Vorgeblättert

Leseprobe zu Tomas Espedal: Gehen. Teil 1

08.08.2011.
Erster Teil

6

Aus einer Beziehung gehen. Pentti Saarikoski schreibt in Brief an meine Frau: "Sicher, ich mochte diese Frau, mit der ich hier zusammenwohnte. Dennoch wollte es mir nicht gelingen, mit ihr zusammenzuleben. Sie ging so langsam. Auf der Straße ging ich stets zwei Meter vor ihr. Und sie war nie wütend auf mich."
     Es stimmt schon, du warst immer wütend, wir gingen stets Seite an Seite, Hand in Hand, dennoch wollte es uns nicht gelingen, zusammen zu sein, oder doch?
     Ich gehe zur Tür hinaus, schließe sie hinter mir, es ist Morgen. Wohin soll ich gehen? Nach rechts oder nach links? Das Einfachste wäre jetzt, auf direktem Weg zur Gaststätte zu gehen, aber ich will nicht das Einfachste, ich will etwas anderes, etwas Schwierigeres und Neues. Aber was genau ist das? Ich will allein sein. Ich will nicht allein sein. So gehe ich und denke, wende mich nach rechts, nicht nach links zur Stadt, wie ich es sonst zu tun pflege, nein, ich nehme den Weg, der aus der Stadt herausführt. Ich habe Geld in der Tasche. Ich bin ein freier Mann. Ich vermisse dich bereits. Ich gehe in die falsche Richtung, aus der Stadt heraus, kann jederzeit auf die Idee kommen, kehrt zu machen, zurückzugehen, gehe jedoch geradeaus. Aus wie vielen Beziehungen bin ich schon gegangen? Aufbruchblauer Himmel, leichte Wolken, wie kleine Buchstaben, wie Abschiedsbriefe, ich schreibe: geh. Der Tag beginnt, die Wärme kommt, ein leichter Gegenwind, und in mir macht etwas kehrt. Ich habe Lust auf ein Bier. Die Gaststätte öffnet in einer Stunde. Sie ist ein guter Ort. Meine Gewohnheiten sind allseits bekannt. Ich überrasche in aller Regel niemanden. Ich gehe aus der Stadt heraus, auf dem Asphalt auf die Festung Bergenhus zu, durch den Park, die Sonne scheint. Das Gras ist frisch gemäht, der gute Duft, plötzliche Freude. Ein Windstoß, die Bäume, die zu einer Allee gereiht stehen; sie geben Acht, dass der Park seine Form, die Welt ihren Sinn behält. Die Blätter der Bäume verfärben sich, es geht auf den Herbst zu. Ich gehe dem Winter oder Frühling entgegen. Es ist Sommer, Spätsommer, jemand schreibt August. Aber ich will keinen Brief schreiben, verschwinde in aller Stille, wortlos, ohne Erklärung; ich habe keine.
     Ich liebe dich.
     Und dort führen die Steintreppen zur Festung hinauf, die kleine Holzbrücke an der Außenseite der Mauer und der Weg zum Nye Sandviksvei hinunter. Zwei Kampfhunde hinter einem Zaun, ich spüre die Bereitschaft erwachen, die Lust, einem dieser Vernichtungstiere an die Kehle zu springen und seinen Hals zu zerfetzen. Ich spüre die Angst. Den spontanen Hass; meinen eigenen und den des Tiers, ich hasse den, der hasst. Doch als ich an den Hunden vorbei bin, bessert sich meine Laune, ich pfeife. Tirili, Tirila. Ich gehe die Straße hinab, und hier beschreibt sie eine Kurve, die so scharf ist, dass ich zurückblicken und die Stadt sehen kann, die ich soeben verlasse.
     Eine Kurve. Der schöne Bogen zwischen dem, was war, und dem, was kommen wird.
     Ich liebe diese Kurve.
