Vorgeblättert

Leseprobe zu Miklos Banffy: Die Schrift in Flammen. Teil 3

19.01.2012.
Über dergleichen dachte der junge Abady nach. Das eintönige Bimmeln der an den Fiakerpferden befestigten Glöckchen begleitete seine Erinnerungen, als tönten sie aus der fernen Vergangenheit zurück.
     Rasches Pferdegetrappel ließ ihn zu sich kommen.
     Zwei Juckergespanne zogen hintereinander rasch an ihm vorbei.
Das erste wurde von Istvan Kendy gelenkt, den man kurz und allgemein Pityu nannte, und auf dem hinteren Sitz saß einer der Alvinczy-Jungen. Neben ihm zwei der Comtessen Laczok, Anna und Ida. Er erkannte die beiden Frauen zu spät, erst als sie bereits vorüber waren. Natürlich, die sind ja schon große Mädel! Als er sie zuletzt in Klausenburg gesehen hatte, waren sie erst Backfische mit Zöpfen. Wie die Zeit vergeht. Gewiss eilen sie vom Rennen heimwärts, sie sind ja in Varsiklod die Gastgeberfräulein, da gehört es sich, zu Hause zu sein, bevor die Gästeschar eintrifft.
     Von den Leuten drüben blickte niemand zu ihm herüber; wer kümmert sich schon um einen, der in einer Mietkutsche reist?
     Auf dem Bock des zweiten Wagens saß Farkas, der ältere Alvinczy-Junge, und neben ihm das dritte Laczok-Mädchen, Liszka. Und wie das Gefährt vorbeihuschte, erkannte Balint auf dem Hintersitz neben dem livrierten Kutscher Laszlo Gyerőffy, seinen Cousin.
     Er rief ihn an, und jener rief etwas zurück, er winkte ihm auch, doch auch dieser Wagen raste hastig weiter. Die beiden Gespanne trugen offenkundig einen Wettkampf aus, und sie verfolgten einander umso wilder, als es doch galt, vor den Mädchen die Tüchtigkeit des Mannes - die Virtus - zu zeigen: Fahr ihm vor! Bleib vor ihm! Lass ihn nicht passieren! Die Herrenkutscher legten sich bei der Hetze ins Zeug, als ginge es um Leben und Tod.
     Balint freute sich sehr, dass auch Laszlo in Siklod mit dabei sein würde. Wie gut, ihn wiederzutreffen! Laszlo war sein einziger Freund aus Kinderzeiten. Auch das Theresianum hatten sie gemeinsam besucht. In den ersten zwei Jahren an der Klausenburger Universität waren sie auch immer zusammen, bevor Gyerőffy nach Budapest zog. Seither sahen sie einander seltener, manchmal in Ungarn bei einer der Tanten Laszlo Gyerőffys, bei Rebhuhn- oder Fasanenjagden und einige Male zufällig auch in Siebenbürgen.
     Doch ihre Freundschaft litt darunter nicht, denn die auf Zeiten der frühen Jugend zurückgehende Zuneigung schafft das stärkste Band.
     Dieses Gefühl einte die beiden, viel enger als ihre - im Übrigen auch ziemlich nahe - Verwandtschaft, war doch die Großmutter Laszlo Gyerőffys eine Schwester des alten Peter Abady. Und es gab noch manch anderes, tief liegendes, unbewusstes, doch umso festeres Band. Dazu gehörte neben vielen Gemeinsamkeiten die Ähnlichkeit ihres Kinderschicksals. Auch Laszlo war Waise, noch viel mehr als er. Ihm, Balint, war die Mutter erhalten geblieben, und er hatte ein echtes Zuhause, in dessen warme Atmosphäre er jeweils im Sommer zurückkehrte. Laszlo dagegen hatte seine Eltern, beide auf einmal, als Kleinkind verloren. Das war eine tragische Geschichte, über die man in der Familie ungern sprach. Seine Mutter, so hieß es, war nicht nur eine sehr schöne, sondern auch eine sehr begabte, künstlerisch beseelte Frau gewesen. Sie schuf ansprechende Bildhauerarbeiten und malte. Laszlo zählte kaum drei Jahre, als seine Mutter mit jemandem ausriss. Kurz darauf fand man den Vater tot im Wald. Sein eigenes Gewehr hatte ihn getötet. Die Verwandtschaft bestand auf der Behauptung, dass sich ein Unfall ereignet habe. Diese trübe, ungewisse Geschichte verlieh den Kinderjahren des kleinen, verlassenen Laszlo einen düsteren Hintergrund. Und er hatte fortan auch kein Zuhause mehr. Anfänglich nahm ihn die Großmutter auf, doch nach deren Tod einige Jahre später lebte er fortwährend in Instituten. Von dort nahmen ihn im Sommer jeweils seine Tanten zu sich, und bis zu seiner Volljährigkeit war er stets nur irgendwo Gast - manchmal in Siebenbürgen, zumeist aber jenseits der Donau, in Westungarn; abwechselnd weilte er bei der einen und der anderen Schwester seines Vaters, die in Budapest verheiratet waren, die ältere mit dem Fürsten Kollonich, die jüngere mit Graf Antal Szent-Györgyi.
