Magazinrundschau - Archiv

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16 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 2

Magazinrundschau vom 20.02.2024 - A2larm

Michaela Pixová ruft in ihrem Artikel das Ende des Wintersports in Tschechien aus. "Bis zum Jahr 1989 war Tschechien beziehungsweise die Tschechoslowakei der einzigartige Fall eines Landes, in dem Abfahrtsski unterschiedslos von jedem betrieben werden konnte. Der Skisport war nicht nur ein Privileg der Reichen, weshalb er auch in den Lehrplan der Schulen aufgenommen wurde. Ob jemand Ski fuhr oder nicht, hing letztlich nur von seinem persönlichen Verhältnis zum Winter und zur Bewegung ab. In den letzten dreißig Jahren hat sich Skifahren jedoch auch bei uns zu einem Privileg der Mittelklasse beziehungsweise der gehobenen Mittelschicht entwickelt, wie in Westeuropa und den USA." Viele Grund- und weiterführende Schulen würden dennoch weiterhin an der Tradition des Skifahrens festhalten und die Kinder Jahr für Jahr in die Berge schicken, obwohl deren Eltern es sich oft nicht leisten könnten. Doch auch damit werde es bald vorbei sein. "Das Verschwinden des Winters, selbst in den höchsten Gebirgslagen unseres Landes, ist ein herber Schlag, der selbst die hartgesottensten Klimawandelleugner nicht unberührt lässt. (…) Für unsere wintersportbegeisterte Nation ist dies vielleicht der erste wirklich kollektiv empfundene Verlust und ein unangenehmer Weckruf aus der bisherigen Apathie. Kunstschnee wird das Problem nicht lösen. Es ist eine Gelegenheit, gemeinsam innezuhalten, unsere derzeitige Lebensweise neu zu bewerten und über den Weg nach vorne nachzudenken."

Magazinrundschau vom 16.05.2023 - A2larm



Miloš Hroch berichtet von einem kleinen Youtube-Song, der sich seit einigen Tagen zur Outsider-Hymne mausert und in Slowakei und Tschechien in kürzester Zeit viel Zuspruch geerntet hat: Der neunzehnjährige Slowake mit dem Künstlernamen Vojtik besingt dort in seinem neuesten Song "Detvianský sen" sein Dasein als queerer Rom in der slowakischen Provinz und seine damit verbundenen Zukunftsängste. "Die Stimme unserer Vorfahren lehrt uns stark zu sein und stolz auf unsere Heimat - eine Haufen Lügner, Brüder, die mir zurufen, dass ich nicht hierher gehöre", singt Vojtik in seinem Musikvideo, in dem er sich unter anderem mit kurzem Röckchen, abgeschnittenem lokalem Fußballtrikot und Nationalflagge zeigt. Die Soziologin Lucie Fremlová, die ein Buch über "Queer Roma" veröffentlicht hat, hält den Song geradezu für bahnbrechend für die Slowakei, die deutlich religiöser, konservativer und auch rassistischer als Tschechien sei. Auch weiß sie, dass die Roma-Minderheit und LGBTIQ-Comunity einander nicht automatisch unterstützen. "Auch unter queeren Nicht-Roma, die Erfahrung mit Homophobie gemacht haben, gibt es manche, die rassistische Vorbehalte gegen queere Roma haben. So wie auch heterosexuelle Roma, die Erfahrung mit Rassismus haben, nicht automatisch Verständnis für queere Menschen haben." In dem kleinen Städtchen Detva spielt sich die Zukunft zwischen der Bronzemanufaktur und der ultranationalistischen Kotleba-Partei ab, als einzige Kulturveranstaltung gibt es hin und wieder ein Folklorefest. Vojtik, der von seiner Großmutter in die Roma-Musik eingeführt wurde, mit dreizehn als Prince Timmy Coversongs ins Internet zu stellen begann und heute diverse musikalische Genres mischt, steht gerade vor seiner Abiturprüfung und sagt im Gespräch: "Die Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem in der Slowakei, und das gleich doppelt für jemanden, der Rom ist und queer. Meine größte Angst ist, dass ich mir kein Leben in Sicherheit aufbauen kann, wie es jeder Mensch verdient." Aber offensichtlich hat Vojtik einen Nerv getroffen, denn unter seinem Video feiern gerade zahlreiche begeisterte Kommentare seinen Mut.

