Vorgeblättert

Muhammad al-Bissati: Häuser hinter den Bäumen. Teil 2

10.02.2005.
Grosser Lärm auf der Strasse. Er bahnt sich seinen Weg durch die Menge. Das Messer baumelt an seiner Hüfte. Neben ihm geht Antar. Gross und sehr mager. Wenn es eng wird in der Menge, neigt sich Antar und hält sich dicht an ihn. Sie bleiben einen Augenblick stehen. Antar scheint erschreckt. Er streckt seine Arme aus, als wollte er die Leute fernhalten. Mussaads hartnäckiges Schweigen jagt ihm Angst ein, ebenso sein entschlossener Blick. In seinem Schrecken bemüht er sich, ihm vorauszueilen. Er leistet mit seinem grossen Körper der Menge nach links und nach rechts Widerstand. Doch seine heftigen Bewegungen scheinen Mussaad zu stören. Für einen Augenblick zeigt sich ein Hauch von Unwillen auf seiner Stirn und verschwindet dann wieder. Ströme von Schweiss nässen sein Gesicht. Die Sonne ist auf dem Weg zu ihrem höchsten Punkt am Himmel. Die Schatten auf beiden Seiten schrumpfen. Auf dem Markt wimmelt es von Gottes Geschöpfen. Sie kommen und gehen. Karren verstopfen die Strasse. Wenn ein Pferd pinkelt, heben die Männer ihre Gallabija und treten zur Seite. Viele stammen von den Gutsweilern, und er kennt sie nicht. Die Inhaber der Läden entlang der Strasse halten bei ihrer Arbeit inne, wenn sie ihn erblicken. Sie schieben ihre Kunden zur Seite und strecken ihre Köpfe nach draussen. Er geht, ohne sich nach rechts oder links zu wenden, direkt zu Barakats Laden.

2

Amina warf ihren Umhang beiseite und öffnete die Tür des Hinterzimmers. In der Dunkelheit sah sie nichts. Sie spuckte in die Richtung, aus der das schwere Keuchen kam. Dann schloss sie die Tür wieder. Ihr Mann fiel ihr ein, der immer noch mit dem Esel vor der Tür stand. Sie holte ihn herein und führte den Esel in den Stall. Im Hof blieb sie stehen und schaute sich um.

Als sie die Nachricht von ihrem Bruder erhalten hatte, war sie überrascht und beängstigt gewesen. Seit seiner zweiten Heirat hatte sie sein Haus nicht mehr betreten. Nun hatte sie die Kinder zuhause gelassen und war mit ihrem Mann gekommen. Sie wanderte durch die Räume des Hauses, verweilte lange im Schlafzimmer und stieg dann auf die Dachterrasse hinauf. Sie warf nochmals einen Blick in das Viehgehege und ging zurück ins Schlafzimmer. Dort breitete sie ein Bettlaken auf dem Boden aus und holte alle Kleider Saadijas aus dem Schrank, sammelte die Parfümfläschchen von der Kommode.

Ihr Mann kam und setzte sich auf die Schwelle. Sie zeigte ihm mit verzogenem Mund einige Stücke Unterwäsche, dann warf sie sie auf das Laken. Sie öffnete die Schubladen und holte Perlenketten und Strümpfe heraus. Schliesslich wickelte sie das Laken zusammen und hielt es ihrem Mann hin.

"Soll ich heut nacht hierbleiben?" fragte er.

Sie schaute ihn einen Augenblick an und legte dann das Bündel in die Zimmerecke.

Als sie in einem Topf neben dem Herd gesottenes Fleisch fand, setzte sie sich mit ihrem Mann in den Hof, und gemeinsam nahmen sie das Abendessen zu sich. Sie legte ihm die fettesten Stücke hin.

"Wir hätten die Kinder mitbringen sollen", sagte sie.

"Du hast gesagt, wir sollten sie zuhause lassen." "

Ja, ja. Du kannst morgen früh gehen und sie holen."