     Balint lehnte sich hinaus und blickte dem sich entfernenden Gespann nach. Hinter der aufsteigenden Staubwolke sah er nur noch nebelhaft, wie Laszlo, der ihm bis zur Straßenbiegung unablässig winkte, zuletzt verschwand. Wie er sich da hinauslehnte und selber winkte, da schloss bereits ein neues Gespann knatternd zu ihm auf.
     Eine Halbdachkutsche.
     Zwei Männer saßen darin.
     Rechts der alte Sandor Kendy.
     In Siebenbürgen pflegte man diesen Kendy gleich mit zwei Kennworten zu bezeichnen. Ihn selber sprach man mit dem Titel "Woiwode" an, dies als Anspielung auf einen seiner berühmten Urahnen, zumal er, ebenso wie sein Vorfahre, ein höchst eigenwilliger, gewaltsamer großer Herr war. Sein Ahne, der für den Namen stand, war seinerzeit deswegen sogar enthauptet worden. Hinter seinem Rücken aber hieß er - ohne jede Bösartigkeit - "Kajsza", der Krumme, dies einzig darum, weil sein Mund sich beim Sprechen oder beim Anflug eines Lächelns (das selten vorkam) halbseitig verzog. Das stammte von einem alten Säbelhieb her, dessen Spur der dichte Schnurrbart nur mangelhaft verdeckte; die Narbe unterstrich vielmehr den harten, entschlossenen, stark männlichen Charakter.
     Die meisten unter den Kendys hatten einen ähnlichen, oft spöttisch gemeinten Spitznamen. Deren bedurfte es zur Unterscheidung, denn es gab ihrer viele. Außer "Kajsza" lebten noch zwei Sandor; der eine von ihnen hieß wegen seiner rastlosen Natur "Mozogos", der Rührige, und den anderen hatten die Zeitgenossen "Zindi" getauft, da sie auf die Idee kamen, er gleiche sehr einem gewissen Albano Zindi, einem historischen Räuberhauptmann.
     In der vorbeiziehenden Halbdachkutsche saß noch Ambrus Kendy neben dem Woiwoden.
     Er, mehr als zehn Jahre jünger als Kajsza, war ein entfernter Verwandter, beinahe nur noch ein Namensvetter, glich ihm aber trotzdem auffallend. So verhielt es sich bei allen Kendys. Die Vererbungskraft dieses fruchtbaren Geschlechts war so gewaltig, dass man sie alle auf den ersten Blick erkannte, obwohl sich die einzelnen Zweige der Familie schon vor etlichen Generationen getrennt hatten. Alle hatten braune Haare, helle Augen, fast buschige Augenbrauen, und sie waren von sehr starkem Wuchs. Eine angriffig kämpferische, dem Vogelschnabel gleichende Nase bildete ebenso eine Gemeinsamkeit; da gab es die Adlernase des alten Kajsza, während die Form bei Ambrus an den Falken erinnerte, und so ging es bei sämtlichen in allen Varianten die Raubvögel entlang, vom Geier bis zum Graukopf und dem Dorndreher. Von der starken Erbkraft des Geschlechts zeugte auch das Faktum, dass manche unter den Kendys - da es ihrer so viele gab und das Familienvermögen sich auf solche Weise immer mehr teilte - bereits in der vorangegangenen Generation eine sogenannte "gute Partie" machten, sprich, eine Heirat schlossen, bei der die Mitgift schöner war als die Braut. Und trotzdem! Mochten sie sich eine noch so gebrechliche oder hässliche Frau nehmen, eine hinkende oder krumme, eine fette oder spindeldürre, ein Stumpfnäschen oder eine Knollennase, sie brachten stets die eigene lebenskräftige Art hervor, das scharfe Profil, die braunen Haare und die hellen Augen - lauter wohlgestaltete Burschen und hübsche Mädel.
