Vorgeblättert

Anita Kugler: Scherwitz, Teil 1

13.08.2004.
Teil 1 Absturz
(Seiten 15 bis 21)

Vorwurf: Kriegsverbrechen

Am 26. April 1948, einem schönen Frühlingstag, wird der Regionalleiter für die Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus, Dr. Eleke Scherwitz, in München als mutmaßlicher Kriegsverbrecher verhaftet. Seine Festnahme erfolgt um 18.20 Uhr im Büro seines Vorgesetzten, des Staatskommissars für rassisch, religiös und politisch Verfolgte in Bayern, Dr. Philipp Auerbach.
Der Coup in der Münchner Holbeinstraße 11 ist gut vorbereitet. Der Staatskommissar hat die fristlose Kündigung schon getippt, die Polizei den Haftbefehl schon ausgestellt. Von diesem 26. April 1948 an und bis zum 22. Juni 1954 wird Eleke Scherwitz erst in Untersuchungshaft und später im Gefängnis sitzen. Aus dem gesunden Mann wird in sechs Jahren Haft ein kranker werden. Er wird durch alle Tiefen gehen, weinen, kämpfen, zusammenbrechen, sich wieder aufrappeln, weiterkämpfen und schließlich resignieren. Nur lügen wird er nach wie vor, Ausflüchte suchen noch und noch, und manchmal auch die Wahrheit sagen; die Frage ist nur wann, welche Wahrheit, und warum nicht früher und warum nicht die ganze. An diesem Frühlingstag in Auerbachs Büro endet Scherwitz? Versuch, ein falsches Leben im richtigen zu führen. Oder ein richtiges Leben im falschen.
Die Vorwürfe sind spektakulär, Scherwitz? Sturz ist tief. Noch am Vormittag zählte er zu den wichtigsten Männern in Auerbachs "Staatskommissariat". Er war einer der fünf Regionalleiter für die Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus, zuständig für den Bereich Schwaben, das heißt für die gesamte Region zwischen Neu-Ulm und Augsburg. Ihm unterstand die Dependance des "Bayerischen Hilfswerks für die von den Nürnberger Gesetzen Betroffenen" in Augsburg, er betreute die etwa dreißig "Hilfskomitees für die von den Nürnberger Gesetzen Betroffenen" in seinem Bezirk. Er besaß einen vom Bayerischen Innenministerium ausgestellten unbefristeten Dienstvertrag, Besoldungsgruppe II, 545 Reichsmark Grundgehalt plus 72 Mark Wohngeld, mit Aussicht auf Beförderung. Die eingetragene Berufsbezeichnung "Verfolgtenbetreuer"(1). Jetzt beschuldigt man ihn, selbst ein Verfolger gewesen zu sein, als SS-Untersturmführer im okkupierten Baltikum. Statt, wie behauptet, KZ-Häftling in Lettland sei er KZKommandant in Riga gewesen. Statt dem Tod ins Auge geblickt zu haben, habe er selbst getötet. Dr. Eleke Scherwitz habe sein Amt mit falschen Angaben erschlichen, schreibt sein Vorgesetzter Philipp Auerbach am Abend des 26. April dem Innenministerium. Aber wie hätte man dies auch ahnen können, fügt er hinzu, sowohl in seinem KZ-Ausweis als auch in dem Fragebogen zur Anstellung stehe, daß er "Volljude" sei.(2)
Konnte Scherwitz ahnen, was auf ihn zukam? Offenbar nicht. Für den selbstbewußten Mann war seit Kriegsende alles bestens gelaufen. Seine Arbeit wurde geschätzt, niemand konnte ihm vorwerfen, nicht alles in seiner Macht Stehende für die Opfer des Nationalsozialismus zu tun. Sein Büro in Augsburg, in der Halderstraße 8, direkt neben der Synagoge, funktionierte reibungslos. Wer eine jüdische Herkunft nachweisen konnte, im Dritten Reich verfolgt worden war und nun bedürftig, konnte dort Soforthilfe aus einem Sonderfonds beantragen. Ein richtiges Entschädigungsgesetz war noch nicht verabschiedet, aber Scherwitz sah andere Möglichkeiten, um Härten zu mildern: Extrazuteilungen bei den Lebensmittelkarten, Bezugsscheine für Hemd und Hose, Medikamente, Einquartierungsscheine für eine Wohnung, vielleicht auch die Vermittlung einer Arbeitsstelle, wenigstens Freifahrscheine für die Straßenbahn. Auch in der Rechtsberatung versuchte er sich, obwohl nicht einmal studierte Juristen durch den Paragraphendschungel stiegen. Wer bekommt welche Entschädigung, wenn das Gesetz endlich einmal unter Dach und Fach ist? Welche Nachweise für die Verfolgung von welchen Ämtern und Dienststellen sind wo und bis wann vorzulegen? Wie berechnet man den Verlust einer Arbeitsstelle, die Zwangsemigration, die Jahre der Illegalität in einem Versteck, das verlorene Haus und die Möbel, die gesundheitlichen Schäden durch Ghetto und KZ? Und wie berechnet man gestohlene Jahre und das Wissen, als einziger einer Familie übriggeblieben zu sein?
