Vom Nachttisch geräumt
Gebrüll und Geflegel
Von Arno Widmann
20.11.2018. Ermunterte uns, aus unserer selbstverschuldeten Lähmung auszubrechen: Joseph Beuys' Theateraktion "Titus/Iphigenie", auf Fotos festgehalten von Abisag Tüllmann.
Ich möchte auf die Aktion von Beuys und die Fotos hier nicht eingehen, sondern nur ein paar Sätze aus Handkes Artikel zitieren. Sie lassen sich als eine Analyse unserer aktuellen Situation lesen: "Nach einiger Zeit sah man, dass sich nichts mehr ereignen würde… Man ertappte sich dabei, dass man unwillig wurde, weil die Aktionen sich wiederholten. Aber dieser Unwille blieb ganz unergiebig, man wusste auch, dass es jetzt auf einen selber ankam, wollte man stumpfsinnig den ganzen Abend unwillig sein? Man musste sich jedenfalls entschließen, man musste Arbeit leisten. Die Zuschauer aber blieben stumpf in sich hocken und ließen es bei ihrer selbstverschuldeten Lähmung bewenden. Statt zu arbeiten, versuchten es einige mit dem reaktionären Zwischenrufrepertoire. Als die Textstelle kam: 'Hängt ihn auf!' wurde geklatscht. Kaum jemand unter den Zuschauern wusste etwas mit sich anzufangen. Man kam nicht darauf, dass es an jedem einzelnen Zuschauer selber lag, statt unproduktiv und faul sich zu langweilen, sich zu einer Arbeit zu entschließen. Aus der Langeweile aber ergab sich jener erbärmliche, fahrige Aktionismus, das Gebrüll und Geflegel, welches einige mit der erstrebten Beteiligung des Zuschauers verwechseln, während es in Wahrheit nichts als ein Reflex ist."
Joseph Beuys: Titus/Iphigenie, Photographien von Abisag Tüllmann, Schirmer/Mosel, München 2018, 120 Seiten, 46 Duotone-Tafeln, 49,80 Euro.
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