Vorgeblättert

Leseprobe Chinelo Okparanta: Unter den Udala Bäumen - Teil 1

02.10.2018.
Kapitel 8

Der August war gekommen und gegangen, und es war wieder Hilfsgütertag, aber auch der Vormittag war gekommen und gegangen und die Leute vom Roten Kreuz hatten sich nicht blicken lassen.
     Normalerweise hörte man um diese Uhrzeit immer schon einen Aufruhr in der Nähe unseres Hauses. Dort gab es ein paar notdürftig errichtete Unterstände, in denen Freiwillige aus dem Dorf die Hilfspakete auspackten, Mahlzeiten zusammenstellten und diese an die Leute verteilten, die Schlange standen.
     Es ging das Gerücht, Gowon und die nigerianische Armee hätten eine Blockade über Biafra verhängt und ließen die Konvois des Roten Kreuzes nicht durch. Ein anderes Gerücht besagte, die Hilfsorganisationen arbeiteten an einer Strategie, wie sie die Blo- ckade durchbrechen konnten. Offenbar gab es noch Hoffnung.
     Eigentlich war es ein Schultag, aber zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Schulen längst geschlossen.
     Ich lungerte vor unserem Tor herum und hielt nach dem Lastwagen Ausschau. Zwei ältere Mädchen aus meiner Schule liefen vorbei. Ihr Haar war ungepflegt, einzelne Strähnen standen in alle Richtungen ab. Bei ihren müden Schritten musste ich unwillkürlich an verschlissene Putzlappen denken. Trotzdem waren die Mädchen schön, was vor allem daran lag, wie sie beim Laufen die Hüften schwangen.
     Ihre Haut war dunkel wie Kakaobohnen, und ich musste an meine eigene hellere Haut denken, die Art von Haut, auf der man jeden Kratzer, jeden blauen Fleck und jede Narbe sieht, die Art von Haut, von der die Leute immer sagen, sie sei schön, nur hatten sie keine Ahnung, dass es überhaupt nicht schön ist, wenn der ganze Körper von kleinen Flecken übersät ist, die aus- sehen wie Windpockennarben.
     Auf der dunklen, weichen Haut dieser Mädchen war kein Fleck zu sehen.
     Papas Haut war wie meine gewesen, nur nicht ganz so hell. »Das liegt am Alter und der Sonne«, hatte er gesagt. Während ich den Mädchen nachsah, dachte ich, dass meine Haut mit dem Alter und der Sonne vielleicht auch noch dunkler werden würde und ich den Mädchen ein wenig ähnlicher sehen würde.
     Abgesehen von der Haut fiel mir noch etwas anderes auf: ihre Brüste. Die Mädchen hatten nämlich Brüste. Ich hingegen hatte bisher keine, nur zwei Rundungen von der Größe eines Esslöffels, zwei flach geklopfte Yamsklößchen, weniger als eine Handvoll.
     Vielleicht war es der Neid oder die Bewunderung oder noch etwas anderes, jedenfalls fühlte ich mich mit einem Mal ganz klein und schüchtern, und deshalb traute ich mich nicht, den Mädchen zuzurufen, dass der Lastwagen mit den Hilfsgütern nicht gekommen war. Ich beobachtete, wie die Mädchen auf die Unterstände zugingen, kehrtmachten, als sie merkten, dass niemand dort war, und wieder an mir vorbeikamen. Mama saß wahrscheinlich immer noch im Wohnzimmer auf der Matratze oder auf dem Sofa, mit ihrer Bibel in der Hand, und betete in- brünstig, wie neuerdings ständig.
     Auf der Straße war es still. Gegenüber von unserem Tor schliefen zwei dreckige, abgemagerte Hunde auf der staubigen Erde. Bald würden dort ihre Leichen liegen. Es nieselte leicht, und obwohl sich die Sonne hinter den Wolken versteckte, war es ziemlich heiß. Die pinkfarbenen Rosen ließen die Köpfe hängen, als würde die Hitze sie niederdrücken. Vor dem Krieg wuchs auf unserem Grundstück grünes Gras. Zwischen den Grashalmen standen Wildblumen. Die Hecken blühten. Der Wind trug die Schirmchen des Löwenzahns mit sich, und Hibiskusblüten färbten die Büsche rot. Damals war das leuchtende Rot der Blüten nichts Besonderes gewesen. Jetzt waren fast alle Pflanzen vertrocknet, und der Wind trug nur noch Zerstörung mit sich. Die Hibiskusblüten waren verblasst.
     Ich ging durchs Tor zurück auf unser Grundstück, weil ich Mama hatte rufen hören.
     Sie war nicht mehr im Wohnzimmer, sondern hatte sich auf die Veranda gesetzt, ganz am Ende, dort, wo die Büsche karge Schatten auf die Hauswand warfen.
     Ich setzte mich zur ihr auf die orangegelbe Bambusmatte.      »Ist der Lastwagen heute gekommen?«, fragte Mama.

