Magazinrundschau - Archiv

Los Angeles Review of Books

23 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 3

Magazinrundschau vom 20.06.2023 - LA Review of Books

Die Filme des postrevolutionären Iranischen Kinos und besonders das Werk Abbas Kiarostamis entstanden unter den Zensurauflagen eines autokratischen Regimes, avancierten aber dennoch zu einer veritablen Erfolgsgeschichte des jüngeren Autorenkinos. Diese Paradoxie kann laut Abe Silberstein auch der amerikanische Filmkritiker Godfrey Cheshire in seinem Buch "In the Time of Kiarostami" nicht ganz auflösen. Streng genommen ist die "Time of Kiarostami" freilich spätestens seit dem Tod des Regisseurs im Jahr 2016 zu Ende. Tatsächlich stellt sich die Situation des iranischen Kino heute ganz anders dar, meint Silberstein: "In den letzten Monaten sind die Iraner für 'Frauen, Leben, Freiheit' auf die Straße gegangen - als jüngstes Anzeichen eines Widerstands, den die Islamische Republik zu unterdrücken versucht. Der Filmemacher Jafar Panahi gilt inzwischen als so gefährlich, dass er mit Arbeitsverbot belegt und mehrmals inhaftiert wurde, unter anderem im vergangenen Jahr für sechs Monate. Die Genialität seines jüngsten Werks 'No Bears' (2022), eines der besten Filme des laufenden Jahrzehnts, lässt sich nicht von der realen Verfolgung trennen, der der Regisseur ausgesetzt ist. Seine Kunst ist nicht zuletzt aufgrund der Umstände, unter denen sie entstanden ist, außergewöhnlich. Ist das vielleicht der Grund, warum der iranische Film den Westen in den letzten Jahrzehnten so fasziniert hat? Geht es um tatsächliche und vermeintliche Qualitäten, die von einer gewissen Klugheit unter Druck zeugen? Wenn ja, sollte man sich dem schrecklichen Unbehagen, das das 'Genießen' dieser Kunst mit sich bringt, nicht entziehen. Doch wenn man die Filme als Produkt einer reichhaltigen persischen Kultur begreift, die vor dem gegenwärtigen Autoritarismus entstanden ist, dann verspricht das eine gewisse Erleichterung oder sogar Hoffnung. Der Tag wird kommen, an dem diese Werke in einem Iran, der frei von Theokratie und Diktatur ist, neu gewürdigt werden."

Magazinrundschau vom 23.05.2023 - LA Review of Books

Als heilsames Korrektiv zu den gegenwärtig tobenden Kulturkämpfen liest Robert N. Watson das Plädoyer des in Harvard lehrenden Literaturwissenschaftlers Martin Puchner für Offenheit und Vielfalt der Kulturen: "Culture: The Story of Us, from Cave Art to K-pop". Wenn vielleicht auch etwas zu optimistisch zeige Puchner durch die gesamte Geschichte hindurch, dass Kultur nie etwas Abgegrenztes oder Abgrenzbares war. Damit stellt er sich sowohl gegen das linke Tabu der kulturellen Aneignung wie gegen rechte Ablehnung von Einwanderung und Multikulturalismus. Auch ein Wole Soyinka sei von vielen Einflüssen geprägt, von der antiken Oyo- und der modernen Yoruba-Kultur, vom britischen Kolonialsystem ebenso wie von Shakespeare und der griechischen Tragödie. Am Ende tröstet sich Watson nur halb damit, dass die geisteswissenschaftlichen Fakultäten in den USA nicht wirklich von maoistischen Kulturrevolutionären heimgesucht werden: "Das Ende der unhinterfragten akademischen Verehrung für die 'westliche Zivilisation' stellt keine solche Bedrohung dar; im Großen und Ganzen scheint es ein wertvolles Korrektiv zu sein. Dennoch fällt es leicht, Puchners Bestürzung über 'die Arroganz späterer Generationen' zu teilen, 'die kostbare kulturelle Artefakte und Praktiken geringschätzen, weil sie nicht mit den religiösen, sozialen, politischen oder ethischen Idealen des Augenblicks übereinstimmen'. Nathan Hellers vieldiskutierter Artikel im New Yorker über den Niedergang des Hauptfachs Englisch zitiert einen jungen, nicht-weißen Harvard-Professor, der diesen Niedergang bedauernd auf Studenten zurückführt, 'die mit dem Gefühl an die Universität kommen, dass die unaufgeklärte Vergangenheit nichts mehr zu lehren hat'. Für einen überzeugten Shakespeare-Prof wie mich ist es frustrierend, dass so viele Kollegen darauf bestehen, dass das Wichtigste, was man den Schülern über Shakespeare beibringen muss, die Tatsache ist, dass er ein Vertreter der weißen Vorherrschaft war und eine tiefe Mitschuld an allen späteren Übeln des Rassismus und der Sklaverei trägt. Ganz allgemein ist die Annahme, dass Menschen in der Vergangenheit, die nicht wie 'wir' klingen, idiotisch oder unmoralisch gewesen sein müssen, schockierend ich-zentiert. Vielleicht hat die akademische Welt ihr Ziel, die Ehrfurcht vor den alten Kulturhelden zu beschneiden, tatsächlich zu gut erreicht."

