Essay

Die Matrix und ihre Feinde

Über Paranoia, Patriarchat und die implizite Gewalt des Monotheismus Von Daniele Dell'Agli
17.06.2013. Erstaunlich, mit welchem Aufwand davon abgelenkt wird, dass die Unterscheidung zwischen dem einen wahren Gott und den vielen falschen Göttern uns noch nach 2000 Jahren ihre finstere Exekutivlogik unter Beweis stellt. Wider die Entschärfung von Jan Assmanns These.
"Während die einzelnen Religionen miteinander hadern, welche von ihnen im Besitz der Wahrheit sei, meinen wir, dass der Wahrheitsgehalt der Religion überhaupt vernachlässigt werden darf." Sigmund Freud




Vorgeplänkel: Von Tempelwächtern und Erbsenzählern


Wer die Debatte um Jan Assmanns Thesen im Perlentaucher verfolgt hat, wird rasch zweierlei begriffen haben: 1. Akademiker schätzen Theorien nicht als Werkzeuge zur Analyse komplexer Phänomene, sondern sie betrachten sie als Konstrukte, die je nachdem, ob sie ihnen gefallen oder nicht, verifiziert oder falsifiziert gehören. Tertium non datur. 2. Akademiker sind gern unter sich, je enger sie den Kreis der Kompetenzberechtigten ziehen, desto lieber. Das ist keine Frage von Forschungsethiken oder Reflexionsniveaus, sondern des zünftigen Verwaltens von Geheimwissen. Die durchgehende Botschaft im Gestus zumindest der Assmann-Kritiker war: Einmischung unerwünscht. Religionskritik ist, zumal sie den Monotheismus betrifft, Sache von Theologen und Alttestamentlern, Judaisten und Islamwissenschaftlern. Genauso gut könnte man allerdings die Medizinethik Onkologen und Orthopäden überlassen. Natürlich sagt das niemand explizit, aber die seminaristische Versenkung in exegetische Details, das Auftürmen historischen Faktenmaterials, das Einklagen methodisch sauberer Beweislastverteilung, all das suggeriert: hier sind Experten unter sich, hier wird seriös an einem neuen Niveau kritischen Religionsverständnisses gearbeitet. Anspielungen oder Bezugnahmen auf real existierende Bündnisse von Religion und Gewalt sind tunlichst zu vermeiden, Wiedererkennungseffekte entlang der Quellentexte rein zufällig und prinzipiell nicht aussagekräftig.

Dabei dürfte das Ärgernis vor dem eigentlichen Ärgernis, die Provokation vor der eigentlichen Provokation genau dies gewesen sein: dass die - sofort als Affront gegen das Reinheitsgebot des hermeneutischen Kanons aufgefassten - Denkanstöße Jan Assmanns nicht von einem neoatheistisch wütenden "Laien", sondern ausgerechnet von einem aus den eigenen Kreisen vorgetragen wurden, Repräsentant eines Orchideenfachs, dem er mit seinen Arbeiten zu einer schillernden Neublüte verholfen hat; einem Gelehrten mit umfassenden Kenntnissen in sämtlichen das Altertum und die Religionen der Antike betreffenden Disziplinen einschließlich der für solch geistige Expeditionen erforderlichen Sprachen, und überdies jemand, dem in Temperament und Habitus nichts ferner liegt als zu provozieren oder die Zivilisierungsleistungen der Religionen pauschal infrage zu stellen. Wenn so jemand sich Gedanken um den "Preis des Monotheismus" macht, eine Gewaltgeschichte, die von einer entsprechenden Geschichte der Gewaltrhetorik im Alten Testament vorbereitet wurde, und zu ihrer Ätiologie eine Dekonstruktion der Mosaischen Gesetzgebung aufbietet - dann muss man das nolens volens ernst nehmen. Dass er dies nicht als Theologe tut, bedeutet für seine Kritiker allerdings, dass sie nur die Wahl haben, entweder sich auf sein Terrain zu begeben (und die Komfortzone ex cathedra beglaubigter Wahrheiten zu verlassen) oder das Thema zu verfehlen (wie der Verlauf dieser Debatte eindrücklich gezeigt hat)[1].

Peter Sloterdijks "Verschärfung" der Assmannschen These hat einiges von dem Unmut der Tempelwächter auf sich gezogen und Assmann, der in vollendeter Höflichkeit seinen Kritikern immer wieder für die Gelegenheiten dankt, seine Position zu präzisieren, teilweise aus der Schusslinie genommen; doch der Versuch, heterodoxe Philosophie und gediegene Kulturwissenschaft gegeneinander auszuspielen, beruht auf einem Missverständnis. Im Schlusskapitel seines Buchs "Gottes Eifer" greift Sloterdijk "die von Assmann angestoßene Diskussion über die psychohistorischen Kosten monopolistischer Wahrheitsansprüche der nach-mosaischen Religionsentwicklungen" explizit auf, um mit Blick auf dessen Begriff der "Gegenreligion" anzumerken: "Es scheint jedoch, als habe Assmann, dem Eigensinn seiner Themen entsprechend, nur eine Teilmenge des möglichen Bedeutungsgehalts seiner Begriffsprägung aktualisiert."[2] Dieser Eindruck bleibt auch nach mehreren Büchern und Dutzenden von Essays und Vorträgen bestehen, in denen Jan Assmann sein Thema geduldig umkreist, perspektiviert, an die unterschiedlichsten Traditionsstränge angeschlossen und damit zugleich für alle kulturwissenschaftlich Neugierigen geöffnet hat, wobei es zu seinem archäologisch umsichtigen Denkstil gehört, auf den einen oder anderen big point seiner Entdeckungen zu verzichten, wenn die zwangsläufig (weil bis zur Achsenzeit gespannte) lückenhafte Indizienkette nicht bis ins zarteste Glied belastbar erscheint. Ich komme darauf zurück.

Das nächste Ärgernis, wiederum eines vor jedem religionswissenschaftlich zu disputierendem, ist: Assmann hat den Augenschein auf seiner Seite. Als musikalisch Ungläubiger kann ich nur darüber staunen, mit welchem Aufwand davon abgelenkt werden soll, dass die These von der gedächtnis- und ereignisgeschichtlich - auch dieses operativ überaus ergiebige Begriffspaar verdanken wir Assmann - folgenreichen Unterscheidung zwischen dem einen, einzigen und wahren Gott und den vielen falschen Göttern uns noch nach zweieinhalb Jahrtausenden tagtäglich ihre finstere Exekutivlogik unter Beweis stellt. Wer zum Beispiel verstehen will, warum der Mord an einem (als "Abtreibungsarzt" denunzierten) Gynäkologen in Kansas mit Berufung auf die gleiche Höchstinstanz gerechtfertigt wird wie der Mord an einem islamkritischen Regisseur in Holland; warum das politische Programm der Ultraorthodoxen in der Knesseth dem der verhassten Mullahs in Teheran (bis hin zur Geschlechterapartheid) zum Verwechseln ähnlich sieht; warum ein neuer Papst gleich bei seiner ersten Predigt glaubt verkünden zu müssen, dass wer nicht zu Gott betet, zum Satan betet (wenn denn der Appell mehr sein sollte als die Erfüllung des franziskanischen Dürftigkeitsgelübdes auch in spiritualibus), und so weiter: der ist gut beraten, die "Mosaische Unterscheidung" (und verschärfend dazu "Gottes Eifer") zu lesen. Schon die bloße Tatsache der anhaltenden, auch internationalen Aufmerksamkeit, die Assmanns Thesen erfahren haben, beweist, dass er einen wunden Punkt getroffen hat, den mentalitätsgeschichtlichen Hotspot einer latent schwärenden, weil virtuos verdrängten, projektiv verschobenen oder schlicht im Stile der Communiqués von Islamverbänden harmlosgeredeten Anfälligkeit monotheistischer Gesinnung für Gewalt. In Jan Assmanns eigenen Worten: "Die Aktualität dieser Fragen liegt auf der Hand, denn nicht die Vergangenheit als solche, sondern die Form unserer Erinnerung daran treibt uns um und orientiert unser Handeln. Die Wiederkehr der Religion, die wir seit einigen Jahrzehnten erleben, ist in beängstigender Weise mit Gewalt, Bedrohungsbewusstsein, Hass, Angst und der Produktion von Feindbildern verbunden. Daher können wir der Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen Monotheismus und Gewalt nicht ausweichen."[3]

Die Strategien der Abwiegelung sind dabei so originell wie nur irgend eine Passage aus dem Handbuch für Sonntagspredigten. So durften wir uns darüber belehren lassen, dass man in der Bibel, vor allem im Alten Testament, Belege für die ganze Vielfalt der unterschiedlichen Neigungen, Begabungen oder Dämonien des homo sapiens sapiens finden - vom Hohelied der Liebe bis zu den Liturgien des Massenmords. So what? Wogegen soll das ein Einwand sein? Zu prüfen, warum uns heute jene Stellen beunruhigen, die die dunklen, niederen Affekte buchstäblich verherrlichen? Doch schon die unterstellte Symmetrie der beiden Extreme ist trügerisch: Das Canticum canticorum hat viele Dichter inspiriert und noch mehr Lesern so manche sublimierungsfähige Endorphinausschüttung beschert; Deuteronomium 32f. hingegen dürfte allenfalls autokratische Massenmörder inspiriert haben; das Hohelied ragt als einsame und reichlich deplacierte Poesie aus den biblischen Kompilationen hervor (wo man sie lange nicht haben wollte, weil hochgradig des für Salomon typischen, sinnenfreudigen Polytheismus verdächtig); die Hetze gegen Heiden, Götzendiener und Abtrünnige zieht sich hingegen wie ein roter Faden durchs ganze Alte Testament (und wird an Intensität nur noch vom Koran überboten).

