Vorgeblättert

Leseprobe zu Michael Hardt, Antonio Negri: Common Wealth. Teil 1

22.02.2010.
(Vorwort)

Die Menge wird zum Fürsten


Die Nationen haben immer nur den Grad der Freiheit inne,
den ihr Mut ihrer Angst abringt.
Stendhal, Napoleon Bonaparte


Power to the peaceful. (Alle Macht den Friedfertigen.)
Michael Franti, "Bomb the World"


Krieg, Leid, Elend und Ausbeutung bestimmen mehr und mehr unsere globalisierte Welt. Es gibt heute viele Gründe, sich "herausziehen" und an einen Ort flüchten zu wollen, den die Disziplin und die Kontrolle des entstehenden Empire nicht erreichen, oder sich gar ein paar transzendente oder transzendentale Prinzipien und Werte zu suchen, die dem Leben als Orientierung und dem politischen Handeln als Begründung dienen können. Eines der wesentlichen Ergebnisse der Globalisierung ist allerdings, eine gemeinsame Welt geschaffen zu haben, eine Welt, die wir wohl oder übel teilen, eine Welt ohne "Außen". Egal, wie brillant und pointiert wir sie auch kritisieren mögen, uns bleibt - das müssen wir mit ein wenig Nihilismus anerkennen - keine Wahl, als in dieser Welt zu leben, ihren Herrschaftsstrukturen unterworfen und zudem angesteckt von ihrer Korruption. Vergessen wir all die Träume von politischer Reinheit und "höheren Werten", die es uns erlauben würden, Beobachter zu bleiben! Das nihilistische Einverständnis soll freilich nur ein Werkzeug sein, ein Durchgangspunkt auf dem Weg zu einem Gegenprojekt, zu einer Alternative. In diesem Buch werden wir ein solches ethisches Projekt entwerfen, eine Ethik der demokratischen politischen Aktion im und gegen das Empire. Wir untersuchen, was die Bewegungen und die Verhaltensweisen der Menge, der Multitude, waren und was sie werden können, um die gesellschaftlichen Verhältnisse und institutionellen Formen einer möglichen globalen Demokratie zu entdecken. "Zum Fürsten zu werden" heißt dabei der Prozess, in dem die Multitude die Kunst erlernt, sich selbst zu regieren und nachhaltige demokratische Formen gesellschaftlicher Organisation zu schaffen.
     Eine Demokratie der Multitude ist nur vorstellbar und überhaupt nur möglich, weil wir alle am Gemeinsamen teilhaben. Das Gemeinsame, das Kommune, ist zunächst einmal der Name für den gemeinsamen Reichtum der materiellen Welt - die Luft, das Wasser, die Früchte der Erde und die Schätze der Natur -, also für etwas, von dem in klassischen politischen Texten der europäischen Tradition häufig gesagt wird, es gehöre zum Erbe der gesamten Menschheit, auf dass alle an ihm teilhaben. Das Gemeinsame bezeichnet nach unserem Verständnis darüber hinaus und wichtiger noch all jene Ergebnisse gesellschaftlicher Produktion, die für die soziale Interaktion ebenso wie für die weitergehende (Re-)Produktion erforderlich sind, also Wissensformen, Sprachen, Codes, Information, Affekte und so weiter. Ein solcher Begriff des Gemeinsamen trennt die Menschheit nicht von der Natur, stellt sie ihr weder als Ausbeuterin noch als Hüterin gegenüber, sondern konzentriert sich vor allem auf die Verhaltensweisen der Interaktion, der Sorge und des Zusammenlebens in einer gemeinsamen Welt sowie darauf, die vorteilhaften Formen des Gemeinsamen zu fördern und die abträglichen zu begrenzen. Im Zeitalter der Globalisierung rücken Fragen der Erhaltung, der Produktion und Distribution des Gemeinsamen in beiden Ausprägungen und sowohl unter ökologischen als auch unter sozioökonomischen Aspekten zunehmend in den Mittelpunkt.(1)
     Die Scheuklappen der herrschenden Ideologie erschweren es heute, das Gemeinsame zu sehen und zu erkennen, auch wenn es uns allgegenwärtig umgibt. Die weltweit herrschende neoliberale staatliche Politik war in den vergangenen Jahrzehnten darum bemüht, das Gemeinsame zu privatisieren und gesellschaftliche oder kulturelle Erzeugnisse - also beispielsweise Wissen, Ideen, aber auch bestimme Tier- oder Pflanzenarten - in Privateigentum zu verwandeln. Wir sagen - und sind uns dabei mit vielen anderen einig -, dass man solchen Privatisierungen Widerstand entgegensetzen muss. Nach landläufiger Meinung allerdings wäre die einzige Alternative zum Privaten das Öffentliche, das heißt alles, was durch den Staat oder die so genannte öffentliche Hand verwaltet und geregelt wird, während das Gemeinsame als irrelevant oder vor langer Zeit ausgestorben gilt. Nun ist selbstverständlich richtig, dass ein lang anhaltender historischer Prozess von Einhegung