Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
28.02.2006. In Literaturen denkt Friedrich Kittler über die Liebe der Griechen und ihrer Götter nach. Aatish Taseer hat für Prospect einige Monate an der Abu Nour Universität in Damaskus verbracht, wo ausländische junge Leute im Islam unterrichtet werden. Im Nouvel Obs grübelt Jacques Derrida, warum er sich nackt vor seiner Katze schämt. The New Statesman porträtiert den chinesischen Künstler Song Dong, der Städte aus Keksen baut. Im Merkur macht Jan Philipp Reemtsma kurzen Prozess mit der Diskussion um die Willensfreiheit. In Elet es Irodalom erzählt der Schriftsteller Krisztian Grecso von einem ungarischen Juden, der 1948 beinahe wegen eines angeblichen Ritualmords gelyncht worden wäre. Die New York Times hat den ehemaligen Sprecher der Taliban in Yale besucht.
Literaturen (Deutschland), 01.03.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q21/A13204/literaturen.jpg)
Weitere Artikel: Frauke Meyer-Gosau begleitet den Schriftsteller Juri Andruchowytsch in seine galizische Heimatstadt Ivano-Frankivsk. Aus Dublin berichtet Hans-Peter Kunisch von der drohenden Abschaffung der Steuerfreiheit für Künstler. Und in der Netzkarte ärgert sich Aram Lintzel über den tierischen Zuwachs auf der Internetseite des Deutschen Bundestages: ein ulkiger und zappeliger Bundesadler, der sich als "virtueller Berater" in Sachen Demokratie gebärdet.
Prospect (UK), 01.03.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q22/A13206/prospect.jpg)
Weitere Artikel: Der Journalist Kamran Nazeer und die Herausgeberin des muslimischen Lifestyle-Magazins Emel, Sarah Joseph, sind sich zutiefst uneins darüber, wie Muslime mit den Mohammed-Karikaturen umgehen sollen. Der Realismus in der Literatur, erklärt ein feuriger James Wood, ist weder eine Epoche noch ein Genre, und schon gar nicht lächerlich, wie eitle, postmoderne Theoretiker uns weismachen wollen, sondern der grundlegende Impuls des Erzählens. Edward Skidelsky beschreibt den Einfluss von Leo Strauss auf die amerikanischen Neocons: "Seine wichtigste Hinterlassenschaft war die Wiederbelebung einer moralischen Sprache. Er schrieb robustes, klassisches Englisch, gespickt mit Beiwörtern wie 'ehrenhaft', 'vornehm', 'geldgierig' oder "vulgär'. Ein Wort, das er nicht gebraucht hat, war 'böse'." Geoffrey Wheatcroft wendet sich dem Idol seiner Jugend zu - dem Oxforder Geschichtsprofessor AJP Taylor - und muss ihn, nachdem er ihn auf Herz und Nieren geprüft hat, als geistige Jugendsünde verbuchen. Robin Harris sieht den neuen Tory-Chef David Cameron in einer Zwickmühle zwischen Parteireform und Basisverprellung.
Nouvel Observateur (Frankreich), 23.02.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q9/A13207/nouvelobs.jpg)
Im Debattenteil diskutieren die Juristin Francoise Chandernagor, Unterzeichnerin der Petition "Freiheit für die Geschichte", und die sozialistische Abgeordnete Christiane Taubira, Namenspatronin eines Gesetzes von 2001, das Sklaverei und Sklavenhandel als Verbrechen gegen die Menschlichkeit festschreibt, über die Frage, ob man Geschichte und Erinnerung gesetzlich festlegen muss. Zu lesen ist außerdem ein Porträt und Bericht eines Besuchs bei Deborah Devonshire, der letzten noch lebenden Mitford-Schwester, die, inzwischen 85-jährig, jetzt ihre Erinnerungen vorgelegt hat. Nur in der Online-Ausgabe des Magazins ist ein Vorabdruck aus einem neuen Buch über Bernard-Henri Levy zu lesen: "Une imposture francaise" der beiden Journalisten Nicolas Beau (Canard Enchaine) und Olivier Toscer (Nouvel Observateur). Der ungeliebte Intellektuelle - der Buchtitel "ein französischer Betrug" mag bereits ein Hinweis sein - ist damit erneut Objekt einer Untersuchung des "Systems BHL".
