Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
30.08.2005. In der Weltwoche antwortet Abu Mussab al-Sarkawi seinem ehemaligen Mentor Abu Mohammed al-Makdisi, der die Enthauptungen und Entführungen der Terrorgruppe al-Sarkawis kritisiert hatte. Literaturen spricht mit Michel Houellebecq über den Tod. Der Nouvel Obs spricht mit Houellebecq über seine Sympathien für die Rael-Sekte. In Litera kommentiert György Szerbhorvath Andrzej Stasiuks Reportage über den Schriftstellerkongress in Belgrad. Der Espresso erklärt China zum neuen gelobten Land der New Economy. Der New Yorker lernt, wie man mit sechs Händen kocht. In der Gazeta Wyborcza begeht Adam Michnik den 25. Jahrestag der Solidarnosc verletzt und frustiert. Der Spectator erklärt al-Qaida zum militärischen Flügel des westlichen Liberalismus. Al-Ahram erliegt der Poesie Gerard de Nervals.
Weltwoche (Schweiz), 25.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q26/A11609/weltwoche.jpg)
Literaturen (Deutschland), 01.09.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q21/A11617/literaturen.jpg)
Ingeborg Harms hat Houellebecq in einem billig-asketischen Pariser Hotelzimmer getroffen, um über die unsympathische Zukunftsvision zu streiten, die er in seinem neuen Roman entwirft. Die Hoffnung auf ein wirkliches Gespräch muss Harms jedoch schnell fahren lassen, denn Houellebecq teilt mit seinem jüngsten Zukunftsszenario die menschliche Kühle. So wie seine Neo-Menschen auf natürliche Fortpflanzung verzichten und bei ihrem Ableben durch einen Klon ihrer selbst ersetzt werden, so sehr ähneln sich die Ansichten und Verkündungen Houellebecqs über die Jahre. Doch mit seinen fortlaufend geklonten Neos geht Houellebecq noch einen Schritt weiter: Jede neue Inkarnation verfügt nur über die leicht verblassten Erinnerungen seines Vorgängers, so dass das Bewusstsein im Laufe der Reinkarnationen zunehmend schwindet und einer Art diesseitigem Nirvana weicht - eine Vision, die Harms wenig glaubhaft vorkommt: "Mich überzeugt dieses kampflose Abtreten des Homo sapiens nicht. Während ich meine Zweifel formuliere, ist mir das germanische Stakkato meines Einspruchs quälend bewusst. Houellebecq denkt nicht daran, meinem Schulfranzösisch durch ein wenig Englisch seines irischen Alter ego zu Hilfe zu kommen. (?) 'Solange sie sterben müssen', bringe ich hervor, 'kann der Tod seinen Neos nicht gleichgültig sein.' 'Ich lege Wert auf weniger', erwidert der Autor: 'Das Überleben hat viele Formen. Alles ist für die Neo-Menschen weniger intensiv, weniger schmerzhaft, nicht absolut anders.' 'Aber das Überleben ist nichts Relatives', rufe ich verwirrt. 'Doch', sagt Houellebecq, 'doch, genau das ist es.' "
Des weiteren erforscht Jutta Person die Fantasien, die Menschen und Maschinen zusammenbringen, und muss zu ihrem Bedauern feststellen, dass von der "einstigen emanzipatorische Kraft der Hybriden" nicht viel übrig ist. Und Stephan Wackwitz (Leseprobe aus "Neue Menschen") und Richard David Precht erinnern sich an die Süffisanz, mit der die Achtundsechziger den Neuen Menschen auf politische Weise schaffen wollten.
Weitere Artikel: Daniel Kothenschulte ist hin und weg von Tim Burtons Verfilmung des Kinderbuchklassikers "Charlie und die Schokoladenfabrik". Sybille Berg versucht zu ergründen, was jene Literatur-Liebhaber suchen, die sich als Reisende auf die Spuren ihrer Lieblingsromane begeben. Franz Schuh verzweifelt an einem venezianischen Krimi. Und schließlich hat Aram Lintzel im österreichischen Internet einen Schimpfwortgenerator entdeckt.
