Magazinrundschau

Speziell Metzger, Pilzsammler und Gärtner

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
20.04.2021. Walrus erklärt, warum Immigration in Kanada weitgehendst akzeptiert ist. In der London Review erklärt John Lanchester die Magie der internationalen Finanzwirtschaft am Beispiel der Entstehung eines Öltankers. Der New Yorker überlegt, wieviel Geld Nordkoreas Hacker ihrem Staat einbringen. Respekt fragt sich, wie groß der Einfluss Russlands in Tschechien wirklich ist. Buzzfeed erzählt, wie die indische Regierung die sozialen Medien zur Überwachung, Zensur und Gängelung der eigenen Bevölkerung nutzt. Himal erklärt, wie in Indien die Meritokratie vom Kastenwesen profitiert.

Walrus Magazine (Kanada), 31.05.2021

Über einen interessanten Aspekt der kanadischen Einwanderungspolitik schreibt Kelly Toughill: Einwanderer werden mehr und mehr (inzwischen sind es fast 30 Prozent) nicht von der Zentralregierung ausgesucht, sondern von lokalen Regierungen oder sogar gesellschaftlichen Gruppen, zum Beispiel Gewerkschaften. Grundlage dafür sind mehr als hundert übers ganze Land verstreute Programme: "Es gibt Wege zur Daueraufenthaltsgenehmigung und Staatsbürgerschaft, die speziell für Metzger, Pilzsammler und Gärtner entwickelt wurden; eines für Reinigungskräfte in Sudbury; eines für Fernfahrer in British Columbia; andere für internationale Studenten, die in New Brunswick, Nova Scotia oder Saskatchewan ein Unternehmen gründen wollen; und noch mehr für Dutzende anderer eng definierter Gruppen von Arbeitern in bestimmten Teilen des Landes. Die Programme ändern sich ständig: Die Bundesregierung versucht nicht einmal, eine aktuelle Liste zu führen. Dieses Sammelsurium an Nischenprogrammen war nicht geplant. Es wuchs aus politischem Druck und wirtschaftlicher Not heraus, ohne dass es eine nationale Abstimmung gab. Und es gibt Probleme. Es ist ineffizient - Einwanderungsbürokratien verlassen sich oft auf Personen mit schockierend wenig Ausbildung. Es ist anfällig für Betrug. Und nicht immer landen die Einwanderer dort, wo sie am meisten gebraucht werden. Aber Kanadas dezentralisiertes Einwanderungssystem mag ein Grund dafür sein, dass dieses Land den globalen Wettbewerb um Arbeitskräfte gewinnt. Es mag auch ein Grund dafür sein, dass Kanada die höchste öffentliche Unterstützung für Einwanderung von allen Ländern der Welt hat."
Archiv: Walrus Magazine

Eurozine (Österreich), 14.03.2021

Neben Mykola Riabchuck letzte Woche (unser Resümee) befassen sich zwei weitere bei Eurozine mit der brennenden Frage, wo Mitteleuropa denn nun liegt: Da, wo einige postsowjetische europäische Staaten es gerne hätten, oder da, wo Milan Kundera es in seinem Essay "A Kidnapped West or the tragedy of central Europe" von 1983 sehen wollte? Für Eurozines Chefredakteur Reka Kinga Papp liegt es ohne Frage in Österreich, wie er hier schreibt. Auch für den irischen Journalisten Enda O'Doherty ist Kunderas geografische Orientierung höchst strittig: "Auf Kunderas mentaler Landkarte ist der Osten schlecht, Russland vor allem, und der Westen (meist) gut, aber das Zentrum ist nicht, wie man annehmen mag, irgendwo dazwischen, sondern dehnt sich auf einer höheren Ebene und repräsentiert oder antizipiert, was ein ideales Europa sein sollte oder hätte sein sein sollen … Diese Vision eines großen pluralistischen, toleranten, multinationalen Staates in Mitteleuropa wurde tatsächlich unwahrscheinlich, nachdem der letzte Habsburger Kaiser Karl 1919 ins Exil gedrängt worden war, oder sogar fünf Jahre früher, als Franz Ferdinand in Sarajevo getötet wurde. Dennoch hatte die Vision ein Nachleben in den Köpfen liberaler 'Österreich-Ungarn', die machtlos dem Aufstieg eines neuen Turbonationalismus in den 1920ern und 30ern zusehen mussten. Das Jahr, in dem Kundera seinen Text schrieb, war eines verstärkter Spannungen zwischen Ost und West … Kundera war der Meinung, dass die Furcht, von Reagans USA verschluckt zu werden, vor allem in den kleinen StaatenMitteleuropas spürbar war, die damit Erfahrung hatten. In diesem Sinne erschien ihm das Schicksal der Region als Vorwegnahme des europäischen Schicksals. Als Heimat kleiner Staaten, so Kundera, hatte Mitteleuropa seine eigene Vorstellung von der Welt, eine, die der Geschichte sehr skeptisch gegenüberstand."
Archiv: Eurozine