New Statesman (UK), 27.02.2006
Der chinesische Künstler Song Dong baut Städte aus Keksen. Bisher hat er sich eher an der imperialen Zeit orientiert, sein neuestes Projekt ist gegenwärtiger, berichtet William Sidelsky. "Das alte Viertel ist schon fast fertig, die modernen Sektionen sind noch mitten in der Konstruktion. Einige einsame Blöcke ragen wie Jenga-Türme (Wikipedia) vom Tisch empor, dessen Oberfläche komplett mit umgedrehten Ryvitas bedeckt ist. Das Projekt wird gesponsert von McVities (die zum Keksimperium United Biscuits gehören) - eine kleine Enttäuschung, da die Auswahl nicht wirklich erstklassig ist. Ich erkenne Digestives, HobNobs und Rich Tea, außerdem verschiedene Sorten Waffeln, die sich besonders für Wolkenkratzer eignen. Offensichtlich hält Dong jedoch wenig von seinen Materialien. 'Chinesische Kekse sind bunter', sagt er. 'Besser für schönere Gebäude'." Song Dongs Kunstwerke (Beispiel) wurden von den Besuchern bisher meist relativ schnell aufgegessen.
Merkur (Deutschland), 01.03.2006
Der Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma erklärt kategorisch die gesamte Debatte über die Willensfreiheit für überflüssig - ob es diese nun gibt oder nicht, sei mehr oder weniger zweitrangig: "Eine Gesellschaft ohne die Unterstellung des freien Willens wäre nicht denkbar. Oder so unterschieden von allem, was wir historisch gewohnt sind, dass wir sie nicht denken können. Verzichten können wir als handlungsleitende Unterstellung auf die Idee des freien Willens nicht. Ist es sinnvoll, viele Gedanken darauf zu verwenden, ob es sich bei der Unterstellung nur um eine nützliche Funktion handelt? Ich weiß nicht, ob jemand so weit gehen würde zu bestreiten, dass es sich dabei um eine nützliche Funktion handelt. Er müsste die eben als undenkbar bezeichnete Gesellschaft schildern und uns schmackhaft machen. Bevor er das nicht tut, können wir das auf sich beruhen lassen."
Weiteres: In zwei Texten befassen sich mit Eli Zaretsky und Elisabth Roudinesco mit Sigmund Freud und der Psychoanalyse. Ulrich Speck fragt mit Blick auf Aufstieg und Niedergang des Europäismus, ob der vielbeschworene Geist Europas auch denkbar ist, wenn die USA nicht die militärischen und moralischen Rahmenbedingungen setzen. Jochen Rack erlebt auf einer Reise über Dubai, Bangkok, Ho-Chi-Minh-Stadt nach Sidney, wie quicklebendig Religionen "außerhalb der westlichen Welt" sind. Marius Meller verteidigt die Leser gegen die Ideologen des Lesens. Patrick Bahners schreibt über den Historiker Hans Rothfels. Ulrike Ackermann verteidigt die französischen "Neoracs", die Neuen Reaktionäre, gegen ihre linken Kritiker.
Weiteres: In zwei Texten befassen sich mit Eli Zaretsky und Elisabth Roudinesco mit Sigmund Freud und der Psychoanalyse. Ulrich Speck fragt mit Blick auf Aufstieg und Niedergang des Europäismus, ob der vielbeschworene Geist Europas auch denkbar ist, wenn die USA nicht die militärischen und moralischen Rahmenbedingungen setzen. Jochen Rack erlebt auf einer Reise über Dubai, Bangkok, Ho-Chi-Minh-Stadt nach Sidney, wie quicklebendig Religionen "außerhalb der westlichen Welt" sind. Marius Meller verteidigt die Leser gegen die Ideologen des Lesens. Patrick Bahners schreibt über den Historiker Hans Rothfels. Ulrike Ackermann verteidigt die französischen "Neoracs", die Neuen Reaktionäre, gegen ihre linken Kritiker.
