Magazinrundschau - Archiv

Granta

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Magazinrundschau vom 19.12.2023 - Granta

Jürgen Habermas will die Ukraine zwar unterstützen, aber mit dem Ziel, möglichst schnell in Verhandlungen einzutreten. Im Gespräch mit Thomas Meaney, das im Juli geführt wurde, kommt er zurück auf die Debatte, die er in Deutschland ausgelöst hatte - und bleibt bei seiner Position: "Die westlichen Regierungen wollen eine formelle Beteiligung an dem Krieg vermeiden. Was mich jedoch von Anfang an beunruhigt hat, ist die fehlende Perspektive. Sie versichern der Ukraine immer wieder unbegrenzte militärische Unterstützung bis zu dieser Schwelle, ohne jedoch ihre eigenen politischen Ziele zu erklären. Offiziell überlassen sie alles andere der ukrainischen Regierung und ihren Soldaten. Diese fehlende öffentliche Artikulation politischer Ziele ist umso unverständlicher, je mehr der Verlauf des Krieges zeigt, wie sich die geopolitischen Konstellationen zu Ungunsten der im Niedergang befindlichen Supermacht USA und der international handlungsunfähigen EU verändern. Deshalb habe ich im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz in einem weiteren Artikel in der Süddeutschen Zeitung - 'Ein Plädoyer für Verhandlungen' (unser Resümee) - daran erinnert, dass der Westen mit der militärischen Hilfe, die letztlich die Verlängerung des Krieges ermöglicht, eine moralische Mitverantwortung übernommen hat. Ganz abgesehen von der Entschlossenheit der Ukrainer, sich der Invasion zu widersetzen, trägt der Westen mit seiner logistischen Unterstützung und seinen Waffensystemen eine moralische Mitverantwortung für die täglichen Opfer des Krieges - für alle zusätzlichen Toten und Verletzten und alle zusätzlichen Zerstörungen von Krankenhäusern und wichtiger Infrastruktur. Es wäre daher kein Verrat an der Ukraine, sondern eine klare normative Forderung, wenn die Vereinigten Staaten und Europa darauf bestehen würden, alle Möglichkeiten für einen Waffenstillstand und einen gesichtswahrenden Kompromiss für beide Seiten auszuloten."

In dieser Ausgabe, die übrigens Deutschland gewidmet ist, gibt es auch ein sehr sehr langes Gespräch mit Eyal Weizman, Gründer von Forensic Architecture, und die Veranstaltungskuratorin und Aktivistin Emily Dische-Becker, die die Erinnerungskultur in Deutschland kritisieren, weil sie das Judentum "mystifiziere", der rechten Regierung in Israel in die Hände spiele und nicht akzeptiere, dass der Holocaust nur ein Unterfall des Kolonialismus sei. "Es ist nun offensichtlich, dass das Thema Antisemitismus ein Laboratorium für eine umfassendere antidemokratische Politik darstellt und als Präzedenzfall für das Verbot anderer Protestformen dient", ist Dische-Becker überzeugt. "Erst wurden die palästinensischen Demonstrationen aufgelöst, jetzt werden andere Demonstrationen der Linken verhindert. So hat die Regierung beispielsweise begonnen, mit Maßnahmen wie Präventivhaft gegen Umweltaktivisten vorzugehen." Was Dische-Becker allerdings mit keinem Wort erwähnt, ist der Slogan, der jahrelang bei propalästinensischen Demonstrationen gerufen wurde, bis es der trägen deutschen Öffentlichkeit mal auffiel: "Hamas, Hamas, Juden ins Gas."

