Magazinrundschau
Nicht gucken!
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10.03.2009. Die Realität existiert! Aber nur, wenn wir nicht hinsehen, behauptet der Economist. Vanity Fair sucht das Wikinger-Gen im isländischen Mann. Wir bekommen vielleicht ein bezahltes und ein freies Internet, meint James V. DeLong in The American. Im Believer trauert der Autor und Filmemacher C.S. Leigh um eine stinkende menschliche Erfahrung. Im Espresso feiert Naomi Klein außergewöhnliche Politik mit Elektrosäge. Italien verrottet, ruft MicroMega. Blindheit ist die reinste Form des Blicks, versichert Claude Lanzmann im Nouvel Obs. Joseph Stiglitz fordert in der Nation: The polluter pays! Die New York Times sieht Würstchen bei der Lektüre von Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten".
Vanity Fair (USA), 01.04.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q114/A23374/vanity.jpg)
Außerdem lesenswert: William Langewiesches spitze Reportage über die Entführung des französischen Luxusdampfers Le Ponant durch somalische Piraten. Das schlimmste, was man nach der Lektüre von ihnen sagen kann, ist, dass sie die französische Küche nicht zu würdigen wussten.
Espresso (Italien), 06.03.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A23373/espresso.jpg)
American (USA), 03.03.2009
Amerikanische Zeitungsaktien haben 2008 83 Prozent an Wert verloren! Nach einer kurzen Geschichte des Niedergangs der amerikanischen Presse in den letzten Jahren, zitiert der Jurist James V. DeLong den NYT Chefredakteur Bill Keller, der kürzlich erklärt habe, dass er den oft mit religiöser Inbrunst verkündeten Satz 'Information will gratis sein' niemandem mehr abkaufe. Damit stehe er nicht alleine. "Die LA Times sprach von der Notwendigkeit, für die Presse eine Ausnahme vom Kartellgesetz zu machen, damit Zeitungen gemeinsam vereinbaren können, dass sie ihre Produkte nicht mehr einfach weggeben, und verschiedene Kolumnisten haben zugestimmt. Vor hier an teilen sich die Dinge. Entweder entwickelt das Nachrichtengeschäft erfolgreich ein kostenpflichtiges, auf Eigentumsrechten basierendes Modell, das auf Abonnenten oder Anzeigen basiert, oder nicht. Wenn es ihm gelingt, entwickelt sich das vorher beschriebene Szenario mit nationalen, lokalen und spezialisierten Absatzgebieten. Innovative Informationssammelservices werden entstehen, die mit AP konkurrieren, vor allem in den spezialisierten Gebieten, und die kreative Seite der Schumpeterschen Balance wird die Zerstörung des alten Printmodells begleiten. Wir bekommen möglicherweise ein bezahltes und ein freies Internet, mit einer großen Menge an interessanten Crossovers und Interaktionen."
La vie des idees (Frankreich), 05.03.2009
1818 fand in New York ein Prozess statt, der sich mit einer seltsamen Frage befasste: Ist der Wal ein Fisch oder nicht? Alexandre Brunet bespricht ein Buch des amerikanischen Historikers Graham Burnett, der aus dieser Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlern, Walfängern und Kaufleuten eine faszinierende Studie über die Geschichte der Naturwissenschaften vor dem Darwinismus gemacht habe ("Trying Leviathan"). Die Kontroverse sei ideal, um zum Zeitpunkt der Entstehung der Naturwissenschaften die Verflechtung ökonomischer, religiöser und wissenschaftlicher Argumente zu beobachten. "Für Burnett ist dieser Prozess eine traumhafte Gelegenheit, erneut zu beweisen – wenn es denn nötig wäre –, dass die Vorstellung einer ungehindert triumphierenden Naturwissenschaft in den ersten Jahren der amerikanischen Republik äußerst übertrieben ist: Weit davon entfernt ein Goldenes Zeitalter der Wissenschaft zu sein, zeichnet sich das frühe 19. Jahrhundert vielmehr durch eine tiefe epistemologische Unsicherheit aus. Diese Periode ist schlicht jene, in welcher die entscheidende Kontroverse zwischen Volksglaube, religiösen Überzeugungen und sich formenden wissenschaftlichen Kenntnissen stattfindet."
