Heute in den Feuilletons

Die ganze Welt im Angebot

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
30.10.2012. Hurrikan in der Bücherbranche: die Medien kommentieren jetzt breit den Zusammenschluss von Random House und Penguin. Ob's für die Autoren gut ist, bezweifeln in der Welt Literaturagenten. Rüdiger Wischenbart rückt im Perlentaucher die Proportionen zurecht: Der neue Gigant ist fünfzehnmal kleiner als Amazon. Die FAZ fragt: Und was ist, wenn die Einsamen in den Städten auf den Gemälden Edward Hoppers glücklich sind? Von Sandy kursieren eine Menge Fotos. Manche davon sind echt. Wir setzen die richtigen Links. 

Welt, 30.10.2012

Wenn jetzt noch die Kartellbehörden zustimmen, steht dem neuen Megaverlag Random Penguin nichts mehr im Wege. Die komplette englische Literaturgeschichte liegt dann "zu 53 Prozent bei Bertelsmann in Gütersloh", schreibt Wieland Freund. "Und der erste amerikanische Literaturagent hat sich auch prompt beschwert: 'NICHT gut für Autoren', zitiert ihn die New York Times. Der neue Konzern würde ein Viertel des amerikanischen Buchmarkts kontrollieren: Agenten dürfte es schwerer fallen, einen zünftigen Bieterwettstreit zu entfachen; Autoren dürften schneller die Alternativen ausgehen; der Weg vom Regen in die Traufe ist noch ein bisschen kürzer als bisher." (Bloomsberg hat begeisterte Reaktionen von Wirtschaftsanalysten und weniger begeisterte von Literaturagenten zusammengestellt.)

Außerdem: Eckhard Fuhr unterhält sich mit Ulrich Tukur über dessen Rolle als Rommel in Niki Steins gleichnamigem Fernsehfilm. Richard Kämmerlings verlangt es nach Lektüre des sinistren Suhrkamp-Frühjahrskatalogs nach einem kräftigenden Glühwein. Nazis und RAF, resümiert Hanns-Georg Rodek die 46. Filmtage in Hof.

Besprochen werden Martin Kušejs Inszenierung der "Hedda Gabler" am Münchner Residenztheater und die Uraufführung von Scartazzinis Oper "Der Sandmann" in Basel.

Weitere Medien, 30.10.2012

(Via Matthias Rascher) Noch blicken die Medien atemlos aufs Geschehen, da untersucht Alexis Madrigal im Atlantic schon die Fotos, die zu Sandy publiziert werden und ordnet sie nach "Fake" und "Real". Ein blog im Wall Street Journal bringt unterdes authentische Schnappschüsse von Sandy. Und weitere Fotos nochmals im Atlantic.
Stichwörter: Wall Street Journal

Perlentaucher, 30.10.2012

Angesichts des Zusammenschlusses von Random House und Penguin rückt Rüdiger Wischenbart im Perlentaucher die Proportionen zurecht: "Der künftige Megaverlag wird einen Jahresumsatz von rund 2,5 Milliarden Euro machen. Der Online Buchhändler - und mit Abstand wichtigste Vertriebspartner der Verlage - Amazon bringt es mit 37 Milliarden auf das 15-fache. Die Börsenbewertung von Amazon von etwa 90 Milliarden Euro liegt etwas höher als die geschätzten Umsätze aller Verlage weltweit addiert."
Stichwörter: Amazon, Penguin

NZZ, 30.10.2012

Ziemlich scheußlich findet Christian Saehrendt, was Chinas Kulturpolitik in Kassel als Documenta-Nachklapp präsentiert: "Doch ungeachtet der etwas merkwürdigen, allzu diskreten Anbahnung dieses kulturpolitischen Projekts stellt sich die Frage nach der künstlerischen Qualität der Arbeiten. Die Schau bietet einen gefälligen Mix aus glänzenden Oberflächen, Materialspielereien und optischen Verblüffungseffekten."

