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Tote Bienen und ölige Pobacken

Über Bücher, Bilder und Ausstellungen Von Peter Truschner
04.09.2019. Die großartige Maisie Cousins, neue Arbeiten von Chen Zhe, die kuratorische Allzweckwaffe Guy Tillim, der klare Pieter Henket, überhaupt Afrika. Und im C/O Berlin das Erwartbare. Ein kleiner Ausblick auf den Fotoherbst.
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Vom 6. September bis 1. November zeigt die Deutsche Börse Photography Foundation die jährliche Ausgabe ihres Ausstellungsformats "Foam Talent", die zuvor bereits in London und Amsterdam zu sehen war. Zwanzig Nachwuchskünstler*innen aus dreizehn Nationen präsentieren dabei ihre Werke.

Copyright Maisie Cousins.
Darunter die großartige Maisie Cousins (Website), deren rigoroser, lustvoller, farbenfroher Zugriff auf tote Bienen, Salatblätter und ölige Pobacken seinesgleichen sucht. Oder der ukrainische Fotograf und Multimediakünstler Valentine Bo (mehr hier), der visuell anregende, teils von Damien Hirst und  Marc Quinn inspirierte Untersuchungen im Bereich der (Im-)Perfektibilität des Ersatzteillagers Mensch unternimmt. Dazu neue Arbeiten von Chen Zhe, die 2016 mit ihrem Buch "The Bearable and the Bees" den ersten Preis beim Photobook-Festival in Kassel erhielt.

Noch bis zum 5. Oktober zeigt die Berliner Galerie Kuckei + Kuckei die Ausstellung "Museum of the Revolution" von Guy Tillim, für die der vielfach ausgezeichnete, südafrikanische Fotograf den HCB Award erhielt. Das gleichnamige Buch ist bei MACK Books in London erschienen. Die Fotos zeigen Straßenszenen aus afrikanischen Großstädten. International bekannt wurde Tillim mit seinen rauen, schonungslosen Fotos vom Leben Unterprivilegierter in Johannesburg. Seit einiger Zeit hat er sich auf die Konzeptfotografie verlegt ("Avenue Patrice Lumumba") - Fotos, die ohne dementsprechendes historisches Wissen sowie ohne Kenntnis des gehypten postkolonialistischen Diskurses, in dessen Zentrum aktuell "Afrika" steht, eher schwer zu dechiffrieren sind. Tillim ist damit zu einer Art die kuratorische Allzweckwaffe  der internationalen Kurator*innenszene geworden. Inwieweit sich das als Schauwert auf den Fotos an der Wand niederschlägt, bleibt dem Urteil der Betrachter*innen überlassen.

Copyright: Pieter Henket.


Afrika auch bis zum 5. Januar 2020 im Museum de Fundatie im niederländischen Zwolle: "Congo Tales". Im Auftrag des langjährigen Kongo-Projekts von "Tales of Us" setzte der niederländische Fotograf Pieter Henket gemeinsam mit Einheimischen die Mythen und Erzählungen ihrer Region in Szene. Die Fotos sind sorgsam durchkomponiert, von Klarheit und großem Respekt geprägt und lassen erkennen, dass Henket von den großen Menschenbildnern der niederländischen Kunstgeschichte wie Rembrandt inspiriert ist.

Im Prestel Verlag ist dazu das von den Initiatorinnen Stefanie Plattner und Eva Vonk herausgegebene, gleichnamige Buch erschienen.

Vom 13. September bis 30. November gibt es in der Berliner Fotoinstitution C/O Berlin die Ausstellungen "Unseen" mit Fotografien der amerikanischen Fotoikone Robert Frank sowie "No photos on the dance floor!" über die Berliner Clubszene ab 1989. Beide Ausstellungen können als repräsentativ für das Ausstellungsjahr 2019 sowie den allgemeinen Zustand von C/O Berlin angesehen werden. Einst hat C/O Berlin die dröge Hauptstadt wie eine Fotoambulanz in vielerlei Hinsicht erstversorgt. Unvergessen bleiben Retrospektiven wie die von Robert Mapplethorpe oder Larry Clarke. Seit dem Wechsel ins Amerika Haus verlässt man sich immer mehr auf Bewährtes: Wenders. Araki. Frank. Namen, die ihre Weihe durch die Fotokunstgeschichte längst erhalten haben, und deren glamouröses Zentrum die Irving-Penn-Retrospektive von 2018 war, eine bildschöne Ausstellung, die leider Gottes auch die Champagner-Schaumkrone dessen darstellt, womit sich alle bestens arrangieren können.

Im Jahr 2019 hat man sich endgültig der breitenwirksamen Publikumsausstellung verschrieben: Über "Food for the Eyes" und "Das letzte Bild" lässt sich bestenfalls sagen, dass - wie eine Besucherin es ausdrückte - "es praktisch ist, so viele Fotos, die man irgendwo schon mal gesehen hat, auf einem Fleck zu haben".

Vielleicht hat ja die Leitung um Stephan Erfurt und Felix Hoffmann selbst erkannt, dass sie  einer kleinen Frischzellenkur bedarf: Für die Kuratorin Ann Christin Bertrand kam Kathrin Schönegg neu dazu. Man darf gespannt sein, ob die promovierte Kunst- und Medienwissenschafterin, die unter anderem dem Kuratorenteam der Biennale für aktuelle Fotografie 2017 in Baden Württemberg angehörte, für den notwendigen Schub an Innovation und Risikofreude bei C/O Berlin sorgen kann.

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Kataloge:

Guy Tillim, Museum of the Revolution. 136 Seiten, 28 x 26 cm, Hardcover/Leinen. MACK Verlag, London 2019, 35 Euro. ISBN: 978-1-912339-27-3



Stefanie Plattner, Eva Vonk (Hrsg.): Congo Tales - told by the people of Mbombo. Mit Fotografien von Pieter Henket und Texten von  Regis Kovo N'Sondé und Wilfried N'Sondé. 176 Seiten, 24,5 x 32,5 cm, Hardcover. Prestel Verlag, München 2018. ISBN-13: 978-3791357898