     Es schien, als habe diesem kräftigen Stamm das häufige Zurückschneiden vor vielen Jahrhunderten, als zahlreiche Kendys auf dem Schafott endeten, eher gutgetan. Er spross umso mehr. Doch der alte Sandor und der jüngere Ambrus glichen sich nicht nur in ihren Gesichtszügen, sondern auch in ihren Manieren. Beiden war der Schnabel sehr bäuerlich gewachsen. Widerspruch, Ärger, ja mitunter selbst eine abweichende Meinung pflegten sie kurz mit einem unflätigen Wort zu erledigen. Kajsza hatte dies in Siebenbürgen eingeführt, er, dessen Generation und all die vorangegangenen selbst in der schlimmsten Wut niemals eine Unanständigkeit ausgesprochen hatten. Die Umgangsformen der beiden Kendys waren die gleichen, doch ihre Methoden verschieden. Der Woiwode sagte solche Dinge in finster befehlendem Ton, mit strengem, furchterregendem Gesichtsausdruck, und ihm, der das eine oder andere kurze und grobe Hauptwort stets so barsch hinwarf, schien es natürlich, dass niemand sich fand, der ihn nachahmte. Einer aber fand sich doch, und zwar gerade Ambrus Kendy. Freilich ahmte er nur das Was nach, das Wie dagegen wandelte er höchst begabt zu eigenen Gunsten ab. Er schleuderte mit herzlicher Gutmütigkeit die schrecklichsten Wörter aus sich hinaus, doch nicht in Kajszas angriffigem Ton, sondern in einer Art natürlicher, gutgelaunter Bäuerlichkeit, als könnte er gar nicht anders, als zwänge ihn sein ungehobeltes, aufrichtiges Wesen dazu. Als sagte seine ganze Gemütsart: "Es ist wohl wahr, ich bin grob, es stimmt, ich habe ein ungewaschenes Maul, aber ich bin halt so geboren, ich bin ein aufrichtiger, ungeschliffener, dafür aber ungekünstelter, echter Mann." Der gütige Blick seiner hellblauen Augen, sein zum Schmunzeln stets bereiter voller, breiter Mund, die brummende Stimme und sein gemächlicher Gang, die breiten Schritte, unter denen der Boden erdröhnte, all das schien diesen Eindruck zu bestätigen und machte den vierschrötigen Mann überaus einnehmend. Alle mochten ihn, viele Frauen schwärmten für ihn. So war es kein Wunder, dass Ende der neunziger Jahre, als Balint in Klausenburg die Universität bezog, die Jugend in "Onkel Ambrus" ihren Anführer erblickte.
     Alle strebten ihm nach. Als ein männlicher Mann galt nur, wer so sprach wie sein Vorbild, wer schön zu fluchen verstand und rohe Worte so saftig herausbrachte. Wer hingegen einen höflichen Ton gebrauchte, wurde als affektierter Geck und als Waschlappen taxiert.
     Ambrus war auch in anderen Dingen führend. Er stand im Ruf eines großen Zechers. Obwohl schon längst verheiratet und Vater von drei Söhnen und vier Töchtern, liebte er die Kneiperei. Er trank viel und oft. Er vertrug aber den Alkohol gut, und wenn er nach Klausenburg kam - und er hielt sich in der Stadt häufig länger auf -, dann gehörten Nacht für Nacht die Zigeunerkapelle, ein großes "Trinkum" und ein Gelage dazu. Die jungen Leute hielten natürlich in allem mit.