Magazinrundschau vom 11.10.2022 - LA Review of Books

Die belarussische Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch erzählt im Gespräch, wie sie ihre Interviews zu einem polyphonischen Gesang fügt. Sie spricht auch über Tschernobyl und das neue Buch an dem sie gerade arbeitet, über die Revolution in Belarus: "Dort gab es einen Versuch einer Revolution, einer friedlichen Revolution. Im 21. Jahrhundert brauchen wir keine Explosionen mehr, um eine Diktatur zu beseitigen. Aber es hat nicht geklappt, und viele Menschen, Millionen von Weißrussen, mussten fliehen, auch ich. Ich versuche, darüber zu schreiben, und ich habe diese Dinge auf meinem Schreibtisch, aber ich möchte die Geschichte beenden, was mit dem Roten Menschen, der Mensch der Roten Idee, passiert. Wir dachten, es sei alles vorbei, der Kommunismus sei tot, die Diktatur sei tot, aber nein, es geht weiter und weiter. Ich dachte, ich wäre mit dem Buch fast fertig, und dann begann der Krieg in der Ukraine, und mir wurde klar, dass ich weiterschreiben muss, weil alles miteinander verbunden ist. Ich muss hinzufügen, was dort passiert. Dieser rote Mensch träumte von der Freiheit, und sie schien in greifbarer Nähe zu sein. Aber wir wussten nicht, was für eine langwierige Arbeit das sein würde. Wenn man sein ganzes Leben in einem Gefangenenlager verbracht hat, wird man nicht frei, wenn man entlassen wird. Das ist nicht das, was Freiheit ist. Man befindet sich nur in einem anderen Raum. Wir hatten unseren Versuch einer friedlichen Revolution, jetzt haben wir den Krieg in der Ukraine, wir haben jetzt den russischen Faschismus. So weit ist es gekommen, eine neue Art von Faschismus. Das Buch geht also weiter, denn das Leben geht weiter. Ich habe das Gefühl, dass ich das ganze Buch neu schreiben muss. Ich habe so viel Material, und ich kann einfach nicht aufhören."

Magazinrundschau vom 11.01.2022 - LA Review of Books

Hört man so die Experten in den Medien, fällt einem immer die Tendenz auf, Wladimir Putins Verhalten als rational zu analysieren. Was ist aber, wenn es nur Irrationalität mit Methode ist - denn auch Wahnsinn hat seine Logik. So in etwa lauten die bangen Fragen Peter Pomeranzevs in der LA Review of Books: "Putin hat Hunderttausende von Soldaten an die ukrainische Grenze verlegt und lässt nun die ganze Welt rätseln, ob er eine tatsächliche Invasion beabsichtigt oder ob das alles nur psychologische Kriegsführung ist, um den Vereinigten Staaten Zugeständnisse abzuringen. Die Gespräche in meinem Kreis von Osteuropaforschern in Washington DC und in meinem Kopf drehen sich ständig im Kreis. Sind seine wilden Behauptungen, die Amerikaner würden biologische Waffen in der Ukraine platzieren, ein Zeichen von Wahnsinn oder nur eine 'mad-man theory', die besagt, dass man wie ein Verrückter handeln muss, um einzuschüchtern? Aber ist verrückt zu handeln nicht schon eine Art von Wahnsinn? Was ist, wenn der Schauspieler von seiner Rolle fortgerissen wird? Ist er so weit gegangen, dass er nun eine Art Invasion braucht, um sie durchzuhalten? Und ist es immer noch ein psychologische Kriegsführung, wenn es eine echte Invasion gibt, um sie glaubhaft zu machen?"
Stichwörter: Putin, Wladimir