Espresso (Italien), 02.03.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A13182/espresso.jpg)
Jan-Hendrik Stahlbergs auf der Berlinale gezeigte Satire "Bye Bye Berlusconi" hat noch keinen italienischen Verleih gefunden, berichtet Cesare Balbo. Der Film sei eher "auf ein ausländisches Publikum zugeschnitten", lautet die Begründung. Peter Gomez und Marco Lillo fragen sich im Titel, wie Waffen der italienischen Polizei im Irak wieder auftauchen konnten - auch in den Händen der Aufständischen.
Elet es Irodalom (Ungarn), 24.02.2006
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In der Debatte über die Stasi-Vergangenheit des Filmemachers Istvan Szabo plädiert der Politologe und Vertreter der ehemaligen demokratischen Opposition Janos Kis dafür, die Öffentlichkeit der Stasi-Unterlagen nicht nur für Politiker, sondern auch für Personen des öffentlichen Lebens per Gesetz zu garantieren: "Die erfolgreichsten Filme Istvan Szabos vermitteln die Botschaft, dass selbst die größten Künstler nicht ohne moralische Konsequenzen mit der Diktatur zusammenarbeiten können. Eine Gesellschaft, die ihr Urteil darüber unter anderem aufgrund dieser Filme fällt, hat das Recht zu wissen, ob es in diesen Filmen um den Regisseur selbst geht ? Auf Istvan Szabos Entlarvung hätte die Öffentlichkeit vielleicht auch mit Verständnis und Feinsinn reagiert, wenn er seine Schuld anerkannt oder wenigstens eine einzige ehrliche Geste gemacht hätte."
Outlook India (Indien), 06.03.2006
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Naturgemäß positiver sieht das Treffen Karl F. Inderfurth, seinerzeit Asien-Experte in der Clinton-Administration: "Clinton 2000, Bush 2006, das bedeutet eine Kontinuität in der Politik über nur demokratische beziehungsweise republikanische Interessen hinaus. Es bedeutet, dass wir unsere Beziehung zu Indien auf lange Sicht ausbauen."
Außerdem stellt das Magazin die "Gewinner" des Follywood Film Award in den Kategorien "Zero Hero", "Worst Film", "Worst Story" und "Fashion Disaster" vor. Und Sheela Reddy bespricht eine Monografie über den indischen Maler, Bildhauer und Architekten Satish Gujaral.
Newsweek (USA), 27.02.2006
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Times Literary Supplement (UK), 25.02.2006
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Weiteres: In einem sehr gelehrten Text befasst sich Jeremy Adler mit der Kabbala, ihrer einstigen Bedeutung und ihrer heutigen Trivialisierung. Oswyn Murray kann der Neuauflage des Skandalstückes "The Romans in Britain" wenig abgewinnen, legt aber Wert auf die Feststellung, dass er vor 25 Jahren der einzige Kritiker war, der den "Schocker" ernst genommen hatte. Aisling Foster stellt Gifford Lewis Biografie der anglo-irischen Schriftstellerin und Malerin Edith Somerville vor.
Gazeta Wyborcza (Polen), 25.02.2006
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Anlässlich des 50. Jahrestag der Rede Chruschtschows über Stalins Verbrechen erinnert der Historiker und Publizist Piotr Oseka an die Reaktionen in Polen - vom Herzinfarkt und Tod des Parteichefs Boleslaw Bierut, über die Orientierungslosigkeit vieler einfachen Parteimitglieder, bis zum kurzzeitigen politisch-gesellschaftlichen "Tauwetter" unter Gomulka. "Wir sind erschüttert, schrieben Parteifunktionäre. Man muss die Werke Lenins und Stalins neu studieren, auf eigene Faust die Widersprüche zwischen Theorie und Praxis entdecken, und dann sich erst eine Meinung bilden". Das war der Anfang vom Ende des Kommunismus.
Und: Die Präsidentschaftswahlen in Belarus waren entschieden, bevor der Wahlkampf überhaupt begann - der autoritäre Präsident Lukaschenko wird wieder siegen. Zu einer kleinen Sensation wurde aber letzten Mittwoch eine Debatte mit oppositionellen Kandidaten, bei der Lukaschenko nicht nur geduzt wurde, sondern sich auch unangenehme Fragen anhören musste, schreibt die weißrussische Journalistin Swiatlana Kurs. "Wenigstens dazu waren diese Wahlen gut!"