Die "Wiedergutmachungs"-Bürokratie war ein Sieb mit großen Löchern. Es brauchte viel Phantasie und Improvisationstalent, um damit umzugehen. Scherwitz hat viel Phantasie, und improvisieren ist sein Spezialtalent. Wer zu ihm in die Halderstraße 8 kam, wurde nicht hängengelassen. Auch nicht, wenn es Probleme mit der deutschen Polizei gab, die schon wieder einmal jüdische Schwarzmarkthändler aus München in der Nähe des alten Güterbahnhofs erwischt hatte. Dann wurde Scherwitz gerufen, obwohl er für die Staatenlosen, die in den Lagern für sogenannte Displaced Persons auf eine Weiterfahrt nach Palästina oder eine Ausreisegenehmigung nach Amerika warteten, offiziell nicht zuständig war. Erst recht nicht, wenn sie außerhalb seines Bezirks, in Oberbayern oder in der Oberpfalz, ihren provisorischen Wohnsitz hatten. Aber Scherwitz besaß einen Vorteil, den viele Verfolgtenbetreuer nicht hatten, auch nicht der Staatskommissar Philipp Auerbach: Er brauchte keinen Dolmetscher, um sich mit polnischen oder litauischen Juden zu unterhalten. Er sprach neben Russisch etwas Polnisch, auch Jiddisch. Er war mit Salomea L.(3), einer Holocaust-Überlebenden aus Litauen, verlobt und besaß Freunde in verschiedenen Lagern für Displaced Persons.
Einer dieser Freunde heißt Josche Wysokotworsky, wurde in Kowno in Litauen geboren und ist zum Zeitpunkt von Scherwitz? Verhaftung 25 Jahre alt. Er lebt in einem der größten jüdischen Flüchtlingslager in Bayern, in Föhrenwalde bei Wolfratshausen. Mit ihm und seiner Verlobten Salomea L. ist Scherwitz vor ein paar Tagen in der Israelitischen Kultusgemeinde in München gewesen, um wie so oft irgendwelche Papiere nachzureichen und Formalitäten zu erledigen.
Als die drei aus seinem Auto, einem DKW-Dienstwagen, klettern, treffen sie einen Bekannten. Er heißt Abraham Schapiro, ist 24 Jahre alt, Musiker und stammt aus Riga. Man kennt sich von früher. Von damals. Es ist diese Begegnung, die Scherwitz eine Schrecksekunde beschert hat. Denn Schapiro erzählt von einem gewissen Max Kaufmann, der ein Buch geschrieben habe, in dem Scherwitz vorkomme. Die Nachricht scheint Scherwitz beunruhigt zu haben, er überlegt sich eine Präventionsmaßnahme. Noch am selben Abend setzt er sich zu Hause in seiner Villa in Wertingen hin und entwirft einen Brief an seinen Vorgesetzten Auerbach. Einen Brief für alle Fälle. Einen, der den Menschen Scherwitz erklären soll. In dem nicht zuviel, schon überhaupt nichts Genaues, aber genügend Gutes steht, um mögliche Verfolger oder Ankläger zum Schweigen zu bringen. Keinen Brief, der morgen in den Kasten geworfen wird, sondern einen, den man zufällig bei sich trägt, wenn es ernst werden sollte. Als Absender nennt er Josche Wysokotworsky in Wolfratshausen, der ihm versprochen hat, den Brief zu unterschreiben. Nur kann er sich in den folgenden Tagen um die Unterschrift seines Freundes nicht mehr kümmern. Die Zeit ist zu knapp. Denn schon am folgenden Freitag erreicht ihn ein Anruf aus München: dringende Besprechung, unaufschiebbar, der Herr Doktor Scherwitz solle am Montag in München erscheinen. Pünktlich um 14.30 Uhr, läßt Rita Schlieven ausrichten, die Sekretärin Auerbachs.
Vielleicht hat Scherwitz an diesem Sabbat geahnt, daß die Sitzung unangenehm werden könnte. Der Besprechungstermin ist außergewöhnlich kurzfristig anberaumt worden. Gibt es womöglich einen Zusammenhang zu dem Buch, in dem er eine Rolle spielen sollte? Aber hat der Verfolgtenbetreuer auch gespürt, wie ernst die Lage ist? Daß die Zeit der Ausflüchte, der windigen Erklärungen, der Dokumentenfälschungen, der falschen eidesstattlichen Versicherungen, die Zeit des Lügens und Tricksens vorbei sein wird? Daß er ab Montag sechs Jahre im Gefängnis sitzen wird? Auf Diät, weil man in der Gefängnisküche nicht koscher kochen will?