     Ich schüttelte den Kopf.

     Sie seufzte. Ihr Gesicht wirkte müde, ein mittlerweile vertrauter Anblick. Sie wandte den Blick ab.

     Nach einer Weile sagte sie: »Wir können nicht hierbleiben.
Wir haben nichts mehr zu essen. Außerdem habe ich immer noch Albträume von deinem Papa.« 
     Nicht mehr ganz so schlimme, erklärte sie, nicht schlimm genug, um sie aufzuwecken, aber trotzdem Albträume. Und noch verstörender sei, dass sie ab und zu seinen Geruch einatme – den Geruch von Blut und Tod. Alles um sie herum erinnere sie an Papas Tod: Die nässenden Wunden in den Baumstämmen, die Geschwüre, die Risse in der Rinde. Die trockenen Zweige, die beim kleinsten Windstoß zerbrachen. Die verdorrten Hibiskusblüten. Mama sagte, sie habe das Gefühl, die Bäume und Blumen könnten nicht mehr atmen. Sie habe das Gefühl, es sei kein Leben mehr in ihnen. Sie seien tot, so wie Papa.
     Jedes Geräusch, jede Stimme erinnere sie an seinen Tod. Nicht nur die Detonationen der Bomben und die Schreie der Nachbarn, sondern auch der Boden in unserem Haus, der neuerdings knarze, und bei jedem Knarzen höre sie Papas Schritte.
Ich fragte mich, wie ein Betonboden knarzen konnte, sagte aber nichts.
Tagsüber sehe sie Schatten, sagte Mama, und alle hätten Papas Gestalt. Manchmal sehe sie sogar sein Gesicht, das aus der Wand komme und sie anflehe, ihm zu folgen.
»Wenn ich hierbleibe, werde ich noch verrückt!«, rief Mama.

Es war einmal ein kleines Mädchen, das eine sehr genaue Vorstellung davon hatte, wie die Welt sein sollte: Im Dorf stand ein Schloss, ein Papa und eine Mama waren am Leben und fröhlich, und überall wuchsen Blumen und grünes Gras.
     Nur war die Welt dieses Mädchens sehr klein und hatte nicht viel mit der wirklichen Welt zu tun, doch das konnte sie damals noch nicht wissen. Denn auch sie war noch sehr klein.
     Inzwischen war sie älter und wusste, dass die Welt niemals so sein würde wie die Welt in ihrer Fantasie. In letzter Zeit war nichts mehr, wie es früher gewesen war, alles hatte sich verändert. Sie war erschöpft.
     Aber sie war auch groß genug, um zu verstehen, dass nicht jede Veränderung schlecht war. Sie war groß genug, um zu wissen, dass Veränderungen zum Leben dazugehörten: auf die Nacht folgte der Tag, auf die Regenzeit die Trockenzeit, auf heute folgte morgen, auf dieses Jahr das nächste.
     Sie dachte an Gott und ihr kam der Gedanke, dass er Veränderungen offenbar guthieß, sowohl gute als auch schlechte. Vielleicht war das Seine Absicht, vielleicht gehörte das zu Seinem Plan für die Welt. Vielleicht war alles, was passierte, Ausdruck Seiner Liebe zur Veränderung. Vielleicht bestand das Leben nun einmal aus Veränderungen. War die Schöpfungsgeschichte nicht der Beweis dafür? Am Anfang war die Erde wüst und leer. Dann entstand aus dem Nichts eine ganze Welt. Gott schied das Licht von der Finsternis, er schied zwischen den Wassern, er schied den Himmel von der Erde. Vielleicht war sogar der Tod Ausdruck von Gottes Liebe zur Veränderung, genauso wie die Geburt. Vielleicht war das ja der Sinn des Lebens, und der Sinn der Bibel, dass sich alles ständig veränderte. Hatte das der Pfarrer nicht auch gemeint, als er erklärt hatte, warum das Neue Testament nach dem Alten Testament entstanden ist?

