Magazinrundschau
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14.10.2008. Der Observator Cultural stellt mit Stelian Tanase einen der Weltmeister im Geschichtenerzählen vor. In ResetDoc verkündet der ägyptische Blogger Wael Abbas sein Credo. In der Lettre erzählt eine Russin, wie sie im Straflager aufwuchs. In Esquire beschreibt Michail Chodorkowski die russische Nomenklatura als Prozess der natürlichen Vernichtung. In Dissent erzählt Carlos Fraenkel, wie er Philosophie in Indonesien lehrte. In Elet es Irodalom blickt Laszlo Varga vom anderen Ende auf die Wende. Im Guardian singt Margaret Atwood ein Loblied auf Alice Munro. Walrus besucht Josef Skvorecky. Przekroj stellt Jacek Dukaj, den neuen Stanislaw Lem vor. Der Economist wittert ein Großes Geschäft.
Observator Cultural | Dissent | Folio | New Yorker | Elet es Irodalom | Guardian | Walrus Magazine | Przekroj | Times Literary Supplement | Nouvel Observateur | Wilson Quarterly | Economist | Espresso | New York Times | Al Ahram Weekly | ResetDoc | Lettre International | Esquire | Plus - Minus | American | Le Monde diplomatique
Observator Cultural (Rumänien), 13.10.2008
Wir haben vor einiger Zeit schon mal auf das phantastische Übersetzungsprojekt der rumänischen Kulturzeitschrift Observator Cultural hingewiesen. Inzwischen sind die Dinge vorangeschritten - und zwar auf Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, Niederländisch und Polnisch. Die erste Ausgabe war dem Schriftsteller Stefan Banulescu gewidmet, die zweite Gheorghe Craciun - mit einem Auszug aus Craciuns Roman "Pupa Russa" und einem Essay von Caius Dobrescu, der Craciun als "Bertrand Russell Wagner'schen Odems" vorstellt.
Die nunmehr dritte Ausgabe ist dem Autor Stelian Tanase gewidmet. Es gibt einige Dinge, "die ein potentieller Leser rumänischer Literatur gerne wüsste", behauptet einleitend und völlig zu Recht die Übersetzerin und Autorin Jean Harris, zugleich Direktorin des Übersetzungsprojekts. Zum Beispiel, dass "Rumänien Weltmeister im Geschichtenerzählen (ist), weil es Weltmeister der Regimewechsel ist". Bevor Harris konkret auf den Schriftsteller Stelian Tanase eingeht, gibt sie einen kurzen Abriss der rumänischen Geschichte und Grundvoraussetzung der rumänischen Literatur: "Langfristig betrachtet zählt die Feststellung, dass das rumänische Problem immer schon war, 'wie man es schafft, zu überleben'. Oft genug war es 'wie man es schafft, nicht zu sterben'. Und oft war es auch 'wie man stirbt' - wie man eine geistige Haltung findet, durch die man sich den Tod zum Freund macht. In diesem Kontext ist das Geschichtenerzählen auf mehreren Ebenen mit einer Erlösung gleichzusetzen." Bei Tanase speist sich diese geistige Haltung aus dem Blues.
Außerdem: eine kurze Vorstellung von Tanases Roman "Leuchtkörper" und eine Leseprobe.
Die nunmehr dritte Ausgabe ist dem Autor Stelian Tanase gewidmet. Es gibt einige Dinge, "die ein potentieller Leser rumänischer Literatur gerne wüsste", behauptet einleitend und völlig zu Recht die Übersetzerin und Autorin Jean Harris, zugleich Direktorin des Übersetzungsprojekts. Zum Beispiel, dass "Rumänien Weltmeister im Geschichtenerzählen (ist), weil es Weltmeister der Regimewechsel ist". Bevor Harris konkret auf den Schriftsteller Stelian Tanase eingeht, gibt sie einen kurzen Abriss der rumänischen Geschichte und Grundvoraussetzung der rumänischen Literatur: "Langfristig betrachtet zählt die Feststellung, dass das rumänische Problem immer schon war, 'wie man es schafft, zu überleben'. Oft genug war es 'wie man es schafft, nicht zu sterben'. Und oft war es auch 'wie man stirbt' - wie man eine geistige Haltung findet, durch die man sich den Tod zum Freund macht. In diesem Kontext ist das Geschichtenerzählen auf mehreren Ebenen mit einer Erlösung gleichzusetzen." Bei Tanase speist sich diese geistige Haltung aus dem Blues.