Mit Sicherheit nicht. Denn Scherwitz nutzt die drei Tage vor seiner spektakulären Verhaftung keineswegs, um sich nach Südtirol, in die französische Besatzungszone oder auch nur unter einem anderen Namen in die etwas entferntere Provinz abzusetzen. Nein, ans Untertauchen, ans Verstecken, an eine Flucht, an all das, woran Schuldige zuerst denken, wenn der Boden heiß wird, denkt er nicht.
Allenfalls, daß er am Montag - aber auch nur eventuell - Erklärungen wird abgeben müssen, daß es Widersprüche auszuräumen gilt, Mißverständnisse zu entwirren, dunkle Punkte zu erhellen. Vielleicht wird es ein wenig unangenehmer als sonst, weil er es nicht mit leicht zu beeindruckenden Mitarbeitern der amerikanischen Besatzungsmacht zu tun hat, sondern mit dem cholerischen, unberechenbaren, aber hochintelligenten und einflußreichen Staatskommissar Auerbach. Ein Glück wenigstens, daß er sich mit ihm bestens verträgt, beinahe befreundet ist, daß sie am gleichen Strang ziehen, auf jeden Fall politisch einer Ansicht sind. Diesen Eindruck hat er jedenfalls bisher gewonnen, und diesen Eindruck haben auch alle, die beide kennen.
Vielleicht hat Scherwitz so gedacht. So wie er immer denkt, wenn Schwierigkeiten ins Haus stehen: ruhig bleiben, nur nicht die Nerven verlieren. Selbstgewißheit verbreiten.
Vielleicht hat er sich auch zurechtgelegt, daß wichtige dienstliche Angelegenheiten besprochen werden müssen. Etwa die neueste Finte des bayerischen Finanzministeriums, um das vom Länderrat schon ausgearbeitete Entschädigungsgesetz weiter auf die lange Bank zu schieben. Oder die neue Stiftung, die Auerbach unter eigener Leitung und Kontrolle gründen möchte, das Finanzministerium aber unter der seinen. Bei der gesamten "Wiedergutmachung" liegt so viel im argen, daß es ständig Gründe für Besprechungen gibt. Es ist gut möglich, daß Scherwitz sich so beschwichtigt hat, denn nach dem Anruf aus München verbringt er ein ganz normales Wochenende, so wie in den Jahren zuvor. Erkennbare Anstrengungen, aus seiner Privatwohnung in Wertingen etwas verschwinden zu lassen, etwas, was die Polizei besser nicht finden sollte, unternimmt er keine. Dies wird er später bereuen.
Am Montag, dem Tag seiner Verhaftung, fährt er morgens zusammen mit seiner Braut Salomea L. nach München. Nach der Sitzung wolle er sie in Wolfratshausen abholen, verspricht er. Er hat nur eine Aktentasche dabei. In ihr liegt der Brief für alle Fälle, die Präventionsmaßnahme, der Brief ohne Unterschrift von Josche Wysokotworsky. Pünktlich um 14.30 Uhr betritt er Auerbachs Diensträume in der Holbeinstraße 11.
Dort ist es ausnahmsweise ruhig. Ungewöhnlich ruhig. Kein einziger Bittsteller sitzt in den Gängen auf den langen Wartebänken, kein babylonisches Sprachgewirr ist zu hören, und niemand hat es eilig. Das Büro sei heute für den Publikumsverkehr geschlossen, informiert Auerbachs persönlicher Referent Ludwig Joelsen den Ankommenden, aber die Sitzung werde gleich beginnen.
Als der Verfolgtenbetreuer Scherwitz endlich das vollgekramte Geschäftszimmer seines Vorgesetzten betritt, wird er den Schreck seines Lebens bekommen haben. Er blickt in die Gesichter von fünf Zeugen seines früheren Lebens. Da weiß er, daß es nicht um die Stiftung oder um die Entschädigungsgesetze gehen wird, sondern ausschließlich um seine Vergangenheit.
Der Sitzungsverlauf ist gut dokumentiert. Auerbach und sein Referent Joelsen haben die wichtigsten Punkte mitgeschrieben. Die Protokolle finden sich in den Gerichtsakten. Anwesend sind neben den fünf Zeugen auch der Leiter der juristischen Abteilung, Dr. Berthold Kornich, und der Außenbeamte Wolf Dietrich. Die vier Beamten Auerbach, Joelsen, Kornich und Dietrich gehören zu den wichtigsten Entscheidungsträgern im Staatskommissariat.
