Magazinrundschau
Die Einnahmen sind astronomisch
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
16.05.2023. In der London Review schildert Alex de Waal, wie die Khediven von Ägypten Khartoum zum Zentrum des arabischen Sklavenhandels machten. Wie sehr dieser Teil der Geschichte das Verhältnis zwischen arabischen und schwarzen Afrikanern immer noch prägt, schildert die tunesische Autorin Haythem Guesmi in Africa is a Country. Ray erzählt die Geschichte von Franz-Josef Spiekers vergessener Filmkomödie "Wilder Reiter GmbH". Der New Statesman zeichnet ein verstörendes Bild von Haiti. Das New York Magazine beschreibt den Erfolg der rechten Cancel Culture in den USA. A2Alarm porträtiert den schwulen Rom-Musiker Vojtik. Desk Russie stellt die rot-braunen Putin-Unterstützer in den USA vor. Die New York Times fragt vor dem Hintergrund steigender Demenzerkrankungen: Was ist, wenn ich ein anderer ist?
London Review of Books (UK), 18.05.2023

Africa is a Country (USA), 16.05.2023

Ray (Österreich), 15.05.2023

Die deutsche Filmgeschichte ist immer wieder für Wiederentdeckungen und überraschende Querschläger gut. In einem epischen Longread erzählt Stephan Eicke die aberwitzige Geschichte des heute so gut wie vergessenen Franz-Josef Spieker, der als Assistent von Stanley Kubrick und Douglas Sirk begann, nach kurzer Zwischenstation in Hollywood das Oberhausener Manifest unterschrieb, mit an der Wiege des deutschen Softsexfilms saß, mit der Komödie "Wilder Reiter GmBH" (1967) nicht nur einen bemerkenswerten kommerziellen Erfolg hinlegte, sondern auch bei den Filmkritikern gut ankam ("der erste deutsche Cineastenfilm" notierte zum Beispiel die sonst notorisch strenge Zeitschrift Filmkritik damals), mit seinen nachfolgenden Filmen aber völlige Bruchlandungen hinlegte. Am 18. März 1978 schließlich wurde am Strand von Bali seine Leiche angeschwemmt, die so schwer in Mitleidenschaft gezogen war, dass das Gerücht eines Ritualmordes die Runde machte. Sein "Wilder Reiter" kursiert heute nur als VHS-Mitschnitt einer RTL-Ausstrahlung aus den Neunzigern - den Sprung auf DVD hat der Film nie geschafft. Damals galt er aber als großer Hoffnungsfilm des Jungen Deutschen Kinos: Er ist "ein ungewöhnlicher Film nicht nur für das Land und die Zeit, in denen er entstand. Zwar verfolgt Spieker eine narrativ konservative Struktur, lockert sie aber durch verschiedene Zutaten auf, wie sie im Deutschen Film in dieser Zusammensetzung ihresgleichen suchen. So bricht er die trockenen schwarz-weiß Bilder mit Einstellungen der Handkamera auf, die die Abenteuer des jungen Georg zeitweise wie eine Underground-Mockumentary wirken lassen. Die extremen Close-ups erinnern wiederum an John Cassevetes, dessen Independent-Werke Inspiration für viele Autoren der Münchener Gruppe waren. Über seine Figuren schüttet Spieker so viel Spott aus wie über jene Politiker in 'Die Wechsler im Tempel'. Unter anderem sind das hier Adenauer, Franz-Josef Strauß, Francisco Franco und Charles de Gaulle. Niemand entkommt seiner Häme: Nicht der PR-Berater Georg, der einem talentlosen Anarchisten durch plumpe Stunts zu Plattenverträgen, Interviews und vor allem Geld verhilft. Nicht die deutsche Presse, die sich für die Auflage nur zu gerne vor den Karren spannen lässt. Nicht die inkompetente Polizei, nicht die opportunistische Unterhaltungsbranche. Der 'Wilde Reiter' ist Kim, gespielt von Herbert Fux, der in einem heruntergekommenen Haus im Wald seine Karriere plant - und sie durch bloße Skandale auch bekommt. 'Wilder Reiter GmbH' ätzt. Er klagt an, tut dies aber mit solchem Verve und Esprit, dass er die Unterhaltung über die Moralisierung stellt. Entgegen den Kassenschlagern des Deutschen Films jener Tage (und jeder Tage) durchweht 'Wilder Reiter GmbH' eine spielfreudige Anarchie." Diese UFA-Wochenschau im Bundesarchiv bietet ab Zählerstand 5:32 einige Einblicke in den Film.
HVG (Ungarn), 11.05.2023

New Statesman (UK), 18.05.2023

New York Magazine (USA), 08.05.2023

A2larm (Tschechien), 13.05.2023
Miloš Hroch berichtet von einem kleinen Youtube-Song, der sich seit einigen Tagen zur Outsider-Hymne mausert und in Slowakei und Tschechien in kürzester Zeit viel Zuspruch geerntet hat: Der neunzehnjährige Slowake mit dem Künstlernamen Vojtik besingt dort in seinem neuesten Song "Detvianský sen" sein Dasein als queerer Rom in der slowakischen Provinz und seine damit verbundenen Zukunftsängste. "Die Stimme unserer Vorfahren lehrt uns stark zu sein und stolz auf unsere Heimat - eine Haufen Lügner, Brüder, die mir zurufen, dass ich nicht hierher gehöre", singt Vojtik in seinem Musikvideo, in dem er sich unter anderem mit kurzem Röckchen, abgeschnittenem lokalem Fußballtrikot und Nationalflagge zeigt. Die Soziologin Lucie Fremlová, die ein Buch über "Queer Roma" veröffentlicht hat, hält den Song geradezu für bahnbrechend für die Slowakei, die deutlich religiöser, konservativer und auch rassistischer als Tschechien sei. Auch weiß sie, dass die Roma-Minderheit und LGBTIQ-Comunity einander nicht automatisch unterstützen. "Auch unter queeren Nicht-Roma, die Erfahrung mit Homophobie gemacht haben, gibt es manche, die rassistische Vorbehalte gegen queere Roma haben. So wie auch heterosexuelle Roma, die Erfahrung mit Rassismus haben, nicht automatisch Verständnis für queere Menschen haben." In dem kleinen Städtchen Detva spielt sich die Zukunft zwischen der Bronzemanufaktur und der ultranationalistischen Kotleba-Partei ab, als einzige Kulturveranstaltung gibt es hin und wieder ein Folklorefest. Vojtik, der von seiner Großmutter in die Roma-Musik eingeführt wurde, mit dreizehn als Prince Timmy Coversongs ins Internet zu stellen begann und heute diverse musikalische Genres mischt, steht gerade vor seiner Abiturprüfung und sagt im Gespräch: "Die Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem in der Slowakei, und das gleich doppelt für jemanden, der Rom ist und queer. Meine größte Angst ist, dass ich mir kein Leben in Sicherheit aufbauen kann, wie es jeder Mensch verdient." Aber offensichtlich hat Vojtik einen Nerv getroffen, denn unter seinem Video feiern gerade zahlreiche begeisterte Kommentare seinen Mut.
Desk Russie (Frankreich), 13.05.2023

Reuters (USA), 09.05.2023

Granta (UK), 16.05.2023

New York Times (USA), 09.05.2023

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