Babelia (Spanien), 25.02.2006
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Weltwoche (Schweiz), 23.02.2006
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Al Ahram Weekly (Ägypten), 23.02.2006
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A13200/ahram.jpg)
Weiteres: In der Titelstory untersucht Firas Al-Atraqchi die mysteriösen Umstände der Zerstörung des 1200 Jahre alten Askariya-Schreins im irakischen Samarra. Und Anouar Abdel-Malek schreibt einen Nachruf auf den linksintellektuellen Publizisten Mohamed Sid-Ahmed. Besprochen wird die (Auto-)Biografie einer Analphabetin - Tonbandaufnahmen und Diktate, die die libanesische Schriftstellerin Hanan al-Shaykh ihrer Mutter abgelauscht hat. Eine kleine Volksgeschichte des modernen Libanon in höchst erfrischendem Ton, findet der ungenannte Rezensent.
Für die aktuelle Ausgabe der Cairo Review of Books nimmt Hazem Kandil die jüngst erschienene arabische Übersetzung von Edward Saids Essaysammlung "Representations of the Intellectual" über die Rolle des Intellektuellen in Staat und Gesellschaft zum Anlass, um über Saids eigenen Standpunkt in der Sache zu reflektieren: "Im Bewusstsein, sich zwischen Wahrheit und Fremdbestimmung entscheiden zu müssen, hat er seinen Weg gefunden. Der Intellektuelle muss sich die Möglichkeit erhalten, sich zu entwickeln, zu verändern, Neues zu entdecken oder Verworfenes wiederzubeleben."
New York Times (USA), 27.02.2006
Der Rezensent als Bestatter, das passt! "Death's Door" von Sandra M. Gilbert hält der Dichter und Bestattungsunternehmer Thomas Lynch für "die wohl umfassendste multidisziplinäre Betrachtung der Sterblichkeit, die unsere Generation zu lesen bekommt". Das Buch, das Wege der Trauer ebenso behandelt wie die Sterblichkeit in der Literatur, so Lynch, profitiere vor allem von der Belesenheit seiner Autorin: "Der Leser erhält nicht nur eine Einführung in die Poesie von Emily Dickinson, sondern auch einen Platz in der kleinen Trauergesellschaft, die den weißen Sarg mit dem Körper der Dichterin durch Felder voller Blumen zum Grab in Amherst begleitete. Whitmans 'Song of Myself' wird in Beziehung gesetzt zu des Autors spektakulärer Beisetzung 1892." Für Lynch ist es "ein Buch, das inspiriert, instruiert, erhebt und ermutigt, den Trauernden wie den Bestatter."
Weiteres: In einem Essay huldigt Rachel Donadio noch einmal der unlängst verstorbenen Publizistin und Frauenrechtlerin Betty Friedan ("Der Weiblichkeitswahn"). Terence Rafferty schwärmt vom neuen Mantel-und-Degen-Roman "Purity of Blood" des Spaniers Arturo Perez-Reverte. Und Dwight Garner teilt mit, dass sich Bernard-Henri Levys "American Vertigo" in den USA zum Bestseller entwickelt - sei's trotz oder dank der bösen Besprechung in der New York Times.
Im New York Times Magazine erzählt Chip Brown die unglaubliche Geschichte von Rahmatullah Hashemi, der in Afghanistan als Sprecher für die Taliban dolmetschte und dann als freshman nach Yale ging: "Er war im Glauben erzogen worden, in der Gewissheit einer höheren Ordnung, eines sinnvollen Universums, und jetzt, in diesem Schrein des kritischen Denkens, lernte er zu zweifeln, nicht zu glauben."
Weitere Artikel: Steven Lee Myers besucht Weißrussland vor den Wahlen im kommenden Monat und porträtiert Aleksandr Lukaschenko, "Europas letzten Diktator aus Sowjetzeiten": "Natürlich wird Lukaschenko mit 75 Prozent der Stimmen die Wahl gewinnen. Wie seine demokratischen Widersacher schon sagen: 'Er mag keine Zahlen unter 75 Prozent'." Alissa Quart porträtiert die kanadische Indie-Band "Broken Social Scene", deren kollektivistischen Ideale gerade vom kommerziellen Erfolg angekratzt werden.
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