Magazinrundschau
Stufen eines unsichtbaren Monuments
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
25.09.2012. Fette Beute diese Woche! Virginia Quarterly schickt eine adrenalingeladene Reportage vom Wahlkampf in Burma. Die NYT erfährt eine authentisch antikapitalistische Behandlung auf Kuba. Im Guardian erklärt Alan Hollinghurst, wie man Racine übersetzt. Die Medien sind entsetzt über die Reaktion der Medien auf das Mohammed-Video. Im New Statesman erklärt Neal Stephenson, warum heute keiner mehr Leibniz sein kann. Il Post diagnostiziert die Misere des italienischen Internets. In der Boston Review fragt Philip Gourevitch: Für wen sind wir in Syrien? Und The New Republic sagt dem Kino leise Servus.
Virginia Quarterly Review | Boston Review | Elet es Irodalom | Guardian | Salon.eu.sk | New Republic | Magyar Narancs | New Yorker | The Atlantic | London Review of Books | Newsweek | Times Literary Supplement | New York Magazine | Prospect | New York Times | Le Monde | Economist | La regle du jeu | New Statesman | Il Post | Literary Review of Canada
Virginia Quarterly Review (USA), 25.09.2012
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Times Literary Supplement (UK), 22.09.2012
Der britische, in Harvard lehrende Historiker David Armitage annonciert die Rückkehr der Großen Idee in die Geschichtswissenschaft: "Ideengeschichte konzentriert sich auf Synchronie und Kurzfristiges, nicht auf Diachronie und Langfristiges. Ihre Betonung einzelner Akteure ist auch weit entfernt von den zusammenfassenden und anonymisierenden Methoden einer seriellen Mentalitätsgeschichte. Die Trennung von Ideengeschichte und Longue Durée schien so absolut wie unumkehrbar. Wegen dieser gegenseitigen Ablehnung blieb die langfristige Ideengeschichte bis vor kurzem ein Widerspruch in sich, nahezu eine Unmöglichkeit, und Folge eines tiefen moralischen Fehlers. Doch das erste Gesetz der akademischen Dynamik lautet, dass es für jede Aktion und eine Reaktion gibt: Kinder werden mit dem Bade ausgeschüttet, aber sie besitzen die frappierende Fähigkeit, wieder auf die Füße zu kommen."
Philip French zeichnet anhand verschiedener Neuerscheinungen nach, wie Alfred Hitchcock zu dem Filmgenie wurde, als das er heute verehrt wird.
Philip French zeichnet anhand verschiedener Neuerscheinungen nach, wie Alfred Hitchcock zu dem Filmgenie wurde, als das er heute verehrt wird.
Le Monde (Frankreich), 23.09.2012
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Economist (UK), 22.09.2012
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Außerdem gibt es einen Überblick über diplomatische Social-Media-Aktivitäten diverser Staaten, allen voran die USA. Hier reibt man sich ungläubig die Augen darüber, dass China und Japan tatsächlich wegen ein paar Felsen im Wasser den Frieden in der Region aufs Spiel setzen. Und wer eine Geige bauen will, die wie eine Stradivari klingen soll, muss sich um den richtigen Pilzbefall kümmern, lesen wir hier.
La regle du jeu (Frankreich), 18.09.2012
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New Statesman (UK), 24.09.2012
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Der Autobiografie von Salman Rushdie fehlt es zwar ein bisschen an Kapitalismuskritik, meint der Literaturwissenschaftler Colin MacCabe, aber die "Satanischen Verse" waren schon ein echtes Wagnis: "Als Rushdie mir Mitte der achtziger Jahre von seinem neuen Roman erzählte, in dessen Zentrum koranische Verse stünden, die auch solche Götter anerkannte, die der Prophet abgelehnt hatte, betonte er, dass er einen Raum schaffen wolle, in dem man dem Islam Respekt zollen konnte, ohne an Gott zu glauben. Das war seine unverzeihliche Sünde. ... Rushdie wagte es, die islamische Tradition für Ungläubige zu enteignen, sie den Händen der Geistlichen zu entreißen. Der Ayatollah Khomeini musste das Buch nicht lesen, um zu begreifen, was für eine Bedrohung das war und immer noch ist."
Außerdem: "Eine intellektuelle Pest verseucht uns", stöhnt Steven Poole, nachdem er sich durch eine ganze Reihe von Neuerscheinungen über die angesagten Neurowissenschaften geackert hat.
