Magazinrundschau - Archiv

Le Monde diplomatique

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Magazinrundschau vom 20.06.2023 - Le Monde diplomatique

Die liberale Opposition hat Russland längst verlassen, fürchten muss der Kreml sie nicht mehr, dafür aber die Ultranationalisten und Scharfmacher, berichten Alexeï Sakhine und Lisa Smirnova. Vor allem auf Telegram prangern sie Ungleichheit, Korruption und Unfähigkeit der Eliten und Behörden an: "Seit Beginn der Invasion füttern sogenannte Kriegsberichterstatter - Anhänger der extremen Rechten mit militärischen oder paramilitärischen Befugnissen - die sozialen Netzwerke mit Nachrichten über die militärischen Operationen. Der Bekannteste unter ihnen ist Igor Strelkow, ein früherer FSB-Geheimdienstoffizier mit monarchistischen Überzeugungen. 2014 eroberte er an der Spitze einer Einheit russischer Freiwilliger die Stadt Slawiansk im ukrainischen Donbass. Zwar hat Moskau die Separatisten militärisch unterstützt, aber ihre Anführer sind aufgrund ihrer Unberechenbarkeit und ihres Fanatismus auch dem Kreml nicht geheuer. Strelkow musste deswegen den Donbass verlassen. Heute beklagt er auf seinem Telegram-Kanal, dass der Kreml den ukrainischen Feind nicht hart genug bekämpft. Telegram nutzen fast 1 Million Menschen. Nach den militärischen Rückschlägen im Herbst 2022 prangerten Strelkow und andere radikale Nationalisten die Fehler des Putin-Regimes an. Sie kritisierten die schlechte Organisation des militärischen Nachschubs, die Schwäche der Rüstungsindustrie, die Inkompetenz und Bestechlichkeit der Generäle und eine mediokre Führungselite, die im Luxus schwelge, während das Vaterland in Gefahr sei. Und sie mutmaßen, ein Teil von Putins Entourage wolle sich heimlich mit dem Westen aussöhnen, selbst wenn das die Kapitulation bedeuten sollte."

Magazinrundschau vom 17.01.2023 - Le Monde diplomatique

David Ownby führt in die Diskussionen chinesischer Intellektueller ein, die durchaus lebhaft, wenn auch in einem eng gesteckten Rahmen vor allem drei Fragen diskutieren: Was ist Chinas Rolle in der Welt? Wie kann die Volksrepublik ihre eigene Geschichte begreifen? Und vor allem: Wie einzigartig ist China? "Auch die chinesische Neue Linke, die in den 2000er Jahren für einen gezähmten Kapitalismus und den Kampf gegen Ungleichheit eintrat, ist überzeugt von Chinas Einzigartigkeit. Laut Wang Hui oder Wang Shaoguang hat Chinas Aufstieg bewiesen, dass die angeblich 'universellen Werte' des Westens so universell nicht sind. Das Land verdanke seinen Erfolg vielmehr politischen Innovationen wie der 'reaktiven Demokratie' (die Staatspartei antwortet auf die Bedürfnisse des Volkes), die der durch Klientelismus, Feminismus und Multikulturalismus gelähmten 'repräsentativen Demokratie' des Westens überlegen sei. Dagegen habe China die 'Rolle des Staats' weiterentwickelt. Diese 'reaktive Demokratie' habe eine verblüffende Ähnlichkeit mit Mao Tse-tungs 'Massenlinie', entgegnen wiederum Liberale wie der Historiker Xu Jinlin und warnen: Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten auch Japan und Deutschland einen ganz ähnlichen Staatskult entwickelt, und das habe in Krieg und Niederlage geendet. Doch auch die Liberalen finden, dass China seine eigene Vision der Moderne entwickeln und damit zur Vielfalt der universellen Werte beitragen müsse. 'Die Zivilisationstradition Chinas ist nicht nationalistisch, sondern beruht vielmehr auf universellen und humanistischen Werten', schreibt Xu."