Weiteres: Markus Bauer berichtet von drohenden, parteipolitisch motivierten Personalrochaden bei den rumänischen Kulturinstituten. Joachim Günter besuchte die Tagung der Deutschen Akademie.

Auf der Medienseite widmet sich Rainer Stadler noch einmal dem traurigen Niedergang der Basler Zeitung.

Besprochen werden Christoph Ransmayrs Reisebuch "Atlas eines ängstlichen Mannes", Julian Barnes' Erzählungen "Unbefugtes Betreten" und Harald Weinrichs Schrift "Über das Haben" (mehr ab 15 Uhr in unserer Bücherschau des Tages).

Aus den Blogs, 30.10.2012

Steve Jobs' Yacht ist fertig, meldet das Designblog Dezeen, wenn auch ein bisschen spät für den Besitzer. Die Inneneinrichtung ist von Philippe Starck. Auf Twitter gilt der Hashtag iTanic.

FAZ, 30.10.2012

Sind die Menschen auf Edward Hoppers Bildern unglücklich, wie immer wieder behauptet wird? Niklas Maak wehrt sich gegen den "Befund der Melancholie", nachdem er in der großen Pariser Ausstellung Bilder wie "Eleven A.M." wiedergesehen hat, in dem eine nackte Frau aus dem Fenster schaut: "Mit paternalistischer Sicherheit wird freudig über das Innenleben der Dargestellten Auskunft gegeben und gleichzeitig angedeutet, dass es sich um eine bemitleidenswerte Frau handele, weil sie um elf Uhr morgens keinen Ehemann bei sich führt - und keine Wäsche, die sie vor einem ordnungsgemäßen Einfamilienhaus auf die Leine hängen kann. Es könnte aber ebenso gut sein, dass diese Gemälde glückliche Frauen zeigen - glücklich, weil sie all das nicht haben."

Weitere Artikel: Mark Siemons fragt anlässlich der Enthüllungen der New York Times über den chinesischen Premierminister Wen Jiabao (Links hier), ob sich westliche Medien von Fraktionen der chinesischen Politik manipulieren lassen. Laut Paul Ingendaay positioniert sich der spanische Thronfolger Felipe immer stärker als der demnächst ins Amt tretende Monarch. Sven Beckstette schreibt zum Tod des Soulmusikers Terry Callier.

Besprochen werden Filme der Hofer Filmtage, Ereignisse des Deutschen Jazzfestivals in Frankfurt, Stücke von Franz Xaver Kroetz und Stephan Kaluza, im Dopplepack inszeniert von Stephan Kimmig, in Stuttgart und Jörg Widmanns und Peter Sloterdijks Oper "Babylon" in München, bei der sich Eleonore Büning zumindest nicht gelangweilt hat, außerdem Bücher, darunter Xavier Sebastians Roman "Der Radfahrer von Tschernobyl" (mehr in der Bücherschau ab 14 Uhr).

Aus den Blogs, 30.10.2012

Hurricane Sandy hat zugeschlagen, aber wie! Auf BoingBoing amüsiert sich Xeni Jardin enorm: "Hurricane Sandy has achieved what Anonymous could not: the ultimate pop culture publishing blackout trifecta. From tweets by those affected, looks like the culprit was a Sandy-caused power outage in Lower Manhattan, where Buzzfeed, HuffPo, and the Gawker network of sites all have data centers. Backup power is on the way. Kids, the internet isn't dead, this is just what it looked like in 2003!"

