Magazinrundschau
Andrzej Szahaj: Soll der Liberalismus doch welken
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.05.2007. The Nation wünscht sich etwas mehr Debattenkultur bei amerikanischen Politikern. Im Nouvel Obs streiten Bernard-Henri Levy und Andre Glucksmann über Royal und Sarkozy. Outlook India untersucht die Lage der Frauen in Pakistan. In der London Review setzt sich Judith Butler mit Hannah Arendt auseinander. Elet es Irodalom fragt sich, warum die EU für Mausefallen, nicht aber Raketenabwehrsysteme zuständig sein soll. Die Gazeta Wyborcza denkt über den größten Unterschied zwischen Europäern und Amerikanern nach. In der Weltwoche möchte Lawrence Wright von Al Qaida wissen, was sie eigentlich politisch anzubieten hat. Der New Statesman betrachtet deprimiert das Erbe Tony Blairs.
The Nation (USA), 04.05.2007

Nouvel Observateur (Frankreich), 03.05.2007

Outlook India (Indien), 14.05.2007

Warum darf ich nicht in Westbengalen leben, fragt verzweifelt die bangladeschische Autorin Taslima Nasreen, die ihr eigenes Land seit zwölf Jahren nicht mehr betreten darf, jahrelang in Europa lebte und sich nun schon seit längerem um ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht in Indien bewirbt. "Ist das wirklich zuviel verlangt? Ich nehme niemandem den Job weg. Ich möchte nur das Leben eines Schriftstellers leben. Als Autor sehne ich mich nach meiner Sprache, ich sehne mich danach, mit Menschen aus meiner Kultur zusammenzuleben - ist das so ungerechtfertigt? Westeuropa hat mein Leben gerettet, ich hoffe, dass Indien mich als Schriftstellerin retten wird." Und sie erinnert noch einmal daran, warum sie nicht mehr nach Bangladesch zurück darf: Nicht weil sie gestohlen, betrogen oder gemordet hat. Sondern weil sie gegen die Diskriminierung der Frauen durch den Islam protestiert hat.
London Review of Books (UK), 10.05.2007

Weitere Artikel: Michael Dobson hat die Shakespeare-Ausgabe der Royal Shakespeare Society genau unter die Lupe genommen. Thomas Jones befasst sich mit Darren Wershler-Henry Darstellung der Geschichte der Schreibmaschine, die unter dem Titel "The Iron Whim: A Fragmented History of Typewriting" erschienen ist.
Elsevier (Niederlande), 07.05.2007

Ähnlich viele "Worte statt Taten" entdeckt Elsevier-Kommentator Gertjan van Schoonhoven beim Rückblick auf die fünf Jahre, die seit dem Mord an Rechtspopulist Pim Fortuyn vergangen sind. "Erst gab es die Debatte, warum es in den Jahren vor Fortuyn keine Debatte gegeben hatte, dann wurde darüber debattiert, ob die Debatte denn noch sinnvoll sei, und zum Schluss wurden die Grenzen der Debatte debattiert. Die Hauptenergie der letzten Jahre versickerte in verbalen Aktivitäten: Probleme benennen, Probleme 'diskutieren' und dann natürlich auch Probleme überhaupt erst 'diskutierbar machen'. Das mag jetzt kein 'Ausverkauf' Fortuynscher Ideen sein, aber als 'Erbe' ist es doch ziemlich einseitig."
Elet es Irodalom (Ungarn), 07.05.2007