Das zweite Entlastungsargument ist uns auch nicht unbekannt: die anderen waren auch nicht besser. Micha Brumlik bietet gar die "Megatötungen" Dschingis Khans gegen den Verdacht auf, Mord und Grausamkeit "im Namen Gottes oder der Götter" sei eine Spezialität des aufs mosaische Narrativ eingeschworenen Kulturkreises. Bei soviel Chuzpe ist man versucht, auf Trotz zu schalten: Was gehen uns die Schandtaten von Mongolen, Ming-Chinesen oder römischen Kaisern an (Marcia Pally legt vollständigkeitshalber noch die Präkolumbianer drauf)? Sollen damit allen Ernstes Kreuzzüge, Ketzerverfolgungen oder Religionskriege in Europa relativiert werden? Doch Brumlik will mehr: er sieht die in der Konsequenz der mosaischen Unterscheidung liegende Hypothese eines dem Monotheismus inhärenten Gewaltgenerators (im Sinne der Erzeugung religiös legitimierter Gewaltbereitschaft) - die Assmann in seiner Antwort an Rolf Schieder teilweise (und ohne Not) zurückgenommen hat - schon dadurch widerlegt, dass es auch in Kulturen, die ihre Freund-Feind-Beziehungen nicht über den religiösen Absolutismus des Sinai-Diktats regulieren, zu gottgefälligen Gewaltorgien gigantischen Ausmaßes gekommen ist.

Nun weiß Brumlik sehr gut, dass man das Muster der mosaischen Ur-Kunde, die Berufung auf eine höchstinstanzliche Unterscheidung von "wahr" und "falsch" (und fügen wir aus der Genesis hinzu, von "gut und "böse") als Rechtfertigungsgrund für kriegerische Aktionen nicht übertragen kann auf polytheistische Kulturen, die ihren Gottesbezug anders konzipieren. Und genau deshalb können wir bei ihnen nirgends, soweit ich sehe, am allerwenigsten beim mongolischen Schamanismus, von einem Töten "im Namen" oder "im Auftrag" Gottes oder der Götter sprechen. Allenfalls von rituellen Anrufungen vor Kampfesbeginn, um sich entsprechend in Rage zu versetzen beziehungsweise von flankierenden Sakralisierungen der Opfer (victimae) als Opfergabe (sacrificium) zu Ehren einer Gottheit. Anders gesagt: die Befehlskette des Zelotentums (und die steht hier zur Debatte, nicht die Bluträusche exotischer Nomadenhorden) hat stets nur - ob in fiktiver Legende oder mörderischer Realität - für monotheistische Formationen gegolten. In diesem Zusammenhang hätte Brumlik übrigens ruhig erwähnen können, dass der zum Islam konvertierte Tamerlan in den Fußstapfen seines Vorbilds Dschingis Khan seine "Megatötungen" ungleich effizienter, sozusagen systematisch (wenn auch in kleinerem Maßstab) organisierte, weil er sie als heilige Kriege im Dienste Allahs begriff (was ihn nicht daran hinderte, "autogenozidal" auch Muslime massenhaft hinzumetzeln). Bezeichnenderweise erkennen wir heute, sobald wir eine Nachrichtensendung einschalten, mühelos "Handlungsdispositionen" zu Gewalt und Intoleranz, die sich auf das mosaische Präskript, aber keine, die sich auf olympische, babylonische oder schamanistische Drehbücher zurückführen ließen.

Jan Assmann, der sein Leben lang antike Kulturen und ihre Religionen erforscht hat, kommt wiederholt in seinem Werk auf dieses Problem zurück - nicht ohne, wie auch im Perlentaucher-Beitrag, zu betonen, dass "die Abwesenheit religiöser Gewalt nicht das Fehlen sozialer und politischer Gewalt bedeutet" - und kommt zu dem Schluss, dass "in heidnischen Gesellschaften Gewalt eine Frage der Macht, nicht der Wahrheit" ist, beziehungsweise dass "die politische Gewalt nicht theologisch begründet wurde" (MSG 24; MU 32). Im emphatischen, exklusiven und zugleich universalen Wahrheitsbegriff des Monotheismus sieht Assmann denn auch das eigentliche Problem von dessen für Theologen schwer erträglicher "intrinsischen Gewalttätigkeit", die er gleichwohl "nicht als notwendige Konsequenz, sondern nur als eine mögliche, aber abwendbare Gefahr" versteht: "Was in der Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion angelegt ist, ist nicht Mord und Totschlag, aber doch die Idee der Unvereinbarkeit. Was in einem neuen, emphatischen, auf Offenbarung gegründeten Sinne als wahr gelten soll, schließt alles aus, was damit unvereinbar ist. Im Horizont eines solchen Wahrheitsbegriffs entfaltet sich eine Orthodoxie, die das Falsche festlegt und ausmerzt. Dass das Gefühl der Unvereinbarkeit unter bestimmten Umständen in Intoleranz, und Intoleranz in Gewalt umschlagen kann, ist kaum zu bestreiten." Doch selbst diese wahrhaft moderate Einschätzung, der sogar Schieder die Qualität eines Brückenschlags attestiert, verdient aus Brumliks Sicht eine gehörige Relativierung. Denn zur Achsenzeit habe es noch andere wirkungsmächtige Verbindungen von Glaube und Wahrheit gegeben, namentlich bei Parmenides und Zarathustra. Leider taugt das esoterische Lehrgedicht des Eleaten als religionspolitische Agenda so wenig, wie man es für die Verurteilung des Sokrates (!) zur Rechenschaft ziehen kann; und ob dem (ebenfalls nur fragmentarisch überlieferten) Zoroastrismus mehr als eine marginale Wirkungsgeschichte in der Literatur und in kleinen, über die ganze Welt zerstreuten Sekten beschieden war, ist nach der Vernichtungswut islamischer Eroberungszüge kaum noch auszumachen.

Der Trick, Ereignis- und Gedächtnisgeschichte kurz zu schließen und die zweite für widerlegt zu erklären, wenn sie nicht mit hinreichend vielen "positiven Belegen" aus der ersten gestützt wird, mag rhetorisch punkten, methodisch geht sie am Kern der Debatte vorbei. Andererseits würde schon die einfache Umkehrung der Beweiserhebung dem Mangel abhelfen: Man schaue sich das historisch gesicherte Wissen zur Ontologie des Grauens, soweit Religionen involviert waren (und das waren sie fast immer) an und prüfe sodann, ob die betreffenden Ereignisse in Handlungslogik und Rechtfertigung dem Muster des mosaischen Narrativs folgen. Literatur mit "Quellenmaterial" gibt es hierzu mehr als genug.[4] Doch damit wäre die Tragweite der Assmannschen Thesen noch lange nicht erschöpft, die Intentionen des Kulturwissenschaftlers deuteten ohnehin in eine andere Richtung. Ich werde im Folgenden einige bislang, nicht zuletzt von Assmann selbst, eher gemiedene Implikationen der Problematik ausleuchten und zuspitzen, um ihre Brisanz auch jenseits der Konventikeln von Fachtagungen zu verdeutlichen.


II Haupt- und Nebenschauplätze I: Paranoia

"Psychologie weiß, dass wer das Unheil sich ausmalt, es irgend auch will." Theodor W. Adorno

Wiederholt hat Jan Assmann seine Kritiker darauf hingewiesen, dass es ihm primär um Gedächtnisgeschichte geht, die nicht fragt "wie es eigentlich gewesen war, sondern wie und warum es erinnert wurde." (MU 127, vgl. MSG 21f.) Gegenüber einer Ereignisgeschichte, deren Fakten ohnehin umso schwerer greifbar werden, je weiter man chronologisch zurückgreift, bedeutet dies keine Einschränkung oder Abschwächung der Virulenz seiner Analysen, im Gegenteil: Wenn Gedächtnisgeschichte - als Langzeitwirkung von "semantischen Paradigmen", die in jeder Generation neu aktualisiert werden - mithin auch Mentalitätsgeschichte und Psychohistorie meint, dann gibt es keinen Grund, die Hypothek einer monotheistischen Spur der Gewalt in der Geschichte auf singuläre Massenmorde oder periodisch wiederkehrende Verbrechen (Ketzerverfolgungen, Hexenverbrennungen, et cetera) zu reduzieren. Aus heutiger Sicht erweist sich die implizite Gewalt, die den Prozess einer religiösen Modellierung des Zivilisationsprozesses begleitet hat, als die ungleich bedeutsamere.

Als Kern des monotheistischen Paradigmas lässt sich mit Jan Assmann die in den ersten vier Geboten kodifizierte "Mosaische Unterscheidung" bestimmen, die erstmals eine Religion als "Gegenreligion" im Verhältnis zu allen "primären", zuvor existenten polemisch abgrenzt, indem sie den einen Gott als einzig wahren gegen die vielen falschen Götter der anderen positioniert. Diese Unterscheidung etabliert eine Orthodoxie, die im Lauf ihrer Rezeptionsgeschichte weitere Unterscheidungen wie die zwischen Rechtgläubigen und Ungläubigen, Juden und Heiden, Christen und Ketzern, generell zwischen Freunden und Feinden generieren sollte. Assmann nennt die Urszene dieser Begründung ein Narrativ, eine "sinnstiftende Erzählung", die sie de facto für alle, die ihrer Direktive gefolgt sind, auch war (und ist). Nun gehören Erzählungen ursprünglich ins Reich der Mythologie, wo sie seit jeher dem Sog der Verwandlung unterliegen. Erzählungen werden weitergesponnen, mit anderen Erzählungen zu einem Roman oder zu einer genreübergreifenden Sammlung von Texten verflochten, die je nach Überlieferungsmodus durchaus - wie der Talmud - verbindlich und prägend für das kollektive Gedächtnis der betreffenden Sprachgemeinschaft werden können. Wenn ein Text wie die Offenbarung am Sinai hingegen - eine Verlautbarung von eindeutig diktatorisch-erpresserischem Charakter - sich über zig Generationen um kein Jota verändert, weil sie unantastbare und unvergängliche Gesetzeskraft beansprucht, dann nimmt sich die Klassifizierung als "Narrativ" geradezu kuschelig aus. Der Verdacht ist, dass die dualistische Matrix dieses Paradigmas als regulative Idee ein ganzes, bis heute wirksames Dispositiv steuert, das wiederum (in Gestalt von Gesetzen, Institutionen, Diskursen et cetera) narrativkonforme Denk- und Verhaltensmuster stabilisiert.