Wolf Dietrich stammt aus dem kommunistischen Widerstand und ist der einzige Anwesende nichtjüdischer Herkunft. Mit ihm hatte Scherwitz in den vergangenen Wochen viel zu tun, man kennt sich gut und duzt sich. Berthold Kornich, tschechischer Herkunft, ist mit 61 Jahren der älteste in der Runde. Nur weil er mit einer Frau christlichen Glaubens verheiratet war, konnte er dem KZ entkommen. Ludwig Joelsen ist von Auerbach aus seiner früheren Stellung in Düsseldorf mitgebracht worden und ihm loyal ergeben. Und Auerbach ist Auerbach. 42 Jahre alt, massiv, arbeitswütig und besessen von der Mission Wiedergutmachung, mit einer nie ganz geklärten Vergangenheit, aber von außergewöhnlichem Selbstbewußtsein. Er hat mit Scherwitz gut zusammengearbeitet und dessen Kreativität im Umgang mit Gesetzen und Gesetzeslücken zu schätzen gewußt. Doch jetzt steht der Ruf der Wiedergutmachungsbehörde auf dem Spiel, die Arbeit von Monaten und Jahren.
Wahrscheinlich ist Scherwitz selbst in dieser hochnotpeinlichen Situation das Selbstbewußtsein nicht abhanden gekommen, jedenfalls fürs erste nicht. Alle Zeugnisse, die es von ihm oder über ihn gibt, vermitteln den Eindruck, er sei immer so überzeugend dahergekommen, daß bei weniger selbstsicheren Menschen ein Mißtrauen erst gar nicht aufkommen konnte. Und daß Menschen, die es trotzdem wagten, ihm nicht zu trauen, ihren Mut bald bereuten.
An diesem 26. April 1948 aber dreht sich der Wind. Scherwitz sieht sich mit Zeugen seines früheren Lebens konfrontiert, die seine gesamte neue Existenz zerstören können, die er nach dem Krieg aufgebaut hat. Es sind fünf Juden aus Litauen und Lettland, die verschiedene Konzentrationslager überlebt haben und nun in Lagern für "Displaced Persons" (DP) in München leben: der Automechaniker Leo B., der Filmregisseur Eugen B., der Schneider Moses Ratz und der Kulturreferent Chaim Smitzkowicz. Der fünfte Zeuge ist ihm persönlich nicht bekannt, er stellt sich vor als Max Kaufmann, Leiter des "Kriegsverbrecherreferates des lettischjüdischen Komitees".
Scherwitz muß es durchfahren haben wie ein Blitz: Von diesem Max Kaufmann hat Schapiro vor einer knappen Woche in München erzählt. Kaufmann habe ein Buch über die Shoa in Lettland geschrieben, mit Spenden von Lagerkameraden im Selbstverlag veröffentlicht und darin auch Scherwitz erwähnt.(4)
Schapiro hat ihn damals zu beruhigen versucht: Er brauche sich keine Sorgen zu machen, der frühere Lagerleiter Scherwitz komme in dem Buch gut weg. Außerdem werde der Buchautor schon sehr bald, Anfang Mai, nach Amerika ausreisen, seine Schiffspassage habe er schon in der Hand. Er, Schapiro, werde ihm das Buch schicken, wenn er ihm seine Adresse gebe. Und Scherwitz hat ihm die Adresse gegeben, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß ihn dieser Abraham Schapiro hereinreißen werde. Er konnte ihm doch vertrauen. Er hat im Rigaer Lager seine Hand über ihn gehalten, ihn in der Küche beschäftigt, obwohl da schon so viele andere Kartoffeln schälten. "Pimpelchen", so hatten Schapiro damals alle genannt, weil er so klein und so jung war, nicht einmal 17 Jahre alt. Auch Scherwitz kannte Schapiros Kindernamen, er kannte ja auch seine Tante und seinen Onkel gut.
Abraham Schapiro wird dies alles 14 Tage nach Scherwitz? Verhaftung dem Kriminalwachtmeister berichten, der den Fall Scherwitz untersucht. 1949 wird er es in der Hauptverhandlung gegen Scherwitz noch einmal berichten, und 50 Jahre später mir auf ein Tonband erzählen(5). Schapiro ist heute noch überzeugt, daß er es gewesen ist, der Scherwitz? Verhaftung ausgelöst hat, und wahrscheinlich hat er recht. Denn er sei noch am selben Abend zu dem Buchautor Max Kaufmann ins DP-Lager Neufreimann bei München gelaufen und habe ihm erzählt, wen er getroffen hatte. Scherwitz habe behauptet, in Wahrheit ein Jude zu sein und jetzt als Verfolgtenbetreuer in Augsburg zu arbeiten, er habe sogar die Adresse. Und Max Kaufmann tat genau das, was Scherwitz sich nach der zufälligen Begegnung als schlimmste Möglichkeit vorgestellt haben mag. Er zeigte Scherwitz bei Philipp Auerbach an. Und jetzt befindet sich Max Kaufmann, der Buchautor, in Auerbachs Büro und nicht auf einem Schiff nach New York.

