Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.11.2004. Im Merkur erklärt Bernhard Schlink, warum Ungerechtigkeit sittlich sein kann. Im Espresso hofft Andrzej Stasiuk auf einen Wechsel in der Ukraine. Das polnische Plus-Minus fürchtet sich eher davor. Folio widmet sich den Marken, DU dem Blut (immer so schön konkret, die Schweizer). Outlook feiert den größten Bösewicht des indischen Films. Ferenc Fejtö nennt in ES das christliche Europa eine Utopie. In der NYT Book Review entdeckt David Foster Wallace Absurditäten in einer neuen Borges-Biografie.
Merkur | Economist | Plus - Minus | Kafka | New York Times | New Yorker | Espresso | Elet es Irodalom | Folio | Nouvel Observateur | Outlook India | Gazeta Wyborcza | DU
Merkur (Deutschland), 01.11.2004
Der Jurist und Autor Bernhard Schlink nähert sich vorsichtig einer heiklen Frage: "Hat nicht auch die Gerechtigkeit ihren Preis? Muss nicht auch die stetige "Verrechtlichung und Vergerechtlichung" moderner Gesellschaften an Grenzen stoßen? "Dass die Sensibilität für Recht und Gerechtigkeit gewachsen ist, ist kein Schaden", schreibt Schlink, "der Schaden liegt in der Absolutheit, mit der das normative Paradigma die Verwirklichung von Recht und Gerechtigkeit der Verwirklichung anderer Ziele vorordnet. Manchmal können Unrecht und Ungerechtigkeit politisch, wirtschaftlich oder pädagogisch sinnvoll und sittlich vertretbar sein, und in der Liebe geht es ohnehin nicht fair zu. Immer ist die Wirklichkeit so, wie sie ist. Immer gilt es, sie richtig zu sehen und ernst zu nehmen, ob man sie mit gutem Grund lieber anders, besser, gerechter hätte oder nicht. Immer ist die Entscheidung, auf die Gerechtigkeit gegen die Wirklichkeit oder auf diese gegen jene zu setzen, eine zu verantwortende Entscheidung, die ihren Preis hat. Dass das normative Paradigma den Preis entfallen lasse, ist nur ein schöner Schein."
Weiteres: In ihrer Humaniorakolumne erkennt Katharina Rutschky im Bild der sinnlichen, pazifistischen Frau eine reaktionäre Männerphantasie, an die nur noch der Vatikan und der Feminismus glauben.
Im Print: Volker Gerhardt beleuchtet die amerikanisch-europäische Uneinigkeit im Kampf gegen den Terror. Matthias Bohlender verfolgt das "Gespenst der Arbeitslosigkeit", und Dirk von Petersdorf fragt, wie viel Metaphysik die Aufklärung verträgt.
Weiteres: In ihrer Humaniorakolumne erkennt Katharina Rutschky im Bild der sinnlichen, pazifistischen Frau eine reaktionäre Männerphantasie, an die nur noch der Vatikan und der Feminismus glauben.
Im Print: Volker Gerhardt beleuchtet die amerikanisch-europäische Uneinigkeit im Kampf gegen den Terror. Matthias Bohlender verfolgt das "Gespenst der Arbeitslosigkeit", und Dirk von Petersdorf fragt, wie viel Metaphysik die Aufklärung verträgt.
New Yorker (USA), 15.11.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q19/A9212/ny.jpg)
Paul Goldberger dagegen lobt die Eleganz, mit der Taniguchi den Erweiterungsbau ins Stadtbild eingefügt habe. Taniguchi habe vor allem "ein Paradox begriffen, das seinem Projekt innewohnte: dass nämlich das Gelingen, das Museum als es selbst zu erhalten, zumindest zum Teil von seiner Fähigkeit abhängen würde zu erkennen, wie viel dafür verändert werden musste."