Ich war dieses kleine Mädchen, und schon mit elf machte ich mir solche Gedanken. Vielleicht, weil mir wieder einmal eine große Veränderung bevorstand und ich der Tatsache ins Gesicht sehen musste, dass die Welt viel größer war, als ich es mir je hatte vorstellen können. Ich kannte ja nur Ojoto. Der Gedanke, dass ich den einzigen Ort, den ich kannte, verlassen würde, war beängstigend. Aber Mama war unglücklich, und ich wollte nicht, dass sie unglücklich war. Wenn wir von hier weg- mussten, damit sie glücklich sein konnte, würden wir eben woanders hingehen. Vielleicht würde die Veränderung uns beiden guttun.
     Wenn ich als Kind schmollte oder trotzig war, hatte mich Mama oft an den Hände gefasst, war eine Runde mit mir durchs Zimmer getanzt und hatte fröhlich gesagt: »Gegen schlechte Gefühle hilft nur tanzen.« Und wenn sie zu wütend war, um fröhlich zu sein, und es gerade Essenszeit war, ließ sie mich eine Weile auf meine Schüssel warten und sagte: »Du wirst sehen, fasten hilft gegen schlechte Gefühle.« Und wenn es Schlafenszeit war, legte sie einen Arm um mich und begann zu beten, und hinterher sagte sie: »Ein Gebet hilft immer gegen schlechte Gefühle.«
     Ich dachte gerade darüber nach, ob ich vielleicht tanzen, fasten oder beten sollte, um ihre schlechten Gefühle zu vertreiben, als Mama zu sprechen anfing. In der Ferne waren Stimmen zu hören, mal lauter, mal leiser, Kinder, die einander etwas zuriefen.
     »Ich habe nachgedacht«, sagte Mama. »Deine Großeltern – meine Eltern – hatten ein Haus in Aba. Es steht immer noch. Ich glaube, ich sollte für eine Weile dorthin gehen.«
     Ihr Blick war abwesend und stumpf, und sie sprach schleppend und so leise, als würde sie jeden Moment verstummen. Trotzdem kamen immer mehr Wörter. Sie sagte: »Egal, was passiert, du musst wissen, dass ich jeden Tag an dich denken werde.«
     Bis dahin hatte ich ihr einfach zugehört, ohne zu protestieren, und versucht, mir einen Reim aus ihren Worten zu machen. Sie hatte ungefähr das gesagt, womit ich gerechnet hatte. Doch bei ihrem letzten Satz riss ich die Augen auf. Ich sah sie verwirrt an. »Du wirst jeden Tag an mich denken?«, fragte ich.
     Sie blieb stumm, ihr Gesicht war ausdruckslos.
     Sie wandte sich ab, um mich nicht ansehen zu müssen. Stattdessen schaute sie hoch zum Himmel. Die Sonne stand über uns, und Mama sagte: »Ich werde dich wegschicken müssen.«
     In mir zog sich alles zusammen.
     Mama wandte sich mir wieder zu. »Die Leute sagen, dass es in Aba nicht ganz so schlimm ist wie hier, aber wer weiß das schon?«
     Wie sollte sie das auch wissen? Aba war weit weg, drei Stunden mit dem Auto von Ojoto, und Mama war seit Ausbruch des
Krieges nicht mehr dort gewesen.