Zu Recht betont Jan Assmann in diesem Kontext die entscheidende Rolle der Schrift, doch es ist eine besondere Schrift: "Das Gesetz gilt, weil es geschrieben steht. Die Schrift informiert nicht, wie Recht gesprochen werden soll, sondern sie spricht Recht, und dieser performative Anspruch macht beim Recht nicht Halt, sondern beansprucht in jedem Satz autoritative und normative Verbindlichkeit für alle Aspekte des Lebens." (MSG 48). Genau dies ist - zusammen mit der ultimativen Fixierung der Glaubensinhalte - "das umstürzend Neue an dem exklusiven Monotheismus, dass er nicht nur eine Sache des Kultus und vielleicht auch des allgemeinen Weltverhältnisses ist, sondern die gesamte Lebensführung, Festtag und Alltag, bis ins kleinste Detail regeln will."(MSG 46) Die "äußerste Form eines Lebens im oder nach dem Gesetz, eines Ausagierens der zum 'Drehbuch der Lebensführung' verinnerlichten Schrift" ist denn auch konsequenterweise das Martyrium: "Das ist ebenso wie sein Gegenstück, das Töten für Gott, ein Phänomen, das nur im Horizont des exklusiven Monotheismus und seiner Devise 'Keine anderen Götter!' denkbar ist." (MSG 49)

Das liest sich selbst in deskriptiv unaufgeregter Diktion als die Ungeheuerlichkeit, die sie ist. Wie kann Religion nicht nur die - von ihr selbst angemahnte - Tötungshemmung suspendieren, sondern sogar den Selbsterhaltungstrieb, die mächtigste Naturverankerung unseres Daseins, außer Kraft setzen? Von der Skandalisierung dieser anthropotechnisch nicht zu überbietenden Gewalt religiöser Gehirnwäsche könnte viel für den Umbau des monotheistischen Dispositivs abhängen. Halten wir zunächst mit Assmann fest, dass der "exklusive Monotheismus" in Wahrheit eine Inklusionsmaschine ist: in dem Maße, wie sie die Lebensführung jedes Anhängers total zu erfassen und zu konditionieren trachtet, sperrt sie ihn in eine nicht nur semantisch geschlossene Welt ein. Dieser Einschluss gelingt mit einer Reihe von psychopolitischen Erziehungsmaßnahmen, die allesamt, direkt oder indirekt, auf die Urszene am Sinai verweisen. Da wird zunächst, wie schon ausgeführt, der Glaube zum alles bestimmenden Lebensinhalt in Theorie und Praxis totalisiert. Durch die Unterscheidung von Gläubigen und Nichtgläubigen[5], beziehungsweise von Richtig- und Falschgläubigen verschiebt sich zweitens die anthropologisch bis dahin übliche Grenzziehung zwischen Freund und Feind dramatisch: Feind ist jetzt nicht nur, wer mich angreift, nach meinem Besitz, Leben oder Territorium oder nach der Macht in meinem Gemeinwesen trachtet, sondern schon jeder, der nicht meinen Glauben (und das heißt meine gesamte Lebensweise) teilt. Schon die pure Tatsache, dass der Andere anders lebt, macht ihn zum Feind. Und weil es nur einen richtigen Glauben (und einen richtigen Gott) gibt, ist der Andere ein Ding der Unmöglichkeit, eine Beleidigung Gottes. Von hier aus werden später die Missionsbefehle ergehen, diesen unmöglichen Zustand zu beseitigen: durch Unterwerfung, Konversion oder Ausrottung.[6]

Das für solche "thymotischen" (Sloterdijk) Spitzenleistungen erforderliche Größenselbst entsteht drittens durch die Konstruktion eines allmächtigen, omnipräsenten und daher unbesiegbaren Gottes samt anschließender Verinnerlichung dieser Projektion und ihrer Attribute zum stets autosuggestiv (und pädagogisch) abrufbaren Aufputschmittel. Stabilisiert wird die Zuversicht in die eigene Überlegenheit viertens durch das - individuelle wie kollektive - Bewusstsein der Auserwähltheit, das auch Niederlagen und Rückschläge im Vertrauen auf die richtige Wahl und den richtigen Kurs ertragen, wenn nicht umdeuten hilft; sowie fünftens durch den - aus der Hypostase eines allwissenden Regisseurs resultierenden - Prädestinationsglauben und die damit gesetzte Kontingenzleugnung: Es gibt keinen Zufall, alles was geschieht hat einen Grund und eine Absicht; mehr noch: alles was geschieht wird aufgezeichnet und muss eines Tages vor einem Gericht verantwortet und beurteilt werden. "Entscheidend ist das Wörtchen alles. Totalisierung ist die Droge der Paranoia."[7]

Natürlich sind selbst solche geschlossenen Systeme vor Erschütterungen nicht gefeit. Wer sich auserwählt weiß, als Gesandter Gottes die Menschheit zu erlösen, muss sich im Bund mit der höchsten Macht zwangsläufig für unverwundbar halten. Jesu Verwunderung darüber, dass sein Vater ihn am Kreuze im Stich ließ, ist daher nur allzu verständlich. Angetreten war er mit dem mosaischen Anspruch: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14,6). Das entsprechende Rekrutierungsprogramm, das von seinen Anhängern gebieterisch verlangt, Frau und Kinder, überhaupt Familie und allen Besitz aufzugeben und sein Leben "gering zu achten", hätten Sekten, Geheimdienste oder Al Qaida nicht präziser formulieren können (Lk 14. 26, 33). Unmittelbar darauf folgt eine abgeschwächte Version jenes Salzgleichnisses aus der Bergpredigt, dessen "phobokratischer"[8] Unterton gern überhört wird. In der Lutherübersetzung von Mt V,13 lautet es: "Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz dumm wird, womit soll man salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn dass man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten." Luther macht hier aus der schlichten - wenn auch falschen - sensorischen Beschreibung "evanuerit" = "verflüchtigte sich", also "verlor seinen Geschmack" (wie es in der Jerusalemer oder der Zwingli-Bibel übersetzt wird) ein "dumm werden", was auf das Salz bezogen zwar dumm oder sinnlos klingt, aber sofort einleuchtet, wenn man sich den metaphorischen Kontext vergegenwärtigt, den er damit unterstreicht: Wenn ihr - gemeint sind die Aposteln - dumm werdet, das heißt das Salz, die Würze eurer Reden, in denen ihr meine Botschaft verkündet - sich verflüchtigt, seid ihr zu nichts mehr nütze, weil ihr eurem Auftrag nicht genügt, und dann soll man euch wegwerfen und zertreten.

Fürwahr: so und nicht anders spricht der autokratische Führer, dessen Ungeist noch die menschenverachtenden Regularien von Opus Dei durchweht.[9] Es ist hier nicht der Ort, die schizoiden Botschaften der zwischen Drohung und Versprechen schwankenden jesuanischen Tora-Auslegung, die sinnigerweise wieder auf einem Berg erfolgte (oder dort lokalisiert wurde) en détail vorzuführen; fest steht, dass sich auch die scheinbar philantropischen Anweisungen ins Muster totalitärer Herrschaft fügen, insofern sie - von Jüngern und Gläubigen - Unmögliches verlangen. So wenn im Stil des zehnten Gebots, das schon bloßes Begehren zum Frevel erklärt, bereits das lüsterne Anschauen einer Frau dem Ehebruch gleichgestellt wird (was im Islam zur Rechtfertigung der Burka dient); oder gar nach aberwitzigen Aufforderungen zum Selbsthass (Mt V,38) die Pflicht zur schlechterdings unerfüllbaren Feindesliebe eingeschärft wird. Zu Recht merkt Christopher Hitchens hier an, dass mit derlei Überforderungen die Mitglieder einer Organisation nicht nur angehalten werden, sich ständig in Selbstvorwürfen, Selbstgeißelungen und Schuldgefühlen aufzureiben, sondern zwecks Selbstentlastung auch abtrünnige andere zu denunzieren. Unter solchen Vorzeichen sind viele Theokratien, "vom mittelalterlichen Rom bis zum modernen wahabitischen Saudi-Arabien" zu einer Mischung aus "spirituellem Polizeistaat und spiritueller Bananenrepublik" verkommen.[10]

Einen anderen Aspekt pathogener Überforderung erkennt Gerhard Vinnai an den Glaubenszweifeln der Rechtgläubigen selbst, die an einer Welt voller Gewalt und Ungerechtigkeit, die eklatant der Vorstellung einer von Gott sinnvoll eingerichteten Schöpfung ebenso widersprechen wie dem stellvertretenden Erlösungstod Jesu und die ausgebliebene Wiederkehr des Messias. In der zunehmenden Dogmatisierung der christlichen Lehre durch die Kirchenväter diagnostiziert Vinnai sehr richtig eine Abwehrreaktion auf diese Zweifel: "Die kirchlichen Institutionen haben Jahrhunderte lang mit Gewalt den Kampf gegen Glaubenszweifel geführt, sie haben Tabus aufgerichtet, die die Gläubigen dazu gezwungen haben, Glaubenszweifel zu verdrängen. Aber äußere Zwänge und die innere Angst vor der Verzweiflung bei der Abweichung vom rechten Glauben können Glaubenszweifel nie zum Verschwinden bringen. Die verdrängten Zweifel kehren wieder, indem sie an denen bekämpft werden, die als Andersgläubige oder Ungläubige den einen Gott nicht akzeptieren. Die Intoleranz von Christen hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sie ihren eigenen auf die anderen verschobenen Unglauben an diesen bekämpfen."[11]

Von der anthropoiden Projektion einer Instanz, die alles sieht, was ich mache, bis hin zu ihrer Umdeutung als guter Führer, Hirte oder Aufseher (die Geschichte des theogenen Masochismus ist noch zu schreiben); vom manichäischen Exklusivismus ("Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich", Mt 12,30) bis hin zum absolutistischen Wahrheitsbesitz ("Die Partei hat immer recht")[12]; von der Konstruktion einer lückenlosen Feindesfront bis hin zur "Verinnerlichung von Gewalterwartungen"; von den Reinheits- und Entmischungsgeboten (etwa dem Verbot von Mischehen) bis hin zur Kontingenzleugnung als Halt und Sinnressource: Es bedarf keiner speziellen Ausbildung, um in diesem Fahndungsprofil klassische Elemente eines Wahngebildes zu identifizieren, das der Psychopathologie unter dem Titel Paranoia vertraut ist. Und so problematisch es ist, Erkenntnisse aus der Individualpsychologie auf Kollektive und ihre Symbolsysteme zu übertragen, so erfreulich ist es, dass sich in letzter Zeit disziplinenübergreifend die Ansätze mehren, die sich von Warnschildern des Typus "Vorsicht Religion! (Schongehege)" nicht länger davon abhalten lassen.