TAZ, 30.10.2012

Jörg Sundermeier, Gründer des Verbrecher Verlags, informiert auf den vorderen Seiten über die geplante Fusion von Random House und Penguin Books, die den künftigen Riesenverlag zum weltweiten Branchenführer vor der derzeitigen Nummer eins Hachette Livres machen würde: "Die Fusion ist eine Reaktion auf den gewandelten Buchmarkt: Mit Google oder Amazon sind neue Konkurrenten entstanden, die aggressiv und mit viel Geld die bisherigen Verlage und ihre veralteten Geschäftsmodelle bedrängen. Da müssen sich selbst die Branchenriesen arrangieren. Hachette Livre hat vor 14 Monaten eine Kooperation mit Google beschlossen. Andere wollen mit Amazon neue Absatzmärkte erschließen. Wie sich der neue Superverlag dazu verhält, ist noch nicht abzusehen."

In einem zweiten Artikel erklärt Sundermeier, dass die deutsche Random-House-Sparte von dem Handel ausgeschlossen bleibt.

In der Kultur berichtet Christoph Zimmermann von einer Tagung zur Beschneidung, mit der in Köln die "Akademie der Künste der Welt" eröffnet wurde und die das Thema vor allem gendertheoretisch anging: "So wird weibliche Beschneidung, darauf verwies der Rechtswissenschaftler Michael Thomson, in den Kategorien der Menschenrechte und ihrer negativen Folgen diskutiert. Bei ihrem männlichen Pendant sei es umgekehrt."

Außerdem: Najem Wali betrachtet in seiner Kolumne "Südpost" Versuche mit Unbehagen, Kafka zu vereinnahmen. Barbara Schweizerhof hat tatsächlich "so etwas wie Tiefe" beim neuen James-Bond-Film "Skyfall" erlebt. Rudolf Walther war bei den Römerberggesprächen zum Thema Überforderung. Klaus Bittermann liest Mordecai Richlers Roman "Wie Barney es sieht" (siehe auch unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

SZ, 30.10.2012

Dass durch die Fusion von Bertelsmann und Penguin (mehr) eine Art monomanischer Über-Verlag für Blockbuster-Literatur entstehen wird, will Johan Schloemann nicht ohne weiteres glauben: Zum einen hält er auch manchem populären Schriftsteller zu Gute, Literatur von Rang schreiben zu können, zum anderen verkaufen beide Häuser ohnehin schon in allen Marktsegmenten vom Kochbuch bis zum bibliophilen Druck für Connaisseure: Dahinter steckt "eine Diversifizierungsstrategie, die nicht mehr allein mit der guten alten Querfinanzierung von Liebhaberprojekten durch Beststeller erklärt werden kann. Vielmehr nähern sich die Verlagsriesen damit dem Anspruch von Internetfirmen wie Google an: tendenziell die ganze Welt im Angebot zu haben."

Auf der Seite 2 der SZ weiß Hans-Jürgen Jakobs, dass die geplante Fusion vor allem auch die Bewältigung des in den USA rasant wachsenden E-Book-Markts zum Zweck haben soll: "Auch die größte Bibliophilie kapituliert irgendwann vor der Leichtigkeit des digitalen Seins."

Weitere Artikel: Laura Weissmüller erlebt bei der ersten Istanbuler Design-Biennale eine Stadt, die sich mit ambitionierten Neubauprojekten zum großen Teil neu erfinden will. Rundum begeistert berichtet Alex Rühle über die Eröffnung der Akademie der Künste der Welt in Köln: "Gut, dass es diesen Laden ab sofort gibt." Peter Münch besucht den neuen Archäologiepark in Jerusalem. Rainer Gansera berichtet von den Hofer Filmtagen. Katharina Wagner wird nun endgültig nicht am Teatro Colón inszenieren, meldet Peter Burghardt. Andrian Kreye schreibt den Nachruf auf den Sänger Terry Callier.

Besprochen werden der neue James-Bond-Film "Skyfall", der Tobias Kniebe ganz außerordentlich gut gefällt, eine Ausstellung über "Munch, Matisse und die Expressionisten" im Museum Folkwang in Essen, Dea Lohers "Am Schwarzen See" am Deutschen Theater in Berlin und Bücher, darunter Ulrich Becks "Das deutsche Europa" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).