In einem zweiten, ebenfalls sehr langen Gespräch mit Weizman und Dische-Becker, das nach dem 7. Oktober geführt wurde, bekennt Weizman: "Als Nachkomme einer Familie von Pogrom- und Holocaust-Überlebenden kann ich nicht leugnen, dass die Ermordung von Familien aus nächster Nähe emotional sehr aufwühlend war. Aber das Trauma, das auch ich erlebe, kann die Verantwortung der historischen Analyse nicht ersetzen. Die israelische Gesellschaft scheint im 7. Oktober festzustecken, wie in einer endlosen Gegenwart. ... Das Trauma erzeugt einen metageschichtlichen psychologischen Zustand der permanenten Verfolgung. Das ist sehr gefährlich, vor allem, wenn Israel eine so große Armee hat, mit so viel internationaler Unterstützung und einer Vernichtungsmentalität. Israelische und deutsche Politiker sagen: 'Nie wieder ist jetzt'. Das artet in eine groteske Parodie des historischen Gedächtnisses aus, wenn der israelische Botschafter bei der UNO mit einem Davidstern als Rechtfertigung für die Vernichtung des Gazastreifens dasteht und die völkermörderischen Aussagen der israelischen Regierung und Armee wiederholt. ... Der Tag nach diesem Krieg wird nicht viel anders sein als der Tag davor, solange wir nicht die Frage der Befreiung und Gleichheit der Palästinenser adressieren. Dass Palästinenser Rechte haben über Palästina? Das ist nicht die Frage, sondern das Ziel unseres Kampfes. Eine andere Frage ist: Welche Rechte haben Juden in Palästina?"

Magazinrundschau vom 22.08.2023 - Granta

Arthur Asseraf ist Historiker und Franzose mit marokkanischen Vorfahren. Zwischen beidem tut sich für ihn eine seltsame Verbindung auf, als seine Großmutter und später sein Vater an Demenz erkranken, erzählt er in einem sehr lesenswerten Essay für die Onlineausgabe. Seine marokkanische Großmutter kam ihm schon als Kind vor "wie ein Alien. Damals dachte ich, ich könnte ihre Geschichten nicht verstehen, weil ich zu jung war." Um ihre Geschichten besser zu verstehen, wurde er Historiker und lernte, Geschichte aus der Distanz zu betrachten. Damit stellte sich nicht nur Kontext her, die Distanz half ihm auch zu verstehen und darüber zu sprechen, dass seine Großmutter, Tochter einer jüdischen Familie, eine Rassistin war. "Ihre Familie lebte in Marokko, soweit wir sie zurückverfolgen können. Und als die Franzosen kamen, öffneten sie ihren Mund für den Kolonialismus, aßen ihn, verdauten ihn und machten ihn sich zu eigen. Als sie mir sagte, sie sei nach Frankreich 'zurückgekehrt', als sie 1956 ihre Heimat Marokko verließ, war das keine Lüge: In ihrer Vorstellung hatte sie ihr ganzes Leben in einem imaginären Frankreich gelebt. ... Ich wollte mit dieser Welt nichts zu tun haben. Ich analysierte sie aus der Ferne. Auf Konferenzen stand ich vor Rednerpulten und konnte den Leuten ihre Vergangenheit besser erzählen als sie selbst." Bis er nach einer Panikattacke seiner Großmutter, die glaubte, man wolle ihn in ein Konzentrationslager verschleppen, begriff, dass sie - und später sein Vater - ganz in der Vergangenheit lebte, die plötzlich unmittelbar anschaulich wurde: "Als Historiker wird uns gesagt, dass eine ernsthafte Beschäftigung mit der Vergangenheit bedeutet, sich von der Gegenwart zu entfernen. Wie alle Formen der Isolation von der Welt, vom Mönchstum bis zur Zwangseinweisung, kann dies Trost oder Schmerz bringen. Aber während mein Vater langsam stirbt, fällt es mir immer schwerer, diesem Grundsatz zu folgen. Ich möchte nicht in einer anderen Zeit leben als er. Es gibt mehr als eine Möglichkeit, von der Gegenwart aus in die Vergangenheit zu gelangen. Man kann einen alten Briefumschlag öffnen und spüren, wie die Worte darin über die Lippen kommen; man kann versuchen, das genaue Rezept der Tajine seiner Großmutter wieder aufleben zu lassen, um es im Mund zu spüren. Ich würde gerne glauben, dass die Beobachtung, wie die Menschen, die ich am meisten liebe, den Verstand verlieren, mich zu einem besseren Historiker gemacht hat als meine Diplome und Bücher. Vielleicht müssen die Fähigkeiten, die ich so lange in der Schule gelernt habe, nicht wie Skalpellmesser benutzt werden, um die Geschichten meiner Familie zu sezieren. Vielleicht können sie mir helfen, ihnen näher zu kommen. Vielleicht ist es dieselbe Biegsamkeit des Gehirns, die uns dazu bringt, Geschichte und Demenz zu studieren. Eine familiäre Veranlagung für Zeitreisen."