London Review of Books (UK), 22.04.2021

Die Schifffahrt ist der Motor der Globalisierung, aber so unsichtbar und undurchdringlich wie nie zuvor, erkennt John Lanchester. Die vierhundert Meter lange Ever Given zum Beispiel, die fast eine Woche lang den Suez-Kanal blockierte, wird von einer nur 25-köpfigen indischen Mannschaft betrieben; das Containerschiff gehört einer japanischen Gesellschaft, die es an eine taiwanesische geleast hat, die es wiederum von der Hamburger Bernard-Lange-Reederei unter panamaischer Flagge betreiben ließ. Lanchester empfiehlt Laleh Khalilis sehr instruktives Buch "Sinews of War and Trade" über die Bedeutung des Suezkanals: "Die Welt hatte sich verändert, als der Suez-Kanal nach dem Sechstage-Krieg von 1967 wieder eröffnet wurde. Die Veränderungen in der Schifffahrt bezogen sich vor allem auf die Größe: Alles an Schiffen wurde größer und größer und schließlich noch mal größer. Die Notwendigkeit, um das Kap der Guten Hoffnung zu fahren und dort den legendären Stürmen standzuhalten, war an sich schon ein Argument für robustere Schiffe. Die wachsende Bedeutung des arabischen Öls für die westlichen Ökonomien führten aber auch zu größeren Tankern. Erst zu dem VLLC, dem Very Large Crude Carrier, dann zum ULCC, dem Ultra Large Crude Carrier. Wie Khalili erklärt, wurden diese Schiffe auch durch finanzielle Innovationen möglich gemacht. Aristoteles Onassis, eine treibende Kraft hinter der Gargantuanisierung der Schiffe, verlieh ein neues Schiff an eine Ölfirma, die Transportkapazitäten brauchte, aber nicht unbedingt die nötigen Transportmittel kaufen wollte. Onassis nutze die verheißenen Gewinne aus dem Charter-Vertrag, um das Schiff zu versichern, dann diente ihm die Versicherung als Garantie für den Kredit, den er brauchte, um das Schiff bauen zu lassen. Es ist eine wunderbare Geschichte über die Macht des Kapitals, aus sich selbst heraus mehr Kapital zu schaffen. Eigentlich könnte man sagen, dass das zu Beginn der Transaktion nicht existierende Schiff durch die Magie der Finanzen sein Werden erzwang."

Rivka Galchen liest in Matthew Cobbs "The Idea of the Brain" nach, wie sich unsere Vorstellungen und unser Wissen vom Gehirn im Laufe der Jahrhunderte wandelten: "Descartes dachte, dass Gehirn funktioniere wie ein hydraulisches System, ganz wie die Statuen, die er in den Gären von Saint-Germain-en-Laye vor sich hatte. Spätere Denker sahen im Gehirn genau das, was sie um sich herum hatten: Elektrizität, Magnetismus, Boole'sche Algebra, Bayes'sche Mathematik oder einen Rechner, der uns zu unserer Mutter befragt. Androide träumen von elektrischen Schafen. Bemerkenswert ist, dass unser Wissen aus diesen Träumen erwächst, wenn auch unberechenbar."

Außerdem: Adam Tooze rekapituliert Paul Krugmans Konversion von Bill Clintons neokeynesianischem, also neoliberalem Berater in den neunziger Jahren zu Joe Bidens keynesianischem Berater des Jahres 2021, der nicht nur auf die Geld-, sondern auch auf die Fiskalpolitik setzt.