Weiteres: In einer ausführlichen Analyse untersucht Jon Lee Anderson, ob im Irak, wo Bushs "De-Baathifizierungsprogramm" die Unruhen anheize, noch ein Kurswechsel möglich ist. "Wehe uns!" überschreibt Hendrik Hertzberg seinen Kommentar über den Ausgang der Präsidentenwahl. ("Hier, im traurigsten Bezirk der traurigsten Stadt des traurigsten Staats unseres rot-weiß-blauen Landes, war die vergangene Woche keine glückliche. Wir haben den Blues".) Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Triumph of the Southside Ladyjacks" von James Ellis Thomas.
Die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem einem Buch von Tom Wolfe ("I Am Charlotte Simmons") und einer Biografie über P. G. Wodehouse. Anthony Lane sah im Kino den neuen Zeichentrickfilm der Macher von "Findet Nemo", "The Incredibles", und eine Wiederaufführung von Samuel Fullers "The Big Red One", der auch nach 25 Jahren nichts von seiner "Hartnäckigkeit" verloren habe.
Nur in der Printausgabe: ein Artikel über ängstliche Eltern, die furchtbar viel Geld ausgeben, um ihre Kinder groß zu bekommen, eine Reportage über das Steuern eines Schiffs, das größer als die Titanic ist, ein Bericht über einen französischen Medienskandal und eine Bewertung der amerikanischen TV-Wahlberichterstattung.
Espresso (Italien), 11.11.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A9210/espresso.jpg)
In der Titelgeschichte beklagt Enrico Pedemonte den Wahlsieg von George W. Bush und ist sich sicher, dass Amerika nun noch radikaler wird als je zuvor. Monica Maggi berichtet vom zweiten Gender Bender Festival in Bologna, das sie für den Mix aus europäischer Kultur, Musik, Kunst und Film und die verschwimmenden Geschlechtergrenzen liebt. Cesare Balbo informiert, dass mit den "Fantastischen Vier" die Marvel-Kinofamilie bald komplett ist.
Elet es Irodalom (Ungarn), 29.10.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A9205/es.jpg)
"Meine Helden sind erniedrigte Menschen" - erklärt der Schriftsteller György Dalos im Gespräch über seinen in Ungarn gerade erschienenen Roman "Seilschaften". Der Sittenverfall seiner Landsleute erinnert ihn an Balzac-Romane, denn im Wirbelsturm des ungarischen Transformationsprozesses benehmen sich die Menschen für Dalos so, wie die Helden Balzacs zwischen den Ären Ludwigs XVI. und Napoleons. "Die persönliche Integrität hilft nichts, wenn sich die Welt um uns herum grundsätzlich verändert. Man wird zu einem Alkoholiker, oder man wird nach rechts bzw. nach links geschleudert. Wir sind elementaren Kräften ausgesetzt." Dalos startet in der ungarischen Edition seines Romans ein intermediales Experiment, um die Interferenzen zwischen den "Galaxien Gutenberg und Gates" auszutesten. Am Ende des Buches sind drei E-Mail-Adressen abgedruckt, über die der Leser die Romanfiguren kontaktieren kann. "Bis jetzt kam eine einzige interessante Nachricht und fünfzehn Werbungen."
Auch in Litauen tobt ein Wirbelsturm - erzählt Marius Ivaskevicius (mehr hier), - und fördert Erstaunliches ans Tageslicht, zum Beispiel die Verzauberung ganzer Stadtteile: Vor kurzem erklärten paar Künstler einen langweiligen Stadtbezirk von Vilnius spontan zu einer autonomen Republik. "Sie errichteten an der Grenze des Stadtviertels eine Grenzstation, ernannten sogar einen Premier und mehrere Botschafter. Regierungssitz wurde jenes Kaffeehaus, dessen Terrasse einen Blick auf den Fluss Vilnele bietet. Die Preise der Wohnungen in diesem Stadtviertel steigen seitdem nicht Tag für Tag, sondern Stunde für Stunde."
