
Ondřej Bělíček
bespricht mit dem polnischen Architekturhistoriker
Łukasz Stanek dessen
Buch über
sozialistische Architektur in der Dritten Welt und erfährt dabei, dass die
Globalisierung, die wir meistens eher mit dem Kapitalismus verbinden, während des Kalten Krieges auf vielfältige Weise auch über die
kommunistischen Ostblockstaaten stattfand. Die Motive dafür reichten von internationaler Zusammenarbeit über Antiimperialismus bis zur wissenschaftlich-technischen Entwicklung. Es habe sich nicht einfach um eine Fortführung des Kalten Krieges auf erweitertem Terrain gehandelt, bei dem sich afrikanische, arabische oder asiatische Länder entweder für die Abhängigkeit vom Westen oder die vom Osten entschieden, sondern die betreffenden Länder hätten zum Teil
sehr gezielt zwischen kapitalistischen und kommunistischen Ländern ausgewählt. "Die
nigerianischen Eliten zum Beispiel waren dem Sozialismus feindlich gesinnt", so Stanek, "und luden osteuropäische Architekten und Baufirmen eher deshalb ein, weil sie ein
Gegengewicht zum dominanten westlichen Einfluss auf die Entwicklung ihres Landes suchten. (…) Eine ähnliche Motivation finden wir seit Ende der 70er-Jahre auch im
Irak oder in den Ländern am
Persischen Golf." Auch die gängige Vorstellung von sowjetischer Architektur als schwerfällig, uniform und standardisiert lasse sich nicht ohne Weiteres belegen: "Die Anpassung der Gebäude an die
geografischen Gegebenheiten war im Gegenteil ein zentrales Anliegen der sowjetischen Architekten." Für osteuropäische Architekten seien Projekte in Nordafrika und Nahem Osten auch deshalb attraktiv gewesen, weil sie sich dort nicht nur mit der dortigen Baukultur vertraut machen, sondern auch einiges über architektonische
Entwicklungen in Westeuropa und Amerika in Erfahrungen bringen, deren Technik und Materialien kennenlernen konnten. "Etliche Architekten, mit denen ich gesprochen habe, erzählten mir, sie hätten damals mit Spannung verfolgt, was die großen amerikanischen Firmen in Bagdad, Kuwait oder Abu Dhabi planten und errichteten." Der Ostblock habe in der Dritten Welt keineswegs einheitlich agiert, die einzelnen sozialistischen Länder standen dort in Konkurrenz zueinander. Stanek zitiert einen ghanaischen Architekten, der damals mit Architekten aus Bulgarien, Ungarn, Polen und Jugoslawien in Accra zusammengearbeitet habe. "Er sagte mir, er erinnere es so gut, weil er es damals zum ersten und zum letzten Mal erlebt habe, dass ein weißer Mann in Ghana einen
afrikanischen Chef hatte."