Den Weg hierzu hatte Karl Jaspers bereits 1929 gebahnt, als er die kanonisch gewordene Definition prägte, derzufolge Wahngebilde an folgenden Merkmalen erkennbar sind: "1. Die außergewöhnliche Überzeugung, mit der an ihnen festgehalten wird, die unvergleichliche subjektive Gewissheit. 2. Die Unbeeinflussbarkeit durch Erfahrung und durch zwingende Schlüsse. 3. Die Unmöglichkeit des Inhalts."[13] Fügen wir noch hinzu, dass die Unkorrigierbarkeit der wahnhaften Ideen aus ihrer Totalisierung zum Ganzen des Selbst- und Weltverständnisses resultiert, dann
erkennen wir unschwer die Quintessenz der bereits skizzierten Implikationen des mosaischen Narrativs. Selbstredend hat dieses in der Geschichte der Monotheismen diskontinuierliche und verschlungene Rezeptionswege erfahren, die es sinnlos machen, von ursächlichen Verantwortlichkeiten zu sprechen; aber wenn man nach einer unhintergehbaren Referenz für die zahllosen Autorisierungsstrategien "im Namen Gottes" (jede erdenkliche Schandtat zu begehen) sucht, dann wird man stets auf die mosaische Bindung des Glaubens an die Wahrheit zurückverwiesen, die allererst dessen Steigerung zur unbezweifelbaren Gewissheit ermöglicht hat. Die Spuren dieses narzisstischen Größenwahns können wir bis zum Unfehlbarkeitsdogma des Papstes oder den Abschiedsvideos "Berge versetzender" (oder eben Türme sprengender) Selbstmordattentäter verfolgen.[14]

Nun gibt es psychische Dispositionen für die jeweils situativ gebotene Feinderkennung und -abwehr im Dienste der Selbsterhaltung (als anthropologisches Potential); und überall dort, wo es Einzelnen gelingt, an die Spitze einer Hierarchie zu gelangen, stellen sich paranoide Reflexe zum Zweck der Machterhaltung ein. Elias Canetti bezeichnet Paranoia deshalb als eine "Krankheit der Macht"[15]. Völlig unerforscht sind bislang indes die Erscheinungsformen einer generalisierten Paranoia, wenn sie zum strukturierenden Weltmodell im Sinne eines Dualismus des wahren/falschen Glaubens (= Lebens) wird. Auch ist - trotz Freud - die infantilisierende Rolle der Religion bei der Konditionierung von Sinnerwartungen, die Perpetuierung eines archaisch-kindlichen Bedürfnisses nach Erklärungen fürs Kontingente des Schicksals unterbelichtet geblieben. Immer deutlicher hingegen zeichnet sich das kulturgeschichtlich einzigartige Verhängnis der dualistischen Entweder-Oder-Logik in ihrer christlichen Ausführung als apokalyptischer Kampf zwischen Gut und Böse.[16] Für die große Bühne der offiziellen Weltgeschichte gilt Peter Sloterdijks Fazit, dass "erst seit dem Auftritt des Bösen in der christlichen Theologie sich von einer gemeinsamen Geschichte von Religion und Terror sprechen lässt."[17] Martin Buber erläutert denselben Vorgang als Dynamisierung des Glaubensbegriffs vom eher abwartend-passiven Modus des Judentums zum aktiv-beschleunigenden des Christentums.[18] Und zwar ausgerechnet anhand der gefährlichsten Losung der Bewusstseinsgeschichte: "Alles ist dem Glaubenden möglich" (Mk 9,23, Mt 17,21). Tatsache jedoch ist, dass dieses missionstaktische Inzitament ohne das am Sinai geschlossene Bündnis mit dem Allmächtigen nie ausgegeben worden wäre.

Der Historiker und Psychoanalytiker Charles B. Strozier fasst in seiner Studie über Gewalt und Religion das paranoide Bewusstsein des Fundamentalismus dahingehend zusammen, dass es "grandios und megalomanisch ist und immer eine apokalyptische Sicht der Geschichte hat.[19] Seine Selbstwahrnehmung als Opfer verbucht es als "negative Grandiosität: ich bin eigentlich großartiger als mein Peiniger, ich bin der Schöpfer, ich bin Napoleon, ich bin Jesus." Auch Strozier betont die zentrale Rolle der Projektion: "Der Paranoide versteht die geheime Welt des Bösen ganz genau, die er in seinen projektiven Schemata konstruiert hat. Die rigide dualistische Auffassung schützt gegen das Bösartige und versieht das Selbst mit Tugend und Rechtschaffenheit. Der andere wird dann zur Verkörperung des Bösen... In extremeren Fällen, wenn die Fantasie zur Tat wird, fühlt der Paranoide mehr als bloß Erlaubnis zu töten. Es wird zur Obligation." Die Gefahr, dass gewaltförmige Fantasien zur Aktion drängen, hängt zum einen mit ihrem kontraphobischen Charakter zusammen, "dem Gefühl: 'Ich muss den bösen anderen bekämpfen, bevor er mich angreift.'" Zum anderen wird die Paranoia von einer apokalyptischen, wörtlich einer Enthüllungssucht getrieben, die nicht zu befriedigen ist. In Canettis Worten: "Der Paranoiker leidet an einem Verwandlungsschwund, der von seiner eigenen Person ausgeht... Wo immer er eine Maske wegzieht, steckt ein Feind dahinter. Um des Geheimnisses willen, das er hinter allem vermutet, um der Demaskierung willen, wird ihm alles zur Maske. Er lässt sich nicht täuschen, er ist der Durchschauer; das Viele ist Eins. Mit der zunehmenden Starrheit seines Systems wird die Welt an anerkannten Figuren ärmer, es bleibt nur übrig, was ins Spiel seines Wahns gehört."[20]

Man erkennt in diesem "Verwandlungsschwund" unschwer das fragwürdige Erfolgsmodell des Monotheismus wieder, die Vielfalt und den Polymorphismus der präexistenten Götterwelt auf eine einzige, unsichtbare, abstrakte Wesenheit zu reduzieren. Mit der mosaischen Gesetzgebung am Sinai beginnt eine bis heute andauernde Geschichte der Verdrängung und der Wiederkehr des Verdrängten, die sowohl die Entwicklung des logozentrischen Subjekts als auch die Akteure realhistorischer Konflikte als "Grundgefühl der Paranoia, umstellt zu sein von einer Meute von Feinden, die es alle auf einen abgesehen haben"[21] begleiten sollte. Die Tragik des Judentums dürfte nicht zuletzt darin liegen, für dieses "Grundgefühl", das die herausforderende Abgrenzung gegenüber den "Primärreligionen" ursprünglich organisiert hat, in den wechselnden aber zumeist feindseligen kulturellen und politischen Konstellationen seiner Geschichte immer wieder neue Berechtigung erfahren haben zu müssen. Und wenn nach Auflistung aller rationalen und hinlänglich bekannten Gründe für den Konflikt mit den Palästinensern heute Dauer, Intensität, Verbissenheit und Ausweglosigkeit der Situation sich nicht restlos erklären lassen, dann hilft es vielleicht, sich zu vergegenwärtigen, in welcher mentalitätspsychologischen Falle die Kontrahenten sitzen. De facto sehen sich die Juden am Ursprungsort ihrer Kultur wieder umzingelt, doch nicht von religiös permissiven Polytheisten, sondern von militanten Anhängern ihrer eigenen Ein-Gott-Allein-Gesinnung, die, als könnten sie den Sekundärstatus ihrer Religion nicht ertragen, den Erfindern ihres Gottes den Garaus machen möchten. Als hätte es noch eines Beweises für die Gewalt einer Matrix bedurft, die über Jahrtausende hinweg stets identische Kopien derselben wahnhaften Mentalität hervorbringt und noch heute Geborene auf beiden Seiten für bikamerale[22] Eingebungen aus der Eisenzeit in Haft nimmt.[23]


Haupt- und Nebenschauplätze II: Polytheismus, Idolatrie, Patriarchat

"Tantum religio potuit suadere malorum." Lukrez[24]

Reden wir also von den Feinden des Monotheismus. Wem genau gilt diese apotropäische Formation aus Abgrenzung und Abwertung, Paranoia und Projektion; was sind das für Kräfte oder gar Mächte, die das monomythisch gewonnene und sogleich in symbolischer Alternativlosigkeit erstarrte Selbst im Kern bedrohen? Jan Assmanns Auskunft ist klar: "Mit der monotheistischen Wahrheit kam zwar nicht 'der' Hass, aber eine neue Art von Hass auf die Welt, der ikono- beziehungsweise theoklastische Hass der Monotheisten auf die zu Götzen erklärten alten Götter und der antimonotheistische Hass der durch die Mosaische Unterscheidung ausgegrenzten, zu Heiden erklärten Anderen." (MU 95) Ausschlaggebend für die Begründung der neuen "Gegenreligion" ist der Bruch mit den "primären", polytheistischen Religionen Kanaans und ihren Kulten. Die Rekrutierung ihrer Anhänger kommt daher einer Konversion gleich: "Hinter dem Anti-Kanaanismus des Deuteronomiums... steht also das Pathos der Konversion,... die Angst vor dem Rückfall und die Entschlossenheit, den Heiden in sich auszurotten." (MDG 53) In diesem Zwang zur Entscheidung, der Pflicht zur Erinnerung und ständigem inneren Nachvollzug und der Angst vor Rückfall und Vergessen wurzeln die Motive der Gewalt, die tief in die Fundamente der kulturellen Semantik monotheistischer Religionen eingelassen sind." (MDG 51)

