Magazinrundschau - Archiv

Atlantic

216 Presseschau-Absätze - Seite 3 von 22

Magazinrundschau vom 01.03.2022 - The Atlantic

Zwanzig Jahre dauerten die Kriege, die die USA nach dem 11. September führten, sie endeten in allen politischen Lagern mit ebenso viel Bitterkeit wie Erleichterung, schreibt George Packer: Wem könne dieses politisch korrumpierte, sozial zerrissene und von Covid verheerte Land noch sagen, wo es lang gehen soll? Doch seit dem 24. Februar gelte ein neuer politischer Realismus: "In dieser neuen Zeit realistisch zu sein, bedeutet nicht, amerikanische Interessen so eng zu definieren, dass die Ukraine entbehrlich wird, sondern zu verstehen, dass die Welt in demokratische und autokratische Sphären aufgeteilt ist; dass diese Teilung alles prägt, von Lieferketten und dem Wettbewerb um Ressourcen bis zu staatlicher Korruption und dem Einfluss der Technologie auf die Köpfe und Gesellschaften der Menschen; dass die Autokraten die Oberhand gewonnen haben und es wissen. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine, der auf frühere Versuche folgte, Unabhängigkeit und Demokratie dort ebenso wie in Georgien und Weißrussland zu unterdrücken, ist der dramatischste, aber bei weitem nicht der letzte Konfliktpunkt zwischen den beiden Sphären. Wenn es sich bei diesem Konflikt um einen neuen Kalten Krieg handelt, dann ist es einer, den die Autokratien energisch vorantreiben und den die Demokratien nur ungern annehmen."

Magazinrundschau vom 08.02.2022 - The Atlantic

Muslimische Länder sind vielfältig und zerstritten. Aber wenn es um manche hehre Anliegen geht, sprechen sie zuweilen mit einer Stimme, etwas wenn Israel für seine "Apartheidspolitik" gegeißelt wird oder der Prophet gegen die Karikaturen von Charlie Hebdo in Schutz genommen werden muss. Bei den Olympischen Spielen aber bleiben sie stumm - die chinesische Unterdrückung und kulturelle Gleichschaltung der Uiguren kritisieren sie nicht, ein Boykott der Spiele kommt erst recht nicht in Betracht, konstatiert Yasmeen Serhan in Atlantic: "Die Tatsache, dass muslimische Führer die Not der Muslime in China geflissentlich ignorieren, ist ein Beweis für den wachsenden Einfluss Pekings. China ist einer der wichtigsten Handelspartner vieler Länder mit muslimischer Mehrheit und, was für die Golfstaaten von entscheidender Bedeutung ist, der Hauptabnehmer von Öl aus dem Nahen Osten. Im Rahmen seiner Seidenstraßeninitiative hat China Milliarden von Dollar in Infrastrukturprojekte in der gesamten muslimischen Welt investiert. Damit hat die chinesische Regierung nicht nur ihren Einfluss gesichert, sondern auch ein Druckmittel erworben."

Magazinrundschau vom 04.01.2022 - The Atlantic

David Brooks begeistert sich für den Konservatismus, seit er Edmund Burke gelesen hatte. Was Donald Trump aus den Republikanern gemacht hat, habe mit diesem Konservatismus jedoch nichts mehr zu tun, bedauert er und verortet sich jetzt am rechten Rand der Demokraten. In einem Essay sucht er nach den Gründen für das Umschlagen des Konservatismus in Trumpismus: "Erstens: Rasse. Konservatismus ist nur dann sinnvoll, wenn er versucht, soziale Bedingungen zu bewahren, die grundsätzlich gesund sind. Amerikas Rassenordnung ist grundlegend ungerecht. Es ist ein moralisches Verbrechen, in Rassenfragen konservativ zu sein. Die amerikanischen Konservativen haben das nie begriffen. ... Zweitens: Wirtschaft. Der Konservatismus ist im Wesentlichen eine Erklärung dafür, wie Gemeinschaften Weisheit und Tugend hervorbringen. Im späten 20. Jahrhundert werteten sowohl die Linke als auch die Rechte das befreite Individuum gegenüber der vernetzten Gemeinschaft auf. Auf der Rechten bedeutete das weniger Edmund Burke und mehr Milton Friedman. Der Schwerpunkt der Rechten verlagerte sich von Weisheit und Ethik auf Eigennutz und Wirtschaftswachstum. ... Aber der vielleicht wichtigste Grund für den Verfall des Konservatismus zum Trumpismus war geistiger Natur. Die britischen und amerikanischen Strömungen des Konservatismus basierten auf einem Fundament des nationalen Vertrauens. Sie wussten, dass es in jeder nationalen Tradition heilige Dinge gab, die es zu bewahren galt, und sie verstanden, dass sich der gesellschaftliche Wandel innerhalb der bestehenden Leitplanken des Bestehenden vollziehen musste. Im Jahr 2016 lag diese Zuversicht in Trümmern. ... Der republikanische Trumpismus plündert, erniedrigt und untergräbt Institutionen, um sich persönlich zu profilieren. Die trumpsche Sache wird durch den Hass auf den Anderen zusammengehalten." Um Amerika zu bewahren, so Brooks, "muss man den Pluralismus lieben. Solange das Ethos des Kriegers die GOP beherrscht, wird Brutalität über Wohlwollen, Propaganda über Diskurs, Konfrontation über Konservatismus, Entmenschlichung über Würde gestellt. Eine Bewegung, die Viktor Orbáns Ungarn mehr zugetan ist als dem Central Park in New York, ist weder konservativ noch amerikanisch."