Außerdem: eine kurze Vorstellung von Tanases Roman "Leuchtkörper" und eine Leseprobe.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 09.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A21977/ahram.jpg)
ResetDoc (Italien), 13.10.2008
Der ägyptische Journalist Wael Abbas, Gründer des Blogs MisrDigital@l, erklärt im Interview, was Blogs für Ägypten bedeuten, aber auch für Marokko oder Bahrain und warum in Algerien die Radiosender wichtiger sind als Blogs. Sein ganz persönliches Credo: "Ich war schon als Kind von den politischen Parteien enttäuscht. ... Einige meiner Idees sind liberal, manche links, manche islamistisch, manche nationalistisch und diese Kombination - das bin ich. Ich und meine politischen Ansichten. Ich muss keiner Regel der Linken, der Liberalen oder der Islamisten gehorchen."
Außerdem: Amr Hashem Rabie, politischer Analyst am Ahram Centre for Political and Strategic Studies in Kairo erklärt in einem kurzen Interview, warum es keine Entwicklung - auch keine wirtschaftliche - ohne politische Veränderung sprich Demokratisierung in Ägypten geben wird. Und Mohammed Helmy, Forscher am Kairoer Institute for Human Rights Studies und Director des Magazins Ruwaq Arabi, analysiert im Interview das Kidnappinggeschäft in Ägypten.
Außerdem: Amr Hashem Rabie, politischer Analyst am Ahram Centre for Political and Strategic Studies in Kairo erklärt in einem kurzen Interview, warum es keine Entwicklung - auch keine wirtschaftliche - ohne politische Veränderung sprich Demokratisierung in Ägypten geben wird. Und Mohammed Helmy, Forscher am Kairoer Institute for Human Rights Studies und Director des Magazins Ruwaq Arabi, analysiert im Interview das Kidnappinggeschäft in Ägypten.
Lettre International (Deutschland), 01.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q24/A21957/lettre.jpg)
William Dalrymple untersucht die Verbindung von Liebeskunst und Spiritualität in Indiens Kultur, die offenbar einen wohltuenden Einfluss auf die Muslime hatte: "Interessanterweise bedeutete die islamische Herrschaft aber keinen Bruch mit der langen indischen Tradition des erotischen Schrifttums. Das "Kamasutra" überstand diese Zeit nicht nur, sondern es bekehrte mit der Zeit auch die ursprünglich prüden muslimischen Herrscher Indiens zu einem lustvollen Leben." Erst die christlichen Briten machten damit Schluss.
Auszüge lesen darf man außerdem aus Sergio Benvenutos Rückblick auf Paris im Jahr 1968. Iain Sinclairs Reportage über den Londoner Osten, der gerade den Olympischen Spielen 2012 zum Opfer fällt. Pascal Dusapins Antrittsvorlesung am Lehrstuhl für künstlerische Kreation am College de France. Georg Stefan Trollers Überlegungen zur Kunst des Interviews. Candace Allens leidenschaftlichem Plädoyer für Barack Obama.
Esquire (USA), 01.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q211/A21971/esquire.jpg)
Plus - Minus (Polen), 11.10.2008
In den höchsten Tönen lobt Pawel Lisicki Jaroslaw Maria Rymkiewiczs Essayband "Kinderszenen". Faszinierend und zugleich kontrovers liest sich dessen Interpretation des Warschauer Aufstandes: "Das Polentum entsteht im Zusammenprall mit sinnlosem Sterben, mit dem Nichts, mit der Furie des deutschen Tötens. Es ist die extreme Bedrohung durch den Untergang - wir hätten auch nicht überleben können, und dass macht unsere Identität aus."
