Magazinrundschau - Archiv

A2

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Magazinrundschau vom 06.02.2024 - A2

"Autofiktion, wohin man sieht", ruft Jan Němec in der Literaturzeitschrift H7o aus. Und nicht nur bei Annie Ernaux, Knausgard, Cusk und Co. - auch in der tschechischen Literatur ist das Genre allpräsent. Weshalb auch das Magazin A2 der Autofiktion gleich ein ganzes Themenheft widmet. "Kaum einem Genre in der Literatur des 21. Jahrhunderts geht es so gut wie der Autofiktion", schreibt Blanka Činátlová in ihrem Editorial. "Diejenigen, die in der Postmoderne ein Fiktionsspektakel, eine manierierte Spielerei oder das ironische Grinsen der intellektuellen Eliten sahen, begrüßen den Einfall der rohen, manchmal hässlichen Alltäglichkeit, der kompromisslosen Stimme der Marginalisierten und Unterdrückten und natürlich auch der Authentizität und des Engagements, mit denen autofiktionales Schreiben meist verbunden wird. Das Schlagwort 'Autofiktion' rettet Literaturvermarkter und ratlose Rezensenten, denn mit diesem Etikett lässt sich offenbar jeder Text versehen, der sich als persönliches Zeugnis gestaltet, in gewisser Hinsicht 'unliterarisch' oder eben 'nicht nur literarisch' ist, oder auch nur genremäßig schwer einzuordnen ist. Fügt man dem bekenntnishaften Erzählen eine entsprechende Sensationslust hinzu, wird er sich überdies hervorragend verkaufen." Typisch für das autofiktionale Schreiben sei die Konzentration auf traumatische Erlebnisse und der Versuch, eine persönliche Erfahrung in eine allgemeine umzuwandeln. "Die Ereignisse der letzten Wochen - der erschütternde Amoklauf an der Prager Karls-Univerität - und das Bedürfnis mancher Dichter, darauf unmittelbar zu reagieren (ich nenne lieber keine Namen), zeigen freilich, dass es manchmal besser ist zu schweigen und dass bei allem aufrichtigen Bemühen, ein persönliches Zeugnis abzuliefern, das Ergebnis ein paar hohle, peinliche Verslein sein können", so Činátlová.

Magazinrundschau vom 25.07.2023 - A2

Miroslav Tomek hat sich mit dem ukrainischen Schriftsteller, Musiker und deutschen Friedenspreisträger Serhij Zhadan über die Rolle der Kunst im Krieg und auch über den Umgang mit russischer Literatur und Kultur unterhalten. "Es geht hier doch nicht darum, dass wir Puschkins Bücher verbrennen sollten", erklärt Zhadan. "Es geht auch nicht eigentlich um Literatur. Die Kultur nimmt einfach in jedem ideologisch-politischen System eine Schlüsselrolle ein, und das können wir nicht ignorieren. Im russischen ideologischen Konzept der 'russischen Welt' ist die Kultur ein wichtiges Instrument der Beeinflussung, eine Art Signal ihrer Präsenz. Man muss nur auf all die Puschkin-Denkmäler schauen, die überall im Imperium, überall in der Ukraine stehen. Sie erzählen nichts von der wirklichen Liebe der Ukrainer zu Puschkin, sie sind nicht deshalb aufgestellt worden, weil jemand Puschkin als genialen Dichter betrachtete. Es ging darum, dass Puschkin der wichtigste Dichter der russischen Kultur ist und deshalb überall stehen muss. Genauso wie Lenin. Sobald Puschkin in einer Stadt steht, bedeutet das, die Stadt ist Teil des Imperiums." Er selbst habe weiterhin russische Bücher zu Hause. "Ich habe sie nicht weggeworfen. Andererseits muss ich sagen, dass ich sie jetzt nicht lese. Nicht deshalb, weil Putin ein Wichser und die Russen Okkupanten sind, auch wenn das außer Zweifel steht, sondern einfach weil ich jetzt keine russische Literatur lesen kann. Ich verbinde es sofort mit dem, was ich in den Nachrichten gesehen habe. Es ist einfach gefühlsmäßig nicht möglich. Aber die Bücher sollen dort ruhig lieben bleiben, vielleicht wird es sich wieder ändern. Oder auch nicht; ehrlich gesagt weiß ich es nicht. In jedem Fall erscheint es mir etwas unpassend, sich jetzt über russische Literatur zu streiten, wir haben wesentlich dringendere Probleme."