Nouvel Observateur (Frankreich), 25.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q9/A11618/nouvelobs.jpg)
Zu lesen sind außerdem Auszüge aus dem Roman und aus einem Vorwort, das Stephen King für die amerikanische Ausgabe von Houllebecqs Essay über H.P. Lovecraft geschrieben hat. Weitere Artikel beschäftigen sich mit Houellebecqs Popularität außerhalb Frankreichs (hier) und zwei Büchern, die über ihn erschienen sind: eine unautorisierte Biografie des Journalisten Denis Demonpion ("Houellebecq non autorise. Enquete sur un phenomene", Maren Sell Editeurs) und ein "Pamphlet" von Eric Naulleau ("Au secours, Houellebecq revient!", Chiflet & Cie).
Im Debattenteil erläutert Wole Soyinka die These seines neuen Buchs "Un climat de peur", das bei Actes Sud erscheinen wird. "Es herrscht ein Klima der Angst auf der Welt. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Der wichtigste ist die Tatsache, dass der Dritten Welt, vor allem dem Nahen Osten, die Ungerechtigkeit in ihren Beziehungen zu den Großmächten und Industrieländern bewusst geworden ist, angefangen bei den USA, die auf die Welt eine politische und technologische Dominanz ausüben."
Litera (Ungarn), 23.08.2005
Der Schriftsteller György Szerbhorvath kommentiert einen Artikel von Andrzej Stasiuk, der in der italienischen Zeitschrift L' Espresso über eine Literaturkonferenz in Belgrad schrieb, dass die Konferenz von der Polizei überwacht sei und die Teilnehmer sich "ein wenig wie die Anhänger irgendeiner verbotenen Religion vorkamen". (Hier unsere Zusammenfassung.) Szerbhorvath meint, Stasiuk habe die Situation grundsätzlich missverstanden: "Mit dem Veranstalter, dem 'Zentrum für Dekontamination', das sich gegen Krieg und Nationalismus wendet, ist die serbische Polizei tatsächlich befasst. Aber nicht, um es zu überwachen, sondern um es zu verteidigen. Denn solche Organisationen sind zur Zielscheibe radikaler serbischer Gruppen geworden ... Technisch ist es zweifellos einfach, zwanzig Schriftsteller zu verteidigen, wenn sie in einer Katakombe versammelt sind. Wen sie dort ehren, was sie über die Machthaber sagen, interessiert die Polizei nicht. Das Gesindel übrigens auch nicht - sie wollen nur die Fremden, den inneren und äußeren Feind angreifen. Es ist egal, ob das Schriftsteller, Roma oder Gastarbeiter sind. ... Stasiuk nahm alles für bare Münze, was man ihm sagte oder was er sah. Die Leser von L?Espresso und des Perlentauchers werden jetzt glauben, dass Schriftsteller wenigstens irgendwo noch wichtig sind, da sie ja überwacht werden. Aber Schriftsteller sind höchstens für das Gesindel wichtig, und wenn, dann nur als ein Körper, den man verprügeln kann."
Die Schriftstellerin Krisztina Toth denkt über ihr Verhältnis zur Donau nach, die Budapest in Buda und Pest teilt: "Anerkennend nickenden Ausländern gegenüber sagte ich bescheiden, hm, ja, sie ist wirklich breit, als ob ich sie selbst aufgestaut hätte."
Die Schriftstellerin Krisztina Toth denkt über ihr Verhältnis zur Donau nach, die Budapest in Buda und Pest teilt: "Anerkennend nickenden Ausländern gegenüber sagte ich bescheiden, hm, ja, sie ist wirklich breit, als ob ich sie selbst aufgestaut hätte."