     »Ich weiß es erst, wenn ich dort bin«, fügte sie hinzu.

     Sie könne erst vor Ort sehen, welche Schäden der Krieg angerichtet habe. Wenn die Lage in Aba genauso katastrophal war wie in Ojoto, würde sie vielleicht woandershin gehen müssen, erklärte sie, deshalb könne sie mich nicht mitnehmen. Sie müsse sich erst selbst ein Bild machen. Was, wenn Aba genauso zerbombt war wie Ojoto? Was, wenn es dort auch nichts zu essen gab? »Ich muss dich wegschicken, bis ich weiß, wie es dort aussieht.«
     Ihre Stimme brach, und sie sprach schnell, als hätte sie es eilig, die Worte herauszubringen, bevor ihr der Atem ausging.
     Ich wusste genau, warum sie so schnell sprach. Ich wusste genau, warum es sich so anhörte, als ginge ihr der Atem aus. Es gab da nämlich ein Problem mit ihren Worten. Sie musste mich gar nicht wegschicken. Trotzdem kamen die Worte aus ihrem Mund, Worte, die im Prinzip nur ein Rechtfertigungsversuch waren, weil sie mich anlog, wenn auch mit guter Absicht. Sie machte sich selbst etwas vor, denn sie konnte nicht ernsthaft glauben, was sie da sagte. Das erkannte ich daran, wie ihr Mundwinkel beim Sprechen zuckte. Ihre Lippen überzeugten mich nicht. Es war, als würden ihre Lippen die Worte, die sie formten, selbst nicht glauben. Und dann war da noch ihr Blick. Die Tatsache, dass sie mir nicht in die Augen sehen konnte.
     Kaum war sie fertig, fing ich an zu betteln. Ich hatte doch schon Papa verloren. Wie sollte ich es da aushalten, sie auch noch zu verlieren?
     Ich schüttelte wild den Kopf. »Mama, bitte schick mich nicht weg. Ich will mit dir nach Aba.«
     Doch sie war fest entschlossen, die Lüge aufrechtzuerhalten. »Es geht nicht anders«, sagte sie. »Es ist ja nur für kurze Zeit, vielleicht sogar nur für ein paar Tage. Ich weiß auch schon, wo ich dich solange unterbringe. Du wirst bei Leuten wohnen, die sich gut um dich kümmern, bis ich dich zu mir holen kann. Ich will nur, dass du in Sicherheit bist, Ijeoma. Ich kann dich nicht mit nach Aba nehmen, das ist viel zu gefährlich. Wer weiß, was dir da zustößt?«
     Ich kämpfte gegen die Tränen an, aber sie liefen mir trotz- dem über die Wangen.
     »Ebizina«, sagte sie. Hör auf zu weinen.