Magazinrundschau vom 10.01.2023 - A2

Diverse Zeitungen und Magazine widmen sich dem vor 30 Jahren erfolgten friedlichen Zerfall der Tschechoslowakei und dabei auch immer wieder der Frage, ob die Trennung richtig oder ein Fehler war. Während etwa in Forum24.cz der tschechische Publizist Jan Ziegler meint, der Zerfall sei keine Tragödie, sondern eine logische Konsequenz der Geschichte gewesen: "Da es in dem 1918 gegründeten künstlichen Staatsgebilde weniger Slowaken als Deutsche gab, wurden ein tschechoslowakisches Volk und eine tschechoslowakische Amtssprache erfunden, die es beides nicht gab", nennt der slowakische Soziologe und ehemalige Dissident Fedor Gal (geboren 1945 in Theresienstadt) im Magazin A2 die Trennung einen Verlust: "Für mich ist das eine lebenslange emotionale Narbe … Ich war überzeugt, dass wir sehr ähnliche Werte hätten, eine ähnliche Sprache, Vergangenheit, Kultur und ähnliche Ziele. … Hätte es ein Referendum gegeben, wäre es zu keiner Trennung gekommen." A2 widmet dem Thema ein ganzes Heft. "Für einige der Älteren", schreiben Lukáš Rychetský und Matěj Metelec in ihrem Editorial, "bleibt die Trennung eine ungeheilte Wunde, die Mittdreißiger und -vierziger erinnern sich vielleicht nostalgisch an die zweisprachigen Sendungen des Tschechoslowakischen Fernsehens, und ein Drittel der Menschen kennen den gemeinsamen Staat der Tschechen und Slowaken nur noch aus Erzählungen. In jedem Fall gilt, dass trotz der politischen Entscheidung der Regierungsoberen die Beziehungen beider Nationen nicht völlig abgerissen sind, auch wenn wir weniger hinter die Ostgrenze schauen, als wir könnten und sollten, und es zugegebenermaßen meist dann tun, wenn wir uns unseres eigenen Niveaus versichern wollen (bei uns werden keine Journalisten ermordet!) oder im Gegenteil mit neidischem Seufzer feststellen müssen, dass die Slowakei uns in diesem oder jenem überholt hat (etwa bei der Einführung des Euro oder bei der Wahl einer Präsidentin)."
Stichwörter: Tschechoslowakei, Slowakei

Magazinrundschau vom 06.07.2021 - A2

A2 widmet sein aktuelles Heft dem Thema "Belarus - ein Jahr danach" und unterhält sich unter anderem mit dem belarussischen Schriftsteller Sjarhej Kalenda, der im Geldberuf zugleich als Friseur arbeitet. Über seine Friseurtätigkeit habe er gelernt, den Menschen zuzuhören und sich für die verschiedensten Lebenswandel zu interessieren. Auch politische Repressalien bekommt er so aus erster Hand mit: "Ich kann behaupten, dass alle meine Kunden schon mindestens einmal verhaftet wurden, eine zweiwöchige oder auch längere Strafe abgesessen haben. (…) Minsk ist halb verlassen, es herrscht eine bedrückte, beklommene Stimmung. Es kann uns zwar freuen, dass die EU über die Situation in unserem Land beunruhigt ist, aber bislang sieht es so aus, als würden die europäischen Beamten mit ihren Sanktionen mehr mit Windmühlen kämpfen als mit den tatsächlichen Mühlsteinen, die hier und jetzt menschliche Leben zermalmen." Die Proteste im Land hätten immerhin eine große Einigkeit und gegenseitige Unterstützung unter den Menschen bewirkt, doch sie blieben Geiseln des Regimes. Über die derzeitige Atmosphäre sagt Kalenda: "Es hat etwas von einer Familie, in der der Vater ein tyrannischer Alkoholiker ist, der betrunken und gereizt nach Hause kommt und einem jederzeit eins aufs Maul geben könnte. Alle sehen und verstehen es, schweigen aber sicherheitshalber, weil sie sich fürchten…" Er selbst erleide wegen der Situation manchmal Panikattacken und fürchte um die Zukunft seiner Kinder. "Ich weiß nicht, ob der Protest wirklich verstummt ist, aber ich sehe, dass die Belarussen zu einer Art Partisanen werden."