Foreign Affairs (USA), 01.09.2005
Nichts weist darauf hin, dass die Demokratisierung des Nahen Ostens den Terrorismus stoppen wird, meint Gregory Gause. Und "selbst wenn dort Demokratie einzieht, was für Regierungen würde sie hervorbringen? Würden sie mit den Vereinigten Staaten - abgesehen von der Eindämmung des Terrorismus - in wichtigen Feldern wie dem arabisch-israelischen Friedensprozess, der Sicherheit im Persischen Golf sowie der zuverlässigen Ölversorgung zusammenarbeiten? Keiner kann den Kurs vorhersagen, den eine neue Demokratie einschlagen wird, aber wenn man sich Meinungsumfragen und die jüngsten Wahlen in der arabischen Welt anschaut, wird der Einzug der Demokratie wahrscheinlich eher neue islamistische Regierungen hervorrufen, die weit weniger mit den USA kooperieren werden als die derzeitigen autoritären Herrscher."
Schwerpunkt dieser Ausgabe aber ist China. Kishore Mahbubani fordert die USA auf, endlich damit zu beginnen, China ernsthaft verstehen zu wollen. Wang Jisi schlägt in die gleiche Kerbe; er rät, die wachsende gegenseitige Abhängigkeit von kommender und bestehender Supermacht zu akzeptieren und China als gleichberechtigten Verhandlungspartner zu behandeln. Leider nur in einer mageren Vorschau zu lesen sind David Zweigs und Bi Jianhais Darstellung des skrupellosen chinesischen Rohstoffhungers sowie Zheng Bijians Artikel über das vitale chinesische Interesse am Weltfrieden. Online ebenfalls nur 500 Wörter lang dürfen Bruce Bueno de Mesquita und George W. Downs erklären, wie die Autokraten dieser Welt es zunehmend verstehen, die Wirtschaft zu liberalisieren, ohne dabei die Gesellschaft zu öffnen.
Schwerpunkt dieser Ausgabe aber ist China. Kishore Mahbubani fordert die USA auf, endlich damit zu beginnen, China ernsthaft verstehen zu wollen. Wang Jisi schlägt in die gleiche Kerbe; er rät, die wachsende gegenseitige Abhängigkeit von kommender und bestehender Supermacht zu akzeptieren und China als gleichberechtigten Verhandlungspartner zu behandeln. Leider nur in einer mageren Vorschau zu lesen sind David Zweigs und Bi Jianhais Darstellung des skrupellosen chinesischen Rohstoffhungers sowie Zheng Bijians Artikel über das vitale chinesische Interesse am Weltfrieden. Online ebenfalls nur 500 Wörter lang dürfen Bruce Bueno de Mesquita und George W. Downs erklären, wie die Autokraten dieser Welt es zunehmend verstehen, die Wirtschaft zu liberalisieren, ohne dabei die Gesellschaft zu öffnen.
Outlook India (Indien), 05.09.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A11612/outlook.jpg)
Gute Schauspieler und vor allem gutes Kricket (Regeln) bietet Nagesh Kukunoors Wohlfühl-Film "Iqbal", jubelt Namrata Joshi. "'Kricket ist kein städtischer Sport mehr. Die Kinder spielen es auf jeder Art von Platz, in den Bergen, den Ebenen und an den Stränden', sagt der ehemalige Spieler Kirti Azad. Also träumt Iqbal, ein armer, taubstummer Werfer in dem entlegenenen fiktionalen Dorf Kolipad, von der Aufnahme in das (legendäre) indische Nationalteam. Er kann sich keinen Trainer leisten und besitzt nicht einmal ein paar Schuhe. Aus Zweigen baut er Wickets für Zielübungen, die Büffel seines Vaters sind sowohl Feldspieler als auch Publikum." Neues zu Bollywood hier.
Espresso (Italien), 01.09.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A11605/espresso.jpg)
In seiner Bustina freut sich Umberto Eco auf Maurizio Ferraris demnächst erscheinende Gedanken zur Ontologie des Handys. Im Titel berichten Gianluca Di Feo und Fabrizio Gatti über den florierenden Handel mit gefälschten Flugzeugersatzteilen. Giuseppe Gazzoni Frascara, Chef des FC Bologna, erklärt Alessandro Gilioli, warum die neuen Regeln den italienischen Fussball zu Grunde richten.