und Aneignung dazu geführt hat, dass beinahe alles auf der Welt entweder öffentlich-staatliches oder privates Eigentum ist, sodass beispielsweise Formen des gemeinsamen Landes, wie sie die indigenen Gesellschaften auf dem amerikanischen Doppelkontinent oder die mittelalterlichen Gesellschaften in Europa kannten, zerstört wurden. Dennoch gibt es auch in unserer Welt vieles Gemeinsame, das durch aktive Beteiligung geschaffen wurde, zu dem alle offen und frei Zugang haben. Sprache etwa und ebenso Affekte oder Gesten sind in den allermeisten Fällen etwas Gemeinsames, und tatsächlich würde jede Sprache Ausdruckskraft, Kreativität und Kommunikationsqualitäten verlieren, wollte man sie privatisieren oder zu öffentlichem Eigentum erklären, also etwa Teile des Wortschatzes, Sätze oder Redeweisen dem Privateigentum oder aber öffentlicher Aufsicht unterstellen. Ein solches Beispiel soll nicht der Beruhigung der Leserschaft dienen, als wollten wir sagen, die Krisen, für die private und öffentliche Kontrolle verantwortlich sind, seien gar nicht so schlimm; das Beispiel soll vielmehr den Blick schärfen helfen, um das vorhandene Gemeinsame - und wozu es in der Lage ist - letztlich zu erkennen. Das ist der erste Schritt des Projekts, das darauf zielt, das Gemeinsame und seine Potenziale zurückzugewinnen und sogar auszuweiten.
     Die scheinbar exklusive Alternative zwischen dem Privaten und dem Öffentlich-Staatlichen findet eine Entsprechung in der gleichermaßen irreführenden politischen Alternative zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Häufig ist zu hören, die einzigen Heilmittel gegen die Krankheiten der kapitalis­tischen Gesellschaften seien eine Verwaltung durch die öffentliche Hand sowie eine keynesianische und/oder sozialistische Lenkung der Wirtschaft; und umgekehrt gilt es als ausgemacht, dass die Leiden des Sozialismus nur durch Privateigentum und kapitalistische Kontrolle zu behandeln seien. Sozialismus und Kapitalismus nun bildeten historisch bisweilen Mischformen und trugen zu anderen Zeiten erbitterte Konflikte aus, doch sind beide Eigentumsregime, die das Gemeinsame ausschließen. Das politische Projekt der Instituierung des Gemeinsamen, das wir in diesem Buch entwickeln werden, stellt sich quer zu diesen falschen Alternativen - dem Projekt geht es weder um privat noch um öffentlich, weder um kapitalistisch noch um sozialistisch, sondern darum, dem politischen Handeln einen neuen Raum zu eröffnen.
     Paradoxerweise ermöglichen die heutigen Formen kapitalistischer Produktion und Akkumulation eine Expansion des Gemeinsamen und brauchen sie sogar, ungeachtet der anhaltenden Tendenz zur Privatisierung von Ressourcen und Gütern. Das Kapital ist schließlich, darauf wurde oft hingewiesen, keine bloße Form des Kommandos, sondern ein soziales Verhältnis, und als solches bedarf es zum Überleben und um sich zu entwickeln der produktiven Subjektivitäten, die in seinem Inneren zugleich als ein Antagonismus wirken. Durch die Globalisierungsprozesse bringt das Kapital nicht nur die ganze Erde unter seine Herrschaft, sondern macht das gesellschaftliche Leben in seiner Gesamtheit zum Gegenstand von Produktion, Investition und Ausbeutung; es unterwirft das Leben einer Ordnung ökonomischer Wertmaßstäbe. In den nunmehr vorherrschenden Formen der Produktion, die unter anderem Information, Codes, Wissen, Bilder und Affekte einbeziehen, bedürfen die Produzenten eines hohen Grades an Freiheit und vor allem des freien Zugangs zu gemeinsamen Ressourcen, wie sie in gesellschaftlicher Form etwa in Kommunikationsnetzwerken, Datenbanken oder kulturellen Zirkeln existieren. Innovation im Bereich der Internettechnologien beispielsweise hängt unmittelbar vom Zugang zu verbreiteten Programmier- und Informationsressourcen ab und darüber hinaus von den Möglichkeiten der ungehinderten Begegnung und Interaktion mit anderen in offenen Netzwerken. Allgemeiner lässt sich sagen: Alle Formen der Produktion in dezentralisierten Netzwerken, ob dabei Computertechnologie im Spiel ist oder nicht, erfordern Freiheit und den freien und offenen Zugang zum Gemeinsamen. Der dort produzierte Inhalt - einschließlich der Ideen, Bilder und Affekte - ist darüber hinaus leicht reproduzierbar, neigt nicht zuletzt deshalb dazu, selbst zur gemeinsamen Ressource zu werden, und widersetzt sich nachdrücklich allen rechtlichen und ökonomischen Versuchen, ihn zu privatisieren oder öffentlicher Kontrolle zu unterwerfen. Der Übergang hat bereits begonnen: Die kapitalistische Produktion heute eröffnet, wenn sie sich an ihren ureigenen Bedürfnissen orientiert, die Möglichkeit und schafft die Grundlagen für eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die auf dem Gemeinsamen beruht.
