Magazinrundschau - Archiv

Literaturen

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Magazinrundschau vom 17.10.2011 - Literaturen

Früher, als die Armen noch Würde hatten, gab es auch Schriftsteller, die von ihnen erzählten, notiert Sibylle Lewitscharoff. Heute interessiere sich nur das Fernsehen für sie: "Die Nöte der Armen heute zu erhellen, die naturgemäß in einer reichen Gesellschaft grundverschieden sind vom Elend der Armen im 19. Jahrhundert, das wäre eine ehrenvolle Aufgabe für die Literatur. Doch was für eine Literatur könnte das sein? Dem zementierenden Realismus sollte sie jedenfalls nicht frönen, diesem menschenverachtenden So und nicht Anders. Vielmehr sollte sie sich von Lüpfungsenergien tragen lassen und fest am Möglichkeitssinn hangen, damit sich der Leser hinter einem verschütteten, elenden Leben sehr wohl ein anderes vorstellen kann."

Besprochen werden Lewitscharoffs Roman "Blumenberg" und Eugen Ruges Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts".

Magazinrundschau vom 28.06.2011 - Literaturen

Die Titelgeschichte des neuen Hefts ist der kanadischen Kurzgeschichten-Autorin Alice Munro gewidmet, die nicht nur, aber auch von Literaturen zur Nobelpreiskandidatin ausgerufen wird. Online gibt es das Porträt der Autorin von Frauke Meyer-Gosau so wenig zu lesen wie das Interview mit dem Erzähler-Kollegen Ingo Schulze.

Immerhin steht dafür aber ein schöner Text von Ronald Düker im Netz, der den in Karlsruhe lehrenden koreastämmigen und sonst sehr öffentlichkeitsscheuen Philosophen Byung-Chul Han getroffen hat. So ganz der journalistischen Routine fügen will sich der Denker auch hier nicht: "Nicht nur, dass er freundlich, aber bestimmt darum bittet, das Tonbandgerät ausgeschaltet zu lassen und handschriftlichen Notizen zu vertrauen - auch die schlichte Frage nach seinem Alter möchte er nicht beantworten. In Asien, so erklärt er halb kokett, halb entschuldigend, spiele das Geburtsdatum eine weitaus kleinere Rolle als im Westen. Eine Kultur, die die Welt aus ihrem zyklisch sich wiederholenden Prozess heraus begreift, begegne weder der Geburt noch dem Tod so pathetisch wie das abendländische Denken. Keine Ursprungs­erzählungen wie im Westen, keine Mythen, die die Identität einer Gesellschaft begründeten. Und schon ist Han mitten in seiner Theorie der 'Ent­schöpfung', die er auch in seinem jüngsten Essay 'Shanzai' ausführt."

Magazinrundschau vom 03.05.2011 - Literaturen

Auf dem Titel des neuen Literaturen-Hefts findet sich Marshall McLuhan. Von den Artikeln dazu - darunter der Nachdruck eines Gesprächs von Tom Wolfe mit dem Medientheoretiker - gibt es nur einen Abriss von Leben und wichtigen Büchern im Netz.

Hingerissen berichtet Jutta Person von einem Hausbesuch bei der Literaturwissenschaftlerin und seit einigen Jahren auch belletristisch tätigen Silvia Bovenschen, die gerade den Roman "Wie geht es Georg Laub?" vorgelegt hat: "Im grünen Salon wird es dämmriger, aber die Gedanken- und Wortblitze reißen keineswegs ab. Silvia Bovenschen erklärt mit Verve, was sie unter 'Gefühlsschleim' versteht. Solche Sprünge - von den Menschheits-Themen zur schmissigen Pointe - durchziehen nicht nur die Essays und Streitschriften, sondern auch das Gespräch. Apropos Menschheit: Die Literaturwissenschaftlerin hatte immer auch Tiere im Blick, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Tier-Mensch-Differenz noch längst nicht zum kulturwissenschaftlichen Mode-Thema avanciert war."