Magazinrundschau vom 09.03.2021 - LA Review of Books

Uilleam Blacker stellt den ukrainisch-sowjetischen Dichter Mykola Baschan vor, dessen frühe Gedichte gerade ins Englische übersetzt wurden. Baschan war eine komplexe Figur: In seiner Jugend tendierte der jüdische Dichter zum Westen und musste in den dreißiger Jahren ernsthaft befürchten, von der Geheimpolizei abgeholt zu werden. Der Zufall wollte es, dass ein Gedicht von ihm Stalin so gut gefiel, dass er ihn mit dem Leninorden auszeichnete. Baschan trat in die Partei ein und wurde Teil des sowjetischen Apparats - aber nicht ganz. Immer ist etwas Ambivalentes in seinen Gedichten zu entdecken, schreibt Blacker. "Abweichungen vom offiziellen Diskurs finden sich zum Beispiel in 'Ghetto in Uman' (1929), das die Notlage der alten jüdischen Gemeinde von Baschans Heimatstadt beschreibt. Das Gedicht, das in einer charakteristischen expressionistischen Tonart geschrieben ist, stellt diese Gemeinde als rückständig und abergläubisch dar ('Buckeliges, altes Zion' mit seinen 'dünnen, wütenden Synagogen'), und spiegelt damit eine allgemeine sowjetische Ablehnung traditioneller religiöser Gemeinschaften wider. Doch Baschans Darstellung des düsteren Ghettos ist alles andere als eine Propagandatirade. Die jüdische Gemeinde von Uman erscheint belagert und prekär, geprägt von jahrhundertelanger Isolation und Verfolgung ('erschöpftes, verleumdetes Volk!'), doch würdevoll in ihrem Leiden. Die Kosaken, oft genug das Instrument dieser Verfolgung waren, erscheinen als eine 'verzweifelte Bande'."

Magazinrundschau vom 04.08.2020 - LA Review of Books

Jesse McCarthy versucht uns anlässlich eines gleichnamigen Buchs von Frank Wilderson zu erklären, was "Afropessimismus" ist. Es bleibt eher vage: Schwarzsein als sozialer Tod, als auf ewig ans Sklavensein gebunden, ohne Rettung, weil die Gewalt gegen Schwarze Grundvoraussetzung heutiger Zivilgesellschaften sei (mehr in der Wikipedia). In einem sehr ausführlichen Text setzt sich McCarthy mit dieser Theorie, die keine sein will, auseinander. Aber mit Wildersons Buch wird er nicht warm. Die Einebnung jeder historischen Realität geht ihm spürbar auf die Nerven: "Die Plantage ist überall und immer. Sie ist ontologisch, was bedeutet, dass sie transhistorisch allen Schwarzen, unabhängig von ihrer sozialen Stellung, zugeordnet ist. Wie weit geht das? In seiner akademischen Monografie über Filmwissenschaften, 'Red, White & Black' (2010), behauptet Wilderson unverblümt, dass schwarze Akademiker keine Subalternen im akademischen Betrieb sind, sondern 'Sklaven ihrer Kollegen'. Ist Herablassung im Vorlesungssaal wirklich dasselbe, wie ausgepeitscht, an der Straßenecke mit Steinen beworfen oder als Jugendlicher auf Rikers Island in Isolierhaft gesteckt zu werden?" Da hält McCarthy es lieber mit anderen schwarzen TheoretikerInnen: "Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass Fred Hampton, bevor er ermordet wurde, die armen Weißen ermutigte, ihre Position mit der der armen Schwarzen zu vergleichen. Zum Zeitpunkt seiner Ermordung befürwortete Malcolm X rassenübergreifende Koalitionen und bemühte sich aktiv darum, sie in seine neue Organisation zu integrieren. Ella Baker förderte aktiv die Vertiefung der organisatorischen und aktivistischen Verbindungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften, indem sie den gemeinsamen Kampf und die gemeinsame Unterdrückung betonte. Welche Beweise haben wir andererseits dafür, dass die Macht hinter dem Status quo bei dem Gedanken erbebt, Schwarze könnten sich in Isolation versammeln, um das Ende der Welt zu betrauern?"