Magazinrundschau vom 21.07.2020 - A2

A2 begibt sich weiter auf die Spuren des Antifeminismus und führt mit der tschechischen Politologin und Philosophin Zora Hesová ein hochinteressantes Gespräch über reaktionäre Strömungen in Ost und West, aus dem sich hier nur auszugsweise zitieren lässt. Bis auf einige Argumentationslinien der katholischen Kirche sieht Hesová keine einheitliche Ideologie hinter dem neuen Antifeminismus, er zeige sich nicht nur bei Populisten und Faschisten, sondern auch bei Menschen ohne substanzielle politische Ideologie. Konservative Think-Tanks und bürgerliche Lobbyistengruppen, die es besonders in Polen und der Slowakei, in Ungarn und Kroatien, aber auch in Frankreich oder Spanien gebe, hätten "von amerikanischen Erfahrungen gelernt: wenn eine konservative Agenda erfolgreich sein will, darf man sie nicht in religiöser Sprache formulieren und etwa sagen, dass die Liberalen 'sündigten' oder in der Hölle landeten, sondern man muss eine zivile Sprache der Rechte und Freiheiten verwenden. In den USA spricht man seit den 90er-Jahren im Falle von Abtreibungen nicht mehr von der Ermordung von Kindern, sondern von der Verletzung ihres Rechtes auf Leben. In Kampagnen gegen Sexualerziehung in den Schulen wird nicht mehr behauptet, dass man den Kindern 'Sünden' beibringe, sondern dass die Schule in die Entscheidungsrechte der Eltern eingreife, wie die moralische Erziehung ihrer Kinder auszusehen hat. Sich gegen Eingriffe des Staates in die Privatsphäre der Familie zu verwahren, ist aus liberaler Perspektive ein viel schlagenderes Argument als die ewige Verdammnis."

Magazinrundschau vom 07.07.2020 - A2

Das Magazin A2 bringt ein kritisches Themenheft zum "Antifeminismus". Darin fragt die tschechische Literaturwissenschaftlerin Eva Klíčová, warum selbst erfolgreiche tschechische Frauen in Interviews so oft ungefragt erklärten, sie seien keine Feministin, und vermutet, dass dies weniger mit dem vielbeschworenen mitteleuropäischen Sinn für Ironie zu tun habe, sondern in der Atmosphäre der Neunziger wurzele. Als zwei italienische Feministinnen mit einer Menschenrechtspetition die Dissidentinnen in der kommunistischen Tschechoslowakei aufsuchten, habe Václav Havel dazu geschrieben: "Ich möchte mich nicht über den Feminismus lustig machen, ich weiß wenig darüber und bin bereit zu glauben, dass er keinesfalls nur die Erfindung irgendwelcher Hysterikerinnen, gelangweilter Frauchen oder verschmähter Geliebter ist. Ich muss jedoch feststellen, dass sich in unserem Umfeld, wo die Frauen vielfach schlechter dran sind als im Westen, der Feminismus wie Dada ausnimmt". Und er fand auch eine Erklärung dafür: Das liege an dem typischen mitteleuropäischen Sinn für Ironie und schwarzen Humor, der Angst vor unfreiwilliger Komik und dem Pathos. "Mit anderen Worten", schließt Eva Klíčová, "die weiblichen Dissidenten hatten nicht etwa Angst, sie könnten ihr Leben als Dienerinnen in prekären ökonomischen Verhältnissen zubringen, als Schreibkräfte männlicher Ideen und ein leichtes Ziel sexueller Toxizität. Stattdessen hatten sie Angst, sich lächerlich zu machen, peinlich zu sein … vor den Männern!" Ob das wohl damit zu tun habe, dass die Themen und Formen des dissidentischen Diskurses von Männern beherrscht wurden?, fragt die Autorin. Nach der Wende von 1989 sei die Feminismusdiskussion in Tschechien dann stark von Josef Škvorecký geprägt worden, der 1992 in einer Artikelserie der Zeitschrift Respekt mit dem Untertitel Abenteuer des amerikanischen Feminismus "gehässige und ihrem Wesen nach desinformative Texte" über "die Ideologie der weiblichen Überlegenheit" und die "Ideologie des lesboiden Feminismus" und damit über eine vermeintliche amerikanische Realität schrieb, in der die Frauen einen Krieg gegen die Männer führten. "Leider muss man sagen, dass diese schriftstellerischen Fantasien in Tschechien nicht nur als authentische Erfahrung des Emigranten aufgenommen wurden, sondern gerade wegen Škvoreckýs literarischer Bedeutung maßgeblich und tonangebend wurden."