New Yorker (USA), 05.09.2005
Der New Yorker hat in dieser Woche einen Schwerpunkt Essen. Jane Kramer unternimmt einen sehr lesenswerten Streifzug durch Kochbücher und bekennt, "süchtig" danach zu sein. "Im Augenblick besitze ich ungefähr hundert Kochbücher und ich bin dazu bestimmt, eines Tages ein paar simple Austern mit etwas Tapioka in Sahne zu pochieren und in einer Zabaione mit Kaviar gekrönt in ein Gericht zu verwandeln, das eines Thomas Keller würdig wäre; in seinem neuen Kochbuch 'French Laundry Cookbook' erklärt er einem jedenfalls, wie man das anstellt, wenn man zufällig sechs Hände hat."
James Surowiecki erzählt die Geschichte der amerikanischen Trinkgeldpraxis, die sich zumindest im Per Se, einem der vier erfolgreichen New Yorker Restaurants von Thomas Keller, ab diesem Monat ändern wird: Den Preisen werden hier nach europäischem Vorbild ein Fixum für den Service aufgeschlagen, was die Bedienungen unabhängiger von den Launen amerikanischer - oder der Ahnungslosigkeit ausländischer - Gäste macht. Und Calvin Trillin forscht nach dem perfekten Rezept für Fanesca, eine "Frühlingssuppe" aus Ecuador (hier ein Rezept auf Deutsch).
Weiteres: John Updike bespricht den neuen Roman von Salman Rushdie, "Shalimar the Clown", und fragt sich eingangs, "warum, oh warum nur hat Salman Rushdie eine seiner Hauptfiguren Maximilian Ophuls genannt". Ben McGrath erklärt das amerikanische Sturmwarnsystem. Nancy Franklin stellt die TV-Comedy-Serie "Weeds" vor.
Hinweise auf den weiteren Inhalt der Printausgabe sind heute leider nicht möglich, das entsprechende Verzeichnis war bis Redaktionsschluss nicht im Netz verfügbar.
James Surowiecki erzählt die Geschichte der amerikanischen Trinkgeldpraxis, die sich zumindest im Per Se, einem der vier erfolgreichen New Yorker Restaurants von Thomas Keller, ab diesem Monat ändern wird: Den Preisen werden hier nach europäischem Vorbild ein Fixum für den Service aufgeschlagen, was die Bedienungen unabhängiger von den Launen amerikanischer - oder der Ahnungslosigkeit ausländischer - Gäste macht. Und Calvin Trillin forscht nach dem perfekten Rezept für Fanesca, eine "Frühlingssuppe" aus Ecuador (hier ein Rezept auf Deutsch).
Weiteres: John Updike bespricht den neuen Roman von Salman Rushdie, "Shalimar the Clown", und fragt sich eingangs, "warum, oh warum nur hat Salman Rushdie eine seiner Hauptfiguren Maximilian Ophuls genannt". Ben McGrath erklärt das amerikanische Sturmwarnsystem. Nancy Franklin stellt die TV-Comedy-Serie "Weeds" vor.
Hinweise auf den weiteren Inhalt der Printausgabe sind heute leider nicht möglich, das entsprechende Verzeichnis war bis Redaktionsschluss nicht im Netz verfügbar.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 29.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A11611/ahram.jpg)
Weitere Artikel: Amina Elbendary nimmt erstaunt zur Kenntnis, dass die Autobiografie des ägyptischen Historikers Raouf Abbas, "Mashaynaha khuta", ein Bestseller wurde. Immerhin spricht Abbas über Korruption und religiöse Diskriminierung an den Universitäten und - er nennt Namen! Besprochen werden außerdem ein Buch über die Politik der NGOs in Ägypten und zwei Bücher über die Beziehung zwischen Japanern und Arabern im allgemeinen und Japanern und Ägyptern im besonderen.
Policy Review (USA), 01.09.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q101/A11620/policy.jpg)
Außerdem diskutiert Peter Berkowitz grundsätzlich und ausführlich die Stellung der Verfassung zu den großen Fragen der amerikanischen Gegenwart: Fortschritt, Tradition, Abtreibung, Minderheitenrechte und Schwulenehe.
