Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
18.10.2004. Die London Review beklagt den kulturellen Niedergang der Arbeiterklasse. Der Spiegel findet mit Blick auf Opel, dass es auf der Arbeitgeberseite auch nicht besser aussieht. Das Times Literary Supplement setzt dagegen auf die Gewerkschaften. Im Espresso prangert Naomi Klein die wirtschaftlichen Interessen amerikanischer Irak-Diplomaten an. In der New York Review of Books geben Ian Buruma, Michael Ignatieff, Norman Mailer u.a. eine Wahlempfehlung für Kerry. In ES erklärt Peter Esterhazy, warum er auf Ungarisch schreibt. Le Point veröffentlicht ein letztes Interview mit Jacques Derrida. Der Economist bewundert Anmut und Schärfe der französischen Islamismusforschung. Die Gazeta Wyborcza prophezeit den Untergang Lukaschenkos.
London Review of Books (UK), 21.10.2004
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Weitere Artikel: Schluss mit der Philosophie im Lehnstuhl fordert Jerry Fodor nach der Lektüre von Christopher Hughes' Buch "Kripke: Name, Necessity and Identity" und liefert den Beweis, dass Saul Kripke (mehr hier und hier) die Philosophie des 20. Jahrhunderts nicht etwa revolutioniert hat, sondern mit seinem Begriff der "metaphysischen Notwendigkeit" nur einen Schleichweg über andere, mögliche Welten gegangen ist. Hilary Mantel hat verschiedene Bücher über Frauenschicksale in Ghana gelesen (zwei Bücher von John Chernoff - "Hustling Is Not Stealing: Stories of an African Bar Girl" und "Exchange Is Not Robbery: More Stories of an African Bar Girl" - und Chimamanda Ngozi Adichies "Purple Hibiscus") und schätzt es, dass Adichie - im Gegensatz zu Chernoff - nicht über die tatsächliche Opferposition der Frau hinwegtäuschen will. Für Nicholas Penny handelt es sich bei der Ausstellung "The Age of Titian" in der Royal Scottish Academy um das Beste, was seit Jahren aus dieser Epoche zu sehen war. Und Thomas Jones liebt es, wie Bob Dylan in seinen "Chronicles" über seine musikalischen Helden schreibt. Zum Beispiel Roy Orbison: "Bei ihm ging es eigentlich nur um Fett und Blut? Auf einmal sang er seine Stücke in drei oder vier verschiedenen Oktaven, so dass man am liebsten mit dem Auto über die nächste Klippe gerast wäre. Er sang wie ein Berufsgangster."
Espresso (Italien), 22.10.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A9046/espresso.jpg)
In seiner Bustina frönt Umberto Eco der politischen Philologie und dekliniert Begriffe wie Widerstand, Terrorismus oder Bürgerkrieg durch. "Die Tragödie im Irak ist nun, das hier von allem ein bisschen ist; es kann passieren, dass eine Gruppe Widerständler terroristische Methoden benutzt oder dass Terroristen, denen es nicht reicht, Ausländer zu jagen, sich wie Widerständler gebärden. Das kompliziert die Sache, aber sich einfach zu weigern, die technisch korrekten Termini zu benutzen, macht alles nur noch unübersichtlicher."
Ansonsten stellt Monica Maggi die Frankfurter Buchmesse vor, deren arabischer Schwerpunkt sie weniger, die zahlreichen Neuerscheinungen aus der "pikanten Literatur" sie aber umso mehr interessieren. Jacaranda Caracciolo Falck preist den neuen Restaurantführer des Espresso an, für den 15.000 Flaschen geöffnet und 2.000 Küchen getestet wurden. Aus Hollywood schwappt eine cineastische Sportwelle heran, erkennt schließlich Cesare Balbo.
New York Review of Books (USA), 04.11.2004
Die New York Review of Books bringt eine Sonderausgabe zu den amerikanischen Wahlen. Eine illustre Liste von Autoren - von Ian Buruma über Michael Ignatieff bis Norman Mailer - gibt im Aufmacher ihre Wahlempfehlung für John Kerry.