Magazinrundschau vom 31.03.2020 - A2

Die tschechische Soziologin Tereza Stöckelová spricht in einem Beitrag in A2 über die neue Virokratie. "SARS-CoV-2 erwischte die Menschheit in der Regierungszeit einiger Politiker, die die Gesellschaft radikal spalten, wie Donald Trump, Boris Johnson oder bei uns Andrej Babiš. Für deren Ablösung existieren jedoch keinen vernünftigen Rechtsmechanismen. Die Virokratie ersetzt nun die Demokratie nicht deshalb, weil jemand das angezettelt hätte, sondern vor allem weil der Virus selbst es verlangt. Demonstrationen gegen die verhängten Maßnahmen finden nicht deshalb keine statt, weil die Demonstranten nicht ausreichend Courage besäßen, sondern weil sie andere anstecken könnten, zumal die, die ihnen politisch am nächsten stehen. Parlamentssitzungen werden nicht aus Mangel an politischer Energie aufgehoben, sondern weil klar ist, dass früher oder später der Virus selbst sie auflösen würde. Derjenige, der heute einen Spitzenpolitiker absetzen oder zeitweilig aus dem Verkehr ziehen kann, ist so vor allem der Virus selbst, der die betreffende Person in Quarantäne oder auf die Intensivstation schickt. Verfassungsrechtler denken jetzt darüber nach, wie sich ein physisch nicht zusammenzubringendes Parlament zusammenrufen lässt, das gegebenenfalls den Ausnahmezustand verlängert, und vor allem, wie sich die demokratische Verantwortlichkeit der Regierung aufrechterhalten lässt, wenn ihr gängiges Funktionieren in einem Monat aus epidemologischen und gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist. Gegenwärtig bleibt uns jedenfalls nichts anderes übrig, als unsere ungeliebten Führer mit all ihren Schwächen und Makeln zu unterstützen und ihre Fehler und Mängel in der Zusammenarbeit und nicht in Feindschaft zu korrigieren. Die Alternative zur gegenwärtigen Virokratie ist nämlich die Anarchie, und nicht der demokratische Alltag. Die Schlüsselrolle für uns alle wird natürlich sein, darauf aufzupassen, dass das Regime der Virokratie ein befristetes bleibt, und dass wir die wichtigen demokratischen Streitigkeiten und Kontroversen wieder aufnehmen, sobald es möglich ist."