Il Post (Italien), 24.09.2012
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Literary Review of Canada (Kanada), 01.09.2012
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Boston Review (USA), 19.09.2012
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Elet es Irodalom (Ungarn), 21.09.2012
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Kürzlich ist in Ungarn eine neue - dritte - Übersetzung von James Joyces "Ulysses" erschienen. Übersetzt wurde das Werk acht Jahre lang von der "Ungarischen James Joyce Werkstatt" (das sind Marianna Gula, András Kappanyos, Gábor Zoltán Kiss und Dávid Szolláth), die sich bei ihrer Arbeit auf die Übersetzung des ungarischen Schriftsteller Miklós Szentkuthy aus dem Jahr 1974 stützte. Der Literaturkritiker István Csuhai würdigt die Neuerscheinung als bedeutendes kulturelles Ereignis, ist allerdings ein wenig verwundert darüber, dass der neue Ulysses eine vorhandene Übersetzung als Grundlage nimmt und diese im Grunde bestätigt: "Alles in allem sehe ich diese sowohl in ihrer Form und ihrer Aufstellung, als auch hinsichtlich der Zeitspanne und der Kommunikation außergewöhnliche übersetzerische Teamarbeit so: Hier wurde das ursprüngliche Gebäude abgetragen, die Ziegelsteine, Dachziegel, Balken, Dachkonstruktion, Fenster und Türen blieben erhalten und aus diesen Elementen errichteten die Baumeister ein neues Gebäude. Den Grundriss behielten sie bei, schöne Details bauten sie wieder ein, einige Ornamente setzten sie wieder an ihren ursprünglichen Ort, andere schnitzten sie neu, die Ziegel, Dachziegel und Balken sind im Ganzen vorhanden; das fertige Haus haben sie neu gestrichen, ebenso Fenster und Türen, und nun ist alles vertraut und dennoch neu. Und der Roman selbst ist genauer, ansprechender, frischer, flüssiger und überschaubarer geworden, wenngleich er dem Leser immer noch eine gewisse Arbeit und Fürsorge, eine spezielle Aufmerksamkeit abverlangt."
Guardian (UK), 22.09.2012
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Weitere Artikel: Wehleidig und naiv findet Pankaj Mishra die Erinnerungen Salman Rushdies an die Zeit der Fatwa. Diese missbilligt Mishra pflichtschuldig, um dann mit maximaler Herablassung über die "Satanischen Verse" und ihren Autor zu urteilen: "Die 'Satanischen Verse' handeln weniger von der Lage der Einwanderer als von der Ambivalenz eines hoffnungslos anglophilen Inders gegenüber der britischen herrschenden Klasse, die ihn als Kameltreiber betrachtet." Maya Jaggi porträtiert den somalischen Autor Nurredin Farah, den sie im norwegischen Tromsö traf, wo er über Ibsen sprechen sollte. Er hätte seinen ersten Roman, "Aus einer gekrümmten Rippe", ohne Ibsens "Nora" nicht schreiben können, sagte Farah in Tromsö: "Aufgewachsen in Somalia und Äthiopien und nach einem Studium in Indien, sagt er mir, 'ich habe jeden Tag gesehen, wie Frauen geschlagen, Mädchen nicht zur Schule geschickt und ungerecht behandelt wurden."
Salon.eu.sk (Slowakei), 18.09.2012
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Ebenfalls in der Polityka (hier auf Deutsch) denkt Adam Krzeminski über den Euro nach und ermuntert die polnische Regierung, jetzt den Beitritt Polens in die Eurozone einzuleiten.
New Republic (USA), 04.10.2012
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Okay, es war ja nur ein Spiel, auch wenn über achthundert angesehene Filmkritiker daran teilnahmen. Aber David Thomson ist doch ein bisschen deprimiert über das Ergebnis. Hitchcocks "Vertigo", ein über fünfzig Jahre alter Film wurde in der Kritikerumfrage der britischen Zeitschrift Sight & Sound zum besten Film aller Zeiten gewählt, es folgt ein noch älterer Film, "Citizen Kane": "Unter den besten zehn Filmen aller Zeiten war Stanley Kubricks '2001' von 1968 der jüngste. In den Top Fünfzig gab es nur zwei Filme aus 'unserem' Jahrhundert, Wong Kar-Wais 'In the Mood for Love' (2000) and David Lynchs 'Mulholland Drive' (2001). Die Umfrage wurde mit den besten Absichten veranstaltet. Das Interesse für Kino sollte neu belebt werden, man wollte zeigen, dass wir nicht tot sind, und Sight & Sound sollte beworben werden. Es war so überzeugend wie Konfetti bei einer Beerdigung."
