Magazinrundschau
15 Minuten Straflosigkeit für alle
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
18.11.2008. Portfolio porträtiert den dunklen Prinzen der Wall Street, der die Dämmerung schon sah, als die Sonne noch schien. Im Guardian erklärt Jeanette Winterson, warum gerade ein hartes Leben Poesie braucht. Polityka kritisiert die katholischen Ideologie-Offiziere an polnischen Schulen. The New Republic staunt über die eigenwillige Obama-Truppe. Der öffentliche Intellektuelle lebt, auch wenn er heute oft aus den Sozialwissenschaften kommt, ruft der Chronicle. In Le Monde Diplomatique beschreibt Juan Villoro die Unterminierung Mexikos durch die Drogenmafia. Im Espresso windet sich Umberto Eco vor Scham über Berlusconi.
Portfolio (USA), 11.11.2008
Der Schriftsteller und ehemalige Broker Michael Lewis hat die beste Reportage über die Finanzkrise geschrieben, die bislang zu lesen war. Spannend wie ein Krimi und für den Laien werden tatsächlich einige Hintergründe verständlich. Sein Held ist der Broker Steve Eisman, der früher als die meisten begriff, wie absolut marode und verkommen der Immoblienmarkt war, gegen CDOs (mehr hier) spekulierte und irgendwann begriff, dass selbst dies den Immobilienspekulanten noch nützte. In der Wall Street verkörpert Eisman den offenbar raren Typus des Skeptikers. "Die zweite Firma, für die Eisman [als Analyst für Ames Financial in den Neunzigern] volle Verantwortung bekam, war Lomas Financial, eine Firma, die gerade aus einem Bankrott entstanden war. 'Ich habe eine Verkaufsempfehlung abgegeben, weil sie ein Stück Scheiße war', sagt Eisman. 'Ich wusste nicht, dass man keine Verkaufsempfehlung für Firmen abgeben sollte. Ich dachte, es gebe drei Kategorien - kaufen, halten, verkaufen - und man sucht die aus, die man für die richtige hält.' Er wurde angehalten, generell etwas optimistischer zu sein, aber Optimismus war nicht Eismans Stil. Optimismus und Eisman bewohnen nicht mal denselben Planeten."
Guardian (UK), 16.11.2008
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Besprochen werden unter anderem Manjit Kumars "brillanter" Führer durch die Welt der Quantenphysik, der die wissenschaftlichen Theorien und die philosophischen Interpretationen mit idealer Klarheit dem interessanten Laien nahebringt, schreibt Steven Poole, eine neue Shakespeare-Biografie von Jonathan Bate - überraschend, frisch und alles andere als aufgewärmter Kohl, verspricht Richard Eyre. Philip Oltermann hält anlässlich des Baader Meinhof Komplexes einen Rückblick auf die kulturelle Verarbeitung der RAF.
Polityka (Polen), 14.11.2008
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Weitere Artikel der Polityka, etwa von Wieslaw Wladyka, Adam Michnik und Adam Krzeminski, sind hier ebenfalls auf Deutsch zu lesen.
New Republic (USA), 03.12.2008
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Adam Kirsch nimmt Slavoj Zizek auseinander. Das ganze Gerede über Gewalt sei nicht so gemeint? Quatsch. Alles nur Ironie? Doppelquatsch. Zizek ist so links, dass er inzwischen bei den Faschisten angekommen ist, meint Kirsch. Den slowenischen Philosophen schert das einen feuchten Kehricht. Kirsch zitiert ihn (pdf, Seite 29): "Um klar und brutal zum Ende zu kommen, es gibt eine Lektion, die man aus Hermann Görings Antwort in den frühen Vierzigern lernen muss, als er von einem fanatischen Nazi gefragt wurde, warum er einen bekannten Juden vor der Deportation bewahrt habe: 'In dieser Stadt entscheide ich, wer ein Jude ist!' ... In dieser Stadt entscheiden wir, was links ist. Lasst uns also die liberalen Klagen über 'Widersprüchlichkeit' einfach ignorieren."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 13.11.2008
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Chronicle (USA), 14.11.2008
Verschwindet der öffentliche Intellektuelle? Unsinn, meint Daniel W. Drezner. Erstens gibt es das Internet und zweitens kommen heute "viele öffentliche Intellektuelle eher aus den Sozial- als aus den Geisteswissenschaften. In Richard Posners berüchtigter Liste der Top-Intellektuellen gibt es zweimal so viel Sozialwissenschaftler wie Professoren aus den Geisteswissenschaften. In einem kürzlichen Ranking, das Foreign Policy veröffentlichte, betrug das Verhältnis zwischen Ökonomen und Politikwissenschaftler einerseits und Künstlern und Schriftstellern andererseits vier zu eins. Wirtschafswissenschaften haben die literarische Kritik als 'universale Methode' der meisten Intellektuellen verdrängt. Vor allem diese Tatsache könnte das starke Gefühl in literarischen Kreisen erklären, der öffentliche Intellektuelle sei tot." ... Früher begannen die Intellektuellen mit literarischer Kritik und wandten sich dann der sozialen Analyse zu. Als Sozialwissenschaftler wie Tyler Cowen oder Richard Posner das Kompliment erwiderten, wurden sie wie Emporkömmlinge oder methodologische Imperialisten behandelt."
