Magazinrundschau
Mein Messer ist so schön und scharf
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19.04.2011. Hauptnutznießer der Ermordung von Malcolm X war Louis Farrakhan, lernt der Guardian aus Manning Marables "Malcolm X"-Biografie. Von Journalisten, die sich als Jack the Ripper ausgaben, erzählt das TLS. Für Osteuropa reist Wassili Golowanow über die Barentssee. Im Bookforum kennt Rian Malan ein Gegenmittel für die süßen Lügen südafrikanischer Politik. In Le Monde stellt Claude Lanzmann klar: die Intervention in Libyen ist Krieg.
Guardian (UK), 18.04.2011
Die informativste und kürzeste Kritik zu Manning Marables "Malcolm X"-Biografie (Leseprobe) hat Peter James Hundson geschrieben. Zwei Aspekte hebt er besonders hervor: Malcolm X' Pilgerfahrt nach Mekka und seine Ermordung durch Mitglieder der Nation of Islam: "Marable gräbt neue Informationen aus den Überwachungsakten des FBI und der NYPD über die Ermordung aus: Drei Männer waren ursprünglich verurteilt worden; nur zwei von ihnen waren während des Anschlags anwesend. Marables Forschung weist auf eine Konspiration hin, die von Mitgliedern der Moschee Nation of Islam in Newark, New Jersey organisiert wurde. Einige der Verschwörer leben noch und wurden nie angeklagt. Der Anschlag wurde von der Führung der Nation stillschweigend befürwortet und sowohl von der NYPD als auch vom FBI indirekt unterstützt. Wie auch immer, der 'Hauptnutznießer der Ermordung Malcolms', versichert Marable, 'war Louis Farrakhan' - Malcolms ehemaliger Schüler. Nach der Ermordung Malcolms konnte Farrakhan Malcolms führende Position in der Nation nach dem Tod von Elijah Muhammad übernehmen."
Annalena McAfee ist im Zuge einer Recherche für ihren neuen Roman auf eine ganze Reihe von Kriegskorrespondentinnen gestoßen, die heute kaum noch jemand kennt. Zum Beispiel Margaret Fuller, "eine Dorothy-Parker-Frau in einer Jane-Austen-Welt", die von der 1848er Revolution in Rom berichtete, oder Jessie White, die von Garibaldis Schlachtfeldern berichtete, oder Cora Stewart Taylor, die Ende des 19. Jahrhunderts über den griechisch-türkischen Krieg berichtete und das eine oder andere Bordell führte, Anna N Benjamin, Mary Roberts Rinehart, Nellie Bly, Ishbel Ross, Martha Gellhorn, Clare Hollingworth, Virginia Cowles oder Marguerite Higgins, die kein General vom Koreakrieg fernhalten konnte. Janet Flanner, die Paris-Korrespondentin des New Yorker, beobachtete, wie Higgins auf ein Kriegsschiffes gehievt wurde, das schon abgelegt hatte. An Bord kam eine "schlanke, blauäugige 24-Jährige in Uniform, deren Helm herunterfiel und eine Wolke blonden Haars enthüllte. 'Das war meine erste Begegnung mit Marguerite Higgins', sagte Flanner. 'Sie sah so süß und unschuldig aus. Ich dachte sofort an Goldlöckchen und wollte sie beschützen. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich sie über Bord geworfen.'"
Außerdem: Es ist einfach schön zu wissen, dass Werner Herzog in der englischsprachigen Welt geliebt wird, weil er hierzulande offenbar als alter Hut gilt: Hari Kunzru widmet ihm anlässlich seines neuen Films "Cave of forgotten dreams" ein ausführliches Werkporträt, das deutschen Lesern und Zuschauern besonders ans Herz gelegt sei.