In der neuen Printausgabe schreiben Tabitha Lasley über Schreiben und Dating, Diana Evans über Tanzen und Schreiben, Maartje Scheltens über Steve Reich und Brian Dillon über legendäre Drummaschinen.

Magazinrundschau vom 16.05.2023 - Granta

Die neue Ausgabe versammelt Geschichten der zwanzig besten jungen britischen Autoren. Sigrid Rausing stellt sie in ihrer Einleitung vor.  Einige sind auch frei geschaltet, darunter Natascha Browns "Universality". Hier der Anfang: Die Geschichte beginnt mit dem jungen Jake, der allein irgendwo in Queensbury vor einem Goldbarren steht. In Wert von einer halben Million Dollar. "Irgendwann in dieser Nacht, oder vielleicht als das Tageslicht am Rande des Horizonts ankam, gelang es Jake, nicht mehr zu schauen, sondern zu denken. Er beschloss zu fliehen. In den Wochen nach Jakes Verschwinden berichteten die Lokalzeitungen von Queensbury und Bradford über die Ereignisse jener Nacht: ein illegaler Rave, die daraus resultierenden drei Krankenhausaufenthalte, erheblicher Sachschaden und eine laufende polizeiliche Untersuchung. Die Geschichte geriet jedoch bald in Vergessenheit, und die nationale Aufmerksamkeit richtete sich auf die Covid-19-Pandemie und die Strategie der Regierung für die schwierigen Wintermonate. Doch die Entschlüsselung der Ereignisse, die zu dieser seltsamen und beunruhigenden Nacht geführt haben, ist der Mühe wert; dahinter verbirgt sich ein modernes Gleichnis, das das ausfransende Gewebe der britischen Gesellschaft offenbart, das durch den unerbittlichen Verschleiß des Spätkapitalismus dünn geworden ist. Der verschwundene Goldbarren ist das Bindeglied zwischen einem amoralischen Banker, einem ikonoklastischen Kolumnisten und einer radikalen anarchistischen Bewegung."
Stichwörter: Rave

Magazinrundschau vom 21.03.2023 - Granta

Der britische Regisseur Richard Eyre denkt, auch mit Blick auf seine eigene Familie, darüber nach, was "normale" Menschen sind. Sein Großvater Charles Royds zum Beispiel war Mitglied der Antarktis-Expedition von Scott 1901-1904. In seinen Tagebüchern "stellt er weder sich selbst noch seine Kollegen als Männer ohne Angst oder ohne Sinn für Gefahr dar. Für ihn liegt das Wunder - wenn es ein Wunder gibt - in ihrer Alltäglichkeit: '-53°C, das nenne ich ziemlich kühl!!! Man kann sich das Lachen nicht verkneifen, wenn man an Halsschmerzen und Erkältung in England denkt und daran, dass man sich nicht traut, seine Nase im Freien zu zeigen... Der Winter kann nicht nur Freude und Behaglichkeit bringen, niemand kann das erwarten, aber mit Hilfe von ein wenig Selbstverleugnung, ein wenig Taktgefühl und einem fröhlichen Gesicht kann man die meiste Monotonie und Unannehmlichkeit überwinden. Wir werden uns wie normale Menschen verhalten.' Ich wundere mich darüber. Ist es Mut? Ist es Stoizismus? Ist es absichtlicher Mangel an Vorstellungskraft?"
Stichwörter: Eyre, Richard, Normalität