Aus der letzten Ausgabe, die verspätet online ging: Ungarn hat einen neuen Stasi-Skandal: Der Journalist Peter Kende hat am 27. April in der Wochenzeitung enthüllt, der ehemalige ungarische Außenminister Janos Martonyi habe in den 1960er Jahren dem ungarischen Geheimdienst Berichte geliefert. Das belegten Akten der Staatssicherheit. Demnach habe Martonyi während seines Studiums unter anderem über die ungarische Emigrantenszene in Deutschland und Frankreich Berichte angefertigt. Martonyi gehört der rechtskonservativen Partei Fidesz an, die den regierenden Sozialisten konsequent Stasivergangenheit vorwirft. Kende kommentiert: "Gibt es etwas Wichtigeres, als die Glaubwürdigkeit eines Außenministers? Das ist für das internationale Renommee unseres Landes, aber auch für die innenpolitische Rolle eines Politikers maßgebend." Kende schreibt, Martonyi habe in einem Gespräch mit ihm am 16. April 2007 eingeräumt, identisch mit IM "Marosvasarhelyi" gewesen zu sein. Nach Erscheinen des Artikels wies Martonyi gegenüber der ungarischen Presseagentur MTI alle Vorwürfe zurück.
Europa (Polen), 05.05.2007

Guardian (UK), 05.05.2007

Die australische DDR-Historikerin Anna Funder ("Stasi-Land") erklärt, warum "Das Leben der Anderen" vielleicht ein schöner Film sei, aber nichts mit der hässlichen Realität des Stasi-Apparats gemein habe. Zum Buch der Woche gekürt wird Nicola Barkers "phänomenal gutes" 840-Seiten-Epos "Darkmans".
Gazeta Wyborcza (Polen), 05.05.2007

Und: Noch bis zum 10. Mai dauert das Warschauer Filmfestival "Jüdische Motive" an. "Das wichtigste Thema ist die jüdische Emigration aus Polen nach dem Zweiten Weltkrieg und die nicht verheilten Wunden nach der antisemitischen Kampagne von 1968. Nicht jedoch die Politik steht dabei im Vordergrund, sondern private, emotionsgeladene Geschichten der Auswanderer", schreibt Pawel T. Felis.
Foglio (Italien), 05.05.2007
Eine Dame mit dem schönen Namen Michaela Vittoria Barmbilla, die von sich behauptet, keine Politikerin, sondern Unternehmerin zu sein, könnte der kleinste gemeinsame Nenner einer vereinigten Mitte-Rechts Partei werden. "Ecce homo novus berlusconianus", verkündet Marianna Rizzini. Dieser homo berluscionianus ist "ein ernstzunehmender Kandidat für den Premierposten. Er ist kein Politiker, dieser neue Mensch. Er ist überhaupt kein Mann, auch wenn er von sich immer in mannhafter Weise spricht. Er ist eine großgewachsene Frau mit langen Haaren, in einem schönen hellen Rot mit einem Hauch Orange, wie ein Blogger nach ihrem Auftritt in Ballaro bemerkte. Sie heißt Michaela Vittoria und hat diesen ruhigen lombardischen Familiennamen Brambilla. Als Enddreißiggerin ist sie sie Präsidentin des Handelsverbands Confcommercio, sitzt im Vorstand zweier Unternehmen und ist Präsidentin der Circoli della Liberta."
Weitere Artikel: Joe Warren porträtiert Rupert Murdoch. Eduardo Camurri fragt sich, ob das Fernsehen nicht in unguter Weise dem Schöpfer Konkurrenz macht. Angiolo Bandinelli erinnert sich an die koloniale Vergangenheit Italiens.
Weitere Artikel: Joe Warren porträtiert Rupert Murdoch. Eduardo Camurri fragt sich, ob das Fernsehen nicht in unguter Weise dem Schöpfer Konkurrenz macht. Angiolo Bandinelli erinnert sich an die koloniale Vergangenheit Italiens.
Economist (UK), 04.05.2007

Weitere Artikel: Der Economist macht auf die rasante Tendenz zur globalen Urbanisierung aufmerksam: "Das schiere Ausmaß, die schiere Geschwindigkeit der aktuellen Expansion des Städtischen unterscheidet sie von allen bisherigen Veränderungen in der Geschichte der Städte. Diese Expansion besteht im nicht dagewesenen Zuzug der Armen, die dann eine bisher ebenfalls nicht dagewesene Zahl von Kindern produzieren." Kommentiert werden die Pläne Rupert Murdochs, das Medienunternehmen Dow Jones aufzukaufen.
Die Titelgeschichte widmet sich dem "Kampf um die türkische Seele". Im Leitartikel zum Thema stellt der Economist fest: "Falls es dazu kommt, dass die Türken sich entscheiden müssen, ist die Demokratie wichtiger als der Säkularismus".
Times Literary Supplement (UK), 04.05.2007