Annalena McAfee ist im Zuge einer Recherche für ihren neuen Roman auf eine ganze Reihe von Kriegskorrespondentinnen gestoßen, die heute kaum noch jemand kennt. Zum Beispiel Margaret Fuller, "eine Dorothy-Parker-Frau in einer Jane-Austen-Welt", die von der 1848er Revolution in Rom berichtete, oder Jessie White, die von Garibaldis Schlachtfeldern berichtete, oder Cora Stewart Taylor, die Ende des 19. Jahrhunderts über den griechisch-türkischen Krieg berichtete und das eine oder andere Bordell führte, Anna N Benjamin, Mary Roberts Rinehart, Nellie Bly, Ishbel Ross, Martha Gellhorn, Clare Hollingworth, Virginia Cowles oder Marguerite Higgins, die kein General vom Koreakrieg fernhalten konnte. Janet Flanner, die Paris-Korrespondentin des New Yorker, beobachtete, wie Higgins auf ein Kriegsschiffes gehievt wurde, das schon abgelegt hatte. An Bord kam eine "schlanke, blauäugige 24-Jährige in Uniform, deren Helm herunterfiel und eine Wolke blonden Haars enthüllte. 'Das war meine erste Begegnung mit Marguerite Higgins', sagte Flanner. 'Sie sah so süß und unschuldig aus. Ich dachte sofort an Goldlöckchen und wollte sie beschützen. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich sie über Bord geworfen.'"
Außerdem: Es ist einfach schön zu wissen, dass Werner Herzog in der englischsprachigen Welt geliebt wird, weil er hierzulande offenbar als alter Hut gilt: Hari Kunzru widmet ihm anlässlich seines neuen Films "Cave of forgotten dreams" ein ausführliches Werkporträt, das deutschen Lesern und Zuschauern besonders ans Herz gelegt sei.
Times Literary Supplement (UK), 15.04.2011
Mit Vergnügen hat Jonathan Barnes das Buch "The Invention of Murder" von Judith Flanders gelesen, die erzählt, wie die Viktorianer das moderne Verbrechen erfanden. Entscheidend war die Professionalisierung der Polizei, die Herausbildung des Detektivs und die Massenpresse. Am besten natürlich das Beispiel Jack the Ripper: "Flanders stellt (vielleicht etwas forsch) fest, dass, seit Kain Abel erschlug, über keinen Mord so viel geschrieben wurde wie über die Whitechapel-Morde, und sie argumentiert, dass die Verbrechen eine Zusammenfassung grimmiger Logik bedeuten. 'Alles was wir über Jack the Ripper wissen - seinen Namen, seine Person, seine Grüne zu töten -, ist der Höhepunkt eines Jahrhunderts voll mörderischer Unterhaltung, Melodram, Puppenshows, Schauergeschichten', schreibt sie. Die Presse, die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt einflussreicher wurde, war 1888 - das Jahr, in dem die Prostituierten des East End abgechlachtet wurden -, in der Lage, eine nationale Panik zu erzeugen. Viele, wenn nicht alle Briefe, die angeblich vom Täter an Scotland Yard, die Central News Agency und das Vigilance Committee geschickt wurden ('Mein Messer ist so schön und scharf, ich möcht' gleich ans Werk gehen...'), wurden fast sicher von Journalisten verfasst."
New Yorker (USA), 25.04.2011
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q19/A30648/ny.jpg)
Außerdem: Burkhard Bilger porträtiert den Neurowissenschaftler David Eagleman, der über eine eigene Nahtoderfahrung zu seinem Lebensthema fand und über Geheimnisse von Zeit und Gehirn forscht.
Osteuropa (Deutschland), 18.04.2011
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Der Historiker Philipp Felsch blickt auf die jahrhundertealte Vorstellung von einem eisfreien Polarmeer zurück. Was jetzt dank schmelzender Polkappen eine schiffbare Nordwestpassage und zugängliche Rohstoffe verheißt, war im 19. Jahrhundert ein fataler Irrtum, der die großen Polarforscher wie Sir John Franklin in den tragischen Tod trieb: "Ihre Schiffe waren Bastionen englischer Lebensweise: von der zwölfhundert Bände umfassenden Bordbibliothek über feines Porzellan bis zu den gefütterten Winteruniformen der Königlichen Marine, dazu zum ersten Mal bleiverlötete Fleischkonserven - der Zuschnitt der Franklin-Expedition offenbart die ganze Hybris des viktorianischen Welteroberungsprojekts. Allerdings sagt sich das leicht, wenn man weiß, dass Franklin grandios scheiterte. Statt zur ersehnten Beringstraße durchzubrechen, froren seine Schiffe im Eis ein und mussten nach mehreren tatenlosen Wintern schließlich aufgegeben werden. Der Versuch, zu Fuß nach Süden zu entkommen, schlug fehl und endete in einem verzweifelten Todesmarsch, ein kannibalistisches Finale inklusive."