Gewohnt gründlich bearbeitet der Historiker Tony Judt den Themenkomplex American Empire, Irak, Bush oder Kerry: "Die Herausforderung, vor der amerikanische Wähler nun stehen, ist nicht, einen Präsidenten zu finden, der die Welt davon überzeugt, dass die USA kein Imperium sind - oder wenn es denn eines ist, dass seine Absichten ehrenvoll sind. Diese Debatte ist verloren und geht am entscheidenden Punkt vorbei. Es geht auch nicht darum zu entscheiden, ob man lieber geliebt oder gefürchtet wird. Dank der amerikanischen Performance im Irak und unserer Unfähigkeit, einen Krieg zu planen - von zweien gar nicht zu reden - werden wir weder geliebt noch gefürchtet. Wir haben die Welt in Schock versetzt, das ja, aber nicht in Schrecken. Und trotzdem ist die Wahl von 2004 die folgenreichste seit 1932, wenn nicht gar seit 1860. Ist John Kerry der richtige Mann zur richtigen Zeit? Ich bezweifle es. Begreift er das ganze Ausmaß von Amerikas Krise? Ich bin nicht sicher. Absolut sicher aber ist, dass Bush es nicht tut."
Joseph Lelyveld attestiert nach einem Ausflug in den "Battleground State" Wisconsin Bushs Wahlkampfteam Bestform. William Dalrymple bespricht eine Reihe von Neuerscheinungen über den Islam, darunter Bernard Lewis' Band "From Babel to Dragomans", der tatsächlich witzig, verspielt und unglaublich lehrreich seien - überhaupt nicht zu vergleichen mit Lewis' Polemiken gegen die Araber, die angeblich "nur die Sprache der Gewalt verstehen". Als Gegenlektüre empfiehlt er vorsichtshalber trotzdem Richard Fletchers Buch "The Cross and the Crescent", das die christlich-islamische Geschichte als eine der "gegenseitigen kulturellen Befruchtung" schildert.
Gewohnt gründlich bearbeitet der Historiker Tony Judt den Themenkomplex American Empire, Irak, Bush oder Kerry: "Die Herausforderung, vor der amerikanische Wähler nun stehen, ist nicht, einen Präsidenten zu finden, der die Welt davon überzeugt, dass die USA kein Imperium sind - oder wenn es denn eines ist, dass seine Absichten ehrenvoll sind. Diese Debatte ist verloren und geht am entscheidenden Punkt vorbei. Es geht auch nicht darum zu entscheiden, ob man lieber geliebt oder gefürchtet wird. Dank der amerikanischen Performance im Irak und unserer Unfähigkeit, einen Krieg zu planen - von zweien gar nicht zu reden - werden wir weder geliebt noch gefürchtet. Wir haben die Welt in Schock versetzt, das ja, aber nicht in Schrecken. Und trotzdem ist die Wahl von 2004 die folgenreichste seit 1932, wenn nicht gar seit 1860. Ist John Kerry der richtige Mann zur richtigen Zeit? Ich bezweifle es. Begreift er das ganze Ausmaß von Amerikas Krise? Ich bin nicht sicher. Absolut sicher aber ist, dass Bush es nicht tut."
Joseph Lelyveld attestiert nach einem Ausflug in den "Battleground State" Wisconsin Bushs Wahlkampfteam Bestform. William Dalrymple bespricht eine Reihe von Neuerscheinungen über den Islam, darunter Bernard Lewis' Band "From Babel to Dragomans", der tatsächlich witzig, verspielt und unglaublich lehrreich seien - überhaupt nicht zu vergleichen mit Lewis' Polemiken gegen die Araber, die angeblich "nur die Sprache der Gewalt verstehen". Als Gegenlektüre empfiehlt er vorsichtshalber trotzdem Richard Fletchers Buch "The Cross and the Crescent", das die christlich-islamische Geschichte als eine der "gegenseitigen kulturellen Befruchtung" schildert.