Economist (UK), 06.03.2009
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Salon.eu.sk (Slowakei), 03.03.2009
In Tschechien, Ungarn und der Slowakei wurden in letzter Zeit Gesetze zur "Bändigung der Medien" verabschiedet. Salon hat eine (englischsprachige) Presseschau aus diesen Ländern zusammengestellt. So sorgt man sich in Ungarn über einen Gesetzentwurf, der es der Nationalen Medienbehörde erlaubt, schon beim Verdacht auf einen Rechtsbruch Redaktionsbüros zu durchsuchen und Computer und Originaldokumente zu beschlagnahmen. Aus der Slowakei, wo das neue Mediengesetz – anders als in Ungarn – von der Opposition heftig bekämpft wurde, berichten einige Journalisten von ihren Erfahrungen mit dem seit über einem Jahr existierenden "Recht auf Erwiderung", das jedem, der sich in der Presse zu Unrecht dargestellt fühlt, gestattet eine "Korrektur" an gleicher Stelle veröffentlichen zu lassen, unabhängig davon, ob die Bitte gerechtfertigt ist oder nicht. "Unsere schlimmsten Befürchtungen sind aber nicht eingetroffen", meint Petr Sabata, Redakteur der Tageszeitung Pravda. "Die meisten können aus formalen Gründen abgelehnt werden." Am schlimmsten ist es in der Tschechischen Republik. Hier müssen Journalisten, die Material veröffentlichen, dass ihnen von Polizei oder Anwälten zugespielt wurde, mit hohen Strafen rechnen. In einem offenen Protestbrief an den Präsidenten Vaclav Klaus schrieben einige Verleger: "Journalisten können nur in den Besitz von Dokumenten gelangen, die bereits das Sicherheitssystem passiert haben und somit jedermann zugänglich sind."
New York Review of Books (USA), 26.03.2009
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Daniel Mendelsohn schreibt über Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten": "Der große Erfolg dieses Buchs, die Art, wie Littell uns in Aues mentale Welt zieht, hat viel zu tun mit der Technik, die er benutzt, das heißt, wie er Szenen größten Horrors (oder Szenen, in denen die Charaktere kühl entsetzliche Taten diskutieren oder planen) einfügt, mit immer größerer Dringlichkeit, je weiter der Roman fortschreitet, in alltägliche, sogar langweilige Abschnitte, Gespräche über kleinliche Militärintrigen und offizielles Gekabbel und so weiter und so weiter, dabei das Grausame und das Banale in einer beunruhigenden, überzeugenden Art zusammenwebend - so dass das Banale das Grausame irgendwie normalisiert und das Grausame das Banale ansteckt."
Außerdem: Amartya Sen überlegt, ob wir einen "neuen Kapitalismus" oder eine "neue Welt" brauchen. Elisabeth Dew resümiert dreißig Tage Obama. Cass R. Sunstein schreibt über die Federalist Papers. Besprochen werden Jackie Wullschlagers Chagall-Biografie, Bücher von und über Reinhold Niebuhr und eine Biografie über Donald Barthelme.
Nouvel Observateur (Frankreich), 05.03.2009
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Believer (USA), 01.03.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q146/A23372/believer.jpg)
Außerdem: Der britische Filmemacher Mike Leigh spricht im Interview über seine Arbeit mit Schauspielern und ein Projekt, das er wahrscheinlich nie verwirklichen kann, weil er dafür nie genug Geld zusammenbekommen wird: ein Film über den Maler William Turner, der teure Außenaufnahmen erfordern würde. "Wir reden hier von einem Mann, der sich an den Mast eines Schiffes gebunden hat, um einen Sturm zu malen."
Elet es Irodalom (Ungarn), 27.02.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A23388/es.jpg)
The Nation (USA), 23.03.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q25/A23379/nation.jpg)
In der gleichen Nummer konstatieren Barbara Ehrenreich ("Arbeit poor") und Bill Fletcher, dass dem Kapitalismus wohl nicht mehr zu helfen sein wird. Man muss also über Sozialismus nachdenken. Die beiden geben zwar zu, "keinen Plan" für den Weg in den Sozialismus zu haben, aber sie sind überzeugt, dass "die Kernidee des Sozialismus Bestand hat: Leute tun sich zusammen und klären, wie sie ihre Probleme oder zumindest einen großen Teil ihrer Probleme gemeinsam lösen können. Wir - nicht der Markt oder die Kapitalisten oder irgendwelche Überplaner - nehmen unser Schicksal in die Hand."