     »Aber Mama–«

     Sie zog mich in ihre Arme und hielt mich fest. »Es geht nicht
anders«, sagte sie. »Ich schicke dich nach Nnewi zu einem alten Freund deines Vaters und seiner Frau. Er ist Lehrer an ei- ner Oberschule. Du wirst ihnen im Haushalt helfen, und dafür kümmern sie sich um dich. Wie gesagt, es ist ja nur für kurze Zeit. Glaub mir, das ist das Beste für dich.«
     »Mama, bitte nicht«, flehte ich.
     Ihre Stimmung schlug um. »Du hörst mir nicht zu«, sagte sie und funkelte mich an. In ihren Augen flackerte plötzlich etwas Animalisches, es waren Augen, die zubissen, Augen, die wie Zähne in Fleisch schlugen und mein Innerstes zerrissen, bis es blutete.
     Sie packte mich an den Schultern und sagte mit harter Stimme: »Mach die Augen auf, Ijeoma! Siehst du nicht, dass ich nur dein Bestes will? In Gottes Namen, ich tue das für dich!«
     Wie sehr sie mich auch überzeugen wollte, ich durchschaute sie: Die Entscheidung war das Beste für Mama. Zumindest war sie besser für Mama als für mich. Mama traf diese Entscheidung, weil sie erschöpft war. Ihr war alles zu viel: Das Leben, der Krieg, die Aussicht, sich ohne Papa durchschlagen zu müssen. Selbst ich war ihr zu viel. Auch ich war erschöpft, aber das war in dem Moment egal. Meine Welt bestand nur noch aus meiner Mutter, und meine Mutter hatte vor, mich im Stich zu lassen.
     »Was, wenn es in Aba auch nichts zu essen gibt?«, argumentierte Mama. »Was isst du dann? Willst du etwa verhungern? Du hungerst doch jetzt schon! Es wird kein Wunder geschehen. Es wird kein Essen vom Himmel fallen! Bomben, das ja, genug, um unsere Herzen zu zerfetzen, aber kein Essen, nein.«
     Ich sah sie an und versuchte, sie mit meinem Blick zu erweichen. Noch während ich bat und bettelte, ahnte ich, dass es kein Zurück gab. Die Entscheidung war offenbar längst gefallen. Wie konnte Mama sonst so sicher sein, dass der Lehrer ihr Angebot annehmen würde?
     Trotzdem bettelte ich weiter. Ich sah mich verzweifelt um, als wären die Argumente durch die Luft schwebende Staubkörner, von denen ich nur das richtige einfangen müsste, um Mama davon zu überzeugen, dass sie mich mitnahm. Aber ich fand das richtige Staubkorn einfach nicht.
     Mama lächelte müde. Ihre Stimme klang dunkel und rau. »Erinnerst du dich an den Lehrer und seine Frau?«
     Ich nickte, obwohl es nur eine sehr undeutliche, schemenhafte Erinnerung war.
     »Ich weiß genau, dass du es in Nnewi gut haben wirst«, fuhr Mama fort. »Ich war selbst dort.« Nnewi war viel näher bei Ojoto als Aba, erklärte sie. Zwar auch Richtung Süden, aber nur zehn oder zwölf Kilometer entfernt, weniger als eine halbe Stunde mit dem Auto, und zu Fuß nicht mal zwei Stunden. An- ders als in Aba war sie in Nnewi tatsächlich gewesen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie es dort aussah, und um mit dem Lehrer und seiner Frau zu sprechen. Jetzt erinnerte ich mich an den Tag. Sie hatte behauptet, sie hätte »etwas zu erledigen«. Und bei dieser »Erledigung« hatte sie offenbar herausgefunden, dass die Lage in Nnewi, obwohl nicht weit von Ojoto entfernt, sehr viel besser war als hier, zumindest was die Lebensmittellie- ferungen anging.
     Ich weinte jetzt heftig, und mir lief die Nase. Mama griff in die Brustfalten ihres Wickelkleids, zog ein Taschentuch heraus und tupfte mir damit über das Gesicht. »Schluss mit den Tränen«, sagte sie. Aber auch sie weinte. Sie weinte stumm, ohne einen Laut. Trotzdem, ihre Tränen waren ein Zeichen. Kurz sah es so aus, als würde sie ihren eigenen Plan in Frage stellen. Vielleicht überlegte sie es sich ja noch einmal anders. Vielleicht würde sie doch darauf hören, was ich wollte. Ich hielt den Atem an. Aber statt den Plan wie gehofft fallen zu lassen, nahm sie meine Hände und begann zu beten: »Lieber Gott, ich übergebe dir meine Tochter. Halte deine Hand schützend über sie und führe sie auf ihrem Weg, da ich es nicht kann. Möge uns das Blut Jesu Kraft geben. Amen.«
     Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, wischte die Tränen ab und sagte: »Der Lehrer und seine Frau werden sich gut um dich kümmern. Versprochen.«

Leseprobe Teil 2