Magazinrundschau
Er war gefährlich unabhängig
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
23.05.2023. Die London Review beobachtet ein Erstarken des nationalen Konservatismus auch in Britannien. Persuasion fürchtet sich vor Populisten wie El Salvadors Nayib Bukele oder Singapurs Lee Kuan Yew, die ihr Volk einen, nicht spalten, und dabei auch noch für Wohlstand sorgen. In Pritomnost stellt der tschechische Regisseur Petr Nikolaev den jüdischen Reformkommunisten František Kriegel vor, über den er ein Biopic gedreht hat. Im Filmdienst ärgert sich Lars Henrik Gass über eine staatliche "Filmbildung", die jede Lust aufs Anderssein untergräbt. Die LA Review of Books fragt sich mit Martin Puchners Buch "Culture", wie Kultur und Akademia so schockierend ich-zentriert werden konnten. Nicht die Künstler sind langweilig geworden, sondern wir, ihr Publikum, meint Tablet.
London Review of Books (UK), 01.06.2023

Persuasion (USA), 22.05.2023

Yascha Mounk kritisiert scharf die Ausladung russischer Dissidenten vom Pen-Festival "World Voices" (Masha Gessen ist wegen dieses Vorgangs aus dem Vorstand des Pen America ausgetreten, unser Resümee). Man stelle sich vor, Thomas Mann, Bert Brecht, Albert Einstein oder Marlene Dietrich hätte in Amerika während des Zweiten Weltkriegs die Nazis nicht kritisieren dürfen, weil sie Deutsche waren. "Der moralische Rang eines Menschen wird nicht durch seine Nationalität definiert", erinnert Monk. "Zwei Dinge machen diese Episode in meinen Augen besonders bemerkenswert, denn beide zeigen, wie tief der Verfall liberaler Prinzipien und die Angst vor moralischer Verunreinigung inzwischen in den Mainstream eingedrungen sind. Das erste ist, dass eine Organisation von Schriftstellern sich nicht in der Lage sah, die Unterscheidung zwischen einer Person und der Nation, aus der sie stammt, aufrechtzuerhalten. Wer wird den Vorrang des Individuums und seines Gewissens vor dem Ruf nach zugeschriebener Identität und Kollektivschuld verteidigen, wenn eine Organisation von Schriftstellern - die die ersten sein sollten, die die Menschheit in ihrer ganzen glorreichen Komplexität anerkennen - dazu nicht in der Lage ist? Zweitens sind die Personen, die diese Entscheidung getroffen haben, wohl kaum Mitglieder der illiberalen Linken (oder, was das betrifft, der illiberalen Rechten). Suzanne Nossel, die Geschäftsführerin der Organisation, setzt sich grundsätzlich für die Redefreiheit ein. Ayad Akhtar, der Präsident des PEN und ein wunderbar nuancierter Romancier, hatte sogar den Mut, sich auf der Gala der Organisation im letzten Jahr subtil gegen linke Formen der Stempelkultur zu wehren. Ich kenne und respektiere beide, und ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, unter welchem Druck sie in den letzten Tagen gestanden haben müssen. Aber Prinzipien sind nur dann wichtig, wenn wir in der Lage sind, sie auch zu ehren, wenn es schwierig ist, ihnen gerecht zu werden".
Pritomnost (Tschechien), 23.05.2023

Hier der Trailer zum Film:
Film-Dienst (Deutschland), 17.05.2023

The New Atlantis (USA), 01.05.2023

HVG (Ungarn), 18.05.2023

LA Review of Books (USA), 23.05.2023

Tablet (USA), 16.05.2023

Qantara (Deutschland), 16.05.2023

Außerdem: Frauen, Homosexuelle und Atheisten leben gefährlich im Iran. Aber auch die schiitische Geistlichkeit muss sich langsam um ihre Sicherheit sorgen, berichtet Ali Sadrzadeh.
Harper's Magazine (USA), 01.06.2023

Hier eine Einführung in das Leben und Werk Dunbars in Text und Video:
Der ehemalige Atlantic-Redakteur Benjamin Schwarz und der Politologe Christopher Layne hantieren in der Titelgeschichte "Why Are We in Ukraine?" nur mit den ganz großen Bausteinen wie einst Herfried Münkler, bevor er lernen musste, dass die Ukraine existiert. Die Nato ist demnach immer nur dabei zu expandieren, während Russland, das sich auf seiner bescheidenen Fläche umzingelt fühlt, immer nur warnt. Und da die Nato das Hauptinstrument der amerikanischen Hegemonie ist, während die osteuropäischen Länder rätselhafter Weise aus eigenen Antrieb in sie drängten, ist am Ende Amerika schuld, wenn Putin auf den roten Knopf drückt.
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