Folio (Schweiz), 08.11.2004
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Wenn Sie weiblich, ledig und jenseits der fünfunddreißig sind, hat Elisabeth Bronfen vielleicht einen Buchtipp für Sie: "Find a Husband After 35 Using What I learned at Harvard Business School" von Rachel Greenwald. Dieses 15-Punkte-Programm richte sich an Frauen, die das schlimme Stigma des Alleinseins loswerden möchten. Das geht scheinbar ganz einfach, indem man berufliche Verkaufsstrategien aufs Privatleben überträgt. Branding heißt die Devise für die Frau von heute, sich "so gestalten, dass sie ein stimmiges Produkt abgibt".
Außerdem: Luca Turin wird in seiner Markenkritik erfreulich konkret. Über Hermes: kein Objekt ist "sein Geld nicht wert", auch wenn es hässlich ist. Louis Vuitton: "Lausige Qualität (die thailändischen Imitate sind nicht viel schlechter als die Originale), zweifelhafter Geschmack (um ein Bonmot von Marx umzukehren: was in den dreißiger Jahren als Farce begann, nämlich das Futter nach außen zu wenden, ist inzwischen zu einer Tragödie geworden) und unverschämter Preis." Im "Brauseschritt" schreitet Harald Willenbrock die Coca Cola-Historie ab, Andreas Heller wirft einen Schweizer Exotenblick auf den Erfolg von Aldi, und Mikael Krogerus weiß um die zunehmenden Schwierigkeiten erfolgreicher Marketingstrategien.
Und noch einmal Turin: In der Duftkolumne kommentiert er schockiert die Nachricht, dass Guerlain "alle seine klassischen Düfte (14)" verändern will, um sie "den Normen der International Fragrance Association anzupassen", die Allergien ausschließen sollen. Für Turin ein "Akt von vorauseilendem Vandalismus".
Nouvel Observateur (Frankreich), 04.11.2004
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Weiteres: Ausführlich besprochen werden zwei Bücher zum Thema "Autofiktion", ein Mittelding zwischen Autobiografie und Fiktion, das in Frankreich seit Herve Guibert und anderen zum Begriff wurde ("Est-il je? Roman autobiographique et autofiction" von Philippe Gasparini, Seuil; "Autofiction & autres mythomanies litteraires" von Vincent Colonna, Tristram). Anlässlich des Erscheinens seines neuen Romans ("Fanny", Plon) gibt der amerikanische Schriftsteller Edmund White (mehr) Auskunft über seine Lieblingsschriftsteller und beklagt, dass heutzutage "keine Unterscheidung mehr zwischen der Literatur und dem Leben" gemacht würde. Und mehr Buchbesprechungen: Geradezu hymnisch ("Köstlich, komisch, frech, meist genau: insgesamt der beste Sollers!") wird der "Dictionnaire amoureux de Venise" von Philippe Sollers besprochen (mehr, Plon). Empfohlen wird außerdem die Wiederlektüre des kommunistischen Literaturkritikers Marc Bernard, der in den dreißiger Jahren gegen "bürgerliche, katholische und verräterische Schriftsteller" zu Felde zog ("A l'attaque!", Le Dilettante), sowie ein "leidenschaftlicher" Essay von Nicole Lapierre, der sich mit "Denkern des Andersseins", darunter Walter Benjamin, Georg Simmel, aber auch Günter Wallraff beschäftigt ("Pensons ailleurs", Stock).
Outlook India (Indien), 15.11.2004
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Meghnad Desai hat Bunny Reubens Biografie des Schauspielers Pran gelesen, der in mehr als 350 Filmen den Bösewicht gab, wobei er meistens besser aussah als der Held, was auch den Frauen nicht entging, auch wenn sie am Ende dem Good Guy in die Arme sinken mussten. "Er war kultiviert und gut angezogen - selbst im unvermeidlichen weißen Jacket - und er war böse bis hinab zu den Absätzen seiner weißen Gentleman-Schuhe." Ein Mann mit einer langen Karriere im frühen indischen Kino (sage und schreibe sechzig Jahre), mit vielen negativen Rollen und einem großem Anhang - und jetzt auch einem "würdigen Tribut" in Form dieses Buches.