Weitere Artikel: Frauke Meyer-Gosau gratuliert dem Verlag dtv zum Fünfzigsten. Ronald Düker stellt ein Buch über Alex Steinweiss, den Erfinder des modernen Album-Covers, vor. Patrick Bahners bespricht Dave Eggers' Katrina-Reportage "Zeitoun".

Magazinrundschau vom 01.03.2011 - Literaturen

Literaturen wird 100 Ausgaben alt, erscheint in verändertem Design (nicht online) und wählt als passenden Schwerpunkt Max Frisch, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Online gibt es dazu vor allem ein ausführliches Interview mit dem Schweizer Autor Adolf Muschg, der die Frage nach der Haltbarkeit des Frisch-Ruhms eher positiv beantwortet: "Ich lese ihn mit Genuss. Während der letzten zehn Jahre war es fast völlig still um ihn. Jetzt, denke ich, wird sich da schon etwas Neues tun. Man kann Max Frisch heute würdigen, ohne die Anlässe seiner Verzweiflung, seiner Wut sympathetisch zu teilen. Die Frage ist: Kann die jüngere Generation ihn noch lesen? Hat sie Lust, ihn zu lesen? An dieser banalen Frage entscheidet sich die posthume Lebenserwartung. Ich persönlich denke, er wird sich halten, denn die Fragen, die er stellt, beschäftigen heute auch viele junge Leute."

Ins Netz gestellt sind die Rezensionen zu Kerstin Ekmans neuem Roman "Tagebuch eines Mörders", Oliver Sacks neuen Fallgeschichten "Das innere Auge" und Arno Geigers Demenzbericht "Der alte König in seinem Exil".

Magazinrundschau vom 11.01.2011 - Literaturen

Auf dem Titel im 200. Jahr nach seinem Suizid am Wannsee: Heinrich von Kleist. Von den Artikeln zum Thema ist einer online, nämlich Jens Biskys Porträt des Journalisten Heinrich von Kleist, der freilich auch in seinen erfolglosen Berliner Abendblättern den großartigen Autor nicht verleugnen konnte und wollte: "Im Polizeibericht erfuhr er etwa, dass ein Mann vom Blitz erschlagen worden war. Er erkundigte sich nach Einzelheiten und schrieb dann diese knappe, meisterhafte Szene für die Ausgabe vom 2. Oktober: 'Dem Capitain v. Bürger, vom ehemaligen Regiment Tauenzien, sagte der, auf der neuen Promenade erschlagene Arbeitsmann Brietz: der Baum, unter dem sie beide ständen, wäre auch wohl zu klein für zwei, und er könnnte sich wohl unter einen Andern stellen. Der Capitain Bürger, der ein stiller und bescheidener Mann ist, stellte sich wirklich unter einen andern: worauf der & Brietz unmittelbar darauf vom Blitz getroffen und getödtet ward.' Dieses journalistische Meisterstück zeigt wieder alle Kennzeichen der Anekdote: Kürze und Zuspitzung sowie das Zusammentreffen von äußerem Zufall und moralischer Entscheidung."

Weitere Artikel: Frauke Meyer-Gosau trifft den amerikanischen Star-Literaten Michael Cunningham in Venedig, wo auch sein neuer Roman "In die Nacht hinein" spielt. Über die drei größten Feinde des Schriftstellers - Kühlschrank, Bett, Internet - schreibt Kristof Magnusson.

Magazinrundschau vom 30.11.2010 - Literaturen

Auf dem Titel, als wäre es die Weihnachtsausgabe des Spiegel: kein Geringerer als Jesus Christus. Im Gespräch dazu der Theologe Gerd Lüdemann, der den Herrn freilich gehörig herunterputzt. 95 Prozent der Jesusworte aus dem Neuen Testament hält er für Mumbo-Jumbo, die Judenfeindlichkeit der Evangelien kritisiert er und fasst seine für gläubige Christen etwas ernüchternde Botschaft so zusammen: "Alles spricht dafür, dass Jesus in erster Linie ein Heiler und Exorzist gewesen ist. Und das hängt miteinander zusammen, weil Krankheiten im Verständnis der Zeit nichts anderes waren als die Besessenheit von Dämonen. Beim ältesten in den Evangelien überlieferten Wunder handelt es sich um eine Dämonenaustreibung, und die allermeisten Theologen halten diese Exorzismen für historisch verbürgt. Dabei muss man nicht an Zauberei glauben. Ich gehe davon aus, dass Jesus ein psychosomatisches Einfühlungsvermögen gehabt hat, eine besondere heilerische Fähigkeit, die ihm und seinen Zeitgenossen als magische Eigenschaft erschienen ist."