Außerdem: Anne Applebaum empfiehlt dringend zwei Bücher zur Lektüre, die sich mit Geldwäsche und Korruption in den USA befassen: Casey Michels "American Kleptocracy" und Tom Burgis' "Kleptopia". Für Journalisten ist das ein verdammt undankbares Thema, erinnert sie die Leser, die bei der etwas trockenen Lektüre zu schnell aufzugeben drohen: "Es ist eine große Herausforderung, ein umfassendes Bild der Korruption zu vermitteln, von den Anfängen eines Systems bis zu seinen langfristigen Auswirkungen. 'American Kleptocracy' und 'Kleptopia' erforderten jahrelange sorgfältige Berichterstattung; beide wiederum erfordern Konzentration beim Lesen."

Magazinrundschau vom 07.12.2021 - The Atlantic

In einer riesigen Reportage untersucht Barton Gellman die Taktiken der Trump-Anhänger, die nächsten Präsidentschaftswahlen zu kapern. Dass ihnen das gelingen kann, bezweifelt er nicht: "Seit mehr als einem Jahr haben republikanische Funktionäre in den Bundesstaaten mit stillschweigender und ausdrücklicher Unterstützung der nationalen Parteiführung einen Apparat für Wahldiebstahl aufgebaut. Gewählte Beamte in Arizona, Texas, Georgia, Pennsylvania, Wisconsin, Michigan und anderen Staaten haben Donald Trumps Kreuzzug, die Wahl 2020 zu kippen, studiert. Sie haben die Schwachstellen erkannt und konkrete Schritte unternommen, um ein Scheitern beim nächsten Mal zu vermeiden. Einige von ihnen haben ihre Gesetze umgeschrieben, um den Parteien die Kontrolle darüber zu entziehen, welche Stimmzettel gezählt und welche verworfen werden, welche Ergebnisse bestätigt und welche abgelehnt werden. Sie vertreiben oder entmachten Wahlbeamte, die sich im letzten November geweigert hatten, sich dem Komplott anzuschließen, und versuchen, sie durch Vertreter der großen Lüge zu ersetzen. Sie feilen an einem juristischen Argument, das es den staatlichen Gesetzgebern erlauben soll, sich über die Entscheidung der Wähler hinwegzusetzen." Dieses Argument besagt, dass Wahlen ausschließlich vom Parlament eines Bundesstaates kontrolliert werden sollten: "In ihrer logischen Konsequenz könnte dies eine Rechtsgrundlage für jede staatliche Legislative sein, ein Wahlergebnis, das ihr nicht gefällt, zu verwerfen und stattdessen die von ihr bevorzugten Wahlmänner zu ernennen."