New Yorker (USA), 25.10.2004
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Weiteres: David Grann porträtiert den Washingtoner Journalisten und Politikchef der ABC News, Mark Halperin ("Insider der Insider der Insider"), und seinen jüngst auf der Website von ABC News installierten politischen Nachrichtenüberblick "The Note" ("in einem raunenden Jargon geschrieben, der für Außenseiter oft unverständlich ist"). Dana Goodyear erzählt die Hintergründe einer gerichtlichen Auseinandersetzung um mehrere Bilder von Gustav Klimt, darunter das berühmte Porträt "Adele Bloch-Bauer I"; deren Nichte, eine vor den Nazis in die USA gefüchtete Jüdin, klagt gegen den österreichischen Staat auf Rückgabe der Werke. In einer Glosse kündigt Mark Singer an, in Rente zu gehen. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Old Friends" von Thomas McGuane.
Malcolm Gladwell bespricht eine Studie über die Macht und Preispolitik der amerikanischen Pharmaindustrie ("The Truth About the Drug Companies: How They Deceive Us and What to Do About It", Random House). Die Kurzbesprechungen streifen unter anderem den ersten Band von Bob Dylans Erinnerungen.
Dass das Büro nebst des darin arbeitenden Personals in der Tat zunehmend zum literarischen und filmischen Topos werden, belegt auch die BBC-Fernsehserie "The Office", der Nancy Franklin bescheinigt einfach perfekt zu sein. John Lahr sah im Theater "Reckless" von Craig Lucas und Shakespeares "Richard III". Alex Ross bespricht eine Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" an der Metropolitan Opera. Und David Denby ist begeistert von "Sideways", den neuen Film von Alexander Payne ("About Schmidt").
Nur in der Printausgabe: eine Reportage über Altersarmut, ein Porträt des englischen Schriftsstellers Michael Frayn und Lyrik von Seamus Heaney, Wislawa Szymborska und Jack Gilbert.
Point (Frankreich), 18.10.2004
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In fünfzehn Punkten erklärt Bernard-Henri Levy in seiner Kolumne, was von Derrida bleiben wird. Punkt 8: "Für jene, die wie ich das Privileg hatten, ihn nicht nur zu lesen, sondern auch zu hören und in seiner Gegenwart lesen zu lernen, bleibt von Derrida die Geringschätzung der Philosophien der Unmittelbarkeit: Oh! der Bann, den er über das Denken der Intuition, der Verschmelzung mit dem Wahren, des gesunden Menschenverstands verhängt hat."
Elet es Irodalom (Ungarn), 08.10.2004
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Spiegel (Deutschland), 18.10.2004
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Fünf verschiedene Vorstandschefs haben sich in den letzten sechs Jahren bei Opel abgewechselt. Darauf angesprochen meint Henderson im Interview: "So häufige Wechsel sind sicher nicht positiv. Aber es war, wie es war."
Außerdem: Im Kulturteil gibt's ein Interview mit Tom Waits. Nur im Print: ein Interview mit Wilhelm Genazino über "Bettszenen in der Literatur", und der dritte Teil einer Serie über China. Der Titel ist dem Machtkampf Angela Merkels gewidmet.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 14.10.2004
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Weitere Artikel: Nach dem Anschlag in Sinai stellt Ibrahim Nafie eine Betrachtung über den globalen Charakter des Terrorismus an. Das heißt: Niemand kann so tun, als ginge es ihn nichts an, und niemand kann so tun, als ginge es ihn allein etwas an. Kamil Mahdi berichtet von der Gefahr, die der Altstadt von Najaf, einer der wichtigsten historischen Kulturstätten der arabischen Welt, droht - paradoxerweise durch amerikanische Wiederaufbaupläne. Und Frederick Bowie berichtet, was die akademischen Hochkaräter - Stuart Hall, Benita Parry, Ella Shohat und andere - auf einer Londoner Tagung zum Vermächtnis von Edward Said besprachen.
Outlook India (Indien), 25.10.2004
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Und zweimal ein Blick voraus auf die US-Wahlen: In der Titelgeschichte fragt sich Seema Sirohi, ob Bush oder Kerry besser für Indien wären, während Gita Mehta mit Blick auf die voraussichtlich niedrige Wahlbeteiligung darauf hinweist, wie ironisch es ist, dass es einem Großteil der Amerikaner an grundsätzlichem Demokratieverständnis mangelt - sie vertraut aber auf die Selbstheilungskräfte der Nation. Und was die Frage ihrer Kollegin angeht: "Die am wenigsten paranoide amerikanische Führerfigur ist die beste für Indien."
