Yishai Sarids Roman "Monster" (
bestellen) ist auch in der deutschen Kritik auf große Begeisterung gestoßen, und doch hat man den Eindruck, er sei ein bisschen untergegangen. Nun ist der Roman auch in Frankreich erschienen und Natalie Levisalles hat ein
ausführliches Gespräch mit dem Autor geführt, der in seinem Roman die Geschichte eines Fremdenführers in Auschwitz erzählt und nebenbei die Fallstricke und Heucheleien
heutigen Gedenkens thematisiert. Es geht ihm um Gerechtigkeit, gegenüber den Toten und den Lebendigen. Er erzählt nicht nur, wie widersprüchlich das Verhältnis der jungen Israelis zu Europa ist (man
bewundert die Deutschen, aber ganz und gar nicht die Polen) und er schildert, wie in Israel alles von der
Geschichte überlagert wird, etwa das Verhältnis von arabischen und osteuropäischen Juden. Ein junges sephardisches Mädchen erzählte ihm, wie der Lehrer "jedes Jahr am
Holocaustgedenktag fragte, wer Schoa-Opfer in der Familie hatte. Wer die Hand hob, war meist aschkenasisch und gehörte zu einer Art Elite. Sie konnte nur schweigen, niemand sprach über
ihre Geschichte, sie existierte nicht. Wir kann man die Geschichte der Menschen aus Marokko mit der Tragödie in Europa vergleichen? Sie standen im Schatten der Schoa, und das verletzte sie. Wie in einer Familie, wo ein krankes Kind alle Aufmerksamkeit auf sich zieht..."
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Besprechung einer Neuauflage von
Kristin Ross'
Buch über
Rimbaud und die Commune. Die New Yorker Romanistin, die der knallharten akademischen Linken um Badiou und Rancière nahezustehen scheint, untersucht in dem schon vierzig Jahre alten und jetzt wiederübersetzten Buch Rimbauds Urerlebnis der Kommune, die für die gesamte europäische Linke das
Urerlebnis der Revolte war - und sie beschreibt am Beispiel von Rimbauds
Poetik der Hand den uralten Traum unglücklicher Jungbourgeois von der
Verschmelzung mit anderen Klassen: "In der Hand sah er ein Symbol der Unterwerfung, wenn sie, wie es das Ziel aller Erziehung und Konvention war, nur noch auf einen Zweck hin ausgerichtet wurde." Die Zurichtung auf einen Beruf und Zuweisung zu sozialen Klassen geschah auch über die
Zurichtung der Hände, und so wurden sie "vom Körper getrennt". Rimbaud "wehrt sich gegen die Amputation, die Entfremdung ist... Das '
Ich ist ein anderer' ist nicht immer und überall Ausdruck einer kognitiven Verwirrung, sondern ein politisches Bekenntnis."