     Der eigentliche Kern der biopolitischen Produktion, den wir erkennen können, wenn wir das Abstraktionsniveau ein wenig erhöhen, ist nicht die Produktion von Objekten für Subjekte, wie die Warenproduktion bisweilen verstanden wird, sondern die Produktion der Subjektivität selbst. Das ist das Terrain, von dem unser ethisch-politisches Projekt seinen Ausgang nehmen muss. Doch wie soll ein ethisches Projekt auf dem schwankenden Grund der Produktion von Subjektivität verankert werden, auf dem sich feste Werte und Subjekte permanent verändern? In einem Aufsatz, der Michel Foucaults Begriff dispositif erörtert (also die materiellen, sozialen, affektiven und kognitiven Mechanismen und Apparate zur Produktion von Subjektivität), merkt Gilles Deleuze an: "Wir gehören den Dispositiven an und handeln in ihnen." Wenn wir aber im Begriff sind, in ihnen zu handeln, muss sich der Horizont der Ethik neu orientieren, von der Identität zum Werden. Um was es geht, "ist nicht das, was wir sind, sondern eher das, was wir werden, das, was wir im Begriff sind zu werden, das heißt das Andere, unser Anders-Werden".(2) Aus dieser Perspektive betrachtet rücken die Kämpfe um Kontrolle und Autonomie der Produktion von Subjektivität heute in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung. Die Multitude konstituiert sich selbst, indem sie im Gemeinsamen die einzelnen Subjektivitäten zusammensetzt, die aus diesem Prozess hervorgehen.
     Häufig müssen wir feststellen, dass unser politisches Vokabular nicht aus­reicht, um die neuen Bedingungen und Möglichkeiten der Gegenwart zu fassen. Bisweilen führen wir angesichts solcher Umstände neue Wendungen ein, doch häufiger noch bemühen wir uns, ältere politische Ausdrucksweisen, die ungebräuchlich geworden sind, wieder aufzunehmen und ihnen neues Leben einzuhauchen, zum einen, weil in ihnen eine bedeutende Geschichte nachwirkt, zum anderen aber auch, weil sie die konventionellen Deutungen der Welt, in der wir leben, unterbrechen und sie in neuem Licht erscheinen lassen. Zwei derartige Konzepte spielen in diesem Buch eine ganz maßgebliche Rolle, nämlich Armut und Liebe. In Europa war die politische Rede von den Armen weit verbreitet, zumindest im Mittelalter und bis ins 17. Jahrhundert. Obwohl wir uns darum bemühen werden, aus jenen historischen Redeweisen etwas zu erfahren, gilt unser Hauptinteresse dem, was die Armen heute charakterisiert. Wenn wir vom Konzept der Armut ausgehend nachdenken, hat das zunächst einmal den nützlichen Effekt, traditionelle Klassenzuschreibungen in Frage zu stellen; das bringt uns dazu, mit aufmerksamerem Blick die Veränderungen der Klassenzusammensetzung zu untersuchen und so beispielsweise die große Vielfalt unterschiedlicher produktiver Tätigkeiten wahrzunehmen, die gleichermaßen innerhalb wie außerhalb des Lohnverhältnisses verrichtet werden. So können wir feststellen, dass nicht der Mangel, sondern die Möglichkeit die Armen definiert. Häufig findet sich die Vorstellung, die Armen, die Migrantinnen, die "prekären" Arbeiter (das heißt Menschen ohne stabile Beschäftigungsverhältnisse) würden ausgeschlossen, doch tatsächlich sind sie zwar untergeordnet, aber vollkommen in den globalen Rhythmus der biopolitischen Produktion integriert. Wirtschaftsstatistiken können die ökonomischen Bedingungen der Armut nur negativ erfassen, doch fehlt ihnen ein Verständnis der Lebensformen, Sprachen, Bewegungen und der innovativen Fähigkeiten, die die Armen hervorbringen. Unsere Aufgabe wird es sein, danach zu fragen, wie sich die Produktivität und das Potenzial der Armen in politische Macht übersetzen lassen.
     Walter Benjamin nimmt mit der ihm eigenen Klarheit und Einsicht die Veränderungen, die sich mit dem Konzept der Armut fassen lassen, bereits in den 1930er Jahren wahr. Er verortet die Verschiebung, mit einem Anflug von Nihilismus, in den Erfahrungen der Zerstörung, insbesondere des Ersten Weltkriegs, die für jene, die sie erlebten, eine gemeinsame Situation schuf. Benjamin sieht, geboren aus den Ruinen der Vergangenheit, das Potenzial einer neuen, positiven Art des Barbarentums.