Magazinrundschau vom 17.03.2020 - LA Review of Books

In der aktuellen Ausgabe der LA Review of Books erinnert der amerikanische Philosoph Costica Bradatan an den großen Umberto Eco, der vor vier Jahren starb und wahrscheinlich noch im Grab weiter fabuliert: "Zu sagen, Eco sei ein gefräßiger Leser gewesen, trifft es kaum. Nicht er hat die Bücher, sie haben ihn verschlungen. Was eine Bibliothek vor allem zu bieten hat, ist nicht das Lernen (das geht online), sondern eine grundlegende existenzielle Desorientierung. Die Bibliothek gibt keine Antworten, sondern fördert noch mehr Fragen. Mancher sucht sie auf für Erleuchtung, aber er wird sich verlieren. 'Die Bibliothek ist ein großes Labyrinth, ein Symbol für das Labyrinth der Welt. Du betrittst es, ohne zu wissen, ob du je wieder herausfindest', sagt Bruder William von Baskerville in 'Der Name der Rose'. Mit viel Selbstbewusstsein gehst du als Buchliebhaber hinein, und zerschmettert, als Schatten deiner selbst, kommst du heraus, wenn du je herauskommst. Und das ist das beste. Zerschmettert zu werden, ist möglicherweise das Großartigste, was dir passieren kann, wenn du auf der Suche nach Bedeutung bist, so wie Eco es zeitlebens war. Wie setzen wir uns also wieder zusammen? Am besten mit einer guten Geschichte, denn Bedeutung ist vor allem eine narrative Angelegenheit. Daher ist Religion die beste Bedeutungsquelle des Menschen: eine reife Religion bringt alles erzählend ins Dasein", glaubt Bradatan. Doch auch als Eco längst nicht mehr glaubte, "konnte er sich immer ins Dasein zurück fabulieren. Dem Roman wendete er sich erst mit 48 zu, doch ob er nun über Semiotik, Philosophie, Ästhetik oder das Mittelalter schrieb, an Lehrbüchern, Essays, Zeitungstexten arbeitete - er war immer ein Erzähler."
Stichwörter: Eco, Umberto, Mittelalter

Magazinrundschau vom 19.03.2019 - LA Review of Books

Bei der Lektüre von Mark Fishers Buch "k-punk", einer nach Fishers Suizid vor zwei Jahren zusammengestellten Auswahl seiner umfangreichen Blog-Notizen und Essays, kommen Richard Luckhurst mitunter die Tränen angesichts dieses enormen intellektuellen Verlusts. Zugleich wird hier nochmals die prekarisierte Position vitaler intellektueller Gegenwartsauseinandersetzung unter den gegenwärtigen Bedingungen kenntlich - weder der akademische Betrieb, noch der Musik- und Kulturjournalismus bieten dafür noch eine verlässliche Heimat. Dass Fisher insbesondere in einem (kaum monetarisierbaren) Blog einen Wirkungsort gefunden hat, ist für Luckhurst daher kein Zufall: "Fisher schreibt darüber, wie er sich als Arbeiterklassenkind ohne Zugang zu Büchern für den New Musical Express begeisterte: Das Magazin bot ihm eine unorthodoxe Bildung in Politik und Philosophie, gefiltert durch eine leidenschaftliche Verteidigung der Post-Punk-Szene. Der NME stand für 'die Legitimität und Notwendigkeit, Urteile zu fällen'. Dieser Geist bestimmte auch seine Blog-Posts. K-Punk war das Resultat der Ausweidung der wöchentlichen Musikmagazine, die in den 90ern kollabierten und durch teure, von Hippies im mittleren Alter geführte Monatshefte ersetzt wurden (sowohl für den NME als auch für Fisher stellten Hippies die mutmaßlich niederste Lebensform auf diesem Planeten dar). Als Fisher darauf stieß, dass Simon Reynolds Musik online in Form eines frühen Blogs kommentierte, erkannte er sofort das Potenzial dieser Form, den 'Do it yourself'-Punk-Ethos wiederzubeleben. Aus k-punk wurde ein Bestandteil eines ganzen Klusters ähnlich gesinnter Musikblogs. Aber Fishers Schreiben durchtränkte sie mit einem Sinn für die Situation der Musik innerhalb kultureller Politik. Das Potenzial neuer Technologien zu erkennen und sie dann der anschmiegsamen Kapitalisierung durch Unternehmen zu entreißen, ist ein Markenzeichen der historischen Avantgarde. Fisher begann mit dem Bloggen, um den Beschränkungen sowohl der Musikpresse, als auch dem verkalkten Zustand des akademischen Schreibens zu entkommen. K-Punk war ein Dissident der akademischen Linken - und zwar hinsichtlich Position und Form. Er verweigerte sich den sonderbaren Prosa-Orthodoxien des akademischen Betriebs sowie seiner Ehrerbietigkeit, Zurückhaltung und seinem schneckenlangsamen Tempo."