     Balint erinnerte sich jetzt beim Anblick von Onkel Ambrus lebhaft, wie sehr ihn die damals beliebte, unablässige Zecherei überrascht hatte. Auch er war der Verlockung bald erlegen, obwohl sie ihm eigentlich nicht zusagte.
     Wäre er später und nicht gar so jung, im Alter von kaum achtzehn Jahren, und nicht gleich nach dem Austritt aus dem geschlossenen Internat in diese ewig vergnügungssüchtige Umgebung hineingeraten, dann hätte er vielleicht gegen den Strom schwimmen können; so aber riss es ihn mit, ebenso wie Laszlo Gyerőffy.
     So aber hatte er nicht anders zu handeln vermocht. Dies umso weniger, als sie beide von den anderen - obwohl sie mit den meisten verwandt waren - irgendwie doch als Fremde, als Zugereiste behandelt wurden. Jenen, die dort gemeinsam aufgewachsen waren, wurde es im Umgang mit ihnen nicht recht warm, sie standen mit den beiden nicht auf gleich vertraulich freundschaftlichem Fuß wie untereinander. Nichts, was man fassen und zur Sprache hätte bringen können, nichts zeigte diese Zurückhaltung und verborgene Abneigung, und doch waren sie ständig da, in tausend Kleinigkeiten beim täglichen Zusammentreffen. Selten nur kam es vor, dass jemand mit benebeltem Kopf irgendeine Anspielung machte, etwa von solcher Art: "Na ja, wenn man Wiener Verhältnisse gewohnt ist!" oder: "Für jemanden aus Ungarn ist das natürlich anders!" Das war aber alles.
     Laszlo Gyerőffy gegenüber legte sich die Stimmung schon bald. Ihm gereichte in diesem Kreis zum großen Vorteil, dass er hervorragend Violine spielte und sich in seinen Gymnasiastenjahren auch an anderen Instrumenten versucht hatte. Schon nach einigen Wochen schaffte er es, abwechselnd mit dem Primas der Kapelle zigeunerisch aufzuspielen, und bei anderer Gelegenheit blies er die Schnabelflöte oder die Klarinette. Die Stimmung milderte sich, wich aber nie gänzlich.
     Balint gegenüber jedoch änderte sich die versteckte Abneigung in keiner Weise. Vielleicht lag das daran, dass er es nie schaffte, sich richtig, bis zur Selbstvergessenheit zu betrinken. So viel er auch trank, war er sich immer bewusst, was er sagte und tat und was andere taten. Er vermochte sich nicht zu befreien von dem richtenden Kritiker, den er in sich trug und der, zutiefst verborgen, ihn wach und höhnisch beobachtete. Als er hemdsärmelig vor den Zigeunern tanzte, Jauchzer ausstieß oder sang, da sagte dieser Richter: "Du bist ein Heuchler, mein Sohn, warum lässt du aus dir einen Narren machen?"
     Und doch ging er noch lange diesen Weg. Er wollte sich einen Platz in der Nähe seiner Altersgenossen sichern, hoffte ständig, dass sie ihn unter sich aufnehmen und endlich seine Fremdheit vergessen würden. So versuchte er viel zu trinken, sich mit ihnen oft zu vergnügen. Auch er machte also vor dem Zertrümmern nicht halt und ging bis zu der äußersten Grenze, die für ihn jener nie schlummernde innere Überwacher bestimmte.
     Er versuchte auf diese Weise, sich unter seine Altersgenossen einzureihen, die abschätzig jeden für einen Hasenfuß hielten, der nicht oder nur mit Maß trank, der nicht verrückt wurde vor Entzücken, wenn eine Zigeunerkapelle aufspielte, der die Texte der ungarischen Lieder nicht alle kannte, kein Leiblied hatte, bei dessen Erklingen man entweder den Kopf auf den Tisch legen oder wenn schon nicht Stuhlbeine und Spiegel, so doch zumindest Gläser zerschlagen musste. Onkel Ambrus machte es so, folglich taten es ihm alle nach, und wer sich gegen Morgen tieftraurig auf den Schoß des Zigeunerprimas setzte oder den Cellisten küsste, galt als ein besonders feiner Kamerad.