Dann das Bush-Wiederwahl-Paket inklusive Vinod Mehtas Titelgeschichte, dem es angst und bange wird, da mag der republikanische Sieg noch so "gut" sein für Indien. Sunil Khilnani, Leiter der Fakultät für Südasienstudien an der John Hopkins University, gibt einen präzisen und wohlüberlegten Ausblick auf die nächsten vier Jahre, und Michael Albert, Mitbegründer des Z Magazine, analysiert ausführlich die Lage der amerikanischen Linken (weiter geht?s!)- das allerdings nur im Netz.
Schließlich hat Anita Nair ein wahres Kleinod ausfindig gemacht: einen Lyrikband, der Kinder und sogar Lyrik-Ignoranten entzücken und mit leichter Hand für die Poesie gewinnen wird. Er stammt von Ruskin Bond und heißt "A Little Night Music". Hier ein paar ganz wundervolle Beispiele.
Gazeta Wyborcza (Polen), 06.11.2004
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Anna Wolff-Poweska vom Posener West-Institut nimmt sich 15 Jahre nach dem Mauerfall der ostdeutschen Psyche an: "Das Bewusstsein, dass nun in aller Öffentlichkeit das Leben der DDR-Bürger vor und nach dem Mauerfall zerlegt und untersucht wird - wie sie lebten, beteten, ihre Freizeit verbrachten, was sie heute denken, was sie essen, was sie über die Homosexuellen denken, wie sie mit dem Kommunismus abrechnen - und das, indem man sie ständig mit den Westdeutschen vergleicht, ist eine Quelle der Demütigungen und der Irritation. Woher nehmen sich diejenigen, die das Schicksal einige Kilometer weiter westlich verschlagen hat, das Recht auf solche Abrechnungen?", schreibt sie. Dabei war die DDR in besonderer Weise von der Existenz im Ostblock gezeichnet, "in einer Welt, wo es Arbeitsplätze ohne Arbeit, Wahlen ohne Möglichkeit der Wahl, Geld ohne Waren, Freundschaftsgrenzen ohne Freundschaft gab". Das Experiment der Einheit hält Wolff-Poweska dennoch für gelungen. Woran es allerdings noch fehlt, ist Interesse für einander und einfache zwischenmenschliche Solidarität und Vertrauen.
DU (Schweiz), 01.11.2004
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Höchst spannend liest sich Heide Hollmers Bericht darüber wie es ist, mit einem neuen Herzen ausgestattet zu werden. Gerade mal 35-jährig erleidet die Literaturwissenschaftlerin einen Vorderwandinfarkt mit irreversibler Schädigung und muss auf ein Spenderherz hoffen - mit offensichtlichem Erfolg. Sie hat Glück gehabt, ihr neues Herz liebt den gleichen Mann wie ihr altes. Auch sonst hat sich ihre Persönlichkeit nicht geändert: "Als ein Journalist unter Verweis auf eine Amerikanerin unbedingt von mir hören wollte, dass ich charakterlich eine Symbiose mit meinem Herzspender eingegangen sei, fragte ich eine Ärztin aus dem Transplantationszentrum. Schlagfertig konterte sie: Die Kardiochirurgie arbeite seit längerem schon mit Kuhherzen, aus denen transgenes Gewebe für Klappen gewonnen wird. Bislang habe sich noch kein Patient gemeldet, um sich melken zu lassen."
Des weiteren findet sich exklusive Blut-Prosa in Gestalt zweier Erzählungen von Burkhard Spinnen und von Viola Roggenkamp, von denen leider nur die letztere mit Titel "Herzblut" online einzusehen ist.