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 14.11.2008
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Außerdem erklärt der Historiker Eric Hobsbawm, wie sich die USA ein Beispiel am britischen Empire nehmen können: "Die Briten besetzten und beherrschten einen größeren Teil der Welt und ihrer Bewohner als jeder andere Staat davor und danach, aber sie wussten, dass sie die Weltherrschaft weder ausübten noch ausüben konnten. Deshalb versuchten sie es erst gar nicht. Sie versuchten vielmehr, für so viel Stabilität in der Welt zu sorgen, wie es für ihre eigenen Geschäfte günstig war. Aber sie versuchten nicht, dem Rest der Welt Vorschriften zu machen."
Bookforum (USA), 01.12.2008
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Gazeta Wyborcza (Polen), 15.11.2008
Der ukrainische Schriftsteller Jurij Andruchowytsch macht sich Sorgen. Die innenpolitischen Querelen in seinem Lande erleichtern nicht gerade die Westanbindung, und auch die Europäer bieten der Ukraine wenig an, zum Beispiel in Sachen Visaerleichterungen. Er kommt auch auf Russlands Einfluss zu sprechen: "Die Mehrheit der Ukrainer assoziiert den Nachbarn mit einem höheren Lebensniveau und einem großen Arbeitsmarkt. Dank Öl und Gas ist das BIP viel höher als bei uns. Wir leben auch in einer gemeinsamen medialen Welt mit Russland - trotz des formalen Verbots, russische Fernsehprogramme zu übertragen. Man kann sagen, die durchschnittliche ukrainische Familie lebt mit den Russen in einer gemeinsamen Wohnung. Zwar werden die Ukrainer, die mental in Russland leben, mit der Zeit immer weniger. Aber noch stellen sie über die Hälfte unserer Gesellschaft dar."
In einem fast epischen Gespräch zwischen Adam Michnik und Vaclav Havel kommen alle wichtigen Fragen zur Sprache: vom Prager Frühling, über die gemeinsame Zeit in der antikommunistischen Opposition bis zu den Fehlern der Transformationszeit. Tschechiens Ex-Präsident entpuppt sich auch als Globalisierungskritiker: "Einerseits wird alles immer besser - jede Woche kommt eine neue Handygeneration auf den Markt. Aber um das Gerät zu bedienen, musst du genaue Betriebsanleitungen lesen. So liest du Anleitungen statt Bücher und zur Entspannung schaust du dir im Fernsehen an, wie ein braungebrannter junger Mensch neue Badehosen anpreist. Mit der Entwicklung dieser globalen Konsumzivilisation wächst die Zahl derer, die keine Werte schaffen. Sie sind nur Vermittler, Berater, PR-Agenten. Im Supermarkt hast du zwar eine große Auswahl, aber es ist eine falsche Vielfalt."
In einem fast epischen Gespräch zwischen Adam Michnik und Vaclav Havel kommen alle wichtigen Fragen zur Sprache: vom Prager Frühling, über die gemeinsame Zeit in der antikommunistischen Opposition bis zu den Fehlern der Transformationszeit. Tschechiens Ex-Präsident entpuppt sich auch als Globalisierungskritiker: "Einerseits wird alles immer besser - jede Woche kommt eine neue Handygeneration auf den Markt. Aber um das Gerät zu bedienen, musst du genaue Betriebsanleitungen lesen. So liest du Anleitungen statt Bücher und zur Entspannung schaust du dir im Fernsehen an, wie ein braungebrannter junger Mensch neue Badehosen anpreist. Mit der Entwicklung dieser globalen Konsumzivilisation wächst die Zahl derer, die keine Werte schaffen. Sie sind nur Vermittler, Berater, PR-Agenten. Im Supermarkt hast du zwar eine große Auswahl, aber es ist eine falsche Vielfalt."
New Yorker (USA), 24.11.2008
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Calvin Trillin verrät, wo es das beste texanische BBQ der Welt gibt. Und James Surowiecki erklärt, wie es zur aktuellen Lebensmittelkrise kam.