Und Samuel Moyn schreibt über Jonathan Littells "Die Wohlgesinnten": "Im Gegensatz zur Ansicht der meisten ausländischen Kritiker (und vielleicht Littells Selbstverteidigung) ist die wahre Prämisse des Romans nicht, dass Aue wie andere Täter ist. Er steht vielmehr für den Nationalsozialismus als ganzes."
Guardian (UK), 07.03.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q75/A23387/guardian.jpg)
Weiteres: Das öffentliche Sterben der krebskranken Jade Goody im kameraverrückten Großbritannien erinnert Gordon Burn sehr an Dave Eggers "Herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität" ("Bin ich auf Sendung? Habe ich schon euer Herz gebrochen? War meine Geschichte traurig genug?"). Besprochen werden unter anderem T.C. Boyles Roman über Frank Lloyd Wright, "The Women", und Barney Hoskyns' freundliche Tom-Waits-Biografie "Lowside of the Road".
MicroMega (Italien), 06.03.2009
In Turin trafen sich kürzlich Wissenschaftler und Intellektuelle, um den "Fall Italien" zu verhandeln. Es ist alles ganz furchtbar, musste Angelo d'Orsi erfahren. "Auch Luciano Gallino hielt in seinem großartigen Vortrag nicht hinter dem Berg. Er zeichnete das Bild eines verrotteten Landes, von Umweltkatastrophen verheert, von der organisierten Kriminalität geführt (die mittlerweile ein Drittel des nationalen Territoriums kontrolliert), ein Land, in dem die Schwarzarbeit floriert (mehr als 18 Prozent, sagen manche, andere schätzen die Quote auf 30 Prozent) und damit eine entsprechend hohe Rate an Steuerflucht produziert, ein Land der Flüchtigen und der Schwarzbauten, ein Land, das sich jeder Regelung widersetzt, ein Land, in dem es dreierlei Gesetze gibt: unnütze (die meisten), schädliche (sie werden angewendet) und nützliche wie wertvolle (die aufgrund des allgemeinen Desinteresses ständig missachtet werden). In erster Linie fällt mir da die Verfassung unserer Republik ein, die in vielen wichtigen Teilen immer noch nicht verwirklicht worden ist, und die nicht erst seit heute unter Beschuss steht, vor allem ihres demokratischen und fortschrittlichen Charakters wegen."
Times Literary Supplement (UK), 06.03.2009
Richie Robertson geht anhand eines Buchs über Hitlers private Bibliothek der Frage nach, ob der Diktator womöglich ein Bücherwurm war. Mit Literatur und Philosophie hatte er jedenfalls nicht viel im Sinn: "Bemerkenswert ist Hitlers Bibliothek vor allem wegen der Bücher, die sie nicht enthält. Schopenhauer und Nietzsche fehlen, was den Verdacht bestätigt, dass Hitler sie nur aus zweiter Hand kannte. Es gibt eine schöne Fichte-Edition, ein Geschenk von Leni Riefenstahl, um Hitler nach einem unglücklichen Zusammentreffen versöhnlich zu stimmen, aber die enthaltenen Anmerkungen sind von jemand anderem. ... Ein weiterer frappierender Mangel zeigt sich in der Literatur. Oechsner zufolge besaß Hitler alle Wild-West-Abenteuergeschichten von Karl May, alle Detektivromane von Edgar Wallace und viele Liebesgeschichten von Hedwig Courths-Mahler (einer deutschen Barbara Cartland), aber nichts, was die Einbildungskraft auf unbekannte Wege führen konnte. In Hitlers mentaler Welt scheint es keinen Platz für Imagination gegeben zu haben." Kritisch fügt Robertson hinzu, dass Teile des Bandes "Hitler's Private Library" nachlässig geschrieben seien. Hitler hingegen habe zumindest den Wert von Nachschlagewerken gekannt.
Point (Frankreich), 05.03.2009
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(Am kommenden Donnerstag findet um 11 Uhr im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung übrigens eine Pressekonferenz der Initiative "Boykottiert Durban 2!" mit diversen Referenten statt. Moderieren wird Perlentaucher Thierry Chervel.)
