Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
15.08.2003. Die FAZ schwärmt von Daniel Libeskinds Entwurf für das Dresdner Militärmuseum. Die FR bemerkt dazu: "Man könnte sagen - ein Blitz." Die NZZ sucht nach Spuren Thomas Manns in Bayerns Süden. Die taz plädiert für eine Glokalisierung der deutschen Musik.

FAZ, 15.08.2003

Andreas Platthaus schwärmt von Daniel Libeskinds Entwurf (Bild) zu einem An- oder besser Einbau in das Militärhistorische Museum in Dresden. Es handelt sich um einen Keil, der aus der Vorderfront des Gebäudes ragen wird und sich in dieses verlängert: Er "kommt ohne tragende Teile im Inneren des alten Gebäudes aus, obwohl er sich durch das gesamte Museum zieht. Er ist in bester Tradition des Hauses Fassadenarchitektur, denn hinter seinen Glaswänden bleibt nicht nur die Front des Arsenals erhalten, sondern der Libeskind-Umbau orientiert sich auch an den alten Etagenhöhen, so dass bis auf wenige Ausnahmen auch die Geschossdecken vollständig bewahrt werden können - und damit auch der faszinierende Pfeilersaal des Parterres. Vorbild mag unausgesprochen die Moschee von Cordoba gewesen sein, in deren Säulenhalle Karl V. eine Kathedrale setzen ließ. Der Glaskeil im Museum symbolisiert aber keinen Triumph, sondern die Öffnung der demokratischen Armee nach außen und deren Transparenz nach innen."

Patrick Bahners plädiert vehement und gegen die Meinung des Bundeskanzlers für ein "Zentrum gegen Vertreibung" (mehr hier) in Berlin: "Man male sich aus, welcher Proteststurm sich erhoben hätte, hätten die deutschen Vertriebenenfunktionäre vorgeschlagen, was heute manche ihrer Kritiker empfehlen: einen Standort auf ehemals deutschem Boden, in Breslau oder Danzig."

Weitere Artikel: Der Schriftsteller Amos Oz betont, dass 70 Prozent der Israelis und der Palästinenser für Frieden sind - der von den Extremisten beider Seiten immer wieder verhindert wird. Ilona Lehnart meldet, dass der Bund die Kultureinrichtungen in Weimar mit zusätzlichen Mitteln fördert. Jochen Hieber erinnert sich in der Leitglosse an die Fußballer Lothar Emmerich und Helmut Rahn. Jordan Mejias rechnet in der Reihe "Geld oder Leben" aus, was ein Theaterbesuch in New York kostet. Dirk Schümer besucht das atemberaubend gelegene Castello di Duino, wo Rilke seine "Duineser Elegien" schrieb - es wurde jüngst zum Museum umgewidmet. Peter Richter schreibt zum Tod des Architekten Cedric Price.

Auf der Medienseite porträtiert Heike Hupertz die amerikanische Entertainerin Roseanne Barr. Und Jürg Altwegg erzählt, dass das Lyoner Magazin Lyon-Mag in erster Instanz zu 300.000 Euro und in zweiter immerhin noch zu 90.000 Euro Schadenersatz verklagt wurde, weil den Beaujolais als "Scheißwein" bezeichnete.

Auf der letzten Seite wundert sich Christian Geyer, dass Amazon das angeblich vergriffene Buch "Nach dem Terror" von Ted Honderich offensichtlich noch in großer Menge parat hat (jetzt nicht mehr!) - während es bei Ebay für über 30 Euro versteigert wird. Und Kerstin Holm erinnert an den philanthropischen Arzt Friedrich Joseph Haaß, der im 19. Jahrhundert in Moskau wirkte und jetzt selig gesprochen werden soll.

Besprochen werden eine Ausstellung mit Tier- und Pflanzenaquarellen Georg Flegels im Berliner Kupferstichkabinett, eine Ausstellung über Alfons Mucha in der Villa Stuck und Niki Caros Film "Whale Rider".

NZZ, 15.08.2003

Matthias Wegner sucht nach Lebensspuren von Thomas Mann im südlichen Bayern, etwa im "bis heute malerisch-verwunschenen Klosterdorf Polling bei Weilheim", wo Mutter Julia Mann viele Jahre ein "bescheidenes Häuschen" bewohnte. "Kommt man mit der heutigen landes- und dialektkundigen Bewohnerin des Häuschens ins Gespräch, hellen sich ihre Augen bei Nennung des Namens Victor sogleich auf: Dieser sei doch 'von allen der Netteste' gewesen, gewissermassen ein echter, weil der heimatlichen Landschaft mehr als der hehren Literatur verpflichteter Pollinger unter Pollingern."

Weitere Artikel: Der Theologe Werner Thiede stellt einige Überlegungen über das Dogma der katholischen Kirche von der Himmelfahrt Marias an: Es "bildet ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu ökumenischer Eintracht". Besprochen werden eine Ausstellung des Plastikers Franz West im Kunsthaus Bregenz und die Veröffentlichung eines verschollenen Notizbuchs von Virginia Woolf.

Auf der Filmseite schwärmt Andreas Maurer von einer Sternstunde des Animationsfilms, den japanischen Film "Metropolis / Robotic Angel". Und Marli Feldvoss bespricht Claude Chabrols "La fleur du mal".