Einen Parforceritt durch die jüngste polnische Literatur - von Olga Tokarczuks "Läufer", über Janusz Anderman, Jerzy Pilch und der Polit-Fiction der Publizisten Maciej Rybinski, Bronislaw Wildstein und Rafal Ziemkiewicz - unternimmt Krzysztof Maslon, um am Ende Inga Iwasiows Roman "Bambino" zu loben (das tut die Gazeta Wyborcza übrigens auch!): "Vielleicht ist das 'kleiner Realismus', aber ich war immer Befürworter solcher Literatur, die nicht von Regierenden und Mediengurus handelt, sondern von den Menschen in Plattenbauten, Betrieben und Bars, die etwas von der schwierigen, versteckten, schmerzlichen Wahrheit über uns offenbart. Wenn polnische Prosa heute etwas braucht, dann ist es so viel von diesem kleinen Realismus wie möglich, weil das Heute und das Gestern immer noch nicht beschrieben sind."
Einen Parforceritt durch die jüngste polnische Literatur - von Olga Tokarczuks "Läufer", über Janusz Anderman, Jerzy Pilch und der Polit-Fiction der Publizisten Maciej Rybinski, Bronislaw Wildstein und Rafal Ziemkiewicz - unternimmt Krzysztof Maslon, um am Ende Inga Iwasiows Roman "Bambino" zu loben (das tut die Gazeta Wyborcza übrigens auch!): "Vielleicht ist das 'kleiner Realismus', aber ich war immer Befürworter solcher Literatur, die nicht von Regierenden und Mediengurus handelt, sondern von den Menschen in Plattenbauten, Betrieben und Bars, die etwas von der schwierigen, versteckten, schmerzlichen Wahrheit über uns offenbart. Wenn polnische Prosa heute etwas braucht, dann ist es so viel von diesem kleinen Realismus wie möglich, weil das Heute und das Gestern immer noch nicht beschrieben sind."
American (USA), 01.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q210/A21909/american.jpg)
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 10.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q84/A21961/lemondediplo.jpg)
Dissent (USA), 12.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q63/A21956/dissent.jpg)
Folio (Schweiz), 06.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q8/A21948/folio.jpg)
Weitere Artikel: Karl Lüönd erzählt wie Gratiszeitungen Schweizer Verleger das Fürchten lehren. Lukas Egli schaut sich bei Youporn um. Fee Annabelle Riebeling beschreibt den "ausschließlich politisch motiviertem" Trend bei Menschen mit Geld, sich aus Mülltonnen ernähren. Und in der "Duftnote" materialisiert sich vor Luca Turin ein betörendes Gardenienhologramm.
New Yorker (USA), 20.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q19/A21972/ny.jpg)
Weiteres: Malcolm Gladwell untersucht unter der Überschrift "Spätzünder" zwei Typen von Kreativität und warum wir Genialität mit Frühreife gleichsetzen. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Sleep" von Roddy Doyle und Lyrik von Fred Seidel, Gary Snyder und Donald Hall.
Jeffrey Frank bespricht das erst jetzt in den USA erscheinende Romandebüt "Sehnsucht nach Sibirien" des norwegischen Schriftstellers Per Petterson. Und Anthony Lane sah im Kino Madonnas Regiedebüt "Filth and Wisdom", den Krimi ihres Mannes Guy Ritchie "Rockn'Rolla" und die Komödie "What Just Happened?" von Barry Levinson.
Elet es Irodalom (Ungarn), 10.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A21980/es.jpg)
Guardian (UK), 11.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q75/A21958/guardian.jpg)
Walrus Magazine (Kanada), 01.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q127/A21978/walrus.jpg)
Przekroj (Polen), 09.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q116/A21973/przekroj41.jpg)
Bei "Przekroj" online zwar nicht zu sehen, aber auf der Webseite des Autors wiedergefunden: Christopher Herwigs surreale Bilder sowjetischer Bushaltestellen in Mittelasien. Wirklich klasse!