Magazinrundschau vom 10.12.2019 - A2

Die tschechische Zeitschrift A2 widmet ihr aktuelles Themenheft der Bioart, einem speziellen Bereich der Kunst, der aktuelle wissenschaftliche Forschung und Labormethoden nutzt. In diesem Fall geht es etwa um konzeptuelle genetische Modifikation von Taufliegen, Mais oder Bakterien oder auch um die Rekonstruktion von Gesichtern aus DNA-Spuren, die aus von auf der Straße aufgelesenen Zigarettenkippen und Kaugummis gewonnen wurden. Solche Kunstprojekte, die mit Genen und anderem Biomaterial arbeiten, rufen freilich Kontroversen hervor. Doch die ethischen und rechtlichen Fragen, die ihre Rezeption aufwerfen, könnten dabei helfen, die Grenzen für die zukünftige Nutzung dieser Technologien auszuloten - so Karel Kouba in seinem Editorial. Die italienische Bioethik-Expertin Rosangela Barcaro warnt hingegen in ihrem Essay, dass die Bioart sich allmählich dem Bereich annähert, den sie ursprünglich kritisieren wollte. Die Künstler-Wissenschaftler könnten ihrer Meinung nach gewissermaßen "als okkulte Meister genutzt werden, die dadurch, dass sie konkrete Erfindungen und Innovationen in die Gesellschaft einführen, die Wachsamkeit der öffentlichen Meinung und womöglich auch begründete Einwände zerstreuen".

Magazinrundschau vom 05.11.2019 - A2

Die tschechische Kulturzeitschrift A2 widmet ihr aktuelles Themenheft Ostdeutschland. Michal Špína erinnert sich: "Als meine Turnover Oma mich Anfang der 90er-Jahre auf Ausflüge nach Sachsen mitnahm, vor allem in die Gegend von Zittau und Bautzen, war uns überhaupt nicht bewusst, dass wir uns durch den ärmsten und vernachlässigsten Teil Deutschlands bewegten. Auch der Osten des wiedervereinigten Landes stellte für uns Westen dar - war doch alles dort etwas teurer als bei uns zu Hause. Heute, 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, wird das Gebiet der ehemaligen DDR überwiegend als Quelle von Problemen wahrgenommen und seine Einwohner als von der Diktatur gezeichnete ewig Unzufriedene, die an den Wahlurnen und auf den Straßen das Bild Deutschlands als freundliches und offenes Land trüben. Doch die Gründe für diesen Zustand liegen auf beiden Seiten der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze." In seinem Artikel "Glanz und Elend der Deutschen Bahn" geht Špína zum Beispiel der unterschiedlichen Qualität des Eisenbahnverkehrs in beiden Teilen Deutschlands nach, welche die Vermutung bestätige, "dass der Osten eher als der gleichwertige Partner des Westens immer noch sein armer Verwandter ist." Und Jakub Ort erinnert im gleichen Heft daran, dass nach der deutschen Vereinigung die Gelegenheit verpasst wurde, die Emanzipation der Frauen als einen der wenigen Bereiche anzuerkennen, in dem die DDR voraus war.

Magazinrundschau vom 24.04.2019 - A2

Mit dem neapolitanischen Schriftsteller Erri De Luca unterhält sich Jakub Horňáček über die aktuelle gesellschaftliche Rolle eines Schriftstellers. De Luca bekennt sich klar zu einer engagierten Literatur. "Ein Schriftsteller sollte meiner Meinung nach denen eine Stimme schenken, denen sonst kein Gehör geschenkt wird. Wie es das Ziel des Schusters ist, Schuhe zu machen, damit andere besser gehen können, sollte es die Aufgabe des Schriftstellers sein, den Verstummten, den Analphabeten oder denen, die rufen und nicht gehört werden, das freie Wort zu schenken." De Luca engagiert sich für Flüchtlinge und war unter anderem an Bord von NGO-Booten zur Seenotrettung. Auf die Frage, wie er angesichts flüchtlingsfeindlicher Tendenzen die nähere Zukunft einschätzt, antwortet er in der ihm eigenen poetischen Weise: "Es erstarken die Säer von Angst und Feindlichkeit, die Vogelscheuchen heutiger Zeit. Die Erfahrungen des letzten und vorletzten Jahrhunderts zeigen jedoch, dass sich die Migration auch Auge in Auge mit den schlimmsten Sentimenten - selbst Auge in Auge mit dem Ku-Klux-Klan - im Gastland einzurichten weiß, denn ihre Gründe sind einfach stärker als die negativen Kräfte, die auf sie reagieren. In den Vogelscheuchen werden eines Tages die Zugvögel nisten."
Stichwörter: Luca, Erri de, Ngos, Ngo, Ku-Klux-Klan