Magazinrundschau vom 13.12.2022 - Le Monde diplomatique

Die marokkanische Schauspielerin Fatym Layachi schreibt einen Brief aus Casablanca, der eine einzige Liebeserklärung ist an diese unmögliche, chaotische und spaltende Stadt. "Bei den Wahlen 2021 haben die Islamisten endlich eine historische Schlappe kassiert. Zuvor waren sie stärkste Fraktion, jetzt liegen sie auf Platz acht. Eine Frau wurde Bürgermeisterin von Casa. Nabila Rmili ist Notärztin. Die Symbolik könnte kaum treffender sein. Casablanca, das ist auch die Nacht. Oder vielmehr die Nächte. Vielgestaltig auch sie. Quirlig, rauschhaft, beschwingt, prassend, bodenlos, rau, klangvoll. Neonlichter. Taxis. Sirenengeheul. Musik. Lärm. Übersättigung. Leute, die aus den Clubs kommen, kreuzen den Weg von solchen, die in die Moschee gehen. Taumelnden Schritts die einen, den Gebetsteppich über der Schulter die anderen. Traurige Huren, müde Nachtschwärmer, geschäftige Gemüsehändler, erschöpfte Arbeiter. Nachts befreit sich eine ganze Nation, zeigt ihr wahres Gesicht. Ich bin mir nicht sicher, ob die Nächte schöner sind als die Tage; aber sie sind ehrlicher. Was am Tage als unsittlich gilt, zeigt sich in der Nacht. Alkohol, Prostitution, Homosexualität. Alles, was die mittelalterlichen Gesetze unter Strafe stellen, alles, was der Anstand nicht sehen will, alles, wovon die gesellschaftliche Heuchelei schweigt. Alles, was im Sonnenlicht nicht sein darf, kommt im Licht der Stroboskope oder auf der Rückbank im Auto hervor."

Magazinrundschau vom 12.10.2021 - Le Monde diplomatique

Dem globalen Dschihadismus von al-Qaida und Islamischem Staat mag die Luft ausgehen, nicht aber dem lokalen Dschihadismus, betont der französische Islam-Experte Olivier Roy, auch wenn letzterer international weniger Aufmerksamkeit erlangt: "Das zeigen der Sieg der Taliban ebenso wie die Schwierigkeiten, mit denen Frankreich in Mali zu kämpfen hat. Solche territorialisierten Konflikte dürfen nicht länger als bloße Nebenschauplätze eines globalisierten heiligen Kriegs betrachtet werden, sondern im Gegenteil als Prozesse, die tief in den Gesellschaften verankert sind, in denen sie stattfinden. Dabei kann der Blickwinkel der politischen Anthropologie weiterhelfen: Alle lokalen Dschihads, die Bestand haben, begnügen sich nicht damit, zu töten oder eine Terrorherrschaft zu errichten. Die Taliban verdanken ihren Einfluss vor allem der Tatsache, dass sie in der Lage sind, Mikrokonflikte - um Land und Wasser oder wegen Blutrache und so weiter - zu lösen. Und das dschihadistische Hin und Her in der Sahelzone durchschaut man nur, wenn man versteht, dass die Dschihadisten sich in bestehende Konflikte einschalten, die die Staaten nicht in den Griff bekommen (Land, Wasser, ethnische und soziale Spannungen). Diese lokalen Konflikte ziehen nur wenige ausländische Freiwillige an und können nicht das bieten, was die größte Kraft von al-Qaida und dem IS ausmachte: die Erschaffung eines großen millenaristischen Narrativs, das junge radikale Internationalisten, die mit der Gesellschaft gebrochen haben, zu Helden einer neuen Welt erhob."