Respekt (Tschechien), 19.04.2021

Nachdem Polizei und tschechische Sicherheitsdienste herausgefunden haben, dass die Explosion im Munitionslager Vrbětice, bei der 2014 zwei Tschechen ums Leben kamen, von russischen Geheimagenten verübt wurde (offenbar denselben, die auch das Skripal-Attentat verübten), ist die Empörung groß (der Journalist Jan Urban spricht in Hlídací pes von einem "staatsterroristischen Akt") und russische Botschaftsmitarbeiter wurden ausgewiesen. Erik Tabery meint in Respekt, es gebe keinen Grund zur Überraschung: "Schon seit Jahren wird bei uns ein Kampf darüber geführt, wie groß Russlands Einfluss auf die Tschechische Republik ist. Experten und Geheimdienste warnen schon seit Langem, dass sich die Situation zunehmend verschlechtere. Moskau greift in unsere Angelegenheiten ein und wir reagieren nicht schnell und entschlossen genug." Ein Grund für diese Laxheit sei auf der Prager Burg zu finden, da Präsident Miloš Zeman Russland in all seinen Interessen unterstütze (Anteil am Atomkraftwerk Dukovany, Einführung des Impfstoffs Sputnik V etc.), den russlandkritischen Außenminister Petříček absetzen wollte und den tschechischen Geheimdienst BIS kritisiere. Der BIS sei jedoch "ein Schutzwall, der uns vor Eingriffen des Kremls auf tschechischem Gebiet schützt". Und diese essentielle Sicherung stelle das Staatsoberhaupt permanent in Frage und rufe im Grunde nach ihrer Abschaffung. Der tschechische Staat, so Tabery, müsse sich jedoch schützen, und zwar sofort. Mit der Ausweisung der Agenten habe die Regierung von Premier Babiš immerhin gut reagiert, doch das genüge nicht: "Die Sicherheitsdienste haben ihre Arbeit getan. Jetzt sind die Politiker an der Reihe."
Archiv: Respekt

New Yorker (USA), 03.05.2021

In einem Beitrag für das neue Heft fragt Ed Caesar, ob jemand Nordkoreas Hacker stoppen kann: "Paradoxerweise hat Nordkorea, wo nicht mehr als zehn Prozent der Menschen Internetzugang haben, einige der geschicktesten Hacker hervorgebracht. Als würde Jamaica Gold im Bobfahren gewinnen. Aber die Cyberbedrohung aus Nordkorea ist echt und sie wächst. Wie viele andere Länder auch hat Nordkorea sein Militär mit Cyberwaffen ausgestattet. 2016 entwendeten Programmierer des Militärs in Pjöngjang mehr als 200 Gigabyte südkoreanischer Geheimdokumente, darunter das Szenario eines möglichen Krieges zwischen Nord- und Südkorea und der Plan, Kim Jong-un zu beseitigen … Nordkorea ist außerdem die einzige Nation in der Welt, deren Regierung dafür bekannt ist, offen Cybercrime zu begehen, um Geld zu verdienen. Teile des militärischen Geheimdienstes sind extra dafür ausgebildet … Das Cybercrimeprogramm hat den Kopf einer Hydra und beherrscht vom Bankraub über die Installierung von Schadsoftware bis zum Diebstahl von Coins aus Kryptobörsen allerhand Techniken. Es ist schwer festzustellen, wie erfolgreich Pjöngjangs Hacker sind. Anders als Terrorbanden zeichnen sie nicht offiziell für ihre Taten verantwortlich, und die Regierung weist Verantwortung reflexartig von sich. Mit dem Resultat, dass sogar genaue Beobachter selten mit dem Finger auf Nordkorea zeigen, wenn es um einzelne Angriffe geht. Ein UN-Bericht von 2019 geht allerdings davon aus, dass Pjöngjangs Einnahmen aus Cyberkriminalität ca. zwei Milliarden Dollar betragen könnten. Seitdem hat die Bedrohung noch zugenommen. Die UN geht weiter davon aus, dass das Geld ins Militärbudget fließt."

