Heute in den Feuilletons
Ach, so fickten Nazis?
Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
20.03.2013. #UMUV! So langsam gibt es auch Gegenstimmen zur Wehrmachtsschmonzette im ZDF, deren Hashtag eigentlich #UUUU lauten müsste ("Unsere Urgroßmütter unsere Urgroßväter"). Ekkehard Knörer dreht im Cargo-Blog durch: Haben Fernsehkritiker, anders als Filmkritiker denn gar keine Kriterien? In der taz spottet Jan Feddersen: "Mann, das haben wir ja nicht gewusst!, Mensch, wie verhängnisvoll!" Und Tilman Krause meldet in der Welt gehorsamst: "Unser Mütter, unsere Väter" durchgeführt, äh: angesehen."
Aus den Blogs, 20.03.2013
Dämliche Dialoge, fragwürdige Ideologie und die Journaille dreht am Rad: Wutschnaubend spießt Ekkehard Knörer bei Cargo nicht nur den ärgerlichen ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter", sondern das artige Beifußstehen der Fernsehkritik noch gleich dazu auf. Eine wohltuende Lektüre nach dem PR-nahen Text in der taz, der Schnittchengemütlichkeit in der Welt und Schirrmachers nationalgravitätischer Kanzelpredigt in der FAZ: "Wollen, können oder dürfen die versammelten Fernsehkritikernasen nicht sehen, was ihnen da präsentiert wird? Oder anders: Was zum Teufel sehen die da? Nun, zum einen sehen sie natürlich die 14 Millionen, die da an deinem und meinem Geld (10 Mio Fernsehgebühr, 4 Mio Filmfördergelder) drin stecken. ... Da kann man Schlachten so schlagen, dass das Werbefilmerherz hüpft und irgendwie hüpft die Fernsehkritik, die tagein tagaus handwerklich fast nur noch erbärmlicher Gemachtes sieht, dann eben mit. (Das muss man zur Ehrenrettung doch sagen: Kein Filmkritiker durfte oder wollte irgendwo über den Dreiteiler schreiben. Die Maßstäbe sind bei der Fernsehkritik andere. Das macht sie ja auch in weiten Teilen unlesbar.)"
Auch das Altpapier dient in gewisser Weise vielleicht der Klarheit, wenn es um das besondere Engagement der FAZ bei dieser Produktion geht: "FAZ-Feuilletonchef Nils Minkmar ist mit Heike Hempel verheiratet, der erwähnten Hauptabteilungsleiterin Fernsehfilm/Serie II des ZDF, wie er selbst disclosurete, als er ihren Text empfahl; das lässt den Gesinnungsethiker in einem zucken, aber wenn man ihn, also den inneren Gesinnungsethiker, dann kurz mal ausschimpft, verzieht er sich in seine Ecke und hält die Klappe."
Auch das Altpapier dient in gewisser Weise vielleicht der Klarheit, wenn es um das besondere Engagement der FAZ bei dieser Produktion geht: "FAZ-Feuilletonchef Nils Minkmar ist mit Heike Hempel verheiratet, der erwähnten Hauptabteilungsleiterin Fernsehfilm/Serie II des ZDF, wie er selbst disclosurete, als er ihren Text empfahl; das lässt den Gesinnungsethiker in einem zucken, aber wenn man ihn, also den inneren Gesinnungsethiker, dann kurz mal ausschimpft, verzieht er sich in seine Ecke und hält die Klappe."
NZZ, 20.03.2013
Martin Sander freut sich, dass der polnische Autor und Künstler Bruno Schulz nun auch in seiner Heimatstadt, dem ukrainischen Drohobycz, Interesse erfährt und im Begriff ist, in den ukrainischen Literaturkanon einzugehen: "Seit vielen Jahrzehnten genießt Bruno Schulz' Avantgardekunst höchste Anerkennung in Polen und der ganzen Welt, nur nicht in der ehemaligen Sowjetunion und vor allem nicht im westukrainischen Drohobycz. Dort, wo nach dem Zweiten Weltkrieg Russen und Ukrainer den Platz der ermordeten Juden und ausgesiedelten Polen einnahmen, schwieg man Schulz bis vor kurzem tot. Seine Kunst passte nicht in den herrschenden Kulturbetrieb, in seiner Heimatstadt galt er als Fremder - ein Jude, der polnisch schrieb, also ein Störenfried für die ukrainische Kultur."