Magazinrundschau vom 09.05.2023 - A2larm

Ludmiła Władyniak unterhält sich in einem ausführlichen Interview mit der polnischen Soziologin und Rechtstaatsexpertin Marta Bucholc über die gegenwärtige polnische Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Veränderung, darunter auch über die Position der Frauen. "Mir scheint, die Frauen in Polen haben jetzt noch weniger zu sagen als vor 2015", so Bucholc. "Wenn wir uns in dem Zusammenhang das Urteil gegen Justyna Wydrzyńska anschauen (die für die Abgabe von Abtreibungspillen an eine schwangere Frau verurteilt wurde), ist das ein Symbol für die Verschlechterung der Situation der Frauen. Auf der anderen Seite ruft diese Verschlechterung auch eine Reaktion in Form von verstärkten Unmutsbekundungen hervor. Das ist offenkundig etwas, womit eine politische Veränderung beginnen kann."

Magazinrundschau vom 26.07.2022 - A2larm

Kristina Němcová erinnert an die fortschrittlichen Frauen der Ersten Tschechoslowakischen Republik, die in den Schulbüchern viel zu wenig erwähnt werden: Neben der immer noch auf ihre Rolle als Kafka-Freundin reduzierten Milena Jesenská, die sich in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als rebellische Journalistin aus den "weiblichen" Rubriken Mode und Kochen herausgekämpft hatte und sich für soziale Fragen interessierte, sind vor allem Františka Plamínková zu erwähnen, die schon Anfang des Jahrhunderts für das Frauenwahlrecht stritt (das in der Tschechoslowakei mit der Gründung der Republik 1918 eingeführt wurde) und 1925 Vizepräsidentin des International Council of Women wurde, sowie Betty Karpíšková, die als Senatorin der Nationalversammlung die Legalisierung von Abtreibungen und Verhütungsmitteln propagierte - "in damaliger Zeit wirklich revolutionär und völlig gegen die Vorstellungen der katholischen Gesellschaft" -, außerdem Sexualerziehung in den Schulen einforderte. Die Feministinnen fanden übrigens einen Unterstützer in Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk, der sich, so Němcová, schon als Universitätsprofessor für die Emanzipation der Frauen eingesetzt habe und damit sogar unter den Intellektuellen herausstach, die die Frauen noch mehrheitlich in einer häuslichen Rolle sahen: "Als immer mehr Frauen an den Hochschulen auftauchten, erkannte die Kirche darin eine Bedrohung für das Funktionieren von Familie und Gesellschaft. Masaryk bildete dazu einen Gegenpol, indem er in den gebildeten Frauen einen Fortschritt und eine Stütze für den Aufbau der Gesellschaft sah." In den vierziger Jahren starben die drei Frauen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern.