Außerdem: Christine Kenneally untersucht, ob Hirnimplantate die Identität verändern. Amanda Petrusich stellt das neue Album von Dawn Richard vor, das Elektronik mit New-Orleans-Sound verbindet. Margaret Talbot denkt mit Danielle Dreilingers Buch "The Secret History of Home Economics" über Haushaltswirtschaft und Emanzipation nach. Pankaj Mishra legt dar, wie Edward Said zu seinen postkolonialen Überzeugungen gelangte. Hilton Als schreibt über die Alice-Neel-Ausstellung im Met-Museum. Und Anthony Lane sah im Kino Neil Burgers Film "Voyagers".
Archiv: New Yorker

En attendant Nadeau (Frankreich), 17.04.2021

Yannick Haenel hat für Charlie Hebdo über den Prozess zu den Anschlägen gegen die Zeitschrift und einen jüdischen Supermarkt geschrieben. Die lesenswerten Kolumnen, aus denen der Perlentaucher häufig zitiert hat, sind jetzt in einem Buch zusammengefasst. In En Attendant Nadeau unterhalten sich die Rabbinerin Delphine Horvilleur und der Psychoanalytiker Stéphane Habib mit Haenel - leider ist das Gespräch ziemlich wolkig geraten. In einer der nachvollziehbareren Passagen sagt Haenel: "Wahrheit gibt es nicht ohne Ethik, sie braucht Sorgfalt, und Zuhören ist eine Form der Sorgfalt. Der Prozess war für mich tatsächlich so etwas wie ein Auf-die-Probe-Stellen des Schreibens. Versteht jemand, der diese bizarre Praxis des Schreibens - diese Liturgie, ohne Gott vielleicht, aber mit ihrem eigenen Gott - etwas über den Prozess, das der Prozess selbst nicht über sich weiß? Da ich jeden Tag produzieren könnte und öffentlich ein Buch schrieb, bin ich, ohne es zuzugeben, zum Erzähler des Prozesses geworden. Das ist verrückt. Und der Vorsitzende Richter hatte gelesen, was ich geschrieben hatte, bevor er die neue Sitzung eröffnete."

Himal (Nepal), 20.04.2021

Es ist immer schwierig zu beurteilen, ob jemand eine bestimmte Position wegen seiner Verdienste erreicht hat oder aufgrund seiner Privilegien - vor allem wenn der Erwerb des einen (Verdienste) ohne das andere (Privilegien) gar nicht möglich gewesen wäre. Wie das in Indien funktioniert, hat der Anthropologe Ajantha Subramanian am Beispiel der Ingenieurausbildung in seinem Buch "The Caste of Merit" beschrieben. "Es ist wichtig zu verstehen, dass die Kaste wie ein Filter wirkt", erklärt er im Interview mit Himal: "Erstens dafür, welche Gruppen Zugang zu Bildung haben; zweitens, wer in der Elite-Hochschulbildung erfolgreich sein kann; und drittens, wer die Hochschulbildung als Sprungbrett in die USA nutzen kann. Die Kastenschichtung der indischen Gesellschaft hat dafür gesorgt, dass die angesehensten und wettbewerbsfähigsten Hochschulen, wie die IITs, weiterhin Räume des Kastenprivilegs und sichere Wege zum Erfolg in der Diaspora sind. Zwar hat sich die soziale Zusammensetzung solcher Institutionen aufgrund der Quoten etwas verändert, doch haben diese Veränderungen noch keine spürbaren Auswirkungen auf die elitärsten Institutionen und auf die Muster der transnationalen Migration. Wenn Quoten für minder privilegierte Gruppen in der öffentlichen Elitebildung oder in der Beschäftigung im öffentlichen Sektor eingeführt wurden, bestand eine typische Reaktion der privilegierten Kasten darin, in den privaten Sektor oder ins Ausland zu gehen. Die spezifische Form von Kapital, über die sie verfügen - akademische und berufliche Qualifikationen - hat den Ausstieg leicht gemacht. Da es sich dabei um eine übertragbare Form von Kapital handelt, hat der Ausstieg auch zur weiteren Akkumulation von Kapital beigetragen. Am dramatischsten ist dies im Fall der IIT-Absolventen, die ihr Kastenkapital genutzt haben, um in die USA zu gelangen und noch mehr Kapital im US-Technologiesektor zu akkumulieren."
Archiv: Himal
Stichwörter: Indien, Meritokratie, Kasten