Bookforum (USA), 15.04.2011
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q173/A30629/bookforum.jpg)
El Pais Semanal (Spanien), 17.04.2011
"Ich blicke nicht zurück. Diese Haltung kann ich den Bürgern aber nicht aufzwingen." Soledad Gallego-Diaz spricht mit dem Präsidenten von Uruguay, Jose Mujica, der während der Militärdiktatur brutal gefoltert wurde und fast 15 Jahre inhaftiert war, sich jetzt aber - erfolglos - gegen die Aufhebung eines am Ende der Diktatur verfügten Amnestiegesetzes für deren Verbrechen ausgesprochen hat - wie übrigens die Mehrheit der Uruguayer bei zwei früheren Abstimmungen: "Eine republikanische Demokratie muss sich der Treue ihrer Streitkräfte versichern. Wen man verachtet, der wird einem nie treu ergeben sein. Da liegt das Paradox. Die Wunden der Vergangenheit bringen viele von uns dazu, die Militärs von heute wegen deren Vorgängern zu verurteilen." - "Und wie steht es allgemein mit der neuen lateinamerikanischen Linken, der ja auch Sie zuzurechnen sind?" - "Man könnte glauben, Südamerika sei der letzte Zufluchtsort für Linke weltweit. Stimmt aber nicht. Die Linke ist so alt wie die Menschheit. Die Rechte genauso. Jeder Mensch hat eine konservative Seite und eine, die für Veränderungen ist. Mit diesem Widerspruch müssen die Menschen leben. Die konservative Seite, für die es gute Gründe gibt, wird reaktionär, wenn sie sich stur sämtlichen Veränderungen verschließt. Die linke Seite dagegen wird kindisch, wenn sie es mit der Radikalität übertreibt. Entscheidend ist die Mitte, die zugleich die Mehrheit ist - früher hielten wir Linken die Mitte bloß für kleinbürgerlich; heute sehen wir, dass es dort eine große Liebe zu den kleinen Dingen des Lebens gibt, die letztlich so wichtig sind."
The Atlantic (USA), 01.05.2011
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Außerdem: Ta-Nehisi Coates erzählt, was Malcolm X ihm und seiner Familie bedeutet.
Elet es Irodalom (Ungarn), 15.04.2011
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Poets & Writers (USA), 18.04.2011
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Le Monde (Frankreich), 16.04.2011
Der Regisseur Claude Lanzmann kritisiert das verschleiernde Politikverständnis, das die internationalen Luftschläge gegen Libyen ausdrücklich nicht als "Krieg" verstanden wissen will und entprechend als "Schläge" bezeichnet. "Die Option null Tote duldet keinen Kampf von Mann zu Mann. Man muss verstehen: Ein Schlag, das ist ein Schlag auf den Hintern, ein Hieb, wie man ihn Kindern verpasst. Ein Schlag eben, kein Krieg. Man kann getrost von einer Infantilisierung der Politik sprechen. Auf dem Feld der Schläge oder Hiebe bleiben die Opfer ungezählt und namenlos, sie zählen nicht."
Newsweek (USA), 10.04.2011
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Open Democracy (UK), 18.04.2011
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Außerdem in Opendemocracy.org: Sarah Hurst schreibt über die immer engere Verflechtung zwischen Institutionen und Ureinwohnern in Alaska und Ostsibirien.
Guernica (USA), 18.04.2011
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Außerdem unterhält sich Bill Moyers mit dem Drehbuchautor David Simon über seine Serie "The Wire" und schreiendes soziales Unrecht, an denen auch der Journalismus nichts geändert hat. Seine Haltung: "Ich würde Drogen sofort entkriminalisieren. Ich würde all das Geld für die Verbote, die Inhaftierungen, die Ermittlungen, die Untersuchungshaft, all dieses Geld würde ich in Drogentherapien stecken, in berufliche Ausbildung und Arbeitsprogramme."
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