Weiteres: Peter J. Boyer beschreibt die "Anatomie einer Zwangsvollstreckung" in Ohio als Folge der Finanzkrise. John Lahr porträtiert den amerikanischen Bühnen- und Drehbuchautor David Rabe. Peter Schjeldahl berichtet von der New Orleans Biennale. Besprochen wird das neue Album von Pink, Anthony Lane sah im Kino die Liebeskomödie "Slumdog Millionaire" von Danny Boyle und "A Christmas Tale" ("Un conte de Noel") von Arnaud Desplechin. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Ghosts" von Edwidge Danticat und Lyrik von Rita Dove und Charles Simic.
London Review of Books (UK), 20.11.2008
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Weitere Artikel: Der Schriftsteller und Chefredakteur von n+1 Keith Gessen, der mit seiner Großmutter in Moskau lebt, schildert, wie die Finanzkrise nun Russland erreicht. Michael Wood hat insgesamt, wenngleich nicht immer im Detail, fasziniert die Edition von Franz Kafkas während seiner beruflichen Tätigkeit für eine Prager Versicherung angefertigten Schriften gelesen. Besprochen werden unter anderem zwei CDs mit Audio-Aufnahmen britischer Autoren - Andrew O'Hagan ist schockiert zu hören, dass Arthur Conan Doyle so ganz und gar nach Gordon Brown klingt. In einer Online-Vorabveröffentlichung schreibt der Autor Tim Parks über "Gomorra", das Buch - das ihn überzeugt hat -, und über "Gomorra", den Film - der ihn enttäuscht.
Espresso (Italien), 14.11.2008
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Magyar Narancs (Ungarn), 13.11.2008
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New York Times (USA), 16.11.2008
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Economist (UK), 13.11.2008
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Weitere Artikel: Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass die Menschen, die Werbung auf ihren Videorekorder-Aufzeichnungen schnell vorspulen, diese in Wahrheit viel genauer betrachten, als diejenigen, die sich in Normalgeschwindigkeit ansehen. In unzweideutigen Worten erklärt ein Artikel, dass Jerry Yang schleunigst als Chef der von ihm gegründeten, in eine schwere Krise geratenen Firma "Yahoo" zurücktreten muss, bevor alles zu spät ist. (Update 18.11.: Inzwischen ist sein Rückzug erfolgt.) Besprochen werden unter anderem Sara Maitlands "Buch der Stille" und Stewart O'Nans neuer Roman "Songs for the Missing".
Ein Nachruf ist der südafrikanischen Sängerin Miriam Makeba gewidmet.
Nouvel Observateur (Frankreich), 13.11.2008
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Spectator (UK), 15.11.2008
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HVG (Ungarn), 15.11.2008
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New York Review of Books (USA), 04.12.2008
Mark Danner denkt über den Skandal nach, der nie endet, der aus einer politischen Realität - Irakkrieg oder Folter - eine kommerzielle Tatsache macht, weil endlos darüber berichtet wird, ohne dass sich Konsequenzen aus dem Skandal abzeichnen würden. "'Sie haben bemerkenswerte Unabhängigkeit in einigen Schlüsselfragen gezeigt', sagte Barack Obama in der dritten Debatte zu John McCain, 'Folter zum Beispiel.' Folter hat sich den letzten Jahren von einem abscheulichen Kriegsverbrechen in eine 'Schlüsselfrage' verwandelt. Von etwas, das durch internationale Abkommen verboten und von nationalem Recht verurteilt wurde, in etwas, das man debattieren kann. In etwas, bei dem man auf der einen oder anderen Seite stehen kann. In etwas, mit dem wir leben können. Die Geschichte, wie es dazu kam, ist lang und kompliziert, aber eins ist sicher: es lag nicht an mangelnder Aufklärung."
Außerdem: Ian Buruma schreibt über die gerade zu Ende gegangene Kirchner-Ausstellung im MoMA. George Soros macht Vorschläge, was in der Finanzkrise zu tun ist. Nachgedruckt ist ein Interview, das der israelische Premierminister Ehud Olmert der Tageszeitung Yedioth Ahronoth gab. Besprochen werden einige Bücher über den Irak, Bücher von Paul Auster und Sue Halperns Buch "Can't Remember What I Forgot: The Good News from the Front Lines of Memory Research".
Außerdem: Ian Buruma schreibt über die gerade zu Ende gegangene Kirchner-Ausstellung im MoMA. George Soros macht Vorschläge, was in der Finanzkrise zu tun ist. Nachgedruckt ist ein Interview, das der israelische Premierminister Ehud Olmert der Tageszeitung Yedioth Ahronoth gab. Besprochen werden einige Bücher über den Irak, Bücher von Paul Auster und Sue Halperns Buch "Can't Remember What I Forgot: The Good News from the Front Lines of Memory Research".
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