Rebecca Giggs stellt zwei Bücher vor - "Hurricane Lizards and Plastic Squid: The Fraught and Fascinating Biology of Climate Change" von Thor Hanson und "A Natural History of the Future: What the Laws of Biology Tell Us About the Destiny of the Human Species" von Rob Dunn -, die untersuchen, wie es einigen Tierarten gelingt, sich der Veränderung der Welt durch die Menschen und dem Klimawandel anzupassen. Vielleicht können wir davon lernen? Die Erkenntnisse sind jedenfalls überraschend: "Wissenschaftler, die sich mit der Überwachung der städtischen Tierwelt befassen, weisen darauf hin, dass bebaute Gebiete mehr gefährdeten Arten Schutz bieten, als wir uns vorstellen können: Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigte, dass in australischen Städten pro Quadratkilometer wesentlich mehr bedrohte Arten leben als in nicht-städtischen Gebieten. ... Am erstaunlichsten ist, wie Robert Dunn anhand mehrerer faszinierender Fallstudien zeigt, dass sich die Organismen im Zuge ihrer Entwicklung zur Nutzung der Bedingungen und Ressourcen in diesen künstlichen Umgebungen manchmal so stark verändern, dass neue Arten entstehen. Aus Getreidesilos sind einzigartige Singvögel und Käfer hervorgegangen, die von einer stärkereichen Ernährung leben. Braune Ratten haben in einigen Städten begonnen, isolierte Populationen zu bilden. In New Orleans trennen Wasserstraßen die Rattenkolonien voneinander. In New York scheinen die Ratten nur ungern durch Midtown Manhattan zu ziehen - vielleicht, weil sie dort weniger zu fressen finden. Und die Ratten der Stadt haben charakteristische Merkmale entwickelt: Sie haben längere Nasen und kürzere Zähne als anderswo, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass sie sich von weicherer Nahrung ernähren." Ob wir auch so flexibel sein können?

Außerdem: Rachel Donadio erklärt den Amerikanern die Laïcité, die Frankreich prägt.

Magazinrundschau vom 16.11.2021 - The Atlantic

Die Autokratien des 21. Jahrhunderts haben nichts mehr mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts gemein, schreibt Anne Applebaum in einem deprimierenden Ausblick auf das neue, erfolgreiche und sich ständig ausweitende Netzwerk von Pariah-Staaten: Belarus, China, Iran, Kuba, Russland, Venezuela, Myanmar, Syrien, Afghanistan, Saudi Arabien, Pakistan, die Türkei, Angola, Kasachstan, um nur ein paar zu nennen. "Heutzutage werden die Autokratien nicht mehr von einem Schurken geführt, sondern von ausgeklügelten Netzwerken aus kleptokratischen Finanzstrukturen, professionellen Propagandisten und Sicherheitsdiensten (Militär, Polizei, Paramilitärs, Überwachung). Die Mitglieder dieser Netzwerke sind nicht nur innerhalb eines Landes miteinander verbunden, sondern über mehrere Länder hinweg. Die korrupten, staatlich kontrollierten Unternehmen in der einen Diktatur machen Geschäfte mit den korrupten, staatlich kontrollierten Unternehmen in der anderen. Die Polizei in einem Land bewaffnet und trainiert die Polizei im anderen. Die Propagandisten teilen Ressourcen - die Trollfarmen - und Themen - dröhnende Botschaften über die Schwäche der Demokratie und das böse Amerika. Das heißt aber nicht, dass es einen supergeheimen Raum gibt, in dem sich die bösen Buben treffen wie in einem James-Bond-Film. Auch nicht, dass die neuen autokratischen Allianzen eine einheitliche Ideologie teilen. Unter den modernen Autokraten sind Leute, die sich selbst Kommunisten nennen, Nationalisten oder Theokraten. Diese Gruppe wird nicht von einem Land angeführt. Washington spricht zwar viel über den chinesischen Einfluss, aber was die Mitglieder in diesem Klub wirklich zusammenhält, ist das gemeinsame Verlangen, persönliche Macht und Reichtum zu sichern und zu vermehren. Anders als politische und militärische Allianzen früherer Zeiten, operieren die Ländern nicht als Block, sondern eher als ein Konglomerat von Firmen - man nenne wir es Autocracy Inc. Sie sind nicht durch Ideale verbunden, sondern durch Geschäfte - Geschäfte, die den westlichen Sanktionen die Schärfe nehmen sollen oder der persönlichen Bereicherung dienen." Fast genauso deprimierend findet Applebaum allerdings das Desinteresse des Westens, ausdrücklich auch der Linken, an diesen Ländern und ihren Oppositionsbewegungen.