Prospect (UK), 01.09.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q22/A11614/prospect.jpg)
Weitere Artikel: David Goodhart spricht mit Roger Smith, dem Chef der nichtstaatlichen Menschenrechts-Organisation "Justice" über die Verabschiedung des "Human Rights Act" durch das britische Parlament. Wird damit eine willkommene Kontrolle des "demokratischen Absolutismus" erreicht werden oder sind der nationalen Sicherheitspolitik damit die Hände gebunden? Lisa Randall blickt hoffnungsvoll in das Jahr 2007, wenn eine hochenergetische Kollision im Himmel über Genf einige der Rätsel unseres Universums lösen könnte. Parag Khanna sieht - wenn auch zerbrechliche - Anzeichen für eine Annäherung von Indien und Pakistan. Geoffrey Wheatcroft singt einen traurigen Abgesang auf den Cricket als britischen Volkssport. Und Carlo Gebler sucht so lange einen verschwundenen Freund, bis er sich fragen muss, warum.
Plus - Minus (Polen), 27.08.2005
Die polnischen Magazine sind voll von Beiträgen zum 25. Jahrestag der Gründung der Solidarnosc am 31. August. In der Wochenendausgabe der Rzeczpospolita schreibt ein Vertreter der Gegenseite, Stanislaw Kania, damals einer der Anführer der Kommunistischen Partei: "War eine gewaltsame Niederschlagung der Streiks möglich? ... Die Stimmen der jenigen, die damals für einen Gewaltakt plädierten, nannte ich das wirre Gerede derer, die wollen, aber nicht können. In diesen heißen Tagen gab es in Polen niemanden, der mit Gewalt gegen die Streikenden hätte vorgehen könnte."
Außerdem: eine Erzählung des Danziger Schriftstellers Pawel Huelle aus den Tagen der Revolution, als er illegale Publikationen durch die Stadt transportierte; und Jean-Louis Panne fragt, was vom Mythos der Solidarnosc in Frankreich blieb - "Nichts. Es ist paradox, weil gerade in Frankreich die Unterstützung für die Bewegung am stärksten und konsequentesten war. Sie moblisierte viele Menschen aus verschiedenen Schichten und Lagern. Sowohl die Linke wie die Rechte glaubten, in der Solidarnosc die Bestätigung eigener Wünsche zu sehen, wobei sie sie auf eine Situation projizierten, die sie nicht verstanden."
Außerdem: eine Erzählung des Danziger Schriftstellers Pawel Huelle aus den Tagen der Revolution, als er illegale Publikationen durch die Stadt transportierte; und Jean-Louis Panne fragt, was vom Mythos der Solidarnosc in Frankreich blieb - "Nichts. Es ist paradox, weil gerade in Frankreich die Unterstützung für die Bewegung am stärksten und konsequentesten war. Sie moblisierte viele Menschen aus verschiedenen Schichten und Lagern. Sowohl die Linke wie die Rechte glaubten, in der Solidarnosc die Bestätigung eigener Wünsche zu sehen, wobei sie sie auf eine Situation projizierten, die sie nicht verstanden."
Tygodnik Powszechny (Polen), 28.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q98/A11624/tp.jpg)
Gazeta Wyborcza (Polen), 27.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q83/A11625/wyborcza.jpg)
"Lech Walesa, ein großer Mann, ein ewiger Kämpfer, fühlt sich eingeengt in der Demokratie. Er ist Opfer des eigenen Erfolgs geworden. Seine Legende geriet ins Wanken, weil er seit 25 Jahren an seine Unfehlbarkeit glaubt", schreibt Lech Walesas früherer Mitarbeiter und Anhänger Jaroslaw Kurski. "Lech könnte heute ein polnischer Nelson Mandela sein, wenn er aufhören würde zu glauben, er hätte alles am besten gemacht, er wäre vollkommen und unfehlbar."
Weitere Artikel: Der Historiker Robert Traba von der Initiative "Borussia" hat ein Buch über das frühere Ostpreußen geschrieben und die schwierigen Fragen der Identität thematisiert: "Hier ist unser Haus, ein Ort für alle: Polen, Ukrainer und Deutsche. Wir schaffen hier eine neue europäische Kulturlandschaft, die früher deutsch beziehungsweise preußisch war und heute polnisch ist. Die Einwohner der Region sollten dies verstehen und in diesem Bewusstsein leben."