Monde des livres (Frankreich), 15.10.2004
Die Beilage von Le Monde konzentriert sich in dieser Woche auf die amerikanische Literatur, aus mehr als einem Anlass. Der eine ist das Festival von Aix-en-Provence, das unter dem Motto "L'autre Amerique" steht. Der US-Schriftsteller Russell Banks befasst sich in einem Originalbeitrag mit dem christlichen Fundamentalismus und kommt dabei auf die erfolgreichsten Bestseller der letzten Jahre zu sprechen: "Die in unserem Land bei weitem meistverkauften Bücher der letzten fünf Jahre sind die zwölf Bände der berühmten "Left-Behind"-Serie. Diese millionenfach abgesetzten Bücher stützen sich auf eine komplett fantastische theologische Vision, die im 19. Jahrhundert von zwei fundamentalistischen protestantischen Pastoren erfunden wurde." Es geht darin, fasst Banks zusammen, um die Wiederkehr Christi, um Armageddon, den Kampf Israels gegen den Antichristen und manches mehr. (Der Artikel ist nur in der kostenlosen pdf-Ausgabe der Beilage nachzulesen.)
Und ein zweites Festival, nämlich das von Vincennes, ist auch Amerika gewidmet. Aus diesem Anlass wird William T. Vollmanns Roman "La Famille Royale" besprochen und in einem kleinen Schwerpunkt zur indianisch-amerkanischen Literatur wird der Schriftsteller Sherman Alexie vorgestellt, als einer der begabtesten Autoren seiner Generation. Auch der Aufmacher der Beilage gilt einem US-Autor, nämlich Jim Harrison, dessen Roman "De Marquette a VeraCruz" als großes Werk der Zerstörung gepriesen wird. Ein weiterer Schwerpunkt: "Ein polnisches Jahr in Frankreich", eine Reihe von Veranstaltungen, die den Franzosen die Kultur Polens nahebringen sollen. Dazu eine Besprechung der Gesamtausgabe der Werke von Bruno Schulz. (In der pdf-Ausgabe.)
Und ein zweites Festival, nämlich das von Vincennes, ist auch Amerika gewidmet. Aus diesem Anlass wird William T. Vollmanns Roman "La Famille Royale" besprochen und in einem kleinen Schwerpunkt zur indianisch-amerkanischen Literatur wird der Schriftsteller Sherman Alexie vorgestellt, als einer der begabtesten Autoren seiner Generation. Auch der Aufmacher der Beilage gilt einem US-Autor, nämlich Jim Harrison, dessen Roman "De Marquette a VeraCruz" als großes Werk der Zerstörung gepriesen wird. Ein weiterer Schwerpunkt: "Ein polnisches Jahr in Frankreich", eine Reihe von Veranstaltungen, die den Franzosen die Kultur Polens nahebringen sollen. Dazu eine Besprechung der Gesamtausgabe der Werke von Bruno Schulz. (In der pdf-Ausgabe.)
Gazeta Wyborcza (Polen), 16.10.2004
"Darf man einen der größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts auch nur einen Moment lang bemitleiden?", fragt Piotr Lipinski, der in der Wochenendausgabe der Gazeta Wyborcza zur Abwechslung mal nicht über Hitler, sondern über Stalin schreibt. Es wird das Buch "The Court of the Red Tsar" des britischen Journalisten Simon Sebag Montefiore vorgestellt, aus dem wir nicht nur von den Liebesbriefen Stalins an seine Frau erfahren und dass er vor ihren Wutausbrüchen ins Badezimmer flüchtete, sondern auch davon, dass sein Schnurrbart ewig nach Tabak roch, und dass sein engster Mitarbeiter, Wjatscheslaw Molotow fest gestellt haben soll: "Würden wir mehr schlafen, würden wir weniger Fehler begehen".