Magazinrundschau vom 13.04.2021 - Le Monde diplomatique

Fünf Tage lang erschütterten im März Jugendrevolten den Senegal, berichtet Ndongo Samba Sylla: Les cinq coléreuses, die fünf Wütenden, richteten sich gegen die Verhaftung des populären Oppositionspolitikers Ousmane Sonko, dem eine junge Frau Vergewaltigung vorgeworfen hatte, was seine Anhänger als politisches Manöver ansehen: "Die 15- bis 24-Jährigen bildeten nicht zufällig die Speerspitze dieses Aufstands gegen eine Regierung, die zunehmend diktatorische Züge annimmt und, wie etwa der Schriftsteller Boubacar Boris Diop beklagt, die Judikative instrumentalisiert. 40 Prozent der Jugendlichen hatten 2017 weder einen Arbeits- noch Ausbildungs- oder Studienplatz, und dieser Anteil dürfte während der Pandemie noch gestiegen sein. Fast die Hälfte der Kinder im schulpflichtigen Alter geht nicht zur Schule. In einigen armen Regionen erreicht dieser Anteil sogar bis zu 70 Prozent. Bildungspolitisch haben die wechselnden Regierungen allesamt versagt. Um von ihren Versäumnissen abzulenken, werfen die Verantwortlichen den jungen Leuten mangelnde 'Beschäftigungsfähigkeit' vor und wiederholen gebetsmühlenartig, es sei nicht Aufgabe der Regierung, Arbeitsplätze zu schaffen. Doch Arbeitslosigkeit kann nur beseitigt werden, wenn der Staat seiner Fürsorgepflicht nachkommt und den Arbeitswilligen eine Beschäftigung durch die Schaffung von Ausbildungsplätzen garantiert."

Weiteres: Stefano Palombarini beobachtet mit Grausen, wie mit Mario Draghi der Neoliberalismus in die italienische Politik zurückkehrt: "Unter dem Vorwand, den digitalen und ökologischen Wandel vorantreiben zu wollen, stellt die Regierung die Weichen für eine tiefgreifende Reform des italienischen Kapitalismus." Daniel Hellinger geißelt, dass Venezuela jetzt doch Verträge mit internationalen Ölkonzernen abschließt. Fernando Molina rekapituliert, wie Bolivien mit dem Staatsstreich von 2019 an den Rand des Bürgerkriegs geriet und nun aus dem lawfare nicht mehr herauskommt.

Magazinrundschau vom 16.03.2021 - Le Monde diplomatique

Überhaupt nicht beeindruckt sind Frédéric Pierru, Frédérick Stambach und Julien Vernaudonvon der britischen und amerikanischen Impfpolitik, die mit allen Hebeln der Machtpolitik ihre Interessen durchsetzt - vor allem auf Kosten ärmerer Länder, aber auch auf Kosten einer Öffentlichkeit, die zum großen Teil die Forschung und Entwicklung der Impfstoffe mitfinanziert hat. Warum also nicht mit Zwangslizenzen gegen eine unberechtigte Patentierung vorgehen? Aus prinzipiellen Gründen? "Wer Zwangslizenzen ins Spiel bringt, riskiert ein Kräftemessen mit anderen souveränen Mächten. Das gilt vor allem für die USA, wo die beiden Pharmafirmen ansässig sind, die derzeit die wirksamsten Impfstoffe herstellen. Hätten Frankreich, die EU und andere Staaten den Mut, gegen Washington aufzubegehren? Paris hat es jedenfalls noch nie gewagt. Als der US-Konzern Gilead Sciences 2014 bei seinem sehr effizienten Hepatitis-C-Medikament Sovaldi 41.000 Euro für die 12-Wochen-Therapie verlangte, akzeptierte die französische Regierung den hohen Preis. Und reduzierte die Zahl der anspruchsberechtigten Patienten, statt eine Zwangslizenz zu verhängen und Vergeltungsmaßnahmen der USA zu riskieren. Die US-Regierung kennt solche Skrupel nicht. Als Terroristen nach dem 11. September 2001 mit Biokampfstoffen wie Anthrax drohten, zögerten sie nicht, Zwangslizenzen ins Spiel zu bringen, um das von Bayer produzierte Antibiotikum Ciprofloxacin gegen Milzbrand selbst herstellen zu können. Der Pharmakonzern ging schließlich auf die Forderungen ein und senkte seine Preise."

Weiteres: Arezki Metref besucht die Kabylen von Ménilmontant. Und François Misser berichtet, dass die internationalen Ölfirmen mit immer mehr Macht nach Afrikas Ressourcen greifen: "In Subsahara-Afrika wurden mittlerweile für 71 Prozent der Unesco-Weltnaturerbestätten Bergbau- oder Ölförderkonzessionen vergeben."