Magazinrundschau vom 25.01.2022 - A2larm

Vor einer Woche wurde beschlossen, dass im slowakischen Bratislava das alte Kongress- und Kulturzentrum Istropolis abgerissen werden und einem neuen Kulturzentrum namens New Istropolis weichen solle - ein weiteres Beispiel von interessanter Nachkriegsarchitektur, die Bauträgern zum Opfer falle, so Barbora Jelínková in ihrem Kommentar. Der von 1956 bis 1981 im konstruktivistischen bis brutalistischen Stil entstandene Gebäudekomplex enthalte unter anderem ästhetisch interessante Keramikwände, Glaskunst und viel kubanischen Marmor (den damals Fidel Castro schenkte). Es sei immer das Gleiche: "Wir lassen ein einzigartiges Architekturdenkmal so lange verfallen, bis es irgendein Bauträger kauft, der das verwahrloste Gebäude durch ein austauschbares Projekt (…) ersetzt, das ein Zentrum auf 'Weltniveau' sein und die betreffende Stadt unter die 'modernen europäischen Metropolen' einreihen soll, wie der Bauträger in seiner Pressemeldung schreibt. Es ist kein Zufall, dass dieses Vorgehen oft Objekte trifft, die während des Sozialismus geplant und errichtet wurden. Das Bauträgerunternehmen Immocap versteht den Istropolis-Komplex als eine Ikone des kommunistischen Totalitarismus und erinnert daran, dass hier Treffen der Kommunistischen Partei der Slowakei stattfanden. (…) Es ist ein Lehrbeispiel dafür, dass wir die Architektur jener Jahre immer noch ausschließlich mit der totalitären Herrschaft verbinden, wodurch uns ihr Wesen entgeht. Wir können die Qualität von Architektur nicht nach der Zeit beurteilen, in der sie entstanden ist. Auch handelt es sich um ein immer noch relativ junges Erbe, zu dem wir noch nicht genug Abstand haben, um es losgelöst von negativen Gefühlen bewerten zu können. Doch bevor wir diesen Abstand gewinnen können, werden diese - zum Teil sehr qualitätvollen - Gebäude alle abgerissen. Der Fall Istropolis in Bratislava ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wir unser kollektives historisches Gedächtnis vernichten. Stattdessen ziehen wir eine durchschnittliche uniforme Glas-Beton-Architektur vor, deren Lebensdauer vermutlich höchstens ein paar Jahrzehnte beträgt. Und da haben wir noch nicht von den Auswirkungen auf die Umwelt gesprochen, die Abriss und Aufbau eines völlig neuen Komplexes mit sich bringen."
Stichwörter: Totalitarismus, Slowakei

Magazinrundschau vom 21.12.2021 - A2larm

Derzeit läuft in slowakischen und tschechischen Kinos der Dokumentarfilm "Ako som sa stala partizánkou" ("Wie ich Partisanin wurde") über den Widerstand slowakischer Roma während des Nationalsozialismus (hier der Trailer). Apolena Rychlíková unterhält sich mit der Regisseurin Vera Lacková, die, selbst Romni, in einer filmischen Spurensuche ihrer eigenen Familiengeschichte nachgeht und immer wieder die NS-Zeit auch mit der Gegenwart und aktuellem Antiziganismus zwischenblendet. "Das Thema des Roma-Widerstands ist völlig unbekannt", stellt Lacková fest, "auch deshalb, weil die Roma vor allem als Opfer dargestellt werden. Aber auch wir Roma müssen Teil der Geschichte werden. Die Roma-Gemeinschaft ist die größte Minderheit in Europa, wird aber immer noch diskriminiert. Ich begreife nicht, warum die Historiker dem Roma-Holocaust keine größere Aufmerksamkeit widmen. Warum man nichts darüber erfährt." Zumal nicht über die Roma-Partisanen, zu denen auch Lackovás Urgroßvater gehörte. Die Regisseurin tritt im Film auch als Protagonistin auf, in ganz normalen Alltagsszenen in Familie und Freundeskreis - und zeigt so, wie sie tagtäglich, selbst aus dem Munde von Freunden, Vorurteile gegen Roma zu hören bekommt.