Weitere Artikel: Zum fünfzigsten Geburtstag seiner Schöpfung Jim Knopf porträtiert Frauke Meyer-Gosau den Autor Michael Ende, der gerne ein Dramatiker in der Brecht-Nachfolge geworden wäre, dann aber mit seinen Kinder- und Jugendbüchern zum weltweit meistgelesenen deutschen Autor seiner Zeit avancierte. Ronald Düker blättert durch einen Band mit Fotografien von Fred Herzog.

Magazinrundschau vom 05.10.2010 - Literaturen

Online zu lesen gibt es leider nichts von der Bestandsaufnahme, die der Titel des neuen Literaturen-Hefts verspricht. Neun Kritiker lesen neun neue Werk von Franzen bis Grass und fragen nach der weltliterarischen Relevanz dieser Bücher. Online aber dies:

Frauke Meyer-Gosau hat in Wien den äußerst vielseitigen Schriftsteller Doron Rabinovici getroffen, dessen Roman "Andernorts" auch auf der Buchpreis-Shortlist steht. Sie spricht mit ihm über seine Bücher, sein politisches Engagement, seine verschiedenen Identitäten insgesamt: "Auch ich bin in Israel schlagartig ein anderer als hier", sagt Rabinovici. "In Österreich bezeichnet etwa das Einhalten der jüdischen Feiertage immer eine Differenz, es bedeutet, die Eigenheit nicht zu verleugnen. In Israel ist das nicht so: Der Orthodoxe trägt an Yom Kippur seinen Vorschriften gemäß keine Lederschuhe, der Nichtgläubige geht in Flip-Flops an den Strand."

Weitere Artikel: Ronald Düker liest Michael Hagners historische Fallstudie "Der Hauslehrer". Ebenfalls Ronald Düker hält die Werke des Fotografen Heinrich Kühn, die man in einem neuen Band studierenkann, für eine echte Wiederentdeckung. Der Kulturmanager Peter Raue beantwortet 13 Fragen.

Magazinrundschau vom 06.07.2010 - Literaturen

In der Titelgeschichte des neuen Hefts geht es um die Lust der Literaten aufs Land. Das Editorial erklärt knapp, was online dann leider überhaupt nicht zu lesen ist.

Im Netz findet sich immerhin Frauke Meyer-Gosaus Kritik des neuen Christa-Wolf-Romans "Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud". Über weite Strecken hat die Rezensentin ihn gerne gelesen, aber nicht bis zum Schluss: "Tempi passati also allenthalben, ob das Ich nun auf die Sowjetunion zurückblickt oder eine Fahrt zu den Häusern deutscher Exilanten in L.A. unternimmt, und überall trifft sie auf letztlich sympathische Menschen: ein versöhntes Buch, harmonische Abrundung des langen Wegs einer deutschen Schriftstellerin im 20. Jahrhundert - endete der Roman mit ihrer Abreise von Los Angeles, wäre alles gut. Doch ist dies leider nicht der Fall, und auf den letzten gut dreißig Seiten entringt sich der Leserbrust so manches Stöhnen."

Außerdem: Der Autor Jochen Schmidt schreibt einige sehr schöne Einzeilenromane. Der Schriftsteller Ingo Schulze denkt über den Begriff "Intensität" nach. Stefanie Peter hat "Just Kids", Patti Smiths Erinnerungen an ihre Freundschaft mit dem Künstler Robert Mapplethorpe gelesen. Anders als die meisten Kritiker findet Daniel Kothenschulte durchaus freundliche Worte für Richard Eyres Bernhard-Schlink-Verfilmung "Der Andere" mit Liam Neeson und Antonio Banderas. Jürgen Flimm beantwortet den Fragebogen.