"Denn wohin bringt die Armut an Erfahrung den Barbaren? Sie bringt ihn dahin, von vorn zu beginnen; von Neuem anzufangen; mit Wenigem auszukommen; aus Wenigem heraus zu konstruieren?"(3)

Die "barbarische" Produktivität der Armen macht sich daran, eine gemeinsame Welt zu schaffen.
     Die Liebe bietet eine weitere Möglichkeit, das Potenzial und die Produktivität des Gemeinsamen zu erkunden. Liebe ist ein Weg, der individualisierten Einsamkeit zu entfliehen, doch nicht, um schließlich, wie die zeitgenössische Ideologie es will, in privater Zweisamkeit oder im Familienleben erneut isoliert zu sein. Um zu einem politischen Begriff von Liebe zu kommen, der sie im Zentrum der Produktion des Gemeinsamen und des gesellschaftlichen Lebens verortet, ist es notwendig, mit den meisten der gegenwärtigen Bedeutungen des Wortes zu brechen und sich stattdessen auf ältere Dimensionen und Vorstellungen zurückzubesinnen, mit denen sich arbeiten lässt. So erläutert beispielsweise Sokrates in Platons Symposion - und er beruft sich dabei auf Diotima, die ihn "in Liebessachen unterrichtet hat" (Symp. 201d) -, dass Liebe aus Armut und Erfindungsgeist geboren sei. Es ist nun an Sokrates auszuführen, was Diotima ihn lehrte, und er erklärt, Liebe neige natürlicherweise einem idealen Zustand zu und sei daher auf der Suche nach Schönheit und Reichtum, um so die Begierde zu stillen. Französische und italienische Feministinnen halten dagegen, dass Diotima bei Platon vollkommen falsch interpretiert wurde. Diotima führe uns nicht auf den Weg der "Sublimation" der Armut und der Begierde durch die "Fülle" von Schönheit und Reichtum, sondern zur Potenzialität eines Werdens, das sich durch Differenz definiert.(4) Diotimas Begriff der Liebe führt uns zu einer neuen Bestimmung des Reichtums, die die Vorstellung des Gemeinsamen erweitert und auf einen Prozess der Befreiung verweist.(5)
     Da Armut und Liebe womöglich nicht stark genug erscheinen, um die heutigen herrschenden Mächte zu stürzen und das Gemeinsame zu entwickeln, ist es notwendig, die treibende Kraft hervorzuheben, die beide beseelt. Es ist zum Teil eine intellektuelle Kraft. Immanuel Kant beispielsweise versteht die Aufklärung als eine Kraft, die imstande ist, die "fanatischen Anschauungen" zu bannen, die zum Tod der Philosophie führen, und die darüber hinaus jedem Versuch überlegen ist, das Denken zu kontrollieren. Jacques Derrida erinnert im Anschluss an den "aufgeklärten" Kant daran, dass die Vernunft sich vor allem durch die Kraft des Zweifels auszeichnet, und sieht die revolutionäre Leidenschaft der Vernunft an den Rändern der Geschichte auftauchen.(6) Nun bedarf es, darin würden wir zustimmen, zweifellos einer solchen intellektuellen Kraft, um Dogmatismus und Nihilismus zu überwinden, doch ist es zugleich notwendig, sie durch materielle Macht und politisches Handeln zu ergänzen. Die Liebe braucht Stärke, um die herrschenden Mächte zu bezwingen und ihre heruntergekommenen Institutionen zu zerstören, bevor sie eine neue Welt des Gemeinsamen schaffen kann, eine Welt des Common Wealth.