Magazinrundschau vom 20.07.2021 - A2larm

Das Magazin A2 veröffentlicht in diesem Sommer ein interessantes dickes Doppelheft zum Thema "Slawen", in dem laut Editorial die Kritik an "aufgeblähtem und gehässig identitärem Slawentum" überwiege, "wir aber auch die inspirierenden Momente und emanzipativen Aspekte nicht vernachlässigen wollen". Leider sind die meisten Artikel kostenpflichtig verlinkt, aber das kooperierende Nachrichtenportal A2larm.cz schaltet einen Beitrag des Historikers Jakub Rákosník frei, der einen historischen Überblick über das Verhältnis der Tschechen zum Slawentum bietet. Die meisten Tschechen seien von der Grundschule an von den "Alten böhmischen Sagen" des Schriftstellers Alois Jirásek beeinflusst und hätten eher nicht im Kopf, dass das "Slawentum" eigentlich im 18. Jahrhundert von Johann Gottfried Herder "erfunden" wurde, ausgerechnet einem Deutscher. Schon vorher habe man natürlich in der Wissenschaft den Zusammenhang zwischen den slawischen Sprachen gesehen. Im 19. Jahrhundert sei für die slawischen Länder an den Grenzen des Habsburger Reiches der austroslawistische Gedanke eher attraktiver gewesen als ein panslawistisches Konzept. Eine Annäherung ans großrussische Imperium habe sich, so Rákosník, immer nur in Notsituationen als Verteidigungstaktik gegen Deutschtum oder Austriazismus ergeben. Entsprechend in den beiden Weltkriegen: "Die kleineren slawischen Nationen Mitteleuropas wurden aus Angst vor den Folgen des deutschen Expansionismus in die russischen/sowjetischen Arme getrieben." Für einen Panslawismus sieht Rákosník auch heute keine Grundlage: "In der Pluralität der Identifikationen, die sich den Tschechen historisch anbieten, spielt das Slawentum auch weiterhin nur eine marginale Rolle. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich das in naher Zukunft ändert. (…) Die heutigen Versuche, die slawische Karte gegen die europäische Integration auszuspielen, bewegen sich an der Grenze zur politischen Marginalität und bieten höchstens für Fernsehkameras eine gewisse attraktive Extravaganz."

Magazinrundschau vom 04.05.2021 - A2larm

Auch Tschechien hat seine identitätspolitischen Debatten: Radek Banga, auch als Rapper Gipsy.cz bekannt und beliebt, hat ein Buch über seine Roma-Kindheit geschrieben, die von Armut und häuslicher Gewalt geprägt war. ("Mir ein Tablett nehmen zu können und durch die Durchreiche Essen und Trinken zu bekommen, war der Höhepunkt meines Lebens", beschreibt er zum Beispiel den Moment, als er sich für sein erstes erjobbtes Geld endlich eine Mahlzeit in der Schulkantine leisten konnte.) Auch den Mythos vom familiären Zusammenhalt in Romafamilien kratzt er an. Viele - freilich nicht alle - Familien würde ihre Kinder nur finanziell ausnutzen. Die Veröffentlichung seines Buchs hat deshalb großen Gegenwind hervorgerufen: Kritiker meinen, es zementiere die Vorurteile gegen Sinti und Roma und würde Populisten und Rassisten in die Hände spielen. Lucie Jarkovkská verteidigt das Buch und betont, dass es keine soziologische Studie, sondern ein persönlicher Bericht sei. "Bangas Lebensbeichte ist stark darin, dass es ihm gelingt, über den eigenen gewalttätigen Vater mit Verständnis zu reden. Es zeigt, dass es möglich ist, aus der Gewaltspirale auszusteigen, Grenzen zu setzen, das Schlechte zu benennen, aber auch es zu verstehen." Wenn Banga seinen Vater zwar nicht von Alkohol und Aggressivität loseisen konnte, brachte er ihn doch dazu, über die eigene Kindheit zu reden: Bangas Vater wurde als Kind mit einer Schaufel auf den Kopf geschlagen. Für ihn war es schon ein Sieg, bei seinen eigenen Kindern nicht so weit zu gehen. Radek Banga war mit seinem Romano-Hiphop bisher der "Vorzeigezigeuner aus dem Fernsehen", jetzt hat er ein schmerzvolles Kapitel aufgeschlagen, das neben den gesamtgesellschaftlichen Problemen auch die Selbstreflexion innerhalb der Community berührt. Lucie Jarkovkská meint, mehr noch als ein erfolgreicher Roma-Musiker sei gerade diese Debatte ein Zeichen von Emanzipation.