Magazinrundschau vom 17.04.2018 - LA Review of Books

Ein Buch, dessen Figurenpersonal sich ausschließlich aus der Welt der Bäume rekrutiert, hat Richard Powers mit seinem neuen Roman "The Overstory" zwar nicht vorgelegt, doch in den Fingern hat es ihn dazu schon gekitzelt, gesteht er im Gespräch gegenüber Everett Hammer. Ohnehin haben ihn jüngere Entfremdungserlebnisse mit der Welt des Digitalen weiter zur Natur gedrängt und ihn auf einige Versäumnisse der Gegenwartsliteratur aufmerksam gemacht: Diese fokussiere noch immer stark persönliche und psychologische Facetten. "Wann immer Autoren wie Don DeLillo oder Lydia Millet oder Kim Stanley Robinson aus der Überschaubarkeit des Privaten und Häuslichen ausbrechen, ist der Effekt berauschend: 'Oh, es steht ja tatsächlich Größeres auf dem Spiel'. Das ist paradox: Während die Herausforderung des Fortbestands der Menschheit auf diesem Planeten nie größer und deutlicher vor uns lag, scheint sich die Literatur in einer Obsession für die privaten Hoffnungen, Ängste und Wünsche einzurichten. Sicher, diese Herausforderungen machen den Kern all unseres Tuns aus. Doch wenn der menschliche Einfluss auf die Umwelt das Klima auf den Kopf stellt, den Boden auslaugt und das Verschwinden von vierzig Prozent aller Spezies zur Folge hat, dann stellt der Rückzug ins Schöngeistige nichts als einen reaktionären Solipsismus dar. Wir brauchen Geschichten und Mythen, die sich mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt befassen, wir brauchen viele davon und rasch und in allen Formen und Farben."

Magazinrundschau vom 20.03.2018 - LA Review of Books

Wer herrscht heute an den Universitäten? Bestimmt nicht die Professoren. Sei wurden abgelöst von der Verwaltung, die selbst für Studenten heute wichtiger ist als jeder Lehrer, schreibt Ron Srigley, Professor für Philosophie und Religionswissenschaften in Toronto, in einem epischen, aber gut zu lesenden Text über den Niedergang amerikanischer und kanadischer Universitäten sowie das Absinken des allgemeinen intellektuellen Niveaus. Das liegt daran, dass nicht mehr Wissen und Verstehen das wahre Ziel der Universität ist. Woran liegt das? "Ausgenommen einiger Schlüsselwissenschaften und Technologieprogramme, in denen inhaltliche Kenntnisse unabdingbar sind, sind heute verwaltungstechnische Effizienz und verwaltungstechnisches Denken die wahren Ziele der Institution. Die Geisteswissenschaften und Künste werden durch Technologie und technologische Arten der Erziehung still und leise umgemodelt, so dass ihr 'Inhalt' dafür sorgt, dass geliefert wird, was die Universität wirklich will - angepasste, in Verwaltungsbegriffen denkende Menschen, die die Verwaltungswelt bevölkern, die wir für sie geschaffen haben. Die verborgene Annahme dahinter ist, dass es unwichtig ist, was Studenten wissen oder wie intelligent sie sind, wichtig ist, wie gut und wie häufig sie Leistung zeigen und wie wir das endlich messen können."