Eine leidenschaftliche und scharfe Debatte über den
Islamismus - die gegenüber Debatten in deutschen Feuilletons den Vorzug der klaren Bezüge hat - findet seit einigen Monaten in
Foreign Affairs statt. Es geht, mal wieder, um
Paul Bermans Buch "The Flight of the Intellectualls", das vor allem um die Figur
Tariq Ramadans und um historische Verbindungen zwischen Nazis und Islamismus kreist. Der Politologe
Marc Lynch ließ in der Juli/August-Ausgabe kein gutes Haar an Berman, dem er vor allem vorwirft, nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Spielarten des Islamismus zu differenzieren. "Es klafft eine Riesenlücke zwischen der
salafistischen Vision erzwungene sozialer Uniformität und den moderaten islamistischen Vorstellungen von einem demokratischen Staat mit frommen Muslimen." Zu den Gemäßigten zählt Lynch die Muslimbrüder und ihren späten Abkömmling Tariq Ramadan, aber letztlich sogar die
Hamas, die sich im Gaza-Streifen gegen noch radikalere Salafisten wehrt (
mehr dazu in der taz).
Was den Fernsehprediger
Yusuf al-Qaradawi angeht, den Lynch ebenfalls als "Seismografen" der muslimischen öffentlichen Meinung verteidigt, so
stellt Berman jetzt in einer Antwort klar, dass Qaradawi nicht einfach eine "feindliche Einstellung zu Israel" hat, wie Lynch schreibt. "Daraus würde man niemals erraten, dass Qaradawi ein
genozidaler Antisemit ist. Nach Qaradawis im Fernsehen verbreiteter Meinung hat Allah den Juden
Hitler auferlegt, um sie 'dorthin zu bringen, wohin sie gehören'. Und Qaradawi ruft dazu auf, Hitlers Bemühungen zu erneuern: 'Oh Allah, zähle sie und töte sie bis hin zum letzten.'"
Auch
Jeffrey Herf, Autor des
Buchs "Nazi Propaganda for the Arab World" antwortet Lynch. Seine Recherchen beruhen auf Tausenden von Seiten
islamistischer Nazipropaganda, die vom Mufti von Jerusalem in Zusammenarbeit mit den Nazis verantwortet wurde. Es handelt sich um Rundfunkreden, die von der amerikanischen Botschaft in Kairo seinerzeit dokumentiert wurden. "Wenn etwas in Sachen Zusammenarbeit von Nazis und Islamisten '
irrsinnig' ist", so antwortet Herf (gleicher
Link weiter unten) auf Lynch, "dann die Tatsache, dass Spezialisten der Nahostpolitik ein
so entscheidendes Material so lange nicht berücksichtigten." Lynch hat zuletzt eine Gegenantwort (gleicher
Link weiter unten) geschrieben, in der er den Vorwurf
mangelnder Differenzierung wiederholt.