterdam immer schwieriger wird. In Oslo steigen die Angriffe von Muslimen auf Schwule. Und statt zuzugeben, dass es ein Problem gibt, erklären prominente Muslime, dass in 'ihrer' Gemeinde muslimische kulturelle Werte gelten sollten. Das heißt, Schwule, die ihr Territorium betreten, sollten nicht Händchen halten. Bei einem Vorfall wurde ein schwules Paar, das sich vor einem Kebabladen küsste, von anderen Kunden die Straße runtergejagt. Später sagte einer der beiden zu einem Reporter: 'Es war vielleicht dumm von uns, das zu tun. Ich provoziere nicht gern Leute.' Bawer meint dazu: 'Das ist die herrschende Mentalität. Schwule geben sich selbst dafür die Schuld, andere 'provoziert' zu haben, sie zusammenzuschlagen.'"
Stichwörter: Schwulenfeindlichkeit, Oslo

Magazinrundschau vom 12.01.2010 - Standpoint

Fisun Güner besucht die van-Gogh-Ausstellung in der Royal Academy, mit 65 Gemälden, 30 Zeichnungen und 40 Originalbriefen von Vincent van Gogh, und stellt fest, dass der niederländische Maler nicht nur ein Irrer mit kindlich-unschuldigem Gemüt, sondern auch ein aufmerksamer Zeitgenosse war: "Van Gogh war ein gieriger Leser - in Holländisch, Französisch und Englisch. Er las alles von Dickens auf Englisch ('Harte Zeiten' war sein Lieblingswerk), Shakespeares historische Dramen bewegten ihn, und er liebte Flaubert und Maupassant. Tatsächlich wusste er ausgezeichnet Bescheid über die zeitgenössische französische Literatur. Außerdem lernte er eine Menge über Japan aus den Werken Pierre Lotis, vor allem aus dessen Bestseller 'Madame Chrysantheme', der Vorlage von Puccinis 'Madame Butterfly'. Van Gogh identifizierte sich besonders mit den naturalistischen Schriftstellern. Er war inspiriert von Zolas Beschreibung des Pariser Lebens und las alle zwanzig Bände von Zolas Rougon-Macquart-Zyklus. '[Sie] malen das Leben, wie wir es selbst fühlen und befriedigen so unser Bedürfnis, dass Menschen die Warheit sagen', schrieb er 1887 [seiner Schwester] Wil."

Magazinrundschau vom 10.11.2009 - Standpoint

Der katholische Autor Piers Paul Read und der konservative Politiker David Heathcoat-Amory kennen sich seit ihrer Kindheit. Doch wurde aus ersterem ein EU-Fan, aus letzterem ein EU-Gegner. Das Gespräch kommt einem - vor allem als Mittel- und Osteuropäer - vor wie eine Diskussion auf einem anderen Stern. Auf den Vorhalt Heathcoat-Amorys, die EU versuche ein supranationales System zu erbauen, antwortet Read: "Ja, genau das wollen wir. Nationalstaaten haben zu endlosen Kriegen, Konkurrenz und Abschlachterei geführt. Der Nationalstaat war eine fürchterliche Idee, während Charles V. Konzept für die Christenheit, für ein Europäisches Heiliges Römisches Reich eine wunderbare Idee war. Und die EU ist zum Teil eine Neuverkörperung dieses Konzepts. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Spanien und Österreich je einen Krieg ausgefochten haben. Oder haben sie, die beiden Habsburger Reiche? Ich meine, wenn die Habsburger ganz Europa beherrscht hätten, hätten wir nicht diese Religionskriege gehabt. Der Protestantismus wäre von der Inquisition im Keim erstickt worden."

Magazinrundschau vom 01.09.2009 - Standpoint

Standpoint beschäftigt sich in zwei Essays mit der systematischen Unterdrückung der Frauen in den islamischen Ländern. Nick Cohen fragt sich, warum der religiös propagierte Frauenhass kein Thema im Westen ist. Warum es keinen Aufruhr gibt, wenn Frauen in die eigenen Häuser gesperrt, unter den Schleier gezwungen, zwangsverheiratet, vergewaltigt und gesteinigt werden. "Regierungen, die die Hälfte ihrer Bevölkerung unterdrücken, sehen sich keinen Boykotten oder Demonstrationen vor ihren Botschaften ausgesetzt, sie werden auf internationalen Konferenzen nicht verurteilt, im alltäglichen politischen Geschäft werden sie nicht geschmäht. Der Vergleich mit der internationalen Wut gegen die Apartheid ist aufschlussreich. Die Unterdrückung von Schwarzen war einst ein Affront gegen das Gewissen der Welt. Wenn es um die Unterdrückung von Frauen geht, verlieren die Vereinten Nationen ihr Gewissen und ermutigen die Ideologien der Unterdrücker."