Im Zentrum dieses Kampfes steht das, was Assmann "die Perhorreszierung der Idolatrie" nennt: ein "Akt polemischer Kontrastdistinktion... mit dem sich das frühe Judentum von dem abgrenzt, was nun erstmals in der Religionsgeschichte als 'Heidentum' konstruiert wird... Ursprünglich geht es weniger um die Nichtabbildbarkeit Gottes als um das Verbot von Bildern überhaupt. Nicht die Unangemessenheit der Bilder in bezug auf den unsichtbaren, allumfassenden, transzendenten Gott, sondern die gefährliche, verführerische Eigenmacht der Bilder wird kritisiert. Keine Wesen dieser Welt, in der Luft, auf der Erde oder im Wasser, dürfen abgebildet werden, weil jeder Umgang mit Bildern unausweichlich in Anbetung endet und diese Anbetung ebenso unausweichlich anderen Göttern und einen Treuebruch darstellt, da Jahwe nicht abgebildet werden kann." [25] So richtete sich der ikonoklastische Furor der Propheten[26] gegen die asherim, die Bildnisse der Asherah, der ältesten kanaanitischen Gottheit, Gemahlin von El und Mutter von Baal und Mot (vergleichbar der ägyptischen Isis oder der sumerischen Nammu).

Die Verfälschung von Idolatrie und Polytheismus, ihre Denunziation als Fetischkult beginnt schon damit, dass nicht zwischen den Bildnissen und der in ihnen vergegenwärtigten Fruchtbarkeitsgöttin unterschieden wurde. Und wieder können wir den klassischen Projektionsmechanismus beobachten: den Götzenbildern der Heiden wird unterstellt, sie seien tote Dinge bar jeder lebendigen Göttlichkeit. Dann hätte man sie aber nicht erbittert bekämpfen müssen; in Wahrheit fürchtete man sich vor der Verführungsmacht der Idole (deren Kult in diesem Fall von Salomon selbst um 1000 in Jerusalem eingeführt worden war) und zweifelte an der Präsenz des eigenen, in erhabener Unsichtbarkeit entrückten Gottes. Seiner "radikalen Außerweltlichkeit entspricht die radikale Schriftlichkeit der Offenbarung: Diesen Schritt hat das Christentum mit seiner Inkarnationstheologie rückgängig gemacht. So gesehen erweist sich das Idolatrieverbot als die radikalste aller Exkarnationen... In der ikonoklastischen Engführung, die alles auf die Schrift konzentriert, setzt sich ein monopolistischer Zug fort, der schon die Josianische Reform kennzeichnete. Ein Gott, ein Volk, ein Buch, ein Tempel, ein Medium."[27]

Wenn wir also über den Preis des Monotheismus reden, einen Preis, den wir heute noch zahlen, sollten wir nicht von der Geschichte jener Abstraktion schweigen, die mit dem Bilderverbot begann. Auch sie, wie sollte es anders sein, eine Geschichte der Gewalt. Jan Assmann formuliert seine These zum anthropotechnischen Sinn des Bilderverbots (zum Beispiel Dt. 4, 16-20) vorsichtig: Indem er jede figürliche Darstellung verbietet, "richtet er sich gegen das symbiotische Weltverhältnis des Kosmotheismus, gegen die Bilder als Form der Welt-Verstrickung. Der Mensch ist über die Schöpfung versetzt, nicht in sie hinein. Er soll sie nicht anbeten im Gefühl seiner Schwäche, sondern sie frei und unabhängig verwalten."[28] "Aber wenn man dieses Verbot annahm", kommentiert Freud diesen Paradigmenwechsel, "musste es eine tiefgreifende Wirkung ausüben. Denn es bedeutete eine Zurücksetzung der sinnlichen Wahrnehmung gegen eine abstrakt zu nennende Vorstellung, einen Triumph der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, streng genommen einen Triebverzicht mit seinen psychologisch notwendigen Folgen."[29] Allmählich wird klar, warum der Kampf gegen den Rückfall immer wieder aufs Neue gefochten werden musste. Zum einen soll jede neue Generation mit strengen Reglementierungen und drastischen Strafen vor den gottlosen Reizen der Bilderwelt und der Sexualität, überhaupt dem Freiheitsdrang der noch ungerichteten Triebimpulse bewahrt werden. Die deuteronomische "Entschlossenheit, den Heiden in sich auszurotten" (MU 53), hatte seit jeher alle Mittel einer Schwarzen Pädagogik aufzubieten, um das Menschenkind, das, wie neuerdings auch die Neurowissenschaft zeigen kann, als idolatrisches Tier, also gewissermaßen als Heide geboren wird, ins Korsett orthodoxer Lebensführung zu zwängen.[30]

Das heißt im Umkehrschluss: Mit jeder antiautoritären Erziehungsgeste schwindet die Macht mosaischer Religionen. Und das Konfliktpotenzial zwischen den verfeindeten Parteien. Es war Theodor Reik, wiederum ein jüdischer Psychoanalytiker, der in seinem zu Unrecht vergessenen Standardwerk zum religiösen Fundamentalismus "Der eigene und der fremde Gott"[31] die Psychodynamik religiöser Intoleranz aus den restriktiven Verhaltenskodizes des Monotheismus abgeleitet hat: Je repressiver ein Glaubenssystem das Innenleben seiner Anhänger konditioniert, desto mörderischer ihr Ressentiment auf alle anderen, die ausleben dürfen, worauf sie selbst verzichten. Genau diesen Projektionsmechanismus nehmen die Verfolgungs- und Vernichtungsbefehle in den heiligen Schriften, insbesondere im Koran, vorweg, um ihren Adressaten die affektive Grundstimmung vorzugeben, die sich endogen aus Frustration über die Einschränkungen ihrer Lebensführung ohnehin aufgestaut hätte. Reiks Analyse ist deshalb auch allen anzuempfehlen, die schlechte Einwanderungspolitik mit Multikultitopoi wie Xenophobie oder Rassismus (Islamophobie) verbrämen: ein freischwebend aufgeklärtes Bewusstsein neidet einem zwanghaft gläubigen gar nichts, am allerwenigsten die als sichere Orientierung gepriesene Abschottung vor der Erfahrungsvielfalt einer modernen Welt.

Doch es gibt noch einen anderen Kampf, einen anderen Grund, warum es "dem Monotheismus nie gelang, die kosmotheistische Option ganz zu verdrängen." (MU 105) Mit dem Verbot der Vielgötterei und ihrer Idolisierung kommt ein Prozess zum vorläufigen Abschluss, der bereits im dritten Jahrtausend begonnen hatte und den man als die folgenreichste zivilisationsgeschichtliche Umwälzung bezeichnen darf: die Etablierung des Patriarchats.[32] Jan Assmann nähert sich dem Thema wiederholt bis auf Sichtweite, vor allem in seiner Auseinandersetzung mit Freuds "ebenso brisantem wie problematischem Buch", dem er konzediert, "den Monotheismus als psychohistorisches Problem erschlossen zu haben", (MU 119) ohne jedoch zu dessen "patritheistischer" Generalthese Position zu beziehen. Immerhin gibt es keinen wissenschaftlich zureichenden Anhaltspunkt dafür, dass es je eine matriarchal organisierte Gesellschaft gegeben hat, jedenfalls nicht in einem dem Patriarchat äquivalenten Sinn. Dass aber mit der Zerstörung der letzten Reste von Isis- und Aschartekulten eine kulturelle und gesellschaftliche Abwertung der Frau bis zur Bedeutungslosigkeit einherging, liegt nicht nur logisch auf der Hand, sondern lässt sich an der - dank sakraler Weihen - praktisch uneingeschränkten Verfügungsgewalt des Patriarchen über sie und die Kinder genau rekonstruieren.

Freud wiederum hegt zwar keinen Zweifel daran, dass mit dem Bilderverbot "die matriarchalische Gesellschaftsordnung von der patriarchalischen abgelöst wurde, womit auch ein Umsturz der bisherigen Rechtsverhältnisse verbunden war"; doch die Bewertung dieses "Umsturzes" fällt zwiespältig aus. Er betont einerseits, wie schon gesehen, einen "Sieg der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, also einen Kulturfortschritt, denn die Mutterschaft ist durch das Zeugnis der Sinne erwiesen, während die Vaterschaft eine Annahme ist, auf einen Schluss und auf eine Voraussetzung aufgebaut." Auf der anderen Seite macht er sich keine Illusionen darüber, dass in der "Religion des Triebverzichts... Gott der Sexualität völlig entrückt und zum Ideal ethischer Vollkommenheit erhoben wird"[33]. Die mit der Abschaffung der Isis- und Ascharte-Kulte einhergehende Entgöttlichung der Sexualität in der "Vaterreligion" scheint ihm sogar das eigentlich Problematische zu sein. Klaus Heinrich kommt in seiner Freud-Vorlesung zu ähnlichen Ergebnissen: "In der Tat müssen wir davon ausgehen, dass der mit dem auf Lokalgöttinnen eifersüchtigen Gott des alten Israel verknüpfte Kult realhistorisch in einem Vorgang der Unterdrückung von Fruchtbarkeitskulten durchgesetzt worden ist: dass in Kanaan mit der Abschaffung der teraphim, der kleinen tönernden, zu Götzinnen erklärten Idole... die Abschaffung der Priesterinnen als ein repräsentativer, nämlich die Unterdrückung der Frauen insgesamt legitimierender Akt Hand in Hand ging."[34]