Spectator (UK), 06.03.2009
Melanie Philipps prophezeit die religiöse Vereinigung "dunkler Kräfte gegen die freie Welt": Still und heimlich würden sich nämlich Mitglieder der anglikanischen Kirche mit extremen Islamisten und der antizionistischen Rechten gegen den gemeinsamen Feind Israel verbünden. Der Antisemitismus sei dabei verbreitet bis in die höchsten Ämter der kirchlichen Hierarchie, ist sich die Autorin sicher: "Viele werden tief schockiert sein, dass die Englische Kirche Personen mit derartigen Einstellungen beherbergt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Kirchenhierarchie gegen sie handelt. Extreme Feindseligkeit gegenüber Israel ist die standardmäßige Position unter Bischöfen und Erzbischöfen; während es die etablierte Linie ist, dem Islam die Hand zu reichen und zu versuchen, ihn zu integrieren und zu besänftigen. Während Christen auf der ganzen Welt unter erzwungener Konversion, ethnischen Säuberungen und Mord durch islamische Hände leiden, äußert die Kirche nicht ein Wort des Protests. Stattdessen steht der interreligiöse Dialog auf der Tagesordnung ... Israels Krieg gegen die Hamas hat einen entscheidenden Effekt gehabt. Es gibt nun die weitverbreiteten Wahrnehmung, dass Israel ein für allemal besiegt werden muss - dann würden die Islamisten sich beruhigen."
Virginia Quarterly Review (USA), 09.03.2009
Aus dem Archiv ausgegraben: Ein Artikel von John Hammond Moore über die bewegte Geschichte des Cocktails. Dieser, so zitiert Moore den Schriftsteller H. L. Mencken, sei für viele Nicht-Amerikaner "der größte Beitrag des 'American Way of Life' zum Heil der Menschheit". Zwar bleibt der wahre Ursprung des Wortes "Cocktail" unklar, seit rund zweihundert Jahren wird es jedoch in seiner heutigen Bedeutung verwendet, lernen wir: "Das Wort 'Cocktail' wurde ... in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall in den Vereinigten Staaten benutzt, um eine Auswahl gemischter Getränke zu beschreiben. Eine der ersten gedruckten Erwähnungen erschien im Mai 1806 in einer Zeitung aus Hudson, New York. Dem Redakteur des Balance zufolge ist ein Cocktail eine stimulierende Flüssigkeit, bestehend aus Alkoholika jeglicher Art, zusammen mit Wasser, Zucker und Magenbitter. Dieser wurde gewöhnlich als 'bittered sling' bezeichnet und sei besonders zu empfehlen für jeden demokratischen Kandidaten in einem öffentlichen Amt, da jeder, der ein Glas davon hinunterbekomme, bereit sei, alles zu schlucken."
New York Times (USA), 08.03.2009
David Gates lässt kaum ein gutes Haar an Jonathan Littells "Die Wohlgesinnten". Der von seiner Schwester besessene Held und Nazi Max Aue, der sich an einer Stelle ein Würstchen in den Hintern schiebt und es später seiner Mutter und seinem Stiefvater als Mahlzeit serviert, "ist einfach zu sehr Freak und sein angebliches Trauma zu speziell und gekünstelt, als dass wir es ernst nehmen könnten. Wenn er uns eine moralische Gänsehaut mit dem Argument einjagt, 'Sie hätten auch getan, was ich getan habe', tanzen Visionen von Würstchen vor unserem Auge."
Besprochen werden außerdem eine Reihe von Büchern aus oder über China: Yiyun Lis grimmiger Roman "The Vagrants" über das China der siebziger Jahre (erstes Kapitel), Yu Huas Roman "Brothers" (erstes Kapitel), Xinrans Interviewbuch "China Witness. Voices From a Silent Generation" und James Fallows Reportagen aus China für Atlantic Monthly, "Postcards from tomorrow square" (erstes Kapitel).
Besprochen werden außerdem eine Reihe von Büchern aus oder über China: Yiyun Lis grimmiger Roman "The Vagrants" über das China der siebziger Jahre (erstes Kapitel), Yu Huas Roman "Brothers" (erstes Kapitel), Xinrans Interviewbuch "China Witness. Voices From a Silent Generation" und James Fallows Reportagen aus China für Atlantic Monthly, "Postcards from tomorrow square" (erstes Kapitel).
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