Ebenso deprimiert David Denby, der in einem Rückblick auf zwanzig Jahre Blockbuster feststellt, dass es so gut wie keine Filme mehr gibt, die Geschichten erzählen - jedenfalls nicht als Hauptprodukte der großen Studios: Allenfalls "am Ende des Jahres, wenn die Oscars locken, vertreiben sie einige nicht Action-zentrierte, aber intelligent geschriebene und gespielte Filme wie 'The Fighter', die aber völlig außerhalb der Studios produziert wurden. Wieder und wieder holen diese seriösen Filme viele Preise, aber größtenteils wollen die Studios außer in ihrer Funktion als Verleiher nichts damit zu tun haben. Und warum nicht? Weil ihr Erfolg von der 'Ausführung abhängt', sie sind 'execution dependent' - das heißt, um Erfolg zu haben, müssen sie gut gemacht sein. So weit ist es also gekommen: Ein Kinostudio kann es sich nicht länger erlauben, gute Filme zu machen."
Außerdem in dieser Nummer der TNR: Der pakistanische Schriftsteller Mohammed Hanif erklärt, wie es ist, in Karachi zu leben, einer der gefährlichsten Städte der Welt - und warum er dort lieber lebt als irgendwo sonst in Pakistan (zum Beispiel weil man da an Bier herankommt). Paul Berman schreibt einen Nachruf auf die Ideologie der Baath-Parteien in der arabischen Welt. Ruth Franklin rezensiert ausführlich Zadie Smiths neuen Roman "NW". Und David Thomson meint über Paul Thomas Andersons Film "The Master": "Wenigstens ist er prätentiös, das ist immerhin etwas in einer Zeit, in der die meisten Filme nicht einmal das versuchen."
Magyar Narancs (Ungarn), 30.08.2012
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New Yorker (USA), 24.09.2012
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(Das führt auch dazu, dass - wie Sasha Issenberg vor zwei Wochen in der New York Times schrieb - die Kluft zwischen dem Wunsch von Journalisten, über das Politikspiel zu berichten, und der Fähigkeit, es zu tun, immer größer werde - schlicht, weil sie die neuen Instrumente demografischer und Lebensstil-Marker nicht mehr überblicken.)
Weiteres: Malcolm Gladwell schreibt über den Skandal um den ehemaligen Ko-Trainer der Footballmannschaft der Elite-Uni Pennsylvania State Jerry Sandusky, der unter dem Deckmantel einer von ihm gegründeten Wohltätigkeitsorganisation für Kinder aus benachteiligten Familien mehrere Jungen missbrauchte. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Third-Born" von Mohsin Hamid.
In der neuen Ausgabe des New Yorker vom 1. Oktober analysiert Ian Parker in einem endlos erscheinenden Artikel Joanne K. Rowling, den Erfolg ihrer Harry-Potter-Bücher und ihren ersten Erwachsenenroman, "The Casual Vacancy", über den er auch mit ihr gesprochen hat.
The Atlantic (USA), 01.10.2012
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London Review of Books (UK), 27.09.2012
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Weiteres: Nir Rosen schreibt eine Reportage aus Syrien, wo er sich mit den Alawiten traf. Michael Friedman erzählt, wie er wegen eines nicht bezahlten Knöllchens eine Nacht im New Yorker Gefängnis verbrachte. Brian Dillon besucht die Turbine Hall in London, wo Tino Sehgal ausgestellt wird. Und Terry Castle liest "All We Know: Three Lives" von Lisa Cohen.
Newsweek (USA), 24.09.2012
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Weitere Artikel: Steve Jobs starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er starb, weil man für diesen Krebs noch nicht die richtigen Medikamente hat. Er starb auch, schreibt der Onkologe und Buchautor Siddartha Mukherjee, weil für die Krebsforschung einfach nicht genug Mittel bereit gestellt werden, obwohl jeder zweite Amerikaner und jede dritte Amerikanerin an Krebs erkranken werden. Karen Elliot Houses Porträt der konservativen saudischen Ehefrau Lulu (kurz für: Loulwa) kann man als deprimierendes - und gar nicht mal nur auf den Islam bezogenes - Beispiel dafür lesen, wie Frauen an der eigenen Unterdrückung und der ihrer Kinder mitarbeiten.
New York Magazine (USA), 24.09.2012
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Prospect (UK), 19.09.2012
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Außerdem: Philip Blond sorgt sich um die Zukunft Europas, das er von allen Seiten bedroht sieht. Frank Close erklärt beim Sandburgenbauen am Strand die Sache mit Materie und Antimaterie und was beides mit dem Urknall zu tun hat. Und der Philosoph Michael Sandel würde ordentlich mit dem "freien Markt", den er für so frei nicht hält, aufräumen, hätte er nur die entsprechende Macht.
New York Times (USA), 23.09.2012
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Außerdem: David Carr besucht Neil Young. In der Sunday Book Review werden unter anderem besprochen Junot Diaz' neue Erzählungen "This Is How You Lose Her", Ty Burrs Geschichte des Hollywoodschen Starkults "Gods Like Us" und David Byrnes gehobene Plaudereien "How Music Works".
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