     Das ethische Projekt, das wir in diesem Buch entwickeln werden, nimmt seinen Ausgang von der Frage nach der politischen Zusammensetzung der Menge im Empire. Die Multitude ist ein Ensemble von Singularitäten, die Armut und Liebe in der Reproduktion des Gemeinsamen verbinden, doch bedarf es mehr, um die Dynamiken und die Dispositive zu beschreiben, in denen die Menge zum Fürsten wird. Dabei werden wir weder neue Transzendentalien aus dem Hut zaubern, noch der Multitude den Willen zur Macht überstülpen. Zum Fürsten zu werden ist für die Multitude ein Projekt, das sich vollkommen auf die Immanenz ihrer politischen Entscheidungen stützt. Zu fragen ist daher nach dem Übergang vom Widerstand und von der Revolte zur revolutionären Institution, den zu initiieren die Multitude in der Lage ist.
     Mit dem Titel unseres Buches, Common Wealth, möchten wir die Wiederaufnahme einiger Themen andeuten, die aus klassischen Abhandlungen zur Regierungskunst bekannt sind und die es uns erlauben, die institutionelle Struktur und die politische Verfasstheit der Gesellschaft zu untersuchen. Wenn wir darüber hinaus die beiden Konzepte, die in diesem Ausdruck aufeinandertreffen, in ihrem Verhältnis zueinander begreifen, stellen wir fest: Um eine Welt gemeinsamen Reichtums zu instituieren und zu erhalten, ist es notwendig, dass wir uns auf unsere Fähigkeiten zu kollektiver Produktion und zur Selbstregierung konzentrieren und sie erweitern. Die erste Hälfte des Buches ist eine philosophische und historische Erörterung, die sich nacheinander der Republik, der Moderne und dem Kapital als drei Rahmenstrukturen zuwendet, die die Entwicklung des Gemeinsamen blockieren und zersetzen. Auf jedem einzelnen dieser Felder entdecken wir allerdings zugleich Alternativen, die etwa in der Multitude der Armen und in den Kräften einer anderen Moderne, einer Altermodernität, zutage treten. Die zweite Hälfte des Buches besteht aus einer politischen und ökonomischen Analyse des Terrains, auf dem das Gemeinsame heute anzutreffen ist. Wir erkunden die globalen Regelungsstrukturen, die Governance, im Empire und die Maschinerien kapitalistischer Herrschaft, um uns schließlich dem gegenwärtigen Zustand und dem Potenzial der Multitude zu widmen. Unsere Untersuchung endet mit Überlegungen zu den gegenwärtigen Möglichkeiten einer Revolution und den institutionellen Prozessen, die mit ihr einhergehen müssten. Am Ende eines jeden der sechs Teile des Buches findet sich ein Abschnitt, der aus anderer Perspektive und stärker philosophisch eine zentrale Fragestellung des jeweiligen Teils aufnimmt und diskutiert. (Die Funktion dieser Abschnitte ähnelt der der Scholien in Spinozas Ethik.) Diese Abschnitte lassen sich zusammen mit dem "Intermezzo" auch in einem Stück als eine fortlaufende Erörterung lesen.
     Jean-Luc Nancy macht den Vorschlag, und er geht dabei von ähnlichen Voraussetzungen aus wie wir, Heideggers "Sein und Zeit" 'spinozistisch' zu lesen oder neu zu schreiben."(7) Wir hoffen, unsere Arbeit weist in diese Richtung, indem sie die Phänomenologie des Nihilismus überwindet und die Produktivität und Kreativität der Mulitude offenlegt, die das Potenzial hat, unsere Welt zu revolutionieren und ein Gemeinwesen und einen gemeinsamen Reichtum zu instituieren. Wir wollen nicht nur ein Ereignis definieren, sondern den Funken sehen, der den Steppenbrand entfacht.

Teil 2