Er warf ein paar verstohlene Blicke auf die verschlossene Tür des Hinterzimmers. Nach dem Abendessen ging er zum Schlafzimmer, doch seine Frau hielt ihn an seiner Gallabija zurück. Also ging er zum Aussenhof und legte sich auf die Steinbank. Sie selbst richtete sich vor der verschlossenen Tür ein Lager.

"Seine Weisheit", sagte sie. "An ihrem Hochzeitstag hat er mich kommen lassen, und nun auch an ihrem Todestag." Sie schwieg einen Augenblick und dachte über den seltsamen Zufall nach. "Und beide Male hast du mich hierhergebracht", fügte sie hinzu.

Sie starrte eine Weile auf den Lehmboden des Hofes. Dann stand sie wortlos auf, ging ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett.

Von Mussaads Haus gelangte man hinten auf einen Platz, der auf die Felder führte. Auf diesem Platz standen eine alte Palme und die Reste einer Wasserpumpe. Jahre zuvor, bevor das Wasser in Rohren ins Dorf kam, war der Platz grösser, und um die Pumpe drängten sich den ganzen Tag Frauen und nackte Kinder.

Mussaads erste Frau sass allemal auf der Schwelle der hinteren Tür, in Gesellschaft von zwei oder drei anderen Frauen, die darauf warteten, beim Wasserschöpfen an die Reihe zu kommen. Währenddessen halfen sie, das Haus zu fegen oder die Wäsche zu waschen. Die Tür war immer weit offen. Sie gingen ein und aus. Oft war Mussaad, wenn sie während des Mittagsschlafs herumschrien, mit einem Stecken zu ihnen hinausgerannt, nur mit Hose und Weste bekleidet. Dann liefen sie weg und liessen ihre Behältnisse bei der Pumpe stehen, und Mussaad trat mit dem Fuss dagegen und verfluchte ihre Väter und ihre Männer. Dann ging er zurück, um seine Mittagsruhe wieder aufzunehmen. Die Frauen blieben am Rande des Platzes stehen. Man hörte keinen Laut, bis Mussaads Frau ihnen mit einem Zeichen andeutete, er sei wieder eingeschlafen. Daraufhin schlichen sie zurück zur Pumpe.

Nachdem man Wasserrohre in die Häuser verlegt hatte, beruhigte sich das Treiben bei der Pumpe etwas. Eines Nachts ging Mussaad hinaus, hackte den Boden auf und füllte den Brunnen mit Sand und Erde. Einige Tage später errichtete er am Eingang der Gasse, die den Platz mit der Marktgasse verband, eine Barrikade. Danach kam niemand mehr. Zwei Monate später zog er von seinem Haus bis zur Mitte des Platzes eine Mauer. Als sich niemand beschwerte, tat er dasselbe von der anderen Seite her, schloss das Areal und überdachte die Hälfte davon. Als das Viehgehege fertig war, verstiess er seine erste Frau. Sie hatte zu sagen gewagt, er habe Regierungsland gestohlen. Eine Stunde bevor er die Scheidung aussprach, stand sie, nachdem er sie verdroschen hatte, vor der Tür und schrie nach rechts und nach links, sie werde der Regierung von seinem Diebstahl erzählen. Auch an jenem Tag war er aus dem Haus verschwunden und hatte nach seiner Schwester geschickt, die mit ihrem Mann kam. Als die Frau sich weigerte, das Haus zu verlassen, löste Amina das Problem, indem sie die Kleider ihrer Schwägerin durch die offene Tür hinaus auf die Strasse warf. Diese eilte, die verstreuten Kleidungsstücke zusammenzulesen, während Amina dastand und sich lautstark die Hände abklopfte. Danach ging sie hinein und schloss die Tür hinter sich. Doch dann öffnete sie sie noch einmal einen Spalt und nannte ihre Schwägerin unfruchtbar.

Da sprang die so Beschimpfte auf, stellte sich mitten auf die Strasse, entblösste ihre Schenkel und schrie: "Ich? Ich, Amina? Ich soll schuld sein?"

Gleich darauf setzte sie sich vor die verschlossene Tür, raufte sich die Haare und brach in Tränen aus.

Teil 3