Besprochen werden Beethovens Oper "Fidelio" am Ort seiner Uraufführung im Theater an der Wien, die Ausstellung "Robert Crumb & The Underground" im Kunstmuseum Luzern, und Bücher darunter John Irvings Roman "In einer Person", der letzte Band von Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" und der Briefwechsel der Schauspielerin Kete Parsenow mit Karl Kraus, "Du bist dunkel vor Gold" (mehr in unserer Bücherschau des Tages um 14 Uhr).
Besprochen werden Beethovens Oper "Fidelio" am Ort seiner Uraufführung im Theater an der Wien, die Ausstellung "Robert Crumb & The Underground" im Kunstmuseum Luzern, und Bücher darunter John Irvings Roman "In einer Person", der letzte Band von Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" und der Briefwechsel der Schauspielerin Kete Parsenow mit Karl Kraus, "Du bist dunkel vor Gold" (mehr in unserer Bücherschau des Tages um 14 Uhr).
TAZ, 20.03.2013
Mit dem wunderbaren Satz "Ach, so fickten Nazis?" beginnt Jan Feddersen seine Brandrede gegen Nico Hoffmanns Historienbiedermeier, in dem unsere Vorfahren so frei von jeder Boshaftigkeit und Gehässigkeit auftreten: "Diese Feigheit vor dem Stoff ist eventuell auch der Grund, weshalb tatsächlich alle deutsche Welt nun glaubt, sie habe einen prima Film gesehen: Mann, das haben wir ja nicht gewusst!, Mensch, wie verhängnisvoll!, Ach, in was die sich hineingeschliddert haben! 'Unsere Mütter, unsere Väter' zeigt auch nichts von den Jahren vor dem Kriegsbeginn. Keine Führergeilheit, keinen schrotigen Antisemitismus, keine Gewalt, vor allem keine Charakterbildung nach dem Gusto 'Wir sind alle Führer und machen uns die Welt untertan'."
Außerdem: Cristina Nord unterhält sich sehr detailliert mit Ulrich Seidl über seinen Film "Paradies: Glaube", den sie in einem zweiten Text bespricht. Weitere Rezensionen gibt es zu Romeo Castelluccis Bühnenfassung von Hölderlins "Hyperion" in Berlin und Maurizio Lazzaratos Essay "Die Fabrik des verschuldeten Menschen".
Und Tom.
Außerdem: Cristina Nord unterhält sich sehr detailliert mit Ulrich Seidl über seinen Film "Paradies: Glaube", den sie in einem zweiten Text bespricht. Weitere Rezensionen gibt es zu Romeo Castelluccis Bühnenfassung von Hölderlins "Hyperion" in Berlin und Maurizio Lazzaratos Essay "Die Fabrik des verschuldeten Menschen".
Und Tom.
Weitere Medien, 20.03.2013
Auch Harald Jähner ist in der FR/Berliner Zeitung nicht besonders glücklich über den ZDF-Dreiteiler "Unsere Väter, unsere Mütter": "Handwerklich ist an dem Film alles perfekt. Und doch regt sich bei mir Widerstand. Der Film hinterlässt ein schales Gefühl. Ich fühle mich um die Realität betrogen, auch um die meiner Mutter und meines Vaters, die in dem Titel des Dreiteilers kurzerhand eingemeindet werden. ... Der Film erhebt Anspruch auf Repräsentanz. Fünf Freunde, die für alle stehen. Noch die letzten Skrupel, die in Wissenschaft und Kultur hinsichtlich der Erklärbar- und Darstellbarkeit des Zivilisationsbruchs empfunden wurden, sind hier vom Tisch gewischt."
Welt, 20.03.2013
"Melde gehorsamst: 'Unser Mütter, unsere Väter' durchgeführt, äh: angesehen. Darf ich jetzt gehen? Vielleicht sogar ohne Hackenklapp?" Ein total genervter Tilman Krause meldet sich nach Nico Hofmanns Fernsehfilm über die Schlacht um Stalingrad zum Rapport.