     Ich bin sie viele Male gegangen. Aber heute gehe ich sie zum ersten Mal. So fühlt es sich an. Vielleicht, weil ich sie nicht zurückgehen werde, vielleicht, weil ich so wach bin; heute sehe ich diese Kurve, folge ihr getreu, mit jedem Meter, mit jedem Schritt. Es ist meine Kurve. Ein zertretenes Blatt, Steinchen, eine ausgetrocknete Schnecke, eine plattgefahrene Kröte, kleine Spuren; du bist auf dem richtigen Weg. Du bist auf dem Weg zu etwas Vertrautem und Neuem. Als träte man rückwärts durch eine Tür ein, es ist dein Haus, dein Zweifel, dein Weg. Du folgst mir wie ein Schatten. Wir gehen Seite an Seite, Hand in Hand, jeder an seinem Ende der Stadt. Du fehlst mir. Nun aber endet die Kurve, und die Straße verläuft gerade und gabelt sich wie ein allzu mächtiger Fluss; sie will etwas. Ich weiß nicht, was ich will, folge jedoch der Straße aufwärts, nicht abwärts, ich gehe nach rechts und nehme den Amalie Skrams vei. Hier wohnte ich ein Jahr bei dem Philosophen, er war es, der mich lehrte zu gehen. Er lehrte mich, in einem Haus zu wohnen. Ich hatte Häuser nie gemocht, sie waren mir zu groß und zu widerspenstig. Ein Haus ist fordernd, schwierig. Man muss lernen, ein Haus zu bemeistern. Man muss lernen, darin zu wohnen. Ich lernte es, wollte es aber nicht, ich wollte in keinem Haus wohnen. Wir stritten uns darüber, denn du fandest Gefallen daran, in großen Häusern zu wohnen. Ich habe keine Zeit, in einem Haus all diese Türen, die überflüssigen Zimmer, die vielen unnützen Möbel, die unfreundlichen Fenster. Ich bin in einer kleinen Wohnung aufgewachsen. Meine Eltern wohnten in einer modernen Wohnung, weil sie ihre Zeit arbeitend verbrachten. Wenn sie nicht arbeiteten, mussten sie sich ausruhen. Zentralheizung, Linoleumboden, Holztäfelung und Hausmeister, das sind Errungenschaften, die es einem ermöglichen, sich auszuruhen. Die es einem ermöglichen, keinen Gedanken an das Wohnen zu verschwenden. Man wohnt. Man arbeitet. Man ruht. Ich war in dieser Wohnung glücklich, sagte ich. Du aber wolltest in einem Haus wohnen. Und es kam, wie nicht anders zu erwarten; ich musste Holz hacken, den Ofen anfeuern, eine Wand einreißen, eine andere hochziehen, den Fußboden abschleifen, eine Tür reparieren, ein Fenster austauschen, ich musste das Haus streichen. Ich arbeitete im Garten. Ich stellte die Möbel um, das Haus war groß, wir wussten nicht, wohin mit uns. Ich schrieb kein einziges Wort in diesen Jahren. Was ich brauche, sagte ich, sind ein paar Stunden Frieden und Ruhe, ein paar Tage hintereinander ohne Pläne und Tatendrang. Was ich brauche, sagte ich, ist ein kleines Zimmer, am liebsten eine Kleiderkammer. Ein kleines, kühles, unberührtes und ungestörtes Zimmer, in dem ich schreiben kann. Doch etwas Derartiges gab es in unserem Haus nicht. In dieser Phase, als ich in einem großen Haus wohnte, bot mir der Philosoph ein Zimmer in seinem Haus an, er wohnte allein in einem freistehenden Haus. Jemand hätte mir sagen sollen, dass ich einer falschen Fährte folgte, ich hätte bei einem Schloss enden können, fast so wie jener unglückselige Landvermesser bei Kafka, aber der Philosoph hatte es vor allem darauf abgesehen, mich über das gute Leben aufzuklären. Ganz auf mich selbst gestellt, entdeckte ich, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen der Qualität des Denkens und Schreibens und der Größe des Hauses, das man bewohnt. Eher umgekehrt. Große Häuser führen möglicherweise zu großen Gedanken, aber gut sind sie deshalb noch lange nicht. Nun ja. In meinem Fall führen große Häuser unweigerlich zu kleinen Gedanken. Wo soll man den Salontisch platzieren? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um die Fassade zu streichen? Welche Farbe soll man wählen? Wer wird die Rechnung bezahlen? Welche Bücher muss ich schreiben, um das Haus abzuzahlen? Einen Kriminalroman? Die Handlung war zum Greifen nah. Ich hatte große Lust, die Frau zu ermorden, mit der ich zusammen war. In dieser Phase lernte ich, zu gehen. Gehen ist in gewisser Hinsicht das genaue Gegenteil davon, in einem Haus zu wohnen. Zumindest gilt dies für die Wanderung, die eine erweiterte freiwillige oder unfreiwillige Geherfahrung ist, eine Wanderung ist erwünschte oder unerwünschte Heimatlosigkeit. Hatte ich mir nicht schon seit langem gewünscht, mich auf den Weg zu machen, ohne Kurs und Ziel, und nur zu gehen, in eine einzige, beliebige Richtung, fort von diesem mörderischen Haus? Der Philosoph ging täglich, zu seinem Büro und wieder zurück. Das schärfe sein Denken, behauptete er. Das Gehen bringe das Denken in Schwung, und die Gedanken, die einem beim Gehen kämen, seien besser als jene, die man denke, wenn man stillsitze, beispielsweise in einem Büro. Den größten Teil seiner Zeit verbrachte er in seinem Büro. Ich saß am Schreibtisch des Hauses, das er bewohnte. Ich hatte Lust, zu gehen. Nicht hin und her, sondern geradeaus und fort, so weit ich kommen konnte. Nun, jetzt gehe ich hier, nach vielen kleinen Umwegen, an seinem Haus vorbei, geradeaus, den Anstieg hinauf, am Krankenhaus Sandviken und dem vorbei, was einst Dr. Martens Krankenhaus hieß, hier arbeitete meine Mutter, als Arztsekretärin, für Doktor Madland und Doktor Lieb, und manchmal auch für Doktor Ose. Von meiner Mutter habe ich den Respekt vor Ärzten geerbt, insbesondere vor Psychiatern, von ihr habe ich zu schreiben gelernt. Sie schenkte mir meine erste Schreibmaschine, es war eine Arztsekretärinnenmaschine, und ich weiß nicht, wie viele Krankenblätter und Berichte sie darauf getippt hatte, aber es steckte eine ganz eigene Verrücktheit in dieser Maschine. Als meine Mutter starb, drehte ich wirklich beinahe durch, ich flog nach London, nahm den Zug nach Swansea und ging zu Fuß nach Laugharne, wo ich mich im Brown Hotel auf einen Barhocker setzte, um mich in Grund und Boden zu trinken. Es war eine mythische Reise. Es war eine verzweifelte Reise. Auf der Beerdigung meiner Mutter hatte ich Dylan Thomas? Gedicht Do not go gentle into that good night gelesen. Ein paar Tage später saß ich im Flugzeug; ich wusste nicht, was ich tun sollte. Aus reiner Verzweiflung ging ich in den Fußstapfen eines Dichters. Vom Krankenhaus führt ein Weg zum Skytterveien hinauf. Am Fußballplatz vorbei. An der alten Genossenschaft vorbei. Flache Wohnblöcke in zwei Reihen, ein Spielplatz, ohne Kinder. Geparkte Autos, frisch gemähtes Gras, Asphalt, Treppenaufgänge, Stille, es herrscht eine ganz eigene Stille zwischen diesen Mietskasernen. Eine schattenhafte Gestalt mit Stock, der Mann steigt die Treppe wie jemand hinauf, der seine Frau verloren hat, die Treppe zum Hochhaus, es ist der Hausmeister, er heißt Osberg, ich erkenne ihn. Er wohnt im fünften Stock, wir wohnten im elften, in der Wohnung, an deren Tür heute Familie Larsen steht. Joakim Larsen, der Vater von Rune, dem mit den Fernsehprogrammen. Rune Larsen ist mir als recht guter Boxer in Erinnerung geblieben, obwohl sein Vater besser war, jedenfalls behauptet das mein Vater, der ebenfalls Boxer war, allerdings nicht besser als sein Sohn, das habe ich schwarz auf weiß. Unter dem Hochhaus verläuft eine Unterführung zum Hinterhof, von dort aus führen Treppen am Heizungskeller und an den Wäscheleinen vorbei zu dem steilen Hang, der sich am Jomfrudammen teilt. Der Weg führt wieder bergab zum Langevannet und folgt der alten Poststraße nach Åsane. Nur an zwei Punkten berührt dieser Weg die Verkehrsader, die sich bis in die Vorstadt zieht. Man geht über eine Brücke. Man passiert einen Bauernhof. Man denkt nicht besser, wenn man geht. Man denkt anders. Woran denke ich? Ich habe Hunger und muss mir etwas zu essen besorgen. In Åsane mache ich am Geschäftszentrum Halt, um einzukaufen. Ich besorge mir einen Rucksack, gute Bergstiefel, Toilettenartikel und eine Ausgabe von Julie oder die neue Heloïse; ich habe beschlossen, weit zu gehen.