Nur im Print: "Zauberhafte" Aufnahmen menschlicher Blutbahnen des schwedischen Fotografen Lennart Nilsson (mehr hier), Werner Burkhardt meditiert über Blut auf den Opernbühnen, Georg Oswald widmet sich der Blut und Boden-Ideologie, und Mathias Böllinger porträtiert den medizinischen Illustrator Gerhard Spitzer.
Economist (UK), 05.11.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A9211/economist.jpg)
"Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aus dem George Bush nach einem technischem Streit in einem hart umkämpften Staat als Sieger hervorgeht" - Zwar mag dieses Szenario einem bekannt vorkommen, meint der Economist, doch man sollte die Bedeutung des US-Wahlausgangs nicht unterschätzen. Denn immerhin "verfügt der 'zufällige Präsident', der das Weiße Haus vor vier Jahren nur dank des Obersten Gerichtshofs und schrumpeliger Stanzabfälle erreichte, jetzt über ein wirkliches Wählermandat." Daraufhin wendet sich der Economist dem demokratischen Lager zu und sieht Hillary Clinton als die nächste demokratische Präsidentschafts-Kandidatin kommen.
Weitere Artikel: Simon Singhs Buch über den Urknall ("Big Bang: The Most Important Scientific Discovery of All Time and Why You Need to Know About It") erntet Lob für seine subtile, anmutige und witzige Art. Wie ist es nun um die Idylle des niederländischen Multikulturalismus bestellt, fragt der Economist nach dem Mord am Regisseur Theo Van Gogh, der ironischerweise gerade dann geschah, als Van Gogh auf dem Weg ins Studio war, um seinem Film über den Mord am Rechtspopulisten Pim Fortuyn den letzten Schliff zu geben.
Außerdem: der Economist würdigt den verstorbenen Musikkritiker John Peel als kompromisslosen Pionier, begrüßt die Initiative der Zeitschrift "The Lancet", statistische Schätzungen über die Anzahl der irakischen Kriegsopfer zu liefern - die Zahlen allerdings stellt er in Frage, und überlegt schließlich, wie der Nahost-Friedensprozess nach Arafat aussehen könnte.
Plus - Minus (Polen), 06.11.2004
Das Magazin der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita spricht mit drei jungen Politikwissenschaftlern über die Lage nach den Wahlen in der Ukraine, über die imperiale Politik Russlands und das Verhältnis des Westens gegenüber den osteuropäischen Staaten. "Seit dem Beitritt Polens zur NATO lebten wir in der bequemen Überzeugung, dass Russland keine reale Bedrohung mehr darstellt. Das, was heute in und um die Ukraine passiert, zeigt, dass es vollkommen anders ist. Das Imperium schlägt zurück. Die Mittel sind anders, aber die Ziele die gleichen. Russland ist sehr daran interessiert, sich so fest wie möglich an Mittelosteuropa festzukrallen. Die inkohärente Politik der EU gegenüber Moskau lässt vermuten, dass wenigstens einige Länder diese Politik dulden werden. George W. Bush hinterfragt sie auch nicht", meint Marek Cichocki. Allerdings: "Der Ort, wo es zu spektakulären amerikanisch-russischen Spannungen kommen kann, ist der Iran. Die Ukraine und Weißrussland sind für die USA, strategisch gesehen, zweit- oder gar drittrangig".
Zum polnischen Kinostart von "Der Untergang" sorgt sich die Filmkritikerin Barbara Hollender, ob das junge, geschichtsunkundige Publikum in Polen und anderswo in der Lage sein wird, den Film richtig einzuordnen. Obwohl ihr der Film persönlich gut gefallen hat, würde sie dafür plädieren, im nächsten Schritt die Entstehungsgeschichte der Tyrannei zu verfilmen, zu zeigen, wie "Hitler den Deutschen passieren konnte".
Zum polnischen Kinostart von "Der Untergang" sorgt sich die Filmkritikerin Barbara Hollender, ob das junge, geschichtsunkundige Publikum in Polen und anderswo in der Lage sein wird, den Film richtig einzuordnen. Obwohl ihr der Film persönlich gut gefallen hat, würde sie dafür plädieren, im nächsten Schritt die Entstehungsgeschichte der Tyrannei zu verfilmen, zu zeigen, wie "Hitler den Deutschen passieren konnte".