Magazinrundschau vom 23.11.2021 - The Atlantic

David Brooks hat sich zur National Conservatism Conference gewagt und eine Menge sehr charmante und sympathische Menschen kennengelernt und eine Menge furchteinflößende Reden gehört. In Atlantic gibt er einen faszinierenden Einblick in die Diskussionen und das Denken vor allem der jungen Konservativen: "Wenn ich jedes Mal einen Schnaps hätte trinken müssen, wenn ein Redner Herbert Marcuse oder Antonio Gramsci zitierte, wäre ich an einer Alkoholvergiftung gestorben", erklärt er überrascht. "Die Konservativen haben schon immer gegen die kulturelle Elite - die Medien, die Universitäten, Hollywood - gewettert. Aber im Informationszeitalter sind die Kulturschaffenden jetzt die Titanen der Wirtschaft. Das dominierende Mittel dieser Wirtschaft ist die kulturelle Produktion. Wirtschaftliche Giganten sind kulturelle Giganten. Die Nationalkonservativen beschreiben also eine Welt, in der die Unternehmenselite, die Medienelite, die politische Elite und die akademische Elite zu einer Achse des Bösen geronnen sind, die alle Institutionen beherrscht und die Kanäle des Denkens kontrolliert." Und wer kann dagegen angehen? Überraschung! Der Staat, ausgerechnet. "Das ist die logische Konsequenz des Nationalkonservatismus: die Macht des Staates zu nutzen, um die großen Konzerne zu zerschlagen und zu demütigen und um gegen die kulturellen Werte der Küsten vorzugehen. Der Kulturkrieg verschmilzt mit dem wirtschaftlichen Klassenkampf - und es entsteht eine neue Rechte, in der ein intellektueller Kader, die Nationalkonservativen, die proletarischen Massen gegen die Kultur- und Konzerneliten aufhetzt. Alle politischen Kategorien Ihrer Großeltern werden dabei durcheinander gewirbelt." Donald Trump, ahnt Brooks, "hat besser als jeder andere das Zusammenwachsen der neuen amerikanischen Kultur- und Unternehmenselite und die Kraft der gegen sie gerichteten populistischen Wut verstanden. So könnte die Zurschaustellung von Ivy-League-Populismus, deren Zeuge ich in Orlando wurde, durchaus die alarmierende Zukunft der amerikanischen Rechten repräsentieren: die Verschmelzung von Kulturkrieg und Klassenkampf zu einer epischen marxistischen Götterdämmerung."

Magazinrundschau vom 26.10.2021 - The Atlantic

McKay Coppins ist dem dubiosen Hedgefonds Alden Global Capital auf der Spur, der vergangenen Mai unter adnerem die altehrwürdige Chicago Tribune kaufte, ein Viertel der Nachrichtenredaktion feuerte und das Blatt regelrecht ruinierte. Welche Strategie steckt dahinter? "Was Lokalzeitungen heute bedroht, ist nicht nur die Digitalisierung oder abstrakte Marktkräfte. Sie werden von Investoren attackiert, die herausgefunden haben, dass man reich wird, indem man lokale Nachrichtenblätter ausnimmt wie eine Weihnachtsgans. Das Modell ist einfach: Personal entlassen, Immobilien verkaufen, Abo-Preise hochtreiben und so viel Geld wie möglich aus dem Unternehmen ziehen, bis die Leser schließlich die Abos kündigen und das Blatt am Ende ist oder nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Männer, die dieses Modell entwickelt haben, sind Randall Smith und Heath Freeman, Mitbegründer von Alden Global Capital. Seit sie vor einem Jahrzehnt ihre ersten Zeitungen gekauft haben, war kein anderer Investor weniger daran interessiert so zu tun, als würde er sich um die langfristige Gesundheit seiner Publikationen scheren. Forscher der University of North Carolina fanden heraus, dass Zeitungen im Besitz von Alden ihr Personal doppelt so stark reduziert haben wie die Konkurrenz. Nicht zufällig ist die Auflage auch schneller zurückgegangen, so Ken Doctor, Analyst der Nachrichtenbranche, der die Daten einiger der Zeitungen überprüft hat. Diese Zeitungen müssen nicht zu nachhaltigen Unternehmen werden, damit Smith und Freeman Geld machen. Mit aggressiven Kostensenkungen kann Alden seine Zeitungen jahrelang mit Gewinn betreiben und gleichzeitig ein immer schlechteres Produkt anbieten, gleichgültig gegenüber empörten Abonnenten. 'Das ist die Gemeinheit und die Eleganz des kapitalistischen Marktes, die da in die Presselandschaft gelangt', sagt Doctor. Bisher hat Alden seine Strategie hauptsächlich auf Wochenzeitungen beschränkt, aber Doctor gleubt, es sei nur eine Frage der Zeit ist, bis die Reihe an die Tageszeitungen kommt."