Magazinrundschau vom 27.04.2010 - Literaturen

Auf dem Titel geht es um die Apokalypse, das große Gespräch zwischen der Schriftstellerin Katrin Röggla und dem Kulturwissenschaftler Thomas Macho zum Thema ist aber so wenig online wie Jan Böttchers Reise durch London-Hackney auf den Spuren von Harold Pinter. Zu lesen gibt es nur kürzere Texte, etwa die Vorstellung des für deutsche Verhältnisse ziemlich revolutionären "Berlin Academic"-Programms des Berlin Verlags: "Auf einer neu errichteten Plattform veröffentlicht Berlin Academic sein geistes- und sozialwissenschaftliches Programm nach Open-Access-Prinzipien und unter Creative Commons-Lizenzen. Gleichzeitig werden sämtliche Titel über Print on Demand sowie in verschiedenen E-Book-Formaten vertrieben... Open Access und Creative Commons-Lizenzen versteht [Catharina] Maracke [Global Strategist bei Berlin Academic, PT] als Ergänzung der herkömmlichen verlegerischen Arbeit, die digitale Revolution wird als Chance für neue Geschäftsmodelle begriffen: 'Wir sehen im Medienwandel keineswegs einen Poe'schen Malstrom, der uns in die Tiefe reißen wird, sondern einen weiten Ozean, auf dem wir auf neue Art navigieren können.'"

Die Schriftstellerin Terezia Mora reagiert in ihrer Kolumne auf einen Leser, der ihr vorwirft, ein "vaterlandsloser Mensch" zu sein. Aram Lintzel schreibt über die auf Twitter basierende Triumph-Kurzmeldungsseite http://itmademyday.com. Über seine "Todesängste" berichtet Jochen Schmidt, etwa diejenige davor, "kopfüber in einem Gully steckenzubleiben". Und Michael Naumann beantwortet den Fragebogen.

Magazinrundschau vom 02.03.2010 - Literaturen

Klaus Nüchtern hat Philip Roths neuestes Opus "Demütigung" gelesen und muss feststellen, dass der Sexomane Roth mal wieder "keine Gefangenen macht": "Sollte Philip Roth je schriftliche Auskunft über sein Gesamtwerk geben wollen, der Titel 'Sexualität und Wahrscheinlichkeit' wäre ein sehr brauchbarer und ausgesprochen selbstironischer Titel. Gemessen an der Latte des eigenen Oeuvres sind Alex und Pegeen, das Paar aus 'Die Demütigung', nur mäßig auffällig... Ehrensache also, dass Roth die Schraube der Unwahrscheinlichkeit in seinem jüngsten Roman nochmal ein wenig angezogen hat: 'Dann führte er sie zum Sofa im Wohnzimmer, wo sie, unter seinem Blick heftig errötend, die Jeans auszog und zum ersten Mal seit dem College mit einem Mann schlief. Und er schlief zum ersten Mal in seinem Leben mit einer Lesbe.'"

Die Titelgeschichte ist dem Schriftsteller Mark Twain als "Erfinder des amerikanischen Romans" gewidmet. Michael Köhlmeier und Ronald Dücker schreiben über Leben und Werk des Autors im Heft - online wird die Titel-These leider nicht weiter erläutert, stattdessen gibt es nur eine knappe Chronik und Kurzbesprechungen neuer deutscher Bücher mit Texten von Twain. Jochen Schmidt denkt über "Mein Gehen" nach. Ingo Schulze meditiert ost-westlich über das "Ankommen" und das "Beitreten". Aram Lintzel wird auf der Suche nach Lektüre fürs Handy im Netz fündig. Besprochen werden Dirk Schümers kurze Geschichte des Wanderns mit dem Titel "Zu Fuß", Hans-Ulrich Gumbrechts Westküsten-Betrachtungen "California Graffitti", Tiqquns Theorie-Geschnetzeltes "Grundbausteine einer Theorie des Jungen-Mädchens", Hörbücher für Bildungsreisende und Peter Jacksons Alice-Sebold-Verfilmung "In meinem Himmel".