Magazinrundschau vom 19.01.2021 - Le Monde diplomatique

Der Soziologe Stéphane Beaud und der Historiker Gérard Noiriel blicken etwas verzweifelt auf linke Identitätsdiskurse, die alle sozialen Ungerechtigkeit auf Fragen der Hautfarbe reduzieren. Und schlimmer noch: Anstatt Ziele zu definieren, die gemeinsam verfolgt werden können, werde nur noch um mediale Aumerksamkeit gewetteifert: "Die Rassifizierung der öffentlichen Debatte wurde insbesondere durch die digitale Revolution seit den 2000er Jahren angetrieben. Ihre gigantischen Maschinen zur Informationsproduktion werden rund um die Uhr von Emotionen gespeist, die in uns stecken und uns spontan und instinktiv auf Ungerechtigkeiten, Demütigungen und Übergriffe reagieren lassen. Die Verkürzung des politischen Tagesgeschehens zu kleinen Meldungen, die mit der Entstehung der Massenmedien Ende des 19. Jahrhunderts begann, hat heute ihren Höhepunkt erreicht. An die Stelle von fundierten Analysen sozialer Probleme tritt die Verurteilung der Schuldigen und die Rehabilitierung der Opfer."

Weiteres: Tom Stevenson untersucht die Stellvertreterkriege des 21. Jahrhunderts. Martine Bulard analysiert das Handelsabkommen der EU mit China.

Magazinrundschau vom 18.08.2020 - Le Monde diplomatique

Angesichts der absoluten Passivität der politischen Klasse in Westafrika braucht sich Frankreich keine Sorge um seine hegemoniale Stellung zu machen, erkennt Boubacar Boris Diop, doch der Grimm gegen das Konzept der Françafrique wächst: "Zu Zeiten des Kalten Kriegs hatte die CIA ihre Leute bekanntlich am Kabinettstisch der lateinamerikanischen Marionettenregierungen platziert. Eine abgemilderte Version dieses Regimes findet sich heute im frankophonen Afrika, der letzten Region der Welt, in der ein anderer Staat etwa in Währungsfragen so große Entscheidungsmacht hat. Paris betrachtet diesen Teil Afrikas bis heute als gigantische Rohstoffquelle, weshalb die Interessen von Total, Areva oder Eiffage von keiner anderen Macht bedroht werden dürfen. In diesen frankophonen Staaten hat die französische Armee seit deren Unabhängigkeit Dutzende Male interveniert, erstmals in Gabun 1964. Im Gegensatz dazu hat Großbritannien noch nie auch nur einen einzigen Soldaten in seine früheren afrikanischen Kolonien entsandt. Dass sich Präsident Macron im Dezember 2019 erstmals öffentlich über 'antifranzösische Gefühle in Afrika' beklagte, markiert eine Art Zeitenwende. Macron war nicht entgangen, dass eine neue Generation angetreten ist, um das anachronistische Françafrique-Kapitel zu beenden. Angeführt wird die Bewegung von prominenten Nichtpolitikern wie den Musikern Salif Keïta, Alpha Blondy oder Tiken-Jah Fakoly und dem Filmemacher Cheick Oumar Sissoko. Im Februar 2019 hat beispielsweise der großartige Richard Bona ein Konzert in Abidjan abgesagt und erklärt, er werde in keinem Land mehr auftreten, das den CFA-Franc als Währung hat." Gegen Chinas Kolonialgebaren scheint sich offenbar kein Protest zu rühren.

In einem sehr instruktiven Text gibt Tom Stevenson einen Überblick über den maritimen Welthandel, über den neunzig Prozent des globalen Handels abgewickelt werden: "Der internationale Seehandel ist ein System, das für die Weltwirtschaft so wichtig ist, dass man es nicht nur den privaten Reedereien überlässt. Die führenden Frachtschifffahrtslinien sind zwar profitorientierte Konzerne, aber sie werden - in unterschiedlichem Ausmaß - von einzelnen Staaten unterstützt und gelenkt. Das gilt insbesondere für die vier Giganten der Branche. Die dänische Reederei Maersk, die italienische-schweizerische Mediterranean Shipping Company (MSC), die französische CMA CGM und die chinesische Cosco kontrollieren etwa die Hälfte des globalen Seehandels. Die drei europäischen Unternehmen verdanken ihre oligopolistische Stellung auch der Protektion durch ihre Regierungen. Sie beziehen alljährlich Milliarden von Euro an Subventionen sowohl von ihren 'Mutterländern' als auch von der EU. Cosco dagegen gehört direkt dem chinesischen Staat."