Johnny Erling lässt sich von Ai Weiwei erzählen, wie er in der Haft darauf kam, eine Heavy-Metal-CD (sie erscheint im Mai) aufnehmen zu wollen: "Ein Wächter, so sagt er, hatte ihn aufgefordert, wegen der Stille ein Lied zu singen. Da sei ihm bewusst geworden, wie sehr die Isolationshaft sogar seine Aufpasser bedrückte. Die einzigen Lieder, die er als Kind auswendig gelernt hatte, waren Revolutionssongs. 'Ich mochte sie nicht. Aber ich kannte keine anderen. Also sang ich so ein Lied.' Als er aus der Haft herauskam, habe er sich geschworen, neue Lieder zu lernen. Er ließ sie sich vom Rocksänger Zuoxiao beibringen. Daraus wurde die Idee zum Album: 'Zumindest kann ich jetzt andere Lieder singen, wenn mich die Behörden wieder abholen.'"
Weitere Artikel: Rainer Haubrich berichtet ausführlich über eine Tagung in Düsseldorf, die nach den ästhetischen Voraussetzungen eines gelungenen Stadtviertels sucht und sich dabei von unsinnigen Bauvorschriften behindert sieht. Alan Posener hält mit Blick auf Zypern wenig von Politikern, die den Bürger als Dienstleister des Staates sehen. Michael Stürmer besucht das Kunsthistorische Museum Wien nach seinem Umbau. Ekkehard Kern berichtet über gelöschte Postings eines Radiomoderators auf Facebook. Rolf Schneider schreibt zum Tod des DDR-Kabarettisten und Kindertheaterautors Peter Ensikat. Die britische Neurologin und Soulsängerin Emeli Sandé singt im Interview ein kleines Loblied auf die Introvertierten in der Musikbranche (allerdings werden die Videos der Sängerin sogar auf ihrer Homepage von der Gema blockiert). Und im Forum gratuliert Marko Martin Ralph Giordano zum Neunzigsten.
Johnny Erling lässt sich von Ai Weiwei erzählen, wie er in der Haft darauf kam, eine Heavy-Metal-CD (sie erscheint im Mai) aufnehmen zu wollen: "Ein Wächter, so sagt er, hatte ihn aufgefordert, wegen der Stille ein Lied zu singen. Da sei ihm bewusst geworden, wie sehr die Isolationshaft sogar seine Aufpasser bedrückte. Die einzigen Lieder, die er als Kind auswendig gelernt hatte, waren Revolutionssongs. 'Ich mochte sie nicht. Aber ich kannte keine anderen. Also sang ich so ein Lied.' Als er aus der Haft herauskam, habe er sich geschworen, neue Lieder zu lernen. Er ließ sie sich vom Rocksänger Zuoxiao beibringen. Daraus wurde die Idee zum Album: 'Zumindest kann ich jetzt andere Lieder singen, wenn mich die Behörden wieder abholen.'"
Weitere Artikel: Rainer Haubrich berichtet ausführlich über eine Tagung in Düsseldorf, die nach den ästhetischen Voraussetzungen eines gelungenen Stadtviertels sucht und sich dabei von unsinnigen Bauvorschriften behindert sieht. Alan Posener hält mit Blick auf Zypern wenig von Politikern, die den Bürger als Dienstleister des Staates sehen. Michael Stürmer besucht das Kunsthistorische Museum Wien nach seinem Umbau. Ekkehard Kern berichtet über gelöschte Postings eines Radiomoderators auf Facebook. Rolf Schneider schreibt zum Tod des DDR-Kabarettisten und Kindertheaterautors Peter Ensikat. Die britische Neurologin und Soulsängerin Emeli Sandé singt im Interview ein kleines Loblied auf die Introvertierten in der Musikbranche (allerdings werden die Videos der Sängerin sogar auf ihrer Homepage von der Gema blockiert). Und im Forum gratuliert Marko Martin Ralph Giordano zum Neunzigsten.