Magazinrundschau vom 07.09.2021 - The Atlantic

Es ist gut, dass sich die gesellschaftlichen Codes verändert haben, dass die westlichen Gesellschaften weniger sexistisch, weniger rassistisch geworden sind, betont Anne Applebaum in einem großen Essay, in dem sie nichtsdestotrotz den neuen Puritanismus geißelt, der Amerikas Medien und Universitäten beherrscht und der sie an die Zeit erinnert, als Osteuropa sowjetisiert wurde - nicht durch Zang und Gewalt, sondern durch enormen Gruppendruck. Applebaum zeichnet ein Bild von einem entfesselten Online-Mob einerseits und einer illiberalen Universitätsbürokratie anderseits, die sich überbieten in Konformismus, Karrierismus und Ignoranz gegenüber rechtsstaatlichen Prinzipien. Und sie lässt etliche Personen zu Wort kommen, die in den vergangenen Jahren ihre Stelle verloren haben: "Die Leute hören auf, mit einem zu reden. Man wird toxisch. 'In meinem Department gibt es Dutzende von Kollegen, doch im vergangenen Jahr habe ich mit keinem einzigen gesprochen', sagt ein Akademiker. 'Ein Kollege, mit dem ich zehn Jahre lang mindestens einmal pro Woche zu Mittag gegessen habe, weigerte sich überhaupt noch mit mir zu reden, ohne eine einzige Frage zu stellen.' Ein anderer rechnet vor, dass von den etwas über zwanzig Mitarbeitern in seinem Department noch 'zwei mit ihm sprechen, 'einer von ihnen hat keinen Einfluss, der andere geht bald in Rente'. Ein Journalist erzählte mir, dass sich seine Bekannten, nachdem er gefeuert worden war, in drei Gruppen teilten. Die erste Gruppe, die der 'Helden', die auf ein faires Verfahren bestand, bevor man das Leben eines Menschen beschädigt, und die zu ihren Freunden stehen, war sehr klein. Dann gibt es die zweite Gruppe der 'Schurken', die glaubt, man habe sein Leben verwirkt, sobald nur eine Anschuldigung gemacht wird'. Einige alte Freunde oder Menschen, die er für Freunde hielt, schlossen sich sogar den öffentlichen Angriffen an. Aber die Mehrheit gehörte zur dritten Gruppe: 'Gut, aber nutzlos. Sie glauben nicht unbedingt das Schlechteste von einem und sie würden Dir gern ein faires Verfahren wünschen, aber naja, genaues wissen sie ja nicht. Sie haben schon Mitgefühl, aber einfach keine Zeit, Dir zu helfen. Oder zu viel zu verlieren.'" Einen Ausweg hat Applebaum auch nicht zu bieten, dafür die düstere Prognose, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die Methode des public shaming von rechten Agitatoren übernommen wird.

Hunderttausende Afghanen und Afghaninnen haben das Land mittlerweile aus Angst um ihr Leben verlassen, vor allem natürlich die Gutausgebildeten, notiert Yasmeen Serhan mit Unbehagen, denn dieser Exodus bedeutet nicht nur einen schweren Schlag für die Taliban: "Es ist auch ein schwerer Schlag für die Afghanen selbst. Ohne all diese Ärzte, Ingenieure, Akademiker und öffentlichen Angestellten werden viele Institutionen und grundlegende Dienste, die das Land am Laufen halten, nahezu sicher zusammenbrechen."

Magazinrundschau vom 28.09.2021 - The Atlantic

Wenn die Briten und Franzosen sich hassen - wie jetzt im Streit um den geplatzten U-Boot-Deal und Aukus -, dann nur, weil sie einander so ähnlich sind, glaubt Tom McTague. "Es gibt einen Witz, der mehr als nur ein Element von Wahrheit enthält: Britannien hat die EU nicht verlassen, um Britannien wieder groß zu machen. Es hat die EU verlassen, um französischer zu werden. Diejenigen, die Johnson nahe stehen, bewundern das, was sie als Frankreichs unverfrorene Verteidigung nationaler Interessen und rücksichtsloses Streben nach Vorteilen beschreiben würden - die französische Unnachgiebigkeit. Johnson als Britanniens ersten gaullistischen Premierminister zu bezeichnen, wäre übertrieben, aber es gibt sicherlich einige Überschneidungen: nationalistisch, wirtschaftlich interventionistisch, auf nationale Souveränität und nationalen Exzeptionalismus ausgerichtet. … In einem Sammelband seiner Kolumnen aus dem Jahr 2003 beschreibt Johnson in glühenden Worten, was er als Frankreichs erfolgreiche Durchsetzung seiner nationalen Interessen durch die EU ansieht. 'Die Europäische Gemeinschaft wird von Frankreich regiert', argumentiert er. Insbesondere lobt er die französischen Beamten und ihr 'schachartiges Genie, vorauszudenken und das französische nationale Interesse als den europäischen Traum zu verkleiden'. Nach Johnsons Ansicht ist Britannien von den Franzosen innerhalb der EU ausmanövriert worden. 'Es gibt kein britisches Gegennetzwerk', schreibt er im selben Artikel. … Nach Ansicht Johnsons, so ein hochrangiger Beamter in der Downing Street 10, habe Britannien nach dem Brexit nun die Chance, seine Rolle in der Welt unabhängig von der EU zu definieren, 'und kreativer und selbstbewusster zu sein, wenn es darum geht, wen wir unterstützen und wie wir es tun'. Er fügte hinzu: 'Und wenn sich das französisch anfühlt, dann soll es so sein.'"

