Magazinrundschau
Mit einem Lidschlag gehst du online
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.06.2010. Der Gegenwartskunst rasselt der Atem, diagnostiziert Prospect. Der polnischen Buchkultur auch, notiert Res Publica Nowa. Itunes war gestern, ruft der New Yorker. In El Pais Semanal erklärt der Physiker Michio Kaku: das Internet wandert in die Dinge. Die LRB hält fest: das Internet rüttelt nicht an Klassenschranken. In der NYRB bespricht Timothy Snyder Christopher R. Brownings neues Buch "Remembering Survival" über das Ghetto in Wierzbnik. Le Monde singt eine Hymne auf drei chinesische Dissidenten.
New Yorker (USA), 21.06.2010
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Außerdem beinhaltet diese Doppelausgabe ein "Summer Fiction"-Spezial, in dem 20 Autoren unter 40 schreiben: online lesen darf man Kurzgeschichten unter anderem von Rivka Galchen, Gary Sheyntgart und Salvatore Scibona.
El Pais Semanal (Spanien), 06.06.2010
"Ich bin kein Science Fiction-Schriftsteller, ich bin Physiker", erklärt der vor 63 Jahren im Silicon Valley geborene amerikanische Forscher und in den USA überaus populäre Universitätslehrer und Wissenschaftspublizist Michio Kaku, bevor er im Interview mit Luis Miguel Ariza unsere Zukunft beschreibt: "Das Internet wird überall sein, auch in deinen Kontaktlinsen. Was auch immer du sehen wirst, es wird Internet sein - mit einem Lidschlag gehst du online. Als Lehrer werden wir uns Prüfungen ausdenken müssen, in denen auswendig gelerntes Wissen keine Rolle mehr spielt. Die großen Verlierer werden die bisherigen Vermittler alten Stils sein - ein Broker wird kein Geld mehr verdienen, nur weil er an der Börse Operationen ausführt. Das werden künftig alle machen können, und das nahezu gratis. Und die neuesten Nachrichten wird man sich künftig auf der Armbanduhr ansehen - überleben wird nur können, wer Erfahrung, Fachwissen und Begabung anzubieten hat."
Prospect (UK), 24.05.2010
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Res Publica Nowa (Polen), 01.08.2010
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q240/A27699/respublica.jpg)
Henryk Wozniakowski vom Verlag "Znak" repräsentiert eine ältere Generation. Für ihn zählt etwas anderes: "Es geht nicht um die Dankbarkeit der Nation gegenüber dem Großen Verleger, sondern um die Freude, wenn wir im Zug jemanden treffen, der in 'unser' Buch so vertieft ist, dass er von der Außenwelt abgeschottet erscheint. Was zählt, ist der Funke im Auge des Gesprächspartners, wenn er von seinen literarischen Entdeckungen erzählt, oder die Stimme des Kritikers, der ein Buch wirklich verstanden hat und dies auch weitergeben kann. Mit einem Wort: Was am meisten zählt, ist der einzelne Leser und seine Reaktion. Natürlich weiß ich, dass das Verlagsgeschäft Tausende von solchen einzelnen Lesern braucht."
Befragt nach dem Buch, auf das er wartet, antwortet der Literaturkritiker Przemyslaw Czaplinski: "Ich warte auf ein Buch, von dem ich nicht weiß, dass ich darauf warte. Es wird, ungefragt und unerwartet, von irgendwo auftauchen, zu früh oder zu spät, immer zur unrechten Zeit, und wird mich davon überzeugen, dass meine ganze bisherige Lektüreerfahrung ein Warten auf dieses Buch war. Und wenn ich es lese, werde ich diese Erfahrung über Bord werfen, um zu verstehen, was ich nicht verstehe."
New York Review of Books (USA), 24.06.2010
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Besprochen werden außerdem Martin Amis' Roman "The Pregnant Widow" (von dessen "lustigem essayistischen Ton" Edmund White einfach hingerissen ist), Andre Agassis Autobiografie "Open" und eine Reihe von Neuerscheinung und schon etwas älteren Ausstellungen zum Bauhaus.
Nicht online ist Charles Rosens Hymne auf Chopin. Nur den Anfang darf man lesen: "Die orthodoxe Sicht auf Chopin als Miniaturisten ist inzwischen ziemlich obsolet, überstrapaziert, diskreditiert. Viele seiner längeren Stücke- Balladen, Scherzi, Sonaten, Große Polonaisen, Fantasien, Barcarollen - sind länger als ein durchschnittlicher Satz bei Beethoven."