Nach alledem ist es nicht abwegig, in der "Mosaischen Unterscheidung" von wahrem Gott und falschen Göttern eine Freund-Feind-Bestimmung der "Geschlechterspannung" (Klaus Heinrich)[35] zu erkennen. Der eine wahre, gute Gott bekämpft, ja bekriegt die falschen Versuchungen der ohnehin durch die Paradiesgeschichte zum Inbegriff des Bösen erklärten Weiblichkeit. Und wenn sich die Verhältnisse nicht so protofeministisch sauber entwirren lassen: wieso hat sich erinnerungs- und realgeschichtlich - trotz katholischen Marienkults - genau dieser psychosexuelle Manichäismus durchgesetzt? Und warum liefert der real existierende Islam die ultimative Evidenz für diesen Verdacht? Natürlich hat der Monotheismus das Patriarchat nicht erfunden. Aber die Sakralisierung historisch kontingenter und für - zumindest als egalitäre - unvereinbar erklärter Ansprüche der Geschlechter sowie die Entrückung ihres hierarchisierten Antagonismus in eine Sphäre religiöser Unangreifbarkeit: diese Fixierung kulturell (wenn auch in weitaus engeren Grenzen als von den Queer Studies propagiert) formbarer Potenziale; diese nunmehr zweieinhalb Jahrtausende währende Blockierung einer entscheidenden Triebfeder des Zivilisationsprozesses gehört zweifellos zu den drückendsten Hypotheken des Monotheismus. Natürlich hat der Monotheismus die Eifersucht nicht in die Welt gebracht; aber sehr wohl zum Eifersuchtswahn gesteigert durch die Sakramentalisierung der Zweierbeziehung nach dem Modell der exklusiven Monolatrie (keine anderen Götter neben mir!) in der Ehe; die unnötige Dramatisierung des Seitensprungs dürften unzählige Liebende mit dem Tod bezahlt haben; vollends pervers war dessen mit Höchststrafen versehene Kriminalisierung, wenngleich die in Dt 22,22 vorgesehene Steinigung vermutlich nur im Islam (und nur für Frauen) zur Anwendung gekommen ist.

Wer also von "Monotheismus und Gewalt" spricht, sollte die von sakralisierten Gewaltverhältnissen schon familiär perpetuierte (psychische, soziale, physische) Gewalt ebenso wenig verschweigen wie die Gewalt der von aller Weiblichkeit (in sich und in der Gesellschaft) abgespaltenen und sich gegenseitig in Revier-, Macht- und Glaubenskämpfen massakrierenden Kriegermännchen. Gewalt, allgemeiner noch, eines mühsam gebändigten Eros, der sich nie damit abfinden konnte, lediglich zur tierischen Reproduktion der Gattung funktionalisiert zu werden.[36] Und so töricht es ist, diese Zusammenhänge immer noch zu leugnen, so wenig bieten sie dem politisch korrupten Gendermainstreaming Stoff zu triumphierenden Viktimisierungsdiskursen. Es versteht sich von selbst, dass diese gewaltdurchtränkte Fixierung der Geschlechterspannung zwar nicht ohne massive Einschüchterung und Repressionen einst ihren Anfang genommen haben dürfte, jedoch nicht ohne Einverständnis und "passive" (duldende, sich arrangierende, umdeutende, aber auch listig delegierende) Komplizenschaft der Frauen sich über so einen langen Zeitraum reproduzieren konnte.

Die Annahme einer psychosexuellen Matrix im Zentrum des monotheistischen Dispositivs ist so gesehen eine verräterische Metapher, weil sie eine subtile Rache der usurpierten Schöpfungsmacht indiziert (matrix lat. = Stammmutter, Gebärmutter). Und so reizvoll es wäre, mit Peter Sloterdijk "die ganze Bühne um 90 Grad zu drehen" und endlich von der "Wiederkehr des Unverstandenen" im Begriff der Religion zu handeln[37], so unerledigt scheint mir noch das Freudsche Modell einer Wiederkehr des Verdrängten zu sein. In der jüdischen Tradition nahm diese bezeichnenderweise esoterische Züge an. Bekannt ist die Apostrophierung Israels (des ganzen Volks) als Braut Jahwehs; weniger bekannt hingegen die patriarchatskritische Figur der Schechina (wörtlich "Einwohnung Gottes in der Welt"), die im Talmud zwar noch allgemein Gottes Präsenz und Aktivität in der Welt bezeichnet, in der Kabbala jedoch als ein weiblicher Aspekt Gottes erscheint. Gershom Scholem zufolge[38] treten ab dem Buch Bahir Züge der Schechina als Ort der Psyche, als "Ursprung der Seele in der Sphäre des Weiblichen in Gott selbst" in den Vordergrund, begleitet von den weiteren Vorstellungen von der Ambivalenz der Schechina und von ihrem Exil." Ambivalenz bedeutet ein Schwanken zwischen "den Gewalten der Gnade und des Gerichts. Die richtende Gewalt in Gott ist aber der eigentliche Ursprung des Bösen als einer metaphysischen Realität, die aus der Hypertrophie dieser Gewalt sich herschreibt." Was für ein Satz aus der Feder des berühmten jüdischen Religionsphilosophen! Auch von ihm ausgehend erscheint das Verhängnis der mosaischen Unterscheidung (als Voraussetzung jener Hypertrophie), die Verquickung von Monotheismus und Gewalt, unabwendbar. Das Bündnis mit Gott wurde mit einem Schisma zwischen den Geschlechtern erkauft. Die zur symbolischen "Ambivalenz" verdampfte Geschlechterspannung überlebt in der Idee des "Exils der Schechina": "In der Kabbala besagt diese Idee: Etwas von Gott selber ist von Gott selber exiliert (i.O. kursiv)..." und gemeint ist (ich kürze Scholems Darstellung ab) "die Trennung des männlichen und weiblichen Prinzips in Gott", die mit der "Trennung des Baums des Lebens und des Baums der Erkenntnis" im Paradies begann und deren Aufhebung, also das Ende des Exils "die Wiedervereinigung Gottes und seiner Schechina" gleichbedeutend mit der Erlösung wäre. Auch für die Kabbala gilt allerdings - wie für alle sympathischen Kollateralgewinne des Monotheismus, die letztlich darin konvergieren, seine starre Monomythie zu überwinden -, dass diese, mittlerweile vom Vergessen bedrohte Tradition mystischer Underground geblieben ist, ohne je breitenwirksame Resonanz zu erlangen.


III Nachsorge: Weder Noch

Die Diskussionen um Jan Assmanns Thesen zum Gewaltpotenzial des monotheistischen Wahrheitsanspruchs sowie seine ergänzende Rekonstruktion - man muss beides gemeinsam lesen - des vergleichsweise toleranten altägyptischen Kosmotheismus haben von Anfang an Widerspruch herausgefordert, in dem sich offen oder verdeckt - wundert sich noch jemand? - ein antipolytheistischer und idolophobischer Affekt artikuliert. Die Konstellation ist nicht neu, schon in den achtziger Jahren polemisierten Jacob Taubes (und Richard Faber) gegen Odo Marquards (und Hans Blumenbergs) Rehabilitierung des griechischen Polytheismus als erste und einzig demokratiekompatible, weil Gewaltenteilung mythologisch präfigurierende Religionsform.[39] Die Akteure sind jetzt andere (neben den Autoren der Perlentaucher-Beiträge müsste man vor allem Friedrich Wilhelm Graf nennen)[40], die Argumente sind im wesentlichen dieselben geblieben, ihre falschen Voraussetzungen auch.

Erstens: die Grundlagen unserer Ethik seien jüdisch-christlich kodifiziert, wer den Geltungsanspruch des Monotheismus infrage stellt, öffne dem Relativismus der Lebens-, Glaubens-, Denk- und Rechtsformen Tür und Tor. Tatsache ist, die ersten vier Gebote des Dekalogs sind Gottesdienstregeln, für das Zusammenleben der Menschen nicht mehr brauchbar, ja ausgesprochen schädlich, wie man derzeit in Israel sieht; Nr. 5-9 (nicht töten, nicht stehlen, nicht ehebrechen, nicht lügen) sind universell, mit und ohne Religionen, bezeugt; Nr. 10 gehört, wie letztlich auch das achte in den Katalog pathogener Überforderungen der Gläubigen (siehe oben). Für die Regelung zwischenmenschlicher Umgangsformen reicht eine Vulgärfassung des Kantischen Imperativs (was du nicht willst, dass man dir tut...) ohnehin vollkommen aus. Eine ethisch-rigorose Umsetzung insbesondere von 1-4 jedoch hätte dem Abendland einen Gottesstaat schariatischen Typs beschert, wäre das Judentum nicht durch die Diaspora und das Christentum nicht durch griechische Aufklärung und römisches Recht "zivilisiert" worden. Hinzu kommt Freuds gewichtiges Argument, wir würden bei einer Sakralisierung etwa des Tötungsverbots "riskieren..., dass wir dessen Befolgung von dem Glauben an Gott abhängig machen."[41] Vom Risiko, dass dieses Verbot systematisch übertreten wird, wann immer dies im Sinne der übergeordneten Gottesdienstgebote opportun erscheint, ganz zu schweigen.