Elet es Irodalom (Ungarn), 16.04.2021

Máté Gáspár, gegenwärtig der Direktor des Budapester Frühlingsfestivals, ist einer der wichtigsten Kulturmanager Ungarns. Im Interview mit Júlia Váradi spricht er über eine für das Land verlorene Generation von Kulturschaffenden. "Die Entwicklung des Theaters zeigt wie in einem Brennglas die gesamte gesellschaftliche Veränderungen. (...) Ich denke nicht nur an West-Europäer, sondern auch an Litauen oder Polen, die ebenfalls umsichtiger und bewusster mit ihren Talenten umgegangen sind. Eine beispiellose Blindheit, Konzeptionslosigkeit, Werteverschwendung herrscht bei uns, was dazu führte, dass man es hinbekommen hat, die Generation der Regisseure und Theaterleiter um vierzig entweder aus dem Lande zu verjagen oder in die Ecke zu drängen. Dies gefährdet sowohl die Tradierung als auch die Erneuerung von Kultur."
Stichwörter: Ungarn, Litauen

La vie des idees (Frankreich), 13.04.2021

Die Soziologin Isabelle Sommier ist eine Spezialistin für politische Gewalt. In La Vie des Idées fasst sie ihre Forschungsergebnisse zur Gewaltstruktur von K-Gruppen zusammen, die es auch in Frankreich gab. Sie beschreibt sie als sektenartige Organisationen, die sich mit brutaler Intensität gegen die Einsicht in die eigene Absurdität wehrten, bis sie mit einem traurigen Rülpser um 1980 implodierten. Die Parteien waren extrem machistisch: "Die Beschwerden linker Frauen sind vielfältig und darüber hinaus allen politischen Organisationen gemeinsam, ob sie als Parteien organisiert oder Protestbewegungen waren. Die Dreifachbelastung (Aktivismus, berufliche Belastung, Hausarbeit) wurde ignoriert. Die Aufgaben wurden nach Geschlechtern aufgeteilt und führten zur Abwertung der Frauen. Es gab symbolische sexuelle Gewalt (die Aufforderung, 'befreit' zu sein und sich dem männlichen Begehren zu fügen) und manchmal auch reale Gewalt (Vergewaltigungen oder sexuelle Belästigung bei der trotzkistischen Partei LCR oder 'Révolution')."

Buzzfeed (USA), 11.04.2021

Binnen kürzester Zeit ist Indien mit Tech-Millionen geflutet worden. Von der Hoffnung auf ein Online-Indien ist allerdings wenig geblieben, schreibt Pranav Dixit, der verzweifelt beobachtet, was Social-Media mit dem Land macht: Nicht mehr Diskurs, mehr Quellen und mehr Meinungsfreiheit sind in dem hindu-nationalistisch regierten Land die Folge, sondern mehr Überwachung und Gewalt. Zumal die Politik bei Social-Media längst durchregiert: "Social-Media-Unternehmen müssen nun alles, was die Regierung als problematisch einschätzt, innerhalb von drei Tagen offline zu nehmen und alles, womit die Polizeibehörden unglücklich sind, innerhalb von 36 Stunden. Die Plattformen müssen auf Anfrage Nutzerinformationen an Behörden herausgeben. Beugen sich die Plattformen dem nicht, droht den Mitarbeitern vor Ort strafrechtliche Verfolgung. Auch können die Unternehmen ihren Schutz davor verlieren, für die Inhalte der Nutzer belangt zu werden. ... Bislang hüllen sich die amerikanischen Tech-Firmen in Schweigen. ... Wenn ich mich mit Rangniedrigen unter den Angestellten dieser Firmen unterhalte, wirken diese ziemlich angefressen. Man hört viel nervöses Lachen. Manche von ihnen stammeln und stolpern über ihre Sätze. 'Ich weiß nicht, ob ich darüber sprechen sollte', sagt einer. Nur wenige rücken mit der Sprache raus und diejenigen, die es tun, sorgen sich darum, ihre Jobs zu verlieren, weil sie mit Journalisten sprechen. Aber sie fürchten auch einen Konter von mächtigen Politikern. 'Ehrlich gesagt, ich finde derzeit kaum Schlaf', erzählte mir ein Twitter-Mitarbeiter vor kurzem. Eine weitere Person, die für ein Social-Media-Unternehmen arbeitet, sagte mir, dass die Belegschaft gerade damit beschäftigt ist herauszufinden, wem unter ihnen gerade Gefängnis droht, sollte die Regierung einmal hart durchgreifen."
Archiv: Buzzfeed