Clive James vermisst den Aufschrei westlicher Feministinnen angesichts der Morde an Frauen unter dem Vorwand der Ehre (dessen Ausbleiben sich James nur mit einer pervertierten multikulturellen Ideologie und Pascal Bruckners "Rassismus der Anti-Rassisten" erklären kann): "Uns wird gesagt, dass Jordanien, wenn es um Ehrverbrechen geht, eines der fortschrittlicheren Länder der islamischen Welt ist. Hier sind nur ein Viertel aller Gewaltverbrechen sogenannte Ehrverbrechen. In der palästinensischen Westbank und in Gaza beträgt das Verhältnis zwei Drittel. In Pakistan werden jedes Jahr ungefähr 1000 Frauen getötet, und eine ähnlich verstörende, wenn nicht genau so große Anzahl von rituellen Morden findet statt, wo immer Pakistaner auf der Welt leben. Wenn ein Mädchen in einer britisch-pakistanischen Community von ihren Brüdern in Brand gesteckt wird, wenn ihr das Gesicht von einem abgewiesenen Bewerber mit Säure verätzt wird, lesen wir davon in den Zeitungen, wenn auch nicht lange. In Pakistan sind solche Vorfälle überhaupt keine Nachrichten wert. Sie passieren dreimal am Tag. Sie sind Teil der Kultur."

Magazinrundschau vom 07.07.2009 - Standpoint

Die rechtsextreme British National Party ist bei den Europawahlen mit zwei Abgeordneten ins Europa-Parlament gewählt worden. In Standpoint unterhalten sich der Historiker Raymond Carr und Oswald Mosleys Sohn und Biograf Nicholas über den Gründer der BNP. Uneinig sind sich darüber, wie antisemitisch er war, einig aber darin, dass Mosley zwar ein Faschist, aber kein gefährlich gewesen sei. Nicholas Mosley etwa sagt: "Er war kein demokratischer Politiker, kein Zweifel. Er fragte immer 'Wozu ist ein Parlament gut? Es gibt 300 Leute auf der einen Seite, die versuchen, etwas zu bewegen, und es gibt 350 Leute auf der anderen Seite, die genau das verhindern wollen.' Als ich alt genug war, um solche Sachen zu sagen, antwortete ich ihm: 'Aber das ist doch der verdammte Punkt.' Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut. Das Entscheidende an der Demokratie ist, dass sie Sachen verhindert. Das konnte er nicht verstehen. Er sagte, das sei doch schrecklich, er wollte Sache durchgesetzt bekommen. Alles, was man da machen kann, ist, sich auf ein großes Fass zu stellen."
Stichwörter: Europawahlen

Magazinrundschau vom 23.12.2008 - Standpoint

Der Osteuropakorrespondent des Economist, Edward Lucas (hier sein Blog), geht hart ins Gericht mit Auswüchsen einer falsch verstandenen deutschen "Russlandliebe", die er auch in Michael Stürmers neuem, auf Englisch verfassten Buch "Putin and the Rise of Russia" am Werk sieht. "Das Problem ist, dass die halb-koloniale Beziehung, die sich Deutschland mit Russland zu wünschen scheint, in Wirklichkeit keine Einbahnstraße ist. Wie andere imperiale Länder gut wissen, beginnt man damit, die eigenen Werte und Ansichten zu exportieren, und importiert am Ende die der Anderen. Die deutsche Wirtschaft war schon vor ihrem großen Vorstoß nach Osten, der dem Kollaps des Kommunismus folgte, überraschend korrupt. Die Beschäftigung mit Russland hat dies zur Geltung gebracht. Das deutsche Engagement für die atlantische Allianz sah schon seit den 80er Jahren wackelig aus; jetzt ist es abgenutzt und verfault. Anstatt deutsche Tugenden nach Russland zu exportieren, besteht jetzt die Gefahr, dass die Deutschen russischen Filz, Korporatismus und Antiamerikanismus importieren. Das ist schlecht für Russland, schlecht für Deutschland und erschreckend für die Länder dazwischen."

Magazinrundschau vom 07.10.2008 - Standpoint

Klassische Musik gilt gemeinhin elitär, Popmusik dagegen als rebellisch. Warum eigentlich, fragt der britische Tenor Ian Bostridge. "Rock and Roll ist eine Kunstform des späten Kapitalismus. Es ist keine utopische Alternative dazu oder ein Protest dagegen. Ein früher Hinweis darauf war der Fehlschlag des utopischen Plans, den die Beatles in den späten Sechzigern für ihr Apple Corps hatten. 'Ein wunderschöner Ort, an dem man wunderschöne Dinge kaufen kann ... kontrollierte Verrücktheit ... eine Art westlicher Kommunismus', wie Paul McCartney erklärte. 'Wir sind in der glücklichen Position kein Geld mehr zu brauchen. Zum erstenmal sind die Bosse nicht wegen des Geldes beteiligt. Wir haben bereits all unsere Träume gekauft. Wir wollen auch anderen diese Möglichkeit geben.' Die Firma war gerade in den Schlagzeilen, weil endlich ihr langer Rechtsstreit mit Apple Computer beendet ist. Bob Dylans Teilnahme an einer Kampagne für Victoria's Secret ist nur das letzte Manöver in diesem Rückzug vom Idealismus."