Magazinrundschau vom 24.01.2023 - Granta

Die Schriftsteller Pico Iyer, geboren in England als Sohn englischer Eltern, aufgewachsen in Kalifornien, und Caryl Phillips, geboren auf der Karibikinsel St. Kitts, aufgewachsen in England und heute in den USA lebend, unterhalten sich für die Online-Ausgabe von Granta über Migration und Heimat. Interessanterweise spielt Identität in ihrem Gespräch keine Rolle. Das Wort kommt überhaupt nur einmal vor, und dann auch nur als "Klassenidentität". Schmerzhaft war für beide, dass das Aufwachsen im "kolonialen Mutterland" sie von ihren Eltern entfernte: "Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob mir der Preis klar ist, den meine Eltern als Migranten gezahlt haben", sagt Phillips, "und ich glaube nicht, dass sie sich darüber im Klaren sind, wie schwierig es für uns war, in der Ära des 'Paki-bashing' und Enoch Powells aufzuwachsen. Sich über Britannien zu beschweren, hätte bedeutet, eine gewisse Art von Versagen einzugestehen, und wo bliebe dann unsere 'Heimat'? Wir haben uns zwar über Britannien beschwert, aber wir wurden ermutigt, uns auf unsere Schularbeiten zu konzentrieren und 'die Dinge in die Hand zu nehmen'. Unter diesen Umständen tat sich eine riesige Kluft des Verständnisses auf. Ich habe mich nie in Britannien 'eingelebt'. Innerhalb von zehn Jahren nach meinem Abschluss reiste und unterrichtete ich zwei Monate lang in Indien, dann fast ein Jahr lang in Schweden, dann auf St. Kitts und schließlich in den USA, um eine Stelle als Gastautor anzutreten. Welche Tür meine Eltern mir auch immer mit ihrem Akt der Migration geöffnet haben, ich bin hindurchgegangen und dann auf der anderen Seite durch eine andere Tür in die Welt hinaus. Ohne ihren anfänglichen Akt der Migration hätte ich ein solches Leben des Umherziehens und - ich wage es zu sagen - der relativen Freiheit nicht führen können." Auch Iyer ist auf der anderen Seite hinausgegangen: nach Japan, "zu dem ich immer ein mysteriöses Gefühl der Vertrautheit und in diesem Sinne der Zugehörigkeit hatte. Eine lustige Wahl, denn keine Kultur ist weniger inklusiv... Bis heute spreche ich nur begrenzt Japanisch, liebe kein japanisches Essen und habe nicht einen Tag meines Lebens an dem Ort gearbeitet oder studiert, den ich als meine geheime, tiefste Heimat betrachte. Dennoch fühle ich eine Verwandtschaft mit diesem Ort, die ich nie mit Indien, Großbritannien oder Amerika empfinden werde. Und ich kann ihn auch deshalb so gerne als Heimat bezeichnen, weil ich dort immer ein Ausländer sein werde, außerhalb des Systems - was bedeutet, dass ich gerne alle meine Tage dort verbringen würde, aber ich würde niemals Japaner sein wollen. Ich nehme an, das ist eines der merkwürdigen Phänomene bei Menschen wie Sie und ich: Ich habe nie erwartet, eine ganze Kultur zu finden, der ich angehören würde, und fühle mich gerade deshalb im Fremdsein zu Hause."

