Immer stärker werden die Konvulsionen des
amerikanischen Rassismus-Diskurses, der ja schon dazu geführt hat, dass auch hierzulande wieder unbedarft von Rassen gesprochen wird. Tim Whitmarsh
warnt jetzt davor, rassische Kategorien auch dem Denken des antiken Griechenlands überzustülpen. Die Marmorstatuen waren nicht weiß, und
Homer hat nicht in Schwarz und Weiß gedacht, selbst wenn er
Achill dunkel nennt. "Einen Griechen
weiß zu nennen, bedeutete, ihn zu effiminieren. Und
Odysseus, umgekehrt, als
schwarz zu beschreiben, hieß, ihn mit dem rauen Outdoor-Leben zu assoziieren, das er auf dem felsigen Ithaka verbrachte. Zu fragen, ob Achill und Odysseus weiß oder schwarz waren, hieße, Homer falsch zu verstehen. Seine farblichen Begriffe sollen Menschen nicht in rassische Kategorien einteilen, sondern sie
als Individuen charakterisieren, seine subtilen poetischen Assoziationen verflüchtigen sich, wenn wir
blond durch
braun ersetzen,
gebräunt durch
schwarz (oder umgekehrt). Für die Griechen war die Welt einfach nicht in Schwarz und Weiß geteilt. Das ist eine bizarre Idee der modernen westlichen Welt, ein Produkt vieler verschiedener historischer Kräfte, vor allem des transatlantischen Sklavenhandels und der kruderen Aspekte der Rassentheorie des 19. Jahrhunderts. In Rom oder Athen sprach niemand von schwarzen oder weißen Völkern. Griechen bemerkten zwar eine unterschiedliche Schattierung in der Pigmentierung, und sie unterschieden sich selbst von den dunkleren Völkern Afrikas und Indien, manchmal auch in aggressiven, abwertenden Begriffen, die wir heute rassistisch nennen würden; aber sie unterschieden sich selbst
auch von den helleren Völkern des Nordens. Die Griechen dachten von sich selbst nicht als weiß." Und wenn, dann waren die anderen höchstens Barbaren!