FAZ, 20.03.2013
Der Europa-Politiker Martin Schulz, dessen Vater wie Millionen andere in der Wehrmacht kämpfte, bekennt seine Betroffenheit über den Fernsehfilm "Unsere Mütter, unser Väter" und setzt damit die FAZ-Kampagne um die ZDF-Dreiteiler fort - mit dem erwartbaren Bekenntnis zur EU. Jürgen Kaube fürchtet mit Blick auf zypriotische Sparkonten, "dass an Zypern nur ausprobiert wird, was auch andernorts probat erschiene". Niklas Maak stellt den Pritzker-Preisträger Toyo Ito vor. Astrid Kaminski porträtiert den marokkanischen Schriftsteller und Fernsehmoderator Yassin Adnan. Gina Thomas schildert die Verwirrung um ein neues Pressegesetz in Großbritannien. Regina Mönch schreibt zum Tod des DDR-Satirikers Peter Ensikat.
Besprochen werden eine große Ausstellung des flämischen Malers Jacob Jordaens in Kassel, ein "Parsifal" in Essen, eine Ausstellung des Architekturfotografen Manfred Hamm in Regensburg und Bücher, darunter Jens Rostecks Biografie über Edith Piaf (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
Besprochen werden eine große Ausstellung des flämischen Malers Jacob Jordaens in Kassel, ein "Parsifal" in Essen, eine Ausstellung des Architekturfotografen Manfred Hamm in Regensburg und Bücher, darunter Jens Rostecks Biografie über Edith Piaf (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).
SZ, 20.03.2013
Alexander Gorkow platzt gehörig der Kragen: Wo leben wir hier eigentlich, scheint er sich nach einer Woche kollektivem Shitstorm über Katja Riemann wegen ihres Auftritts beim NDR vergangene Woche zu fragen - und ergreift in einer unbedingt lesenswerten Philippika (ähnlich wie zuvor Johanna Adorjan hier in der FAS) Partei: "Das enervierende Interesse des Moderators an den 'blonden Locken' Katja Riemanns und das kategorische Desinteresse und die nicht mal kaschierte Uninformiertheit bezüglich ihrer Arbeit - es handelt sich bei diesem Mix nicht um einen beiläufigen, lustigen Zusammenstoß zwischen einem Idioten und einer Ziege. Es handelt sich vielmehr um eine besonders perfide Form der Machtausübung. "
Außerdem: Nach dem ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter", in dem braven Deutschen Ambivalenzen zugestanden werden, wenn sie sich schon die Finger im Krieg schmutzig machen, wünscht sich Kia Vahland ein Bekenntnis zum Grauwert in der nun hoffentlich folgenden Debatte. Reinhard J. Brembeck blickt auf die kommende Spielzeit der Bayerischen Staatsoper unter dem neuen Dirigenten Kirill Petrenko. Franziska Augstein verabschiedet sich von dem Kabarettist Peter Ensikat. Bernd Dörries gratuliert Ralph Giordano zum 90. Geburtstag.
Besprochen werden Harmony Korines neuer Film "Springbreakers" ("Toll", schwärmt ein restlos entzückter Jan Füchtjohann nach diesem "unwahrscheinlichsten Film des Jahres") und Bücher, darunter Jamil Ahmads Roman "Der Weg des Falken" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).
Außerdem: Nach dem ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter", in dem braven Deutschen Ambivalenzen zugestanden werden, wenn sie sich schon die Finger im Krieg schmutzig machen, wünscht sich Kia Vahland ein Bekenntnis zum Grauwert in der nun hoffentlich folgenden Debatte. Reinhard J. Brembeck blickt auf die kommende Spielzeit der Bayerischen Staatsoper unter dem neuen Dirigenten Kirill Petrenko. Franziska Augstein verabschiedet sich von dem Kabarettist Peter Ensikat. Bernd Dörries gratuliert Ralph Giordano zum 90. Geburtstag.
Besprochen werden Harmony Korines neuer Film "Springbreakers" ("Toll", schwärmt ein restlos entzückter Jan Füchtjohann nach diesem "unwahrscheinlichsten Film des Jahres") und Bücher, darunter Jamil Ahmads Roman "Der Weg des Falken" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).
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