Zweitens: Die Erfahrung des Nationalsozialismus habe gezeigt, wohin verwildertes Heidentum führe. Tatsache ist, dass Hitler, der die Germanen bei Wagner kennen gelernt hatte und für Himmlers Totenkopf-Folklore nichts übrig hatte, eine streng katholische Erziehung durchlief.[42] Die amoralischen (Selbst-)Zerstörungsenergien des Dritten Reichs wurden vielmehr in der Kombination von preußischer Bürokratie, katholischem Antisemitismus und neoimperialer Großmannssucht nach dem Vorbild des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation freigesetzt. "Die Unfehlbarkeitserklärung begründete die totale Kirche, bevor es einen totalen Staat gab"[43]; im Führerprinzip kehrte der Caesaropapismus als Grand-Guignol-Karikatur wieder. Im übrigen stand dem ägyptischen Kosmotheismus ebenso wie dem mediterranen Polytheismus nichts ferner als kulturelle Gleichschaltung oder völkische Rassenhygiene. Man kann darüber streiten, inwiefern mit der - weltweiten - Renaissance des Sports und seiner massenmedialen Spektakularisierung sowie generell mit der Instrumentalisierung der noch relativ jungen Filmkunst damals Motive einer neuheidnischen Psychopolitik - Benjamins berühmte "Ästhetisierung der Politik" - die Dramaturgie des Weltgeschehens zu verändern begannen.[44] Doch abgesehen davon, dass diese Entwicklung kein NS-Spezifikum war, wissen wir zuwenig über prima vista vergleichbare Inszenierungen der Macht in der Antike, denn

Drittens: das Christentum hat, wie Jan Assmann hellsichtig erläutert, die zunächst zur Revision des (für potenzielle Anhänger unattraktiven) Bilderverbots assimilierten (ägyptischen, griechischen, römischen) Kulte durch eine Technik, die er "normative Inversion" nennt, dem kulturellen Vergessen überantwortet: "Diese Form der Erinnerung überlagert das Bild der anderen Kultur mit dem Gegenbild der eigenen. So zerstört sie alle Reste authentischer Erinnerungen und Überlieferungen und ersetzt sie durch polemische Konstruktionen wie Idolatrie, Heidentum, Polytheismus. In der monotheistischen Tradition des Abendlandes war diese Strategie des Vergessens so wirkungsvoll, dass wir noch immer weit von einem wirklichen Verständnis des Polytheismus entfernt sind."[45] Darum kann "Kosmo-" oder "Polytheismus" derzeit kaum mehr bedeuten als einerseits "die aktive Erinnerung an ein helleres religiöses Klima, in dem die Gifte der Feinderklärung an alternative Kulte, vor allem die bilderverehrenden Religionen, noch nicht in die Umwelt eingeleitet waren."[46]

Andererseits eine kulturhistorische Referenz für die medientechnisch inflationäre Bilderproduktion, deren Faszination bislang und meistens eher behelfsmäßig in Kategorien der Idolatrie beziehungsweise des Starkults beschrieben wurde. Cum grano salis spricht Hans Belting in diesem Zusammenhang von einer "aufgeklärten Idolatrie".[47] In eine ganz andere Richtung, die einer parodistischen "Umbesetzung" (würde Hans Blumenberg sagen), weist Milan Kunderas Ableitung des Starkultes aus dem Auserwähltheitsbedürfnis, wenn die imaginäre Exklusivität des narzisstischen Performers die symbolische Exklusivität des religiösen Adepten ablöst.[48] Das mosaische Ressentiment wiederum beweist seine ungebrochene Deutungsmacht etwa in der Wendung vom "Tanz ums Goldene Kalb", die immer herhalten muss, um die Auswüchse eines geistlosen Materialismus zu geißeln (zuletzt bei Franziskus an die Adresse der Finanzmärkte). Und unter neuer Flagge ist jene Gesinnung nach Europa zurückgekehrt, die Roms bunten Götterbasar einst mit dem Slogan "Hure Babylon" chiffrierte, und heute den jungen Frauen und Mädchen ganz ungeniert "Huren!" zubellt, wenn sie ihre sexuellen Reize nicht verhüllen. Da kann man es schon als "Fortschritt in der Sinnlichkeit" verbuchen, wenn die Phantasmen einer deregulierten Sexualität die Dekonstruktion des Patriarchats aus dem Tempel des Herrn direkt ins Domina-Studio führt.

Angesichts dieser Gemengelage scheint Jan Assmanns Diagnose sich zu bewahrheiten: "Die Devise 'Keine anderen Götter!' bleibt gültig, auch wenn an die Stelle der anderen Götter der Teufel, der Materialismus, die Sexualität, das Streben nach Macht und Reichtum und andere Verführungen dieser Welt treten, die dem einen Gott bei all seiner Einheit und Einzigkeit Konkurrenz machen." (51) Es gehört eben zur Funktionsweise der monotheistischen Matrix, die Suggestion ihrer eigenen Alternativlosigkeit ad infinitum zu reproduzieren und gegen Anfechtungen ihres Geltungsanspruchs empfindlich zu reagieren. Darum wird Kompromissformeln des Typs "Sowohl-als-auch" (etwa hier) kaum mehr als die Konservierung des Status quo vergönnt sein. Denn zum einen befinden sich die Kontrahenten auf psychohistorisch, ethnopolitisch und demografisch ungleichzeitigen Entwicklungsstufen und würden ein Moratorium entsprechend unterschiedlich auslegen; zum anderen lehrt die Geschichte, dass es nur eine Frage der politischen Machtverhältnisse ist, ob der paranoide Tonus der Fixierung auf Offenbarungswahrheiten auf ein Minimum "schlechthinniger Abhängigkeit" gedimmt bleibt - um weiterhin unauffällig Triebschicksale zu verpfuschen -, oder ob er ihre Geltungsansprüche aggressiv in Herrschaftsansprüche umformuliert. Die "Intoleranz-Reste" (Sloterdijk) sind und bleiben Intoleranz-Kerne, solange schon Kleinkinder durch die seltsamen Rituale ihrer Eltern zur Reproduktion der immergleichen Dualismus-Module angehalten werden - "Religionsmündigkeit" heißt das einzige Oxymoron, das es zu rechtsstaatlicher Paragraphenwürde gebracht hat.

Letztlich kann man nur geduldig auf die Modernisierungsdynamik setzen, die seit über einem Jahrhundert daran arbeitet, das Dispositiv in toto zu erodieren. Immerhin ist das agonale Patriarchat dabei, sich je nach Weltgegend und ethnischem Milieu entweder auf "autogenozidalem" Wege oder schlicht diffusionsdynamisch - durch Zerfall traditioneller Familienstrukturen - abzuschaffen. Nicht minder wichtig ist die - zumindest in Europa - schrumpfende Bildungsferne all der Schäfchen, die mangels alternativer Sinn- und Erfahrungsressourcen bislang der Führungskompetenz ihrer Hirten blind vertrauten. Auseinandersetzungen wie die um Jan Assmanns Thesen geführte können zum einen dazu beitragen, die Erinnerung wach zu halten, dass Religionen nur "Toleranz üben, solange sie noch schwach oder im Stadium der Auflösung begriffen sind"[49]; zum anderen das Bewusstsein dafür schärfen, dass die vielgepriesenen Humanisierungsleistungen unter monotheistischer Ägide weitaus ärmlicher ausfallen und ihr Preis wesentlich höher veranschlagt werden muss als bislang vermutet. Auch deshalb dürfen die im Verlauf der beschriebenen Desintegrationsprozesse frei werdenden religiösen Energien nicht länger an irgend einen "Wahrheitsgehalt" gebunden werden. Dessen Entkopplung beziehungsweise Neutralisierung (und nicht bloß "Einklammerung", wie Assmann vorschlägt) ist unabdingbar, soll eines Tages der Übergang zu dem von Sloterdijk anvisierten anthropotechnischen "Modus" gelingen, Religionen als "spirituelle Übungen mit immunsystemischen Charakter"[50] nicht nur zu betrachten, sondern auch als solche zu praktizieren: frei von ferngesteuerten Programmen, die einzig dazu ersonnen wurden, deren Ausführende vor den Versuchungen und Gefahren des Erwachsenwerdens (mit Freud zu reden) zu immunisieren. Das ist leichter gesagt als getan und die reflexhafte Abwehr solch einer Perspektive ist selbst Teil des Problems. Zweieinhalbtausend Jahre lang hat die monotheistische Austrocknung des Imaginären, respektive seine Exilierung in mystische und ästhetische Gefilde Entwurfspotenziale verkümmern lassen, die immer noch fehlen, wenn es darum geht, andere als die dogmatisch kodifizierten Quellen von Transzendenzerfahrungen zu erschließen - obwohl solche instinktsicher von musikalisch Ungläubigen weltweit im Umgang mit Kunst und Philosophie, Wissenschaft und Natur längst aufgesucht werden. Das wäre aber Gegenstand einer anderen Religionsdebatte, einer polythematischen, transdisziplinären, metadiskursiven, posttribologischen et cetera. Bis dahin gebe ich einem Dichter, einem Zeitgenossen, das letzte Wort:

"Ich habe den Fehler nicht
machen müssen weil

der sagt
ich bin der Fehler
der ich bin

lasset uns den Fehler machen
ein Bild
das uns gleich sei."