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Anmerkungen:

(1) Regierung von Schwaben, Schreiben vom 6. April 1948 an die Regierungshauptkasse Augsburg, in: Staatsarchiv Augsburg, Regierung 17603.

(2) Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, Protokoll von Philipp Auerbach 27.April 1948. In: Ermittlungsverfahren gegen Elke Sirewitz (Fritz Scherwitz), Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften NSG 17434, Bd. 1, Bl. 4. Die Verfahren wurden unter den Aktenzeichen 12 Js 1640/48, 1 Ss 70/49, 1 Ks26/40 und III 16/50 geführt. Die Urteile sind abgedruckt in: Justiz und NS Verbrechen, Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 19451966, hrsg. v. Adelheid Rüter Ehlermann u. a., Amsterdam 1972 ff., hier Lfd. 227. Der Aktenbestand im Staatsarchiv umfaßt: Band 1 und 2 (Ermittlungs- und Prozeßunterlagen), Band 3 (Wiederaufnahme) und Band 4 (hier Handakte Staatsanwaltschaften sowie Beiakte Gefängnis). Die Bände 1 bis 3 sind mit wenigen Ausnahmen durchnumeriert, der Band 4 besitzt eigene Zählungen. Band 1 bis 3 umfassen 420 doppelseitig beschriebene Blätter nebst Anlagen, die mit Buchstaben gekennzeichnet sind. Im folgenden kürze ich die Unterlagen aus Band 1 und 2 mit "Scherwitz-Akte" ab, die aus Band 3 mit "Scherwitz Akte (Wiederaufnahme)" und aus Band 4 mit "Scherwitz-Akte (Handakte Staatsanwaltschaften)" oder "Scherwitz-Akte (Beiakte Gefängnis)".

(3) Namen, die nur in den Gerichtsunterlagen genannt werden und nicht ebenfalls in Autobiographien oder in den Erinnerungen von Zeitzeugen, werden hier aus Gründen des Datenschutzes abgekürzt.

(4) Max Kaufmann, Churbn Lettland, Die Vernichtung der Juden Lettlands, Selbstverlag, München 1947. "Churbn" ist ein jiddisches Wort und kann mit "verbrannt" oder "Katastrophe" übersetzt werden. Das Buch stützt sich in erster Linie auf eigene Erinnerungen, aber auch die seiner lettischen Schicksalsgenossen, die er im DP-Lager in München befragte. Dokumente standen ihm nicht zur Verfügung. Viele Namen sind falsch geschrieben, auch Daten und Ereignisse verwechselt. Dennoch besitzt das Buch, die erste und für fast vierzig Jahre einzige Darstellung über den Holocaust in Lettland, einen großen zeitgeschichtlichen Wert. Im Jahre 1959 wurde es von der Staatsanwaltschaft Hamburg nach Hinweisen für strafbares Verhalten von SS-Leuten und lettischen Bewachungsmannschaften im Ghetto von Riga und den Konzentrationslagern Kaiserwald und Jungfernhof ausgewertet. Einige neue Vorermittlungsverfahren wurden daraufhin eingeleitet. Ein unkommentierter Nachdruck, herausgegeben von Erhard Roy Wiehn, erschien 1999 im Hartung Gorre Verlag, Konstanz.

(5) Gespräch mit Abraham Schapiro, Las Vegas, USA, 1. August 1998.

Teil 2