7

O ja, warum nicht mit Rousseau, Jean-Jacques, beginnen, der in seinen Bekenntnissen schreibt: "Niemals habe ich so viel gedacht, nie bin ich von der Tatsache meines Daseins, meines Lebens und, wenn ich so sagen darf, meines Ichs so erfüllt gewesen als auf meinen einsamen Fußwanderungen. Das Gehen hat etwas, was meine Gedanken erregt und belebt; wenn ich mich nicht bewege, kann ich kaum denken, mein Körper muss gewissermaßen in Schwung geraten, um auch meinen Geist zum Schwingen zu bringen. Das freie Land, die Aufeinanderfolge so vieler freundlicher Anblicke, die frische Luft, der große Hunger und die Gesundheit, die ich mir stets beim Gehen erwerbe, die Ungezwungenheit des Gasthauses, die Entfernung alles dessen, was mich meine Abhängigkeit fühlen lässt und mich an meine wahre Lage erinnert, befreit meine Seele, verleiht mir eine größere Kühnheit des Denkens [?]."
     Rousseau ist nicht der Erste, der eine Verbindung zwischen Gehen und gutem Denken herstellt, aber er ist der erste bedeutende Autor, der darüber reflektiert, was es eigentlich heißt, zu gehen; er schreibt dem Gehen einen romantischen Wert zu: Man kommt der Natur näher; dem Ursprünglichen, und empfindet sogleich Wohlbehagen, ein reines Glücksgefühl, außerdem ist man frei. Der Gehende fühlt sich frei. Er kann seine Wege selbst wählen. Außerdem ist es gut für das Denken und die Gesundheit, sich zu Fuß fortzubewegen. Am besten gehen wir aus der Stadt heraus, ins Freie, aufs Land und in die Natur; das befreit die Gedanken und wirkt appetitanregend. Aber was sollen wir essen? Jean-Jacques war ein Freund und Fürsprecher der Natur, ein Vegetarier war er jedoch nicht. Wir finden ein Wirtshaus im Text und stellen uns eine wohlschmeckende Mahlzeit mit ausgesprochen köstlichen Getränken vor. Wir sind folglich nicht in der Gewalt der Natur, wir halten uns noch in einiger Entfernung zur Wildnis auf: Wir befinden uns mit anderen Worten an einem Ort dazwischen. Und dieses Dazwischen ist der Ort der Romantik. Wir haben einen hübschen Spaziergang aus der Stadt hinaus gemacht und sind noch ein ganzes Stück von der Wildnis, von unberührter Natur entfernt. Wir befinden uns an einem Ort zwischen der Stadt und ihrem Gegenpol, dem Wildwüchsigen. Hier ist der Mensch von der Forderung nach Wissen und Bildung befreit. Wir haben Theater und Museen und Kunst hinter uns gelassen, mit denen die Hässlichkeit des modernen Lebens überpudert wird. Doch wir sind nicht so weit entfernt, dass wir nicht mehr zur Wärme des heimischen Herds und den abendlichen Notizen zurückkehren können. Wir halten uns in einer Idylle auf, einer Landschaft, in der ein angenehmer Ausblick den nächsten ablöst. Wir können die Stadt nicht sehen. Wir haben Aussicht auf eine Kulturlandschaft mit Ackerbau und kleinen Bauernhöfen. Hier steht ein Wirtshaus, eine Kirche mit Glockenturm. "Absolute Stille indes", schreibt Rousseau, "macht traurig. Sie bietet ein Bild des Todes." Nein, wir können die Vögel und den Bach hören, der zwischen den Feldern in Gräben geleitet wird. Dort hinten grast eine Schafherde, und in passender Entfernung erblicken wir Pferde und Kühe. Am schönsten ist jedoch die Aussicht auf einen kleinen See, in dem das Boot des einsamen Wanderers liegt. Hier rudert er allein, mit einem Ruder hinaus, und liegt stundenlang rücklings auf dem Boden des Boots, bis er ekstatisch ausruft: "Oh, Natur! Oh, meine Geliebte!"