Außerdem erfahren wir, dass man in Weißrussland vor dem Referendum und den Wahlen am Sonntag keinerlei Anzeichen von Wahlkampf beobachten konnte. "Dass die Regierung sich vor dieser historischen Abstimmung keine Mühe macht, die Wähler zu überzeugen, zeugt davon, dass die Stimme des Volkes überhaupt nichts zu sagen hat", stellt Waclaw Radziwinowicz fest. Demenstsprechend zeigten die Werbespots im staatlichen Fernsehen, wie man seine Stimme für Alexander Lukaschenko abzugeben hat. Die einzige Möglichkeit, Lukaschenkos Regierungszeit zu begrenzen, liegt in Moskau., meint Radziwinowicz. Da suche man angeblich schon nach einem Nachfolger - in den Worten eines Kreml-Astrologen: "Es mehren sich die Anzeichen eines bürokratischen Umsturzes".
Vor genau zwanzig Jahren wurde der Solidarnosc nahe stehende Geistliche Jerzy Popieluszko vom kommunistischen Geheimdienst entführt, gefoltert und umgebracht. Der Fahrer des Priesters erzählt im Gespräch über die genauen Umstände der Entführung und die bevor stehende Seligsprechung des zum Märtyrer erklärten Popieluszko.
Außerdem erfahren wir, dass man in Weißrussland vor dem Referendum und den Wahlen am Sonntag keinerlei Anzeichen von Wahlkampf beobachten konnte. "Dass die Regierung sich vor dieser historischen Abstimmung keine Mühe macht, die Wähler zu überzeugen, zeugt davon, dass die Stimme des Volkes überhaupt nichts zu sagen hat", stellt Waclaw Radziwinowicz fest. Demenstsprechend zeigten die Werbespots im staatlichen Fernsehen, wie man seine Stimme für Alexander Lukaschenko abzugeben hat. Die einzige Möglichkeit, Lukaschenkos Regierungszeit zu begrenzen, liegt in Moskau., meint Radziwinowicz. Da suche man angeblich schon nach einem Nachfolger - in den Worten eines Kreml-Astrologen: "Es mehren sich die Anzeichen eines bürokratischen Umsturzes".
Vor genau zwanzig Jahren wurde der Solidarnosc nahe stehende Geistliche Jerzy Popieluszko vom kommunistischen Geheimdienst entführt, gefoltert und umgebracht. Der Fahrer des Priesters erzählt im Gespräch über die genauen Umstände der Entführung und die bevor stehende Seligsprechung des zum Märtyrer erklärten Popieluszko.
Economist (UK), 15.10.2004
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Bei genauerem Hinsehen, so der Economist, entpuppt sich das Duell zwischen George Bush und John Kerry als ein erbitterter Kampf der Parteien, bei dem es um die langfristige Vorherrschaft im politischen Meinungspanorama Amerikas geht: "Das Ziel der Republikaner besteht darin, mit den Demokraten das zu tun, was Tony Blair erfolgreich mit den britischen Tories gemacht hat: sie so vollständig zu marginalisieren, dass sie zur Parodie einer politischen Partei verkommen. Kein Wunder, dass die Demokraten dieses Mal so hart kämpfen. Und kein Wunder, dass sie den Partei-Schmied im Weißen Haus mit solch wütender Leidenschaft hassen."
Times Literary Supplement (UK), 15.10.2004
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Unter "intellektuellem Schock" steht Jonathan Rose nach der Lektüre von Alastair J. Reids "United We Stand", eine Neuschreibung der Geschichte der britischen Gewerkschaften: "Reid einen Revisionisten zu nennen, wäre unpassend, er ist ein unerbittlicher und oft brillanter Neudenker." Reid plädiert dem Rezensenten zufolge dafür, dass sich die Gewerkschaften wieder mehr ihrem "traditionellen" Kampf für Freiheit und Demokratie verschreiben als Gleichheit und Planung.
Weitere Artikel: John Ryle schließlich feiert die aufregende, exzellent gestaltete Ausstellung "Sudan - Past and Present". Der in Reading Philosophie lehrende Galen Strawson (mehr hier) wendet sich im auszugsweise zu lesenden Aufmacher gegen die verbreitete These, dass wir - als menschliche Wesen - in Narrativen leben und dies gut so ist. Seamus Perry schreibt über die letzten Arbeiten von William Blake.
