Angesichts der absoluten Passivität der politischen Klasse in Westafrika braucht sich Frankreich keine Sorge um seine hegemoniale Stellung zu machen,
erkennt Boubacar Boris Diop, doch der Grimm gegen das Konzept der
Françafrique wächst: "Zu Zeiten des Kalten Kriegs hatte die CIA ihre Leute bekanntlich am Kabinettstisch der lateinamerikanischen Marionettenregierungen platziert. Eine abgemilderte Version dieses Regimes findet sich heute im frankophonen Afrika, der letzten Region der Welt, in der ein anderer Staat etwa in
Währungsfragen so große Entscheidungsmacht hat. Paris betrachtet diesen Teil Afrikas bis heute als
gigantische Rohstoffquelle, weshalb die Interessen von Total, Areva oder Eiffage von keiner anderen Macht bedroht werden dürfen. In diesen frankophonen Staaten hat die französische Armee seit deren Unabhängigkeit
Dutzende Male interveniert, erstmals in Gabun 1964. Im Gegensatz dazu hat Großbritannien noch nie auch nur einen einzigen Soldaten in seine früheren afrikanischen Kolonien entsandt. Dass sich Präsident Macron im Dezember 2019 erstmals öffentlich über '
antifranzösische Gefühle in Afrika' beklagte, markiert eine Art Zeitenwende. Macron war nicht entgangen, dass eine neue Generation angetreten ist, um das anachronistische Françafrique-Kapitel zu beenden. Angeführt wird die Bewegung von prominenten Nichtpolitikern wie den Musikern
Salif Keïta,
Alpha Blondy oder
Tiken-Jah Fakoly und dem Filmemacher
Cheick Oumar Sissoko. Im Februar 2019 hat beispielsweise
der großartige Richard Bona ein Konzert in Abidjan abgesagt und erklärt, er werde in keinem Land mehr auftreten, das den
CFA-Franc als Währung hat." Gegen Chinas Kolonialgebaren scheint sich offenbar kein Protest zu rühren.
In einem sehr instruktiven Text
gibt Tom Stevenson einen Überblick über den
maritimen Welthandel, über den neunzig Prozent des globalen Handels abgewickelt werden: "Der internationale Seehandel ist ein System, das für die Weltwirtschaft so wichtig ist, dass man es nicht nur den privaten Reedereien überlässt. Die führenden Frachtschifffahrtslinien sind zwar profitorientierte Konzerne, aber sie werden - in unterschiedlichem Ausmaß - von einzelnen Staaten unterstützt und gelenkt. Das gilt insbesondere für die vier Giganten der Branche. Die dänische Reederei
Maersk, die italienische-schweizerische
Mediterranean Shipping Company (MSC), die französische
CMA CGM und die chinesische Cosco kontrollieren etwa die Hälfte des globalen Seehandels. Die drei europäischen Unternehmen verdanken ihre oligopolistische Stellung auch der Protektion durch ihre Regierungen. Sie beziehen alljährlich Milliarden von Euro an Subventionen sowohl von ihren 'Mutterländern' als auch von der EU. Cosco dagegen gehört direkt dem chinesischen Staat."
Außerdem in dieser reichhaltigen Ausgabe: Cédric Gouverneur
informiert über das
Gletschersterben in Bolivien. Arthur Asseraf
erzählt die kurze Geschichte der
arabischen Presse im 19. Jahrhundert.