"Schlagen, bis er seine Wahrheit, seinen Scham,
seine Angst ejakuliert". Aus gegebenem Anlass veröffentlicht die argentinische
Radar einen Ausschnitt aus
"Der Schmerz" von
Marguerite Duras. Dort
schilderte die Französin, wie sie nach dem Sieg der Resistance, der sie gegen Ende des Krieges beigetreten war, an der
Folterung eines mutmaßlichen Kollaborateurs nicht nur
teilnahm, sondern diese Marter auch
gut hieß. Es ist ein erschreckender, weil gnadenloser Text. Aus dem Spanischen übersetzt: "
Abrissarbeit. Schlag auf Schlag. Man muss aushalten, aushalten. Und in einer Weile wird die Wahrheit wie ein sehr kleines, hartes Körnchen zu Tage treten (...). Sein Gesicht blutet stark. Schon zuvor war er kein Mensch wie alle anderen. Er war ein
Verräter von Mensch. (...) Es lohnt sich nicht, ihn zu töten. Es lohnt sich auch nicht, ihn am Leben zu lassen. Er ist zu nichts mehr nütze. Er hat ganz und gar
ausgedient. Gerade weil es sich nicht lohnt, ihn zu töten, kann weitergemacht werden."
Außerdem kann Radar mit einem
Interview mit
Luiz Inacio Lula da Silva aufwarten. Es wurde allerdings bereits
1982 geführt. Damals war der bärtige Gewerkschafter noch nicht
Präsident Brasiliens, sondern Gouverneurskandidat einer neugegründeten Linkspartei, der
PT. Es bedurfte noch zwanzig Jahre politische Arbeit, bis er an die Macht kam, und dass ein mühsamer Weg vor ihm lag, wusste Lula schon damals: "Es ist, als ob wir eine
Treppe mit 16 Stufen hinaufsteigen müssten. Wenn wir nicht eine nach der andere bewältigen, laufen wir Gefahr zu fallen und uns ein Bein zu brechen", sagte Lula seinem Interviewer Felix Guattari. Endziel war damals indes noch die
Verstaatlichung der Wirtschaft.
Lesenswert ist auch ein Text über die "
Ästhetik des Hungers" des legendären brasilianischen
Filmemachers Glauber Rocha (1938-1981), dem dieser Tage im
Museum für Lateinamerikanische Kunst von Buenos Aires eine Retrospektive gewidmet ist. Sein Versuch, Armut angemessen und eben nicht romantisch verklärt darzustellen, ist nach Ansicht von Filmdozentin Ivana Bentes leider in Vergessenheit geraten. "Von einer Ästhetik ist man zu einer
Kosmetik des Hungers übergangen",
schreibt sie. Dabei meint sie nicht nur Pariser In-Lokale, die sich "
Favela Chic" nennen, sondern auch Kassenschlager wie "Central do Brasil" und "City of God". "Nun sind wir fähig, unsere eigenen Klischees zu produzieren und in Umlauf zu bringen, jene, in denen propere und
strahlende Schwarze, mit der Waffe in der Hand, keinen einzigen vernünftigen Gedanken fassen können, außer den, sich gegenseitig auszulöschen", bemerkt sie scharf.
Argentiniens Vielschreiber
Rodrigo Fresan steuert einen furios beginnenden
Artikel bei: "Es waren einmal
fünf kokainsüchtige Hippies, die Mitte der siebziger Jahre beschlossen, eine ehrwürdige und im Sterben liegende englische Blues-Band namens
Fleetwood Mac in eine kraftvolle kalifornische Softrock-Band namens Fleetwood Mac zu verwandeln". Thema der Reportage ist natürlich Fleetwood Mac. Schriftstellerkollege und Journalist
Martin Caparros ist indes mit einem Filmteam zusammen in Mexiko auf den Spuren des spanischen Eroberers
Hernan Cortes gewandelt: "Alles sehr schön und produktiv, bis wir entdeckten, dass am 30. Juli, dem Tag unserer Ankunft, noch ein anderer, weniger alltäglicher Besucher dieses Land betrat: der
Bischof von Rom, Herr Karol Wojtyla".