Guardian (UK), 27.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q75/A11610/guardian.jpg)
Weitere Artikel: Andrew Brown porträtiert den Evolutionsbiologen und Anthropologen Robert Trivers, dem wir unter anderem die Erkenntnis verdanken, dass Gerechtigkeit rein genetisch sinnvoll ist. Linton Kwesi Johnson preist die Lyrik des "Dub-Poeten" Mutabaruka. Außerdem zu lesen sind Auszüge aus John McGahern Memoiren.
Clarin (Argentinien), 27.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q52/A11606/clarin.jpg)
Der New Yorker Kulturwissenschaftler George Yudice analysiert das aktuelle Phänomen von Gedenkstätten als Standortfaktoren: "Wenige Monate nach dem 11. September erklärte der New Yorker Bürgermeister Ralph Giuliani: 'Wenn wir eine gute Gedenkstätte hinkriegen, kommen Millionen Besucher, und Ground Zero wird zu einem Wirtschaftsfaktor, wie man sich ihn effektiver nicht wünschen kann.' Damit sprach er laut aus, was viele dachten: Katastrophen bieten eine gute Gelegenheit, um eine Art Themenpark aufzuziehen. Für den Wirtschaftswissenschaftler David McWilliams ist das Jüdische Museum von Daniel Libeskind das beste Beispiel für eine Gedenkarchitektur, die zum weichen Standortfaktor wird - für Berlin hat es dieselbe Funktion übernommen wie das Guggenheim-Museum für Bilbao."
Spectator (UK), 27.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q62/A11616/spectator.jpg)
Weiteres: In der Titelgeschichte prangert James Hughes-Onslow die empörende Behandlung an, die eine australische Schulfreundin seiner Gattin durch die britischen Einwanderungsbehörde erfahren hat. Und Thomas Fleming, der nach eigenem Bekunden sechzig Jahre in den USA gelebt hat, "davon 25 als Atheist und 35 als zunehmend reaktionärer Christ", gibt zu Protokoll, dass er in Amerika nie die Frömmigkeit erlebt hat, die dem Land allenthalben zugeschrieben wird.
Elet es Irodalom (Ungarn), 26.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A11622/es.jpg)
Weiteres: eine Schau der deutschen Rezensionen zur Neuübersetzung der Gedichte von Attila Jozsef.
Economist (UK), 26.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A11613/economist.jpg)
In einem malerischen und besinnlichen Nachruf auf Bruder Roger würdigt der Economist den Begründer von Taize als Pionier einer zeitgemäßen Christlichkeit. Wärmstens empfiehlt der Economist das angemessen dreckige und stickige Buch ("Rough Crossings: Britain, the Slaves and the American Revolution"), das Simon Schama einem katastrophalen Sklaverei-Experiment des britischen Empires widmet, bei dem die Gründung einer Kolonie von Freigelassenen in Sierra Leone zur Deportation geriet. Und schließlich versucht der Economist einzuschätzen, wie säkular der von George Bush für den Obersten Gerichtshof nominierte John Roberts wirklich ist.
New York Times (USA), 28.08.2005
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A11604/nytb.jpg)
Benjamin Kunkel könnte der Vorbote einer neuen hippen Ernsthaftigkeit sein, meint Jay McInerney ganz unironisch, nachdem er Kunkels Debütroman "Indecision" über die Wonnen der Verantwortung in der Vergnügungsgesellschaft verschlungen hat (erstes Kapitel). Helen Fisher bestaunt mit Desmond Morris in "The Naked Woman" die evolutionär herausragenden Designmerkmale des weiblichen Geschlechts. Außerdem werden zwei offenbar ganz passable Biografien präsentiert: Charles R. Cross' psychologisch fundiertes Porträt von Jimi Hendrix "Room Full of Mirrors" (dazu gibt es ein kleines Hendrix-Potpourri zum Anschauen und anhören) sowie Leslie Berlins Buch "The Man Behind the Microchip" über Robert Noyce, Mann der ersten Mikrochipstunde und Gründer von Intel.
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A11604/nytmag.jpg)