     Bei all dem spielte natürlich das Wetteifern eine große Rolle.
     Einander überbieten, der härtere Kerl sein! - eine natürliche Regung junger Leute. Und viel Posieren und Äfferei gehörten auch dazu.
     Die meisten rühmten sich denn auch tags darauf: "Hei, war ich aber letzte Nacht betrunken!" Sie erzählten das auch den kleinen Comtessen, die so taten, als imponierte ihnen dies sehr. Kein Wunder. Denn bei der allgemeinen Gefallsucht und inmitten der Gattenjagd nahmen die Mädchen dergleichen nicht allzu ernst, die Hauptsache blieb, dass man sich mit ihnen befasste und sie lieb ins Vertrauen zog. Recht freundlich hörten sie sich aber das Erzählte außerdem darum an, weil unter dem Fenster des Fräuleins, das für derartiges ein Herz hatte und durchblicken ließ, dass auch sie für die ungarischen Lieder schwärmte, öfter ein Ständchen dargebracht wurde, so wie es sich während oder nach dem Vergnügen mit Zigeunermusik nun einmal ziemte.
     Auch die Mütter stießen sich an solchen Dingen nicht allzu sehr. Ihre Gatten gehörten zur Generation, die nach 48 aufgewachsen war. Zahlreich waren unter ihnen jene, die in den Jahren des Absolutismus als junge Mitglieder des Adelsstands in den öffentlichen Dienst - in ihren früheren Hauptberuf - nicht hatten zurückkehren können, sodass sie sich infolge der erzwungenen Untätigkeit dem Trunk ergaben. Sie wurden trotzdem gute Ehemänner. Musste man ihren Frauen vorhalten, dass sie die Männer nicht an der Kandare gehalten hätten, wenn der eine oder andere unter ihnen an der Trunksucht zugrunde ging? Die Mütter hatten einen weiteren Grund zur Nachsicht. Solche mit Zigeunermusik gefeierten Feste verliefen in Siebenbürgen in den ersten Stunden auch im Beisein der Mädchen, und da kam es leichter vor, dass einer um ihre Hand anhielt. Und vergnügten sich die Männer für sich, und dies war die häufigste und meistbegossene Art der Gelage, dann waren sie unter sich, und es galt als ausgeschlossen, dass sie irgendwelche "schlechte Personen" zuließen. Die älteren Damen zogen es daher vor, wenn die jungen Herren die Nacht mit Zigeunermusikern verbrachten, statt dass sie "Gott weiß, meine Liebe, wo zu Besuch hingehen und sich am Ende noch irgendeine Krankheit holen".

So in seinen Gedanken, aus der Distanz von fünf bis sechs Jahren, sah Balint diese Zusammenhänge klarer, viel klarer als während seiner Universitätsjahre. Ja, die Mädchen - sozusagen alle - hegten oder heuchelten zumindest eine gewisse Bewunderung für die Männer, die im Rufe eines großen Zechbruders standen. Er hatte nur eine getroffen, die ihre stark gezeichneten, geraden Augenbrauen missbilligend zusammenzog und das Kinn hob, wenn jemand sich vor ihr mit derartigem brüsten wollte.
     Es gab nur eine: Adrienne Miloth.
     Ein seltsames, selbständig denkendes Mädchen. In den meisten Dingen anders als die Masse. Sie tanzte keinen Csardas, ihr Leiblied war ein Walzer, Champagner trank sie kaum, und in ihren Augen lag stets irgendeine ernste Besonnenheit. Sie war freundlich und sehr intelligent. Wie nur hat sie diesen finster blickenden Pal Uzdy heiraten können? Nichts zu machen!
     Den Frauen gefallen nun einmal solche Satansfratzen, dachte er bei sich, und als ihm dies einfiel, erwachte in ihm flüchtig wieder der Ärger, der ihn ohne jeden Grund erfüllt hatte, als er - zwei Jahre war es her - die Nachricht von Adriennes Verlobung vernahm.
     Nicht aus Eifersucht. Ach, nein. Bestimmt nicht.

                                                             *

Mit freundlicher Genehmigung des Paul Zsolnay Verlages
(Copyright Paul Zsolnay Verlag)


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