Auf der Medien- und Informatikseite erzählt Detlef Borchers von seinem Besuch im Sommercamp des Chaos Computer Clubs: "Soweit bekannt, wurden vom Sommercamp aus keine Attacken gegen Internet- Präsenzen gestartet, selbst einige für das Camp versprochene Programmierprojekte fielen der Hitze zum Opfer. Umso bemerkenswerter, dass Veranstalter wie Redner das umfangreiche Konferenzprogramm durchhielten. Brechend voll wurden die geräumigen Vortragszelte immer dann, wenn es um detaillierte Einsichten in die Technik ging. Die Speicherung biometrischer Daten, der Zugriff auf die Prozessoren von Smart Cards und der Umgang mit Java in Mobiltelefonen standen im Mittelpunkt des Interesses." Gemeldet wird schließlich, dass nach einer Studie des Verbands deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) Internetnutzer zunehmend bereit, für bestimmte Inhalte im Netz zu bezahlen. Es kommt allerdings auf den Preis an.

FR, 15.08.2003

Bernhard Honnigfort stellt die Pläne zum Umbau des Militärhistorischen Museums Dresden vor: "Jetzt soll es tatsächlich das neue Leitmuseum der Bundeswehr werden. Verteidigungsminister Peter Struck war am Donnerstag in Dresden, um mit dem Star-Architekten Daniel Libeskind und mit Barbara Holzer vom Büro HG Merz die Pläne vorzustellen. Man könnte sagen: ein Blitz wird in das alte Dresdner Militärmuseum fahren. In das Gebäude, dessen Grundform dem Großbuchstaben E ähnelt, rammt er einen Keil aus Glas, Beton und Stahl, ein gewaltiges Victoryzeichen, welches das alte Museum aufspießt und über die Elbe in die Dresdner Innenstadt weist, dorthin, wo alliierte Bomber gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ihr verheerendes Zerstörungswerk anrichteten."

Weitere Artikel: Petra Kohse bekundet anlässlich des ersten Buchs von Wolfgang Joop, "Im Wolfspelz", ihre Sympathie für den deutschen Modedesigner. Christian Thomas schreibt zum Tod der beiden Außenstürmer Helmut Rahn und Lothar Emmerich. Besprochen werden die Portraitfotografien aus der Deutschen Genossenschaftsbank beim Stuttgarter Fotosommer und "Summer Sun", die neue CD von Yo La Tengo.

TAZ, 15.08.2003

"Die Alten schulden den Jungen nichts", erklärt Klaus Harpprecht auf der Meinungsseite zum Thema "Generationengerechtigkeit". Und sie haben die Erde auch nicht nur von ihren Kindern, die es sich in ihrer "geschwätzigen Faulheit" und der 35-Stunden-Woche bequem eingerichtet haben, geerbt, wie ja so gern gesagt wird. "Mit gleichem oder besserem Recht könnte festgestellt werden, dass die Gören diese Erde von uns erben, gleichviel in welchem Zustand, womöglich ein wenig freundlicher, als sie uns 1945 zugefallen ist.

In der Debatte um Quoten für die deutsche Musik macht sich Daniel Bax einige grundsätzliche Gedanken zur Kulturindustrie. Seiner Meinung nach geht die Globalisierung der Popkultur Hand in Hand mit einer Renaissance des Lokalen. "Deswegen sind auch jene Befürchtungen nicht eingetreten, die da lauteten, die globale Kulturindustrie würde lokalen Kulturen den Garaus machen. In Wirklichkeit gehen beide ständig neue Symbiosen ein. So stricken heute global agierende Medienkonzerne an den ausschließlich lokalen Karrieren von 'Superstars' wie Sarah Connor, der deutschen Antwort auf Jennifer Lopez, oder Daniel Küblböck mit. 'Glokalisierung' nennt die Wissenschaft denn auch dieses Spiegelphänomen, das dieses Paradox der kulturellen Globalisierung beschreibt."

Zu Beginn des Filmfestivals Sarajevo unterhält sich Patrick Batarilo mit Elma Tataragic, der Leiterin der Regional-Programme, über den Bedarf an Balkan-Kino: "Die Leute hier sind regelrecht ausgehungert, was gute Filme angeht. In der Regel zeigen die hiesigen Kinos nämlich nur amerikanische Blockbuster. Die Leute wollen aber einheimische Produktionen sehen. Der Grund dafür ist: Wir in Bosnien machen wirklich sehr gute Filme. Fragen Sie mich nicht warum, vielleicht liegt es an unseren Genen. "

Thomas Winkler erklärt uns den Unterschied zwischen Ween und Guided By Voices: "Während Ween womöglich nicht ernsthaft genug agieren, nehmen sich Guides By Voices bisweilen zu ernst. Robert Hodonyi erzählt vom Kunstprojekt "Dresden Postplatz". Auf der Medienseite freut sich Steffen Grimberg über eine neue Metapher, mit der Springer-Chef Mathias Döpfner gestern die Welt beglückte: "Wir sehen Licht in der Mitte des Tunnels." Außerdem berichtet Grimberg, dass Springer eine BILD-Zeitung für Polen plant.

Und noch Tom.

SZ, 15.08.2003

Die Bayern feiern heute Mariä Himmelfahrt. Wir gratulieren.