Eine Kostprobe von dem Musiker Gipsy.cz? Hier das von John Travolta inspirierte "Zigulik":

Magazinrundschau vom 30.03.2021 - A2larm

Vergangene Woche starb in Prag die slowakisch-tschechische Chansonsängerin Hana Hegerová, die besonders in den sechziger Jahren internationale Erfolge feierte. In ihrem Nachruf erzählt Tereza Stejskalová, dass in ihrer Familie bereits die vierte Generation Hegerovás Lieder höre, was vermutlich an ihrer Glaubwürdigkeit liege. "Die Protagonistinnen in Hegerovás Liedern waren keine erfolgreichen, fähigen Personen, sondern meistens Verliererinnen." Mit einer Mischung aus tragischem Pathos und Witz habe Hegerová auch "dunklere, kompliziertere und widersprüchlichere Seiten von Weiblichkeit" gezeigt, und auch ihre leicht androgyne Erscheinung habe den allgemeinen Weiblichkeitsstereotypen widersprochen. Stejskalová selbst habe als junges Mädchen in den neunziger Jahren mit der Musik der fünfzig Jahre Älteren dem herrschenden Selbstoptimierungsdruck, "dem Jugendkult und den nicht allzu inklusiven Vorstellungen von weiblicher Schönheit" getrotzt.

Hier singt sie noch einmal:


Stichwörter: Hegerova, Hana, Chanson

Magazinrundschau vom 02.02.2021 - A2larm

Veronika Pehe erinnert daran, dass im Jahr 1963 im polnischen Wrocław (Breslau) eine hoch ansteckende und tödliche Pockenepidemie ausbrach. Der "Patient Null" hatte sich in Indien infiziert, und nach seiner Rückkehr breitete sich das Virus sofort aus. Damals habe die WHO prognostiziert, die Epidemie werde zwei Jahre dauern und rund zweitausend Todesopfer fordern. Dass Polen die Ausbreitung stattdessen innerhalb von drei Monaten nach 99 Infektionen und 7 Todesopfern stoppen konnte, habe zum einen natürlich damit zu tun, dass bereits Impfstoffe zur Verfügung standen (es wurden sofort Vakzine nachproduziert und aus der UdSSR und Ungarn angefordert), zum anderen mit den "Möglichkeiten" eines autoritären kommunistischen Staates. "Zuerst noch nicht verpflichtend, mussten sich ab dem 1. August 1963 alle Einwohner von Wrocław und Umgebung zur Impfung einfinden." Außer in Arztpraxen wurden Impfstationen an den Arbeitsstätten und zum Beispiel am Hauptbahnhof eingerichtet. "Im Vergleich zu heute waren die Schutzvorkehrungen primitiv - die Ärzte hatten Handschuhe, Schutzbrille und Stoffmasken an, das war alles. (…) Natürlich gab es auch damals Leute, die sich gegen die Impfung sträubten. In manchen Dörfern versperrten mit Heugabeln bewaffnete Einwohner den Ambulanzen den Weg. Bei Verweigerung der Pflichtimpfung drohten hohen Geldstrafen. Wenn sich ein Impfverweigerer angesteckt hatte und damit die öffentliche Gesundheit bedrohte, stand ihm ein strafrechtliches Verfahren mit bis zu fünfzehn Jahren Haft bevor. Diese Strafen wurden auch tatsächlich durchgesetzt, die Namen der Personen, die ein Bußgeld zahlen mussten, in der lokalen Presse veröffentlicht." Quarantänen mussten in streng bewachten sogenannten "Isolatorien" vollzogen werden. Auch dieser Pflichtunterkunft versuchten nicht wenige zu entgehen. "Sie versuchten über den Zaun zu fliehen oder sie rebellierten - manchmal gar mit Messern bewaffnet - gegen die schlechte Verköstigung." Um sich aus der Stadt ein- oder herauszubewegen oder um den öffentlichen Verkehr zu benutzen, benötigte man eine Impfbescheinigung - woraus sich schnell ein Schwarzmarkt für diese Dokumente entwickelte, die man - so ging das Gerücht - auch bei Angestellten der öffentlichen Toiletten erwerben konnte. Trotz dieser nicht wenigen Widerstände habe Polen damals in kurzer Zeit 8,5 Millionen Menschen impfen und die Epidemie besiegen können.