Besprochen werden außerdem Lew Losews bisher nur auf Russisch erschienener Essay über "Joseph Brodsky", Wilbur Smith' neuer Thriller "The Quest" und Jake Halperns Buch "Fame Junkies", das mit der Idee aufräumt, die Welt der Celebrities sei demokratischer geworden, nur weil Fernsehzuschauer ihre Superstars jetzt selber wählen.
Weltwoche (Schweiz), 03.05.2007

Vorletzten Sonntag stand Bob Dylan in der Schweiz auf der Bühne. Unerträglicher als Stimme und Mundharmonika des Mannes sind nur seine Verehrer, meint Albert Kuhn mit giftigem Blick auf eine Berufsgruppe. "Der reflexartige Kniefall vor Sankt Bob ist für Journalisten über dreißig sozusagen der global gültige Presseausweis. Keine Redaktion ohne berufsmäßigen Dylan-Exegeten mit dem Hang zur vollen Zeitungsseite. Kein anderer Künstler hat eine Branche derart an der Gurgel wie dieser, dieser... Aber warum denn?"
Nepszabadsag (Ungarn), 03.05.2007

al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 02.05.2007
Aus Ägypten berichtet Samar al-Hilu vom schweren Stand der Menschenrechtsorganisationen vor Ort. Die Organisationen seien oft unmittelbar politisch motiviert, es werde aber nichts unternommen, um die eigentlichen, kulturellen Voraussetzungen von Freiheit zu schaffen, so lautet ein Vorwurf, der von der ägyptischen Schriftstellerin Salwa Bakr geteilt wird. Hilu fasst ihr Argument zusammen: "Diese Organisationen habe eine besondere Agenda, die von den Finanziers, die das repressive Regime aufzeigen und skandalisieren wollen, vorgegeben wird. Die großen Staaten benutzen diese Enthüllungen als Druckmittel gegen die 'rückständigen' und undemokratischen Staaten, wenn sich diese nicht der von ihnen vorgegebenen Politik fügen. Die Programmatik dieser Organisationen stehe damit im Zusammenhang. Daher würden Fragen der Kultur in der Arbeit dieser Organisationen, die den Ruf nach Menschenrechten als Dekor (für ihre politische Ziele) benutzen würden, nur am Rande behandelt. Nur so lasse sich die Ignoranz dieser Organisationen gegenüber kulturellen Fragen erklären: Sie beschränken ihre Aktivitäten auf politische Rechte, als ob die Menschen, für die diese Organisationen eintreten, nicht auch soziale und ökonomische Rechte hätten."
Literaturen (Deutschland), 01.05.2007

Jan Engelmann liest die neuesten Ratgeber zur vielbeschworenen Krise der Männlichkeit. Zum Buch des Monats kürt Martin Lüdke Cormac McCarthys Roman "Die Straße". Besprochen werden außerdem Thomas Langs Roman "Unter Paaren" (Leseprobe hier) sowie, in Franz Schuhs Kriminal-Kolumne, Lilian Faschingers Kriminalroman "Stadt der Verlierer". Manuela Reichart hat sich zwei Verfilmungen von Thomas Manns "Buddenbrooks" auf DVD angesehen. In der "Netzkarte" stellt Aram Lintzel die bei Professorinnen und Professoren nicht durchweg beliebte Website meinprof.de vor, auf der Studierende Lehrende benoten und bewerten dürfen - das Ergebnis, so Lintzel, ist freilich "Controlling und Evaluation in knallharter McKinsey-Manier".
New Statesman (UK), 07.05.2007