Kafka (Deutschland), 04.11.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q60/A9214/kafka.jpg)
Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, kann dagegen keinen gestiegenen Antisemitismus in Europa feststellen: "Die Israelis sollten dazu übergehen, anstatt ihrer historischen Empfindlichkeit nachzugeben, die kritischen Thesen gegen ihre Politik mit Argumenten zu widerlegen."
Der in der Slowakei geborene Autor Peter Ambros erklärt den "Volksantisemitismus des klero-faschistischen Staates" als einen "sentimentalen Antisemitismus der moralischen Verzweiflung" und weist auf einen entscheidenden Unterschied hin: "Der jüdische Volksfeind in der Slowakei war weder der Komponist noch der Unternehmer. Es waren die Dorfschankwirte." Außerdem schreiben Ulrich Beck, György Dalos, Basil Kerski ...
Und wie immer das ganze auch auf Tschechisch, Ungarisch, Polnisch und Slowakisch.
New York Times (USA), 07.11.2004
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A9209/nyt.jpg)
David Foster Wallace hat Edwin Williamsons Biografie (erstes Kapitel) des großen Jorge Luis Borges (mehr) gelesen, und findet, hier wird zu viel interpretiert: "Ein Biograf will, dass seine Geschichte nicht nur interessant, sondern auch literarisch wertvoll ist. Darum muss die Biografie glaubhaft machen, dass das persönliche Leben des Schriftstellers von entscheidender Bedeutung für das Verständnis des Werks ist." Das klappt bei einigen Autoren, wie zum Beispiel Kafka, meint Allen. Bei Borges funktioniert es nicht: "Wir haben es mit der seltsamen Situation zu tun, in der Borges' individuelle Persönlichkeit und seine Situation nur insofern Bedeutung haben, als sie ihn dazu bringen, Kunstwerke zu schaffen, in denen persönliche Fakten für unwirklich gehalten werden."
Weitere Besprechungen: "Genau im richtigen Moment" kommt Geoffrey R. Stones "Perilous Times. Free Speech in Wartime, From the Sedition Act of 1798 to the War on Terrorism", meint Christopher Hitchens. Stone untersucht darin das Verhältnis von Freiheit und Staatsgewalt in Krisenzeiten. James F. O'Gorman empfiehlt Ada Louise Huxtables Porträt des "begnadeten, hingebungsvollen, egozentrischen und arroganten" Architekten Frank Lloyd Wright (mehr von seinen Bauten) als "anregende" Lektüre (erstes Kapitel).
Für das New York Times Magazine fährt Alex Witchel mit John Patrick Shanley zu einem Barbecue mit dessen presseskeptischer Verwandtschaft, und findet sich mit dem Dramatiker und Drehbuchautor deshalb schnell in einer "spontanen Quarantäne". Viel Zeit zum Reden mit dem vielschichtigen Shanley, von dem gerade drei Stücke am Broadway auf dem Spielplan stehen. "Seit ich sechs war, bin ich ständig in Schlägereien verwickelt. Ich wollte das nicht unbedingt. Die Leute schauten mich an und der Anblick machte sie wütend. Ich glaube, weil sie sehen konnten, dass ich gesehen habe, wer sie sind. Und das konnten sie gar nicht ab."
Die New York Times Reporterin mit dem schönen Namen Gretchen Reynolds beschreibt in der Titelreportage, was Keiji Fukuda und Tim Uyeki antreibt, ihr Leben der ewigen Jagd nach dem Grippevirus zu widmen. Und Daphne Eviatar versucht herauszufinden, ob der Gesundheitsexperte Jeffrey Sachs recht hat, wenn er behauptet, 150 Milliarden Dollar würden die Armut vom Angesicht der Erde tilgen.
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