Magazinrundschau vom 31.05.2022 - Granta

In Granta erzählt der britische Autor und Kulturwissenschaftler Jason Allen-Paisant, wie er 2018 das Leben in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince erkundete. Eine Stadt, die ihm vertraut schien und dann wieder sehr fremd. Zum Schlüssel wurde ihm der Rhythmus der Stadt, die Bewegungen im Raum, etwa wenn ein Mann mit einer Nähmaschine in einen Minibus steigt: "Dies ist ein anderes Land, und ich war noch nie so beeindruckt von der Choreografie der Bewegung wie in diesem Moment. Es ist alles normal - nichts könnte in diesem Moment und in diesem Raum normaler sein -, der Mann balanciert seine Nähmaschine für ein paar Minuten, bis er sein Ziel erreicht und dem Fahrer zuruft, der ihn aussteigen lässt. Er bezahlt und setzt seinen Weg fort. Ich möchte die Bedeutung dieser Choreografie für mich ausloten, wie sie mich zwingt, den Raum auf andere Weise zu lesen. Manch einer mag von Resilienz sprechen und davon, wie sie den Einsatz des Körpers bedingt, die Art und Weise, wie sich der Körper an den Raum und seine besonderen Zwänge anpasst. Ich kann es nicht genau sagen. Ohne es zu idealisieren, habe ich das Gefühl, dass diese Art des Balancierens es den Menschen ermöglicht, einander auf eine Art und Weise zu sehen, die präsenter und offener ist als die Art und Weise, wie die Menschen in Leeds, wo ich lebe, einander sehen. Das mag daran liegen, dass die Art und Weise, wie unsere Körper den Raum einnehmen, die Art von Selbst bestimmt, die wir sind oder für die wir uns halten: Sich in einer Choreografie zu bewegen bedeutet, sich der Präsenz anderer Körper bewusst zu sein. Die Art und Weise, wie sich der Verkehr in Port-au-Prince bewegt, scheint dies zu verdeutlichen. Es ist ein Fluss, in den man eintritt und aus dem man aussteigt; die Dinge halten nicht an: kein Anhalten, kein Zögern, kein Zweifeln; dafür ist hier kein Platz - es gibt einen Rhythmus, und alle Teilnehmer treten in diesen Rhythmus ein und nehmen sich gegenseitig wahr."

Magazinrundschau vom 18.07.2017 - Granta

Sehr ehrfürchtig unterhalten sich Sarah Ladipo Manyika und Mario Kaiser mit Toni Morrison, die ihnen verrät, dass nicht einmal eine Nobelpreisträgerin die Titel ihrer Bücher wählen darf, warum sie vor allem über und für Schwarze schreibt und warum sie nicht an den Fortschritt der USA glaubt: "Sie haben ja gerade mal angefangen, die gelynchten Leute, die ermordeten jungen Schwarzen in die Zeitung zu bringen. Früher hat darüber niemand gesprochen. Es war nicht der Rede wert. Jetzt bekommen Trayvon Martin und die anderen Jungs viele Schlagzeilen. Ich fragte meinen Sohn, ob er sich eigentlich bewusst mache, dass ich fünfzig, sechzig Jahre lang auf der Welt war, bevor jemand glaubte, das sei einen Artikel wert. Es gab nichts. Es hat sich was verändert, obwohl ich denke, dass wir gerade wieder einen Schritt zurück machen unter diesem sogenannten Präsidenten."
Stichwörter: Morrison, Toni