     Jean-Jacques schwärmt für die Natur. Sie ist, wenn man so will, seine Geliebte. Er liebt die Natur wie eine Frau. Bei Rousseau ist die Natur in erster Linie eine Vorstellung. Sie ist sauber und unproblematisch, bereinigt von Konflikten und Schlacke. Natur ist bei Rousseau eine Vorstellung von einem besseren und ursprünglicheren Ort für die Menschen. Es scheint, als nähme Rousseau die Natur als eine Abwesenheit von Stadt wahr, von allem, was er verachtet: Diskussionen und Eitelkeit. Gesellschaftliches Leben und Kunst. Fort sind die Straßen und der Lärm, die Hetze und alles Falsche; die Krämer und Anwälte, die Journalisten und Künstler. Fort sind Industrie und Technologie. Hier in dieser Abwesenheit ist der Mensch natürlich: "Er durchstreift die Wälder, ohne Industrie, ohne Reden, ohne Heimstatt, ohne Krieg und Verbindungen. Er braucht die anderen nicht und hat auch nicht den Wunsch, ihnen zu schaden."
     Der Wanderer ist also, Rousseau zufolge, ein einfacher und friedlicher Mensch. Er ist frei. Er hat die Stadt zurückgelassen, Familie und Verpflichtungen verlassen, seiner Arbeit Lebewohl gesagt. Lebewohl der Verantwortung. Lebewohl dem Geld. Er hat Abschied genommen von seinen Freunden und der Geliebten, von Ambitionen und Zukunft. Er ist ein wahrer Rebell, doch nun hat er auch der Rebellion Lebewohl gesagt. Er wandert allein im Wald, ein Herumtreiber. Er geht die Wege, ohne allzu viele Habseligkeiten, er hat sich die Welt und ihre Möglichkeiten zu eigen gemacht. Was er benötigt, trägt er in einem Sack auf dem Rücken.
     Jean-Jacques verlässt das Wirtshaus. Der rebellische Mann und Naturliebhaber ist einfach gekleidet, trägt ein langes hellbraunes Baumwollgewand über einer kurzen Hose mit langen Wollstrümpfen. Er trägt dünne, aber feste Schuhe. Er verlässt das Wirtshaus. Jetzt muss er sich entscheiden, ob er umkehren und heimgehen oder noch ein Stückchen weiter gehen soll. Jean-Jacques kehrt um, er will zu seinem Haus und zum Schreibtisch zurück. Sobald er daheim ist - es ist ein kleines Schlösschen, eine reiche Freundin hat es ihm überlassen -, setzt er sich an den Schreibtisch am Fenster. Hier schreibt er in den Träumereien eines einsamen Spaziergängers: "Ich plante also, die allgemeine Befindlichkeit meiner Seele in der jetzigen Situation zu beschreiben - der absonderlichsten wohl, die einem Sterblichen widerfahren kann -, und am besten, glaubte ich, gelänge mir dies, wenn ich getreulich die Träumereien protokollierte, die meine einsamen Spaziergänge beleben, kaum dass ich meinen Kopf gewähren und meine Gedanken sich völlig ohne Zwang und Steuerung entwickeln lasse. Nur in diesen Stunden der Einsamkeit, da ich Gelegenheit zum Nachsinnen habe und mich nichts ablenkt oder stört, bin ich ganz und gar ich selbst und gehöre mir allein; nur in diesen Stunden kann ich ehrlicherweise von mir behaupten zu sein, wie die Natur mich wollte."

zu Teil 2