Außerdem in dieser reichhaltigen Ausgabe: Cédric Gouverneur informiert über das Gletschersterben in Bolivien. Arthur Asseraf erzählt die kurze Geschichte der arabischen Presse im 19. Jahrhundert.

Magazinrundschau vom 14.04.2020 - Le Monde diplomatique

Die Coronakrise rührt nicht nur aus der Gefährlichkeit der Krankheit Covid-19, schreiben Renaud Lambert und Pierre Rimbert, sondern hat auch mit der Ökonomisierung des Gesundheitssystems in einigen europäischen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten zu tun: "1980 gab es in Frankreich elf Krankenhausbetten pro tausend Einwohner, davon sind heute noch sechs übrig. Macrons Gesundheitsministerin hat im September 2019 vorgeschlagen, sie 'bed managers' zu überlassen, die das rare Gut zuteilen sollten. In den USA sank die Zahl von 7,9 Betten 1970 auf 2,8 im Jahr 2016. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es in Italien 1980 für 'schwere Fälle' 922 Betten pro 100.000 Einwohner. 30 Jahre später waren es nur noch 275. Überall galt nur eine Devise: Kosten senken. Das Krankenhaus sollte wie eine Autofabrik im Just-in-time-Modus funktionieren. Das Resultat ist, dass die italienische Gesellschaft für Anästhesie, Analgesie, Reanimation und Intensivtherapie (Siaarti) die Arbeit der Notärzte heute als 'Katastrophenmedizin' bezeichnet. Sie warnt, angesichts der fehlenden Ressourcen 'könnte es nötig werden, eine Altersgrenze für den Zugang zur Intensivversorgung festzulegen'. Auch im Nordosten von Frankreich spricht man mittlerweile in ähnlicher Weise von 'Kriegsmedizin'."

Magazinrundschau vom 17.03.2020 - Le Monde diplomatique

Viele Krankheitserreger stammen von Tieren, aber daran sind nicht Fledermus, Huhn oder Schuppentier schuld, betont Sonia Shah, sondern die Art, wie wir mit den Tieren umgehen. Bei Ebola wurde zum Beispiel beobachtet, dass die Krankheit überall dort grassierte, wo den Fledermäuse durch Waldrodungen die natürliche Umgebung genommen wurde, berichtet Shah: "Nicht nur der Verlust von Lebensräumen vergrößert das Risiko von Krankheitsausbrüchen, sondern auch, wie wir mit Tieren umgehen, die für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind. Manche von ihnen gelangen in den illegalen Handel oder werden auf sogenannten wet markets verkauft - Märkten, auf denen lebendige (oder frisch geschlachtete) Tiere gehandelt werden. Dort sitzen verschiedene Tiere, die sich in der freien Natur wohl niemals begegnet wären, in Käfigen nebeneinander, und die Mikroben können fröhlich vom einen zum anderen springen. Genau auf diese Weise konnte 2002/03 das Coronavirus entstehen, das für die Sars-Epidemie verantwortlich war, und möglicherweise ist dies auch der Ursprung des neuen Coronavirus. Die vielen Tiere in unserem System der industriellen Fleischproduktion werden, bevor sie im Schlachthof enden, auf engstem Raum zusammengepfercht gehalten: ideale Bedingungen für die Verwandlung von Mikroben in tödliche Krankheitserreger. Wenn beispielsweise Vogelgrippeviren, deren Wirtstiere wildlebende Wasservögel sind, in Geflügelmastbetriebe eindringen, mutieren sie und werden sehr viel gefährlicher als in freier Wildbahn."

Weiteres: Alain Gersh zerpflückt Donald Trumps Friedensplan für Palästina. Pierre Daum blickt auf den Nationalismus in Indien.