Nepszabadsag (Ungarn), 16.10.2004
In der Wochenendbeilage der größten ungarischen Tageszeitung fragt sich der Politologe Laszlo Lengyel (mehr hier), warum in letzter Zeit besorgniserregende Signale - wie das gute Abschneiden populistischer Parteien in Ostdeutschland und Litauen - aus den politischen Landschaften Ostmitteleuropas kommen. Lengyel diagnostiziert dabei eine Art Opfermythos in Ostmitteleuropa, der externe Faktoren für sämtliche Probleme schuldig erklärt. "Wir, Polen, Tschechen, Litauer, Kroaten, Ungarn sind die Opfer der kommunistischen Unterdrückung. Unser Leben wurde durch das sowjetische System und nach 1989 durch fremde Eliten zerstört. Europa und die westliche Welt ließen uns immer im Stich, das tun sie auch jetzt. Diese nationalen Wutausbrüche lenken uns von unseren eigenen Mißerfolgen, unserem Scheitern ab. Und dann fängt es an - mit der Angst der Polen vor den Polen, mit der Angst der Litauer vor den Litauern, mit der Angst der Ungarn vor den Ungarn. So bilden ein religiöses, nationales, heroisches, sich widersetzendes Polen und ein säkulares, sich nicht auf die Nation besinnendes, sich anpassendes Polen. Und so schwört das eine Ungarn mit der Kokarde der 1848-er Revolution an der Brust ewige Treue dem Kampf gegen das andere."
Nouvel Observateur (Frankreich), 14.10.2004
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Frankreich entdeckt derzeit das Werk des jüdischen polnischen Malers und Schriftstellers Bruno Schulz (hier ein kleiner biografischer Abriss), der 1942 von den Nazis ermordet wurde. Ein Porträt würdigt Schulz' Literatur als mit Kafka vergleichbar; hingewiesen wird auf Bücher von und über Schulz, sowie eine Ausstellung mit seinen Zeichnungen und Radierungen im Pariser Musee d'Art et d?Histoire du Judaisme. Außerdem feiert der Nouvel Obs den Comiczeichner Andre Franquin, dessen "emblematische" Figuren Spirou, Marsupuilami und Gaston nun in einer Ausstellung in der Cite des Sciences et de l'industrie zu sehen sind.
Weiterer Lesestoff zur gefälligen Auswahl: Anlässlich des Literaturnobelpreises für Elfriede Jelinek bringt der Obs noch einmal einen exklusiven Text von ihr, in dem Jelinek vor zehn Jahren mit der Beschreibung eines Tags in ihrem Leben ein "großartiges Selbstporträt" geliefert hatte. Zu lesen sind außerdem erstmals Auszüge aus einem nun postum erscheinenden Buch des abstrakten Expressionisten Mark Rothko ("La realite de l'artiste", Flammarion), in dem er über die Ursprünge der Malerei nachdenkt, und ein kurzes Pro und Contra zu einem Essay der kanadischen Autorin Nancy Houston, die darin der zeitgenössischen Literatur von Becket bis Houellebeq vorwirft "depressiv" zu sein.
Express (Frankreich), 14.10.2004
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Außerdem: Anlässlich seines zwanzigsten Todestags gibt es ein großes Francois-Truffaut-Revival. Sein Debütfilm "Sie küssten und sie schlugen ihn" kommt wieder in die Kinos, es gibt ein neues Fotobuch und ein Truffaut-Lexikon. Jean-Pierre Dufreigne schreibt über die folgenden Themen, in Form eines Akrostichons: Truffaut au travail, Rencontres du troisieme type , Une certaine tendance du cinema francais, Facherie, Femmes ou films?, Antoine Doinel, Un oscar, Tirez sur le pianiste. Auch besprochen, kurz aber freundlich, das Oxford Dictionary of National Biographies, das es übrigens auszugsweise auch im Netz gibt.