Magazinrundschau vom 12.09.2017 - Granta

Das Granta Magazine hat einen Artikel des UNHCR-Mitarbeiters Keane Shum online gestellt, der bereits im Juni die bedrückende Situation der Rohingya umfassend beleuchtete. Shum berichtet, dass die muslimischen Rohingya im mehrheitlich von Buddhisten bewohnten Myanmar nie anerkannt wurden und daher als größte staatenlose Bevölkerungsgruppe der Welt systematisch ausgeschlossen und der Willkür der myanmarischen Regierung ausgesetzt sind. Zudem wird vor allem mit Kindern und Frauen seit Jahren Menschenhandel getrieben, sie werden von triadisch organisierten Schmugglern ausgebeutet und teilweise monatelang auf Booten im Meer oder in Camps im Dschungel festgehalten: "Basierend auf Interviews mit den Geflüchteten erfuhr der UNHCR von Massenvergewaltigungen, einschließlich der von Babies und Kleinkindern, brutalen Misshandlungen, dem spurlosen Verschwinden von Menschen und weiteren schweren Menschenrechtsverletzungen durch birmanische Sicherheitskräfte; außerdem waren hunderte von Häuser, Schulen, Märkte, Läden und Moscheen von der Armee, der Polizei und wütenden Mobs aus Zivilisten niedergebrannt worden.' Die Regierung von Myanmar leugnet jegliches Fehlverhalten. In einem KFC in Penan diskutierten meine Kollegen und ich, was das für die Rohingya bedeutet. Es war eine düstere Unterhaltung. Saw Myint und ein anderer Rohingya wechselten einige Worte in ihrer Sprache, der Dolmetscher übersetzte für uns: 'Die Tamarinde schmeckt immer sauer', sagten sie, 'was sauer ist, wird niemals süß'."

Magazinrundschau vom 25.04.2014 - Granta

Die neue Ausgabe des britischen Literaturmagazins Granta ist Japan gewidmet. Online lesen dürfen wir eine Geschichte von Eric Ozawa über einen Mann, dessen Frau einem Mord (oder einer Entführung? So ganz wird das nicht klar) zum Opfer fällt. Kennengelernt haben sie sich in einem französischen Café in Tokio, dem Aux Bacchanales. Dort beginnt die Geschichte: "Das erste Mal sah ich Noémi an der Bar des Aux Bacchanales stehen. Den Ort selbst gibt es nicht mehr: das Gebäude in Harajuku wurde abgerissen und ein beinahe identisches französisches Café in einem anderen Teil von Tokio rekonstruiert. Es gibt mehr davon in Japan, alle mehr oder weniger gleich. In jenen Tagen wurde die Uniformen der Kellner aus Paris importiert, die Köche hatten in Lyon gelernt und die Kickertische waren in einem Bistro in Marseille gekauft worden. Noémi sagte, dass die Akzente der Kellner unberechenbar seien, aber sonst war der Ort eine fast perfekte Imitation des Originals. Viele der Stammgäste waren Franzosen. Die anderen waren zum größten Teil japanische Frauen, die Frankreich liebten. Der Ort hatte nichts dionysisches, nichts war irrational oder mystisch, außer dieser einvernehmlichen Lust, sich exotisch zu finden."

Online lesen kann man außerdem zwei Texte, von Tash Aw und von Rana Dasgupta, über einen Gegenstand aus Japan, den sie besitzen.
Stichwörter: Japan, Lyon, Ozawa, Eric, Tokio, Marseille

Magazinrundschau vom 18.06.2013 - Granta

In der Street-Food-Serie von Granta schildert Anjum Hasan die Faszination der Eis-Lollies, die für seine ostindische Heimadtstadt Shillong typisch sind und von den Kindern 'nala-pani', 'Schmutzwasser', genannt werden: "Die zweifelhafte Herkunft des Wassers, aus dem sie hergestellt wurden, machte sie zu einem köstlichen Tabu... Es ist unmöglich, ihre Verlockung von den ungewaschenen Händen ihrer Verkäufer zu trennen, den verwitterten, rostigen Büchsen mit dem Pulver von Masalas, der geriebenen, den Elementen ausgesetzten Papaya und dem schlammig aussehenden Tamarindenwasser."

In weiteren Beiträgen der Serie über Street Food erzählen Héctor Abad aus Kolumbien, Tan Twan Eng aus Penang, Malaysia, Claire Vaye Watkins über die hot dogs von Nevada and Annia Ciezaldo über das Brot von Beirut.