Times Literary Supplement (UK), 10.10.2008
Total hin und weg ist Nicholas Stargardt vom "meisterhaften" dritten Band der "Geschichte des Dritten Reichs" von Richard J. Evans. Anders als etwa Joachim Fest unterstellt habe, zeige Evans, dass der Krieg nicht wegen Hitlers inkompetenter Einmischung in militärische Angelegenheiten verloren wurde, nein, die deutschen Generäle waren einfach nicht auf Zack. "Professor Evans ist kein Bewunderer von Hitlers Intelligenz, aber er zeigt doch sorgfältig auf, dass dessen militärische Interventionen nicht besonders irrational waren. Zwei viel diskutierte waren die Verschiebung des Angriffs auf Moskau und der Rückzug aus der Schlacht um Kursk zwei Jahre später. Evans zeigt, dass die deutschen Generäle keine besseren Pläne hatten: Auch sie dachten, dass die Sowjetunion viel leichter zu besiegen sein würde als Frankreich. Und über allem hingen sie der preußischen Tradition an, nach der entscheidenden Schlacht zu suchen, die jede Gegenwehr zerstören würde. Auch sie trieben rücksichtslos an, statt zu verlangsamen und Vorbereitungen für den Winter in Russland zu treffen."
Nouvel Observateur (Frankreich), 09.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q9/A21975/nouvelobs.jpg)
Weiteres: In einem Gespräch anlässlich des 11. Historikertreffens in Blois plädieren der Regisseur Claude Lanzmann und der Historiker Pierre Nora für die Unabhängigkeit der Zunft und verwahren sich gegen die in Frankreich zunehmende staatliche Verordnung von Erinnerungsformen und -inhalten. Während Lanzman unter anderem besonders "die Idee einer Konkurrenz der Opfer" abstößt, findet Nora, dass Inhalte des Geschichtsunterrichts eine Sache "für den klassischen Behördenweg, also für Lehrausschüsse" sei, und nicht per Gesetz geregelt werden dürften.
Wilson Quarterly (USA), 01.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q212/A21979/wilson.jpg)
Economist (UK), 09.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A21970/economist.jpg)
In weiteren Artikeln geht es um die in nachwachsenden Generationen offenbar rapide zunehmende Freude an papierloser Organisation des Arbeitsalltags und um Phänomene wie künstliche Knappheit und Oligopolbildung auf dem Feld wissenschaftlicher Publikationen. Besprochen werden unter anderem Simon Schamas neues, offenbar eher durchwachsenes Buch "Die Zukunft Amerikas: Eine Geschichte" (Website), Edmund Whites "Rimbaud"-Biografie (Verlagswebsite), die Ausstellung "Picasso und die Meister" und eine große Emil-Nolde-Schau ("Entdeckung eines expressionistischen Meisters" freut sich der Kritiker), beide in Paris (Picasso hier, Nolde da).
Auf dem Titel saust - physikalisch etwas fragwürdig - ein Globus unter der Überschrift "Das System Retten" nach unten: Neben der Titelgeschichte gibt es eine Fülle von Artikeln zur Finanzkrise, dazu kommt ein "Sonderteil zur Weltwirtschaft" (hier die komplette Inhaltsübersicht).
Espresso (Italien), 10.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A21985/espresso.jpg)
New York Times (USA), 12.10.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A21959/nyt.jpg)
Im Aufmacher schreibt Michael Pollan einen Brief an den zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er möchte sich bitte um die Lebensmittelpolitik kümmern. Dabei gehe es nicht nur um die Preise, vielmehr "muss das gesamte Lebensmittel-System reformiert werden: Bevor Sie das nicht getan haben, werden Sie keinen nennenswerten Fortschritt in der Gesundheitsvorsorge, unabhängiger Energie oder dem Klimawandel machen. Zu diesen Fragen haben Sie sich in Ihrer Wahlkampagne geäußert, nicht aber zur Lebensmittelkrise. Wenn Sie sich dieser Krise zuwenden, werden Sie schnell entdecken, dass die Art, wie wir gegenwärtig in Amerika Lebensmittel anpflanzen, verarbeiten und essen ins Herz aller drei Probleme zielt. Lassen Sie mich das erklären." Das tut Pollan dann auf ausgedruckt 13 Seiten.
Außerdem: Was tut ein Unternehmen, um seine Produkte an den Mann zu bringen? Anzeigen schalten? War gestern. Heute stellt es eine Seite ins Internet, die nicht nur über die Produkte, sondern auch über alles drumrum informiert. Und so den Kunden zum Fan macht. "FreshDirect ist ein perfektes Beispiel", verkündet Virginia Heffernan. Deborah Solomon interviewt den Dokumentarfilmer Robert Kenner zu seinem Film "Food Inc.", der laut Variety "für die Supermärkte das sei, was 'Der weiße Hai' für die Strände war".
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