New York Times (USA), 17.10.2004
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Der kommende Prozess gegen Saddam Hussein veranlasst Michael Massing dazu, wieder über Hannah Arendts Prozessreport über Adolf Eichmann nachzudenken. Interessanter als Massings recht banale Gedanken zur Banalität des Bösen ist jedoch die Originalbesprechung aus dem Jahr 1963 und vor allem der Verweis auf Jean Hatzfelds Bericht "Une Saison de Machettes", das bei uns schon erschienen ist. Hatzfeld lässt Vollstrecker des Genozids in Ruanda zu Wort kommen, die erschütternd kühl über ihre Taten berichten.
Weitere Artikel: Seymour Hershs "Chain of Command" ("Die Befehlskette") ist wahrscheinlich das beste Buch, wenn es darum geht zu erklären, wie die Menschenrechte, "die wir im Irak eigentlich wiederherstellen wollten, schließlich von uns selbst verletzt wurden", schreibt Michael Ignatieff über die Zusammenstellung der ursprünglich im New Yorker erschienenen Reportagen zu Abu Ghraib (erstes Kapitel). Julia Reed stellt die Flugbibliothek vor, Anthologien, die speziell für lange Interkontinentalflüge zusammengestellt wurden. Judith Shulevitz zeigt sich erschüttert von Robert Alters "bemerkenswerter" Neuübersetzung der fünf Bücher Mose. Michael Agger ist heilfroh, dass Stephen King seine voluminöse Dark Tower-Reihe nun mit dem siebten Band (erstes Kapitel) abgeschlossen hat und kann sie höchstens Fans empfehlen.
Scott Anderson ist für das New York Times Magazine in den Sudan gereist und hat versucht, die Gründe für die größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart zu verstehen. Zu Beginn seiner großen Reportage trifft er einen ehemaligen Janjaweed, jene Reiter, die sich selbst Ritter nennen und die Provinz Darfur in Schrecken versetzt haben. "'Wir ritten nachts, um sehr früh am Morgen vor den Dörfern unserer Feinde zu sein', erzählte er. 'Üblicherweise reihten wir uns am Rand des Dorfes entlang auf - wir wollten keine Schlacht, wir wollten, dass sie fliehen - dann gab unser Führer das Signal und wir griffen an." Als Anderson ihn fragt, was sie dann getan haben, antwortet der Janjaweed ihm nicht. "Stattdessen bedachte er mich mit seinem verstörenden Lächeln und seine Stimme, schon ein Flüstern, wurde noch leiser. 'Alles was Du dir vorstellen kannst. Vielleicht auch ein paar Dinge mehr.'"
Zur Einführung in die kulinarischen Extraseiten dieser Ausgabe denunziert Michael Pollan seine Landsleute als ängstliche Esser und nennt einige skurrile Irrwege der Nahrungsaufnahme, etwa "die Nur-Trauben-Diät, die Dr. John Harvey Kellogs den Patienten seines legendär schrägen Sanatoriums in Battle Creek (mehr) verschrieb oder die Mode des 'Fletcherizing' - jeder Bissen wird bis zu hundertmal gekaut -, von Horace Fletcher (auch bekannt als das Große Mahlwerk) gegen Ende des vorvergangenen Jahrhunderts eingeführt."
Weitere Artikel: Im Aufmacher inspiziert Ron Suskind die Methode, mit der George Bush das Land führt: "glaubensbasiertes Regieren". Bush wirkt so sicher, weil er die komplexen Fakten ignoriert, mit Suskind. "Dem offenen Dialog, auf Fakten gestützt, wird kein innerer Wert beigemessen. Es könnten ja Zweifel aufkommen, die den Glauben unterminieren würde." Jimmy Carter habe ihm imponiert, erzählt der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz im Interview mit Deborah Solomon. Ein einziges Mal lässt der sonst so diplomatische Politiker indirekt Kritik an den Amerikanern durchdringen. "Es stimmt, viele polnische Unternehmen haben erwartet, in den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Irak einbezogen zu werden, und das ist nicht geschehen." Michael Kimmelmann stellt einen Künstler vor, über den man in New York zu reden beginnt. Lamar Peterson (mehr) malt idyllische Vorstadtszenen mit netten grausamen Details.