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Berlin festhalten

Über Bilder, Bände und Sites Von Thierry Chervel
02.05.2016. Schade: Nur bis 6. Mai läuft die Ausstellung "Berlin Raum Radar", die einige aktuelle Blicke auf die Stadt versammelt.
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Diese Ausstellung hätte es verdient, in größerem Rahmen und vor allem für längere Zeit präsentiert zu werden. Sie könnte auch "Positionen der aktuellen Berlin-Fotografie" heißen und vereint alle möglichen Blicke bekannter und jüngerer Fotografen auf die Stadt selbst - keine Street Photography. Die Ausstellung läuft leider nur noch bis 6. Mai unter dem Titel "Berlin Raum Radar" und ist wohl in erster Linie ein Projekt eines Immobilienunternehmers um sein frisch renoviertes Hofensemble in der einst unhippen Potsdamer Straße ins Spiel zu bringen. Die Ausstellung läuft in verschiedenen Räumen des Ensembles, das somit in gewisser Hinsicht selbst ausgestellt ist.


Foto: Michael Schulz, Mitte, Berlin, 2015.

Faszinierend ist in der Ausstellung, wie sich Motivarten bei verschiedenen Fotografen wiederholen. Man könnte eine Typologie der Berlin-Motive entwickeln, die bei diesen avancierten Fotografen so gut wie vollständig ohne Wahrzeichen auskommen, ohne dass die Stadt je zu verkennen wäre.

Eine der Motivarten wäre wären etwa die "gestapelten Kuben", die Michael Schulz - ausnahmsweise einmal mit Wahrzeichen, wenn auch durchkreuztem - zeigt. Meist fügen sich hier alte und neue Gebäude zu einem aus den Fugen geratenen Baukasten. Das Unverbundene von Altem und Neuem gehört zu den Topoi. Einige der schönsten Beispiele liefert Peter Bialobrzeski, dieser Virtuose des Durcheinanders. Aber auch Nostalgiker fehlen nicht und liefern repräsentative und riesige Brandwände, nicht wenige wohl, bevor sie zu Stützwänden für Investorenprojekte wurden. Seltener findet sich als Motiv schon die Brache, die natürlich eng verbunden ist mit dem der Brandwand - aber es gibt nicht mehr so viele. Unübertroffener Fotograf der Lücken in dieser Stadt wird Michael Schmidt bleiben, der in dieser Ausstellung fehlt und zuletzt wohl auch nicht mehr in Berlin fotografierte. Ulrich Wüst, der einst einen ähnlich konzentrierten Blick auf die Lücken in Berlin warf (allerdings im Osten), zeigt hier ein Leporello mit Schaufenstermotiven. Zu den neuen Motivarten, die sich bei verschiedenen Fotografen wiederholen gehören Fotos: riesige Werbewände, mit den Investoren ihre Baustellen kaschieren.

Es ist auch interessant, welche Motive inzwischen fehlen, etwa die - ebenfalls mit dem Motiv der Brache verbundenen - Kriegsverletzungen der Stadt. Es gibt einen Fortschritt, selbst in Berlin.

Thierry Chervel

Ausstellung: "Berlin Raum Radar". Dauer der Ausstellung: bis 6.5.2016
Sa + So: 11-19 Uhr, Mi + Do: 12-18 Uhr, Fr: 12-16 Uhr. "Neue West", Potsdamer Str. 91, 10785 Berlin.

Der sehr nützliche Katalog ist bei Hatje Cantz erschienen: "Berlin Raum Radar - Neue Architekturfotografie", Deutsch, Englisch, Berlin 2016, 25 Euro. (bei buecher.de)