Le Monde (Frankreich), 05.06.2010
Der Publizist Guy Sorman singt eine kleine Hymne auf drei chinesische Dissidenten: Wei Jingsheng, der seit Jahren im Exil lebt, Hu Jia und Liu Xiaobo, die wegen ihres Engagements für Aids-Kranke beziehungsweise für die Charta 08 ins Gefängnis gesteckt wurden: "Sie drei verkörpern die Sehnsucht der chinesischen Gesellschaft nach politischer und moralischer Würde, die so alt ist wie die chinesische Zivilisation. Das Schicksal Wei Jingshengs erinnert daran, dass schon im Jahr 1911 ein gewisser Sun Yat-sen aus dem britischen Exil nach China zurückkehrte, um dort die Republik auszurufen und sich zum Präsidenten wählen zu lassen, lange bevor viele europäische Monarchien diesen Weg gingen. Und Liu Xiaobo ist ebenso sehr von der chinesischen Tradition durchdrungen wie von der europäischen Aufklärung, die den Chinesen seit 200 Jahren ein Begriff ist. Und Hu Jia, ein gläubiger Buddhist, erinnert uns daran, dass Mitleid und Tugend zu den ewigen Bestandteilen der chinesischen Zivilisation gehören."
London Review of Books (UK), 10.06.2010
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Weitere Artikel: Der Historiker Keith Thomas schreibt zettelkastengelehrt über die Geschichte des Exzerpierens und Verzettelns und warum im Computerzeitalter keine Karteikarte auf der anderen bleibt. Sehr enttäuscht zeigt sich Andrew O'Hagan von der von Steven Spielberg und Tom Hanks produzierten HBO-Kriegsfilmserie "The Pacific".
Magyar Narancs (Ungarn), 27.05.2010
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Open Democracy (UK), 07.06.2010
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q155/A27704/opendemocracy.jpg)
Außerdem schreibt Oleg Alexandrovich Yuriev über den hundertsten Todestag Tolstois und die schreckliche Tortur von Schriftstellerjubiläen im kommunistischen Zeitalter.
Times Literary Supplement (UK), 05.06.2010
Simon Goldhill hat in Zachary Masons "The lost Books of the Odyssey" die wohl brillanteste Offenbarung seit James Joyces Bearbeitung des Homer-Stoffes entdeckt. Originaltext und moderne, uns vertraute Themen werden wunderbar verbunden: "Odysseus kehrt nach Ithaka zurück und findet eine in die Jahre gekommene, verheiratete Penelope. 'Verzweifelnd irgendwoanders nach einem echten Ithaka suchend, dreht Odysseus sich um und flieht schwindelnd vor den quälenden Schatten.' Dass Penelope nach zwanzig Jahren eventuell nicht mehr die perfekte und noch immer wunderschöne Ehefrau ist, geht zurück auf hämische Überlieferungen der Antike, und der befremdete Odysseus, der durch sein ständiges Suchen lieber ein neues Ithaka schaffen möchte, als anzukommen, ist das oft besungene Thema Cavafys. Es ist fast ein Klischee heutiger Zeit, sich über Penelopes Bedürfnisse, Odysseus wahre Sehnsüchte und die Möglichkeiten des Versagens zu wundern, die eintreten, wenn ein Ehemann zu seiner Frau zurückkehrt. Mason kennt dies alles hinreichend. Seine ersten Kapitel knüpfen dort an, wo die Tradition angelangt ist."
Außerdem: Gillian Tindall liest interessiert Jeffrey H. Jacksons lebhaft erzählte Geschichte der Überschwemmung von Paris 1910, vermisst dabei allerdings oft den historischen Kontext. Auf eine Reise durch die Geschichte der Sonette begibt sich Katherine Duncan-Jones in Stephen Burt and David Mikics "The Art of the Sonnet" und entdeckt dabei viele historisch-interessante, aber leider nicht immer künstlerisch anspruchsvolle Sonette.
Außerdem: Gillian Tindall liest interessiert Jeffrey H. Jacksons lebhaft erzählte Geschichte der Überschwemmung von Paris 1910, vermisst dabei allerdings oft den historischen Kontext. Auf eine Reise durch die Geschichte der Sonette begibt sich Katherine Duncan-Jones in Stephen Burt and David Mikics "The Art of the Sonnet" und entdeckt dabei viele historisch-interessante, aber leider nicht immer künstlerisch anspruchsvolle Sonette.
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