Magazinrundschau vom 21.09.2021 - The Atlantic

Sebastian Mallaby porträtiert das Valley-wiz-kid Peter Thiel, wobei Thiel mit seinen 54 Jahren schon ein alter Hase ist. Aus Max Chafkins Biografie über den Trump-Unterstützer Thiel erfährt er, wie Thiel als Student gemobbt wurde und worin das Geheimnis seines Erfolgs besteht: "Beim Venture Investment zeitigt Thiels Nonkonformismus die besten Ergebnisse. Sogar verglichen mit den nonkonformistischen Standards des Valleys ist Thiels Investment-Stil anregend zu nennen. Vielleicht wegen des Einflusses des Philosophen René Girard unterscheidet er besonders streng zwischen Nachahmer-Start-ups, die er verachtet, und wirklich originellen 'Moonshots', von denen viele scheitern, einige jedoch eine ganz neue Branche etablieren. Der einfache Weg für jeden Unternehmensgründer besteht darin, mehr von etwas Vertrautem zu machen. Im Gegensatz dazu gibt es keine bestimmte Formel für die Hervorbringung neuer Technologien oder Produkte, aber Thiel hat eine Strategie, die zu funktionieren scheint (und die wahrscheinlich aus seiner Zeit in Stanford stammt): Er bekämpft etablierte Weisheiten. Er argumentiert nach Grundprinzipien. Er fördert eigenwillige Außenseiter. Wie er in seinem Buch 'Zero to One' argumentiert, tappen Unternehmer, die nicht radikal ungewöhnlich agieren, in Girards Falle. Sie entwickeln vernünftige Pläne, die, eben weil sie vernünftig sind, auch anderen einfallen. Sie erschaffen keine neue Form oder einen neuen sozialen Maßstab. Im Wettbewerb mit der Konkurrenz werden sie keine Gewinne erzielen." (Einen Auszug aus Chafkins Thiele-Biografie kann man bei Bloombergs lesen.)

Und in einem weiteren Beitrag prügelt Ian Bogost auf das E-Book ein und sucht nach einem triftigen Grund, warum er dem herkömmlichen Buch so viel mehr abgewinnen kann: Es ist seine Buchmäßigkeit! "Angesichts der langen Geschichte der Buchmäßigkeit ist ein Buch weniger irgendein spezifisches Ding als ein Echo der langen Geschichte der Buchmacherei - und eine Hommage an die Idee von einem Buch, individuell und kollektiv, wie sie in unseren Köpfen existiert. Das unterscheidet Bücher von anderen menschlichen Technologien. Der Mensch musste schon immer essen, aber die Methoden der Landwirtschaft, der Konservierung und Verteilung haben sich weiterentwickelt. Der Mensch wollte sich schon immer fortbewegen, aber der Verkehr hat dafür schnellere und spezialisiertere Möglichkeiten erschlossen. Ideen und Informationen haben ebenfalls einen technologischen Wandel erfahren - Kino, Fernsehen und Computer, um nur einige zu nennen, haben den Ausdruck verändert. Aber wenn es ums Sammeln von Wörtern und Bildern geht, die zuerst auf Seiten und dann zwischen Deckeln gepresst werden, ist das Buch weitgehend gleich geblieben. Damit stehen Bücher auf Augenhöhe mit anderen Super-Erfindungen der menschlichen Zivilisation, mit Straßen, Mühlen, Zement, Turbinen, Glas und dem mathematischen Konzept der Null."