Paul Wühr: "Grüß Gott ihr Mütter, ihr Väter, ihr Töchter, ihr Söhne" (1976)

===========


[1] Die Debatte spiegelt nicht zuletzt die nach wie vor an deutschen Universitäten luxurierende Überrepräsentation theologischer Lehrstühle - mehr als doppelt so viele wie philosophische bei weniger als halb so viel Studenten - wider. Die Insolvenz obsoleter Symbolsysteme kann offenbar auch verwaltungstechnisch verschleppt werden.
[2] Peter Sloterdijk: "Gottes Eifer", Frankfurt/M 2007, S. 206.
[3] "Monotheismus und die Sprache der Gewalt", Wien 2006, S. 19 (fortan MSG abgekürzt). Assmanns vielzitiertes zentrales Werk "Die Mosaische Unterscheidung", München 2003, wird MU abgekürzt. Zur Einführung in die Thematik eignet sich sein Vortrag "Zum Ursprung und Wesen religiöser Gewalt" (Münster 2011): hier ein Audio- und Videomitschnitt.
[4] Karlheinz Deschner: "Kriminalgeschichte des Christentums"; Ibn Warraq: "Warum ich kein Muslim bin"; Victor und Victoria Trimondi: "Krieg der Religionen"; Peter Sloterdijk: "Gottes Eifer" sowie "Zorn und Zeit"; einen konzisen Überblick gibt Friedrich Pohlmann im SWR2-Essay "Die Weltreligionen und die Gewalt".
[5] Hier setzt die Kritik von Ulrich Beck an, der in der Aufladung dieser Unterscheidung durch den Dualismus von Gut und Böse die Lizenz zur Entfesselung des Gewaltpotentials erkennt. "Der eigene Gott", Frankfurt 2008, S. 77. In Thesenform zusammengefasst auch als Artikel in der Zeit.
[6] Diese Konsequenz hat in aller Radikalität der Islam gezogen. Um die schöpfungstheologischen Widersprüche, die sich daraus ergeben, dass "die anderen" auch Kreaturen Gottes sind, der ja kaum gewollt haben mag, dass sie nicht an ihn glauben, konnte sich diese bellizistische Rohfassung mosaischer Religion bislang nicht kümmern. Dafür haben ihre Eroberungszüge im Mittelalter vergleichbar brutale Reaktionsbildungen des Katholizismus herausgefordert: "Tötet sie alle, Gott wird die Seinen schon erkennen!" lautete der Kampfruf der französischen Armee 1209 beim Einmarsch in Bésier, der Hochburg der Katharer, deren 20.000 Einwohner restlos hingemetzelt wurden (obwohl nur 400 von ihnen praktizierende Häretiker waren). Heute geht die Sonderung von Recht- und Falschgläubigen geräuschloser von sich: es genügt, das Kondomverbot auch in aidsverseuchten Regionen ostentativ zu proklamieren und es dem Teufel (dem Virus) zu überlassen, die Sünder zu bestrafen. Für "Megatötungen" im Dienst der Religionshygiene winkt dem verantwortlichen Papst demnächst die Heiligsprechung (was sonst?).
[7] Manfred Schneider: "Das Attentat", Berlin 2010, S.15. Manfred Schneider verdanken wir eine großangelegte "Kritik der paranoischen Vernunft", als deren Grundzüge er "Fatumsgewissheit und artifizielle Deutung" (S.23, 181) zum Zwecke der "Kontingenzleugnung" ausmacht. Umso schmerzlicher vermisst man eine Auseinandersetzung mit den Providenz- und Prädestinationslehren des Christentums.
[8] Der von Peter Sloterdijk in die Debatte eingeführte Begriff der Phobokratie erlaubt es fortan, die sadomasochistische Grundstruktur religiöser, politischer und pädagogischer Totalitarismen in einem Atemzug zu nennen.
[9] Vgl. Escrivà de Balaguer: "Der Weg", Köln, 1978, dazu Hubertus Mynarek, "Die Neue Inquisition", Marktheidenfeld 1999.
[10] Christopher Hitchens: "Der Herr ist kein Hirte". München 2009, S. 257f.
[11] siehe Gerhard Vinnai: "Begünstigt die christliche Religion die Gewalt?"
[12] Peter Sloterdijk hat die Logik solcher Selbstermächtigung von den "standrechtlichen Aufwallungen" Jahwehs bis zum revolutionären Exterminismus sowjetischer und maoistischer Prägung verfolgt: "Zorn und Zeit", Frankfurt 2006, Kap. 2 und 3, Zitat S. 142.
[13] Karl Jaspers: "Das Realitätsbewusstsein und die Wahnideen", in "Allgemeine Psychopathologie" (1.Aufl. 1913).
[14] Die spezifisch islamische Verschärfung des paranoiden Glaubenssyndrom habe ich an anderer Stelle analysiert: "Schläft ein Krieg in allen Köpfen", in: Merkur 1/2002; hier online abrufbar.
[15] Elias Canetti: "Herrschaft und Paranoia". In: "Masse und Macht" (1. Aufl. 1960).
[16] Vgl. die bedrückende Bestandsaufnahme von Victor und Victoria Trimondi: "Krieg der Religionen", München 2006.
[17] "Zorn und Zeit", a.a.O., S.146.
[18] Martin Buber: "Zwei Glaubensweisen" (1950), Gerlingen 1994.
[19] Charles B. Strozier: "Die fundamentalistische Denkweise. Psychologische Überlegungen zu Gewalt und Religion". In: M. Leuzinger-Bohleber, P.-G. Klumbies (Hg.): "Religion und Fanatismus", Göttingen 2010, S. 57-76. Ähnlich Hans-Peter Kapfhammer: "Religiöser Wahn und wahnhafte Religiösität in religiösen Gruppierungen", in PTT 2/2008, S. 123-136.
[20] "Masse und Macht", a.a.O., S. 523.
[21] a.a.O., S. 526.
[22] Genau genommen rechtshemisphärische Stimmen, die linkshemisphärisch als Befehle wahrgenommen und ausgeführt werden. So jedenfalls Julian Jaynes in seinem kulturhistorisch fundierten, neuropsychologisch spekulativen aber ungemein anregenden Werk "Der Ursprung des Bewusstseins", Reinbek 1993. Bislang ist seine Theorie die einzige, die ein schlüssiges Erklärungsmodell für die Phylogenese jener absonderlichen Zustände der Trance, Besessenheit, Psychose et cetera, die stets religiöse "Erleuchtungen" auszulösen pflegen.
[23] Diese Bemerkungen mag als antisemitisch missverstehen wer will und damit nur ein weiteres Beispiel für die beschriebene Paranoia liefern, in diesem Fall jener des ritualisierten Anti-Antisemitismus, der wahlweise Walser, Grass oder Augstein, unter Vorbehalt auch Assmann und Sloterdijk an den Pranger stellt, nur um seinem Eifer am falschen Ort irgendeine Existenzberechtigung zu sichern.
[24] "Soviel Böses vermochte die Religion anzurichten" (suadere wörtlich: "einzugeben"). "De rerum natura", I, 101
[25] Jan Assmann: "Religion und kulturelles Gedächtnis", München 2000, S. 97.
[26] Tiraden gegen ihre Kulte bei Ezechiel (Ez 8), später Jeremiah und Isaia (47,I, III, 13-15).
[27] a.a.O., S. 99.
[28] ibid
[29] Sigmund Freud: "Der Mann Moses und die monotheistische Religion" (1939), GW XVI, S. 220.
[30] In Europa wird auch dieses Erbe fast nur noch von moslemischen Einwanderern ausagiert, mit weitgehend rechtswidrigen Praktiken wie Prügelstrafen, Zwangsehen, Verhinderung von Mischehen, willkürliche Ausschulungen beziehungsweise selektiven Unterrichtsboykott der Mädchen et cetera.
[31] Theodor Reik: "Der eigene und der fremde Gott", Frankfurt 1972 (1923), S. 215f..
[32] Eine souveräne Darstellung dieses Prozesses gibt Gerda Lerner: "Die Entstehung des Patriarchats", Frankfurt 1995. Grundlegend außerdem die Arbeiten von Marija Gimbutas, vor allem "Die Zivilisation der großen Göttin", 1991/1996; sowie neuerdings Harald Haarmann: "Das Rätsel der Donauzivilisation", München 2011.
[33] a.a.O., S. 221, 226. Ähnlich Theodor Reik, a.a.O. S. 175.
[34] Klaus Heinrich: "Dahlemer Vorlesungen 7: Psychoanalyse". Frankfurt u. Basel 2001, S. 98. Vgl. auch seine Kritik der alttestamentlichen Anthropomorphismuskritik in "Dahlemer Vorlesungen 2: Anthropomorphe". Frankfurt u. Basel 1986, S. 314f.
[35] Diese glückliche Begriffsprägung verwendet Klaus Heinrich erstmals in "Geschlechterspannung und Emanzipation". In: Das Argument Nr. 23, 1962. Vgl. dazu Reimut Reiche: "Geschlechterspannung", Frankfurt 1990.
[36] Einen instruktiven Überblick zu den religionskulturell unterschiedlichen Zugriffen auf die Sexualität gibt Barnulf Kanitscheider: "Religion und Sexualität in interkultureller Perspektive", hier online zugänglich.
[37] Peter Sloterdijk: "Anthropologische Aufklärung", Rede zur Verleihung des Lessing-Preises 2008 (link). Wiederaufgenommen in ders.: "Du mußt dein Leben ändern", Frankfurt 2009 (Einleitung).
[38] Gershom Scholem: "Zur Kabbala und ihrer Symbolik". Frankfurt 1973 (1960). Zitate S. 143f.
[39] Odo Marquard: "Lob des Polytheismus". In: "Abschied vom Prinzipiellen", Stuttgart 1981; Hans Blumenberg: "Arbeit am Mythos", Frankfurt 1979; Jacob Taubes: "Zur Konjunktur des Polytheismus" (1983) in: "Vom Kult zur Kultur", München 1996; Richard Faber: "Der Prometheus-Komplex", Würzburg 1984.
[40] Friedrich Wilhelm Graf: "Moses Vermächtnis", München 2006; "Missbrauchte Götter", München 2009.
[41] Sigmund Freud: "Die Zukunft einer Illusion" (1927), GW XIV, S. 364.
[42] Hierzu hält man sich besser an Friedrich Heer: "Der Glaube des Adolf Hitler" (1968), Frankfurt, Berlin 1989. Die Standard-Biografie von Ian Kershaw ist wohl vor allem deshalb hoch gelobt worden, weil der irische Katholik die heikle Kontamination systematisch heruntergespielt hat.
[43] Richard Faber: "Lateinischer Faschismus". Berlin Wien 2001, S. 50.
[44] Alles Wissenswerte hierzu bei Peter Reichel: "Der schöne Schein des Dritten Reiches", München 1991.
[45] Jan Assmann: "Moses der Ägypter", München 1997, S. 279.
[46] Peter Sloterdijk: "Gottes Eifer", a.a.O. S. 211.
[47] Hans Belting: "Idolatrie heute". In: "Der zweite Blick", hrsg. von Hans Belting und Dietmar Kamper, München 2000.
[48] Milan Kundera: "Die Langsamkeit", München 1995, S. 50f.
[49] Theodor Reik, a.a.O., S. 217.
[50